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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 25.11.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 93/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2087
BGB § 2229 Abs. 4
BGB § 2247 Abs. 1
BGB § 2247 Abs. 5 Satz 1
Zur Frage der Formwirksamkeit eines eigenhändigen Testaments, wenn der Erblasser die Namen im Testament begünstigter Personen gestrichen und durch die Namen anderer Personen ersetzt hat.
Gründe:

I.

Die im Alter von 76 Jahren verstorbene Erblasserin hatte keine Kinder. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind Geschwister der Erblasserin. Die Erblasserin war in zweiter Ehe verheiratet; ihr Ehemann ist vor ihr verstorben. Aus der ersten Ehe ihres Ehemanns entstammen zwei Kinder, die Beteiligten zu 14 und 15. Die Erblasserin hatte zwanzig Neffen und Nichten, die Beteiligten zu 3 bis 13 und 16 bis 23 sowie einen weiteren Neffen, der die Erbschaft ausgeschlagen hat. Die Beteiligten zu 24 bis 27 sind dessen Kinder.

Mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 31.5.2000 war für die Erblasserin Betreuung angeordnet worden. Der psychiatrische Sachverständige war in dem vom Gericht im Betreuungsverfahren erholten Gutachten vom 10.5.2000 zu dem Ergebnis gekommen, bei der Erblasserin liege ein fortgeschrittenes dementielles Syndrom bei seniler Demenz vom Alzheimer-Typ vor.

Am 20.12.1989 hatten die Erblasserin und ihr Ehemann auf einer Urkunde eigenhändig geschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügungen getroffen. Diese lauten auszugsweise: "TESTAMENT:

1) Ich setze meinen Ehemann zum alleinigen Erben meines gesamten Nachlasses in.... ein. Einschließlich des Darlehens von 9000,00 DM, das die Eheleute -... erhalten haben.

2) Sollte mir und meinem Ehemann gemeinsam etwas zustoßen, dann erbt meine Nichte... (Beteiligte zu 8), die Eigentumswohnung. Die Wohnung mit Grundstücksanteil darf nicht verkauft werden. Nacherben sind ihre 6 Kinder ....".

In Ziffer 2 des Testaments ist der Name der Beteiligten zu 8 gestrichen und handschriftlich durch den Namen der Beteiligten zu 3 ersetzt. Außerdem ist der Textteil "ihre 6 Kinder ..." gestrichen und handschriftlich durch den Text "2 Töchter...." ersetzt. Das Testament enthält folgende weitere Verfügungen der Erblasserin:

"3) Das nach Begleichung sämtlicher Unkosten, noch vorhandene Bargeld, aus den Festkonten, dem Darlehensvertrag über 9000,00 DM und dem Erlös des vorhandenen Autos sowie event. Verkauf von Möbel und Hausrat soll zu gleichen Teilen an meine Nichten und Neffen sowie die beiden Kinder meines Mannes aufgeteilt werden."

Daran anschließend enthält das Testament der Erblasserin unter Ziffer 4 eine numerierte Liste von 13 Personen, wobei unter Nummern 1 bis 11 die Beteiligten zu 3 bis 13 und unter Nummern 12 und 13 die Beteiligten zu 14 und 15 genannt werden. Diese Liste ist im Testament gestrichen. Der sich an die gestrichene Liste anschließende Text des Testaments lautet wie folgt:

"Sollte mir allein etwas zustoßen dann erben die von 1 - 11 angegebenen Personen aus der Hälfte der Festkonten zu je gleichen Teilen.

In diesem Falle setze ich meinen Ehemann als Testament-Vollzugsberechtigten ein.

Sollte der Fall 2 + 3 eintreten, soll mein Bruder... (Beteiligter zu 1) Testament-Vollzugsberechtigt sein. 20. Dezember 1989."

An diese eigenhändige Verfügung der Erblasserin schließt sich folgende eigenhändige Verfügung des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin an:

"Ich erkläre mich mit der testamentarischen Niederschrift meiner Ehefrau einverstanden und setze meine Ehefrau nach meinem vorherigen Ableben als Allein-Erben ein.

20. Dezember 1989."

Neben dem Testament vom 20.12.1989 liegt ein handschriftliches unvollendetes und nicht unterschriebenes Schriftstück der Erblasserin vor. Dieses ist ebenfalls mit "Testament" überschrieben und inhaltlich eine Abschrift der ersten Teile des Testaments vom 20.12.1989 in der geänderten Fassung, so dass unter Ziffer 2 ausschließlich die Beteiligte zu 3 und deren Kinder als Begünstigte namentlich benannt sind. Nach den Worten "soll zu gleichen Teilen" in Ziffer 3 bricht der Text des Schriftstücks ab.

Der Beteiligte zu 1 hat am 20.2.2001 erklärt, er nehme das Amt des Testamentsvollstreckers nicht an.

Der Wert des Nachlasses beläuft sich auf ca. 554000 DM, wobei ca. 286000 DM auf die Eigentumswohnung und ca. 268000 DM auf das sonstige Vermögen entfallen.

Die Beteiligte zu 3 ist der Auffassung, gemäß der abgeänderten Fassung des Testaments vom 20.12.1989 zu 3414/6094 Erbin der Erblasserin geworden zu sein. Diese Erbquote ergebe sich zunächst aus dem vollen Wert der ihr zugewendeten Eigentumswohnung (286/554 des gesamten Nachlasses). Das sonstige Vermögen sei zu gleichen Teilen auf die im Testament namentlich genannten 11 Neffen und Nichten (Beteiligte zu 3 bis 13) aufzuteilen, so dass sich die jeweiligen Anteile am Nachlass auf 268/6094 beliefen.

Die Beteiligte zu 3 beantragte die Erteilung eines Erbscheins des Inhalts, dass die Erblasserin von der Beteiligten zu 3 zu 3414/6094 (286/554-Anteil zuzüglich ein 268/6094-Anteil) und von den Beteiligten zu 4 bis 13 zu je einem 268/6094-Anteil beerbt worden und bezüglich eines 3146/6094-Anteils der Beteiligten zu 3 Nacherbfolge angeordnet sei. Das Recht der Nacherbfolge erstrecke sich nur auf das Grundstück. Die Nacherbfolge trete beim Tode des Vorerben ein, Nacherben seien die zwei Töchter der Beteiligten zu 3.

Die Beteiligte zu 8 hat geltend gemacht, die im Testament vom 20.12.1989 vorgenommenen Änderungen seien rechtlich ohne Bedeutung. Sie hat gestützt auf die ursprüngliche Fassung des Testaments die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Erbin ausweisen sollte.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 31.7.2001 die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 3 und 8 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 3 hat das Landgericht mit Beschluss vom 25.6.2002 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 3 mit ihrer weiteren Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und zur teilweisen Aufhebung der Entscheidung des Amtsgerichts sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

1. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt, durch das Testament vom 20.12.1989 sei die Erblasserin nicht daran gehindert gewesen, die darin enthaltene Begünstigung der Beteiligten zu 8 abzuändern, da insoweit die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments nicht vorgelegen habe. Für die Erbfolge nach der Erblasserin seien, nachdem der Ehemann der Erblasserin vorverstorben sei, die Regelungen unter Ziffern 2 und 3 des Testaments einschlägig, mit denen die Erblasserin nicht nur für den Fall des gleichzeitigen Todes der Ehegatten, sondern auch für den Fall, dass sie nach ihrem Ehemann sterbe, Verfügungen getroffen habe. Mit der Zuwendung der Eigentumswohnung und der Aufteilung des sonstigen Vermögens habe die Erblasserin den Begünstigten eine Miterbenstellung nach Bruchteilen eingeräumt und eine Teilungsanordnung getroffen. Die Einsetzung der Beteiligten zu 8 als Vorerbin und ihrer Kinder als Nacherben sei durch die Streichung der entsprechenden Textteile im Testament widerrufen worden. Soweit die Erblasserin die Namen der Beteiligten zu 8 und deren Kinder im Testament durch den Namen der Beteiligten zu 3 und deren Kinder ersetzt habe, hätten diese keine Vor- und Nacherbenstellung erlangt, da die entsprechenden Nachträge von der Erblasserin nicht gesondert unterschrieben worden seien und deshalb den zwingenden Formvorschriften des § 2247 BGB nicht entsprächen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

a) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments (§ 2271 BGB) der Wirksamkeit der von der Erblasserin im Testament vom 20.12.1989 vorgenommenen Änderungen nicht entgegensteht.

Die Regelungen eines gemeinschaftlichen Testaments können wechselbezüglich, aber auch nicht wechselbezüglich sein. Sie sind gemäß § 2270 Abs. 1 BGB wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre bzw. wenn jede Verfügung mit Rücksicht auf eine andere Verfügung getroffen ist und nach dem Willen der Ehegatten mit ihr stehen und fallen soll (ständige Rechtsprechung; vgl. BayObLG FamRZ 2001, 1734/1735). Die Wechselbezüglichkeit muss für jede einzelne Verfügung des gemeinschaftlichen Testaments gesondert geprüft werden (vgl. BGH NJW-RR 1987, 1410).

Der Ehemann der Erblasserin hat diese zu seiner Alleinerbin eingesetzt. Zu dieser Verfügung stand die Verfügung der Erblasserin, dass die Beteiligte zu 8 die Eigentumswohnung erhalten soll, nicht im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit. Die Beteiligte zu 8 ist (ebenso wie die Beteiligte zu 3) eine Tochter des Bruders der Erblasserin. Ist die Begünstigte - wie hier - nur mit dem überlebenden Ehegatten verwandt, entspricht es der Lebenserfahrung, dass der andere Ehegatte die Einsetzung des überlebenden Ehegatten zum Alleinerben nicht von dessen Bestimmungen bezüglich der weiteren Erbfolge abhängig machen, sondern diesem das Recht belassen wollte, die weitere Erbfolge neu zu bestimmen.

b) Das Landgericht hat die von der Erblasserin im Testament vom 20.12.1989 verwendete Formulierung "sollte mir und meinem Ehegatten gemeinsam etwas zustoßen" dahingehend ausgelegt, dass die Erblasserin nicht nur den seltenen Fall des gleichzeitigen Versterbens der Ehegatten regeln wollte. Die Auslegung des Landgerichts, dass die von der Erblasserin getroffene Regelung auch den Fall des Vorversterbens des Ehemanns umfasste, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Die verwendete Formulierung lässt unterschiedliche Deutungen zu. Sie kann, wie die Rechtsprechung zu solchen und inhaltsähnlichen Wendungen zeigt, sowohl den zeitgleichen Tod als auch das Nacheinanderversterben der Ehegatten meinen (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 389/390 mit zahlreichen Fallbeispielen aus der Rechtsprechung). Ein einheitlicher Sprachgebrauch besteht nicht.

Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung liegt hier nahe, weil das Testament dann, wenn man anders als das Landgericht von einer Regelung nur für den Fall des gleichzeitigen Versterbens der Ehegatten ausginge, im Fall des Vorversterbens des Ehemanns in bezug auf den Nachlass der Erblasserin erhebliche Regelungslücken enthielte. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Wille der Erblasserin dahin gegangen sein könnte, ihre eigene Erbfolge weitgehend ungeregelt zu lassen, insbesondere über die wertmäßig den Hauptnachlassgegenstand bildende Eigentumswohnung keine Verfügung zu treffen.

c) Das Landgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die im Testament vorgenommene Streichung der Beteiligten zu 8 und ihrer Kinder grundsätzlich geeignet ist, einen formwirksamen Teilwiderruf des Testaments nach § 2255 BGB herbeizuführen. Die Veränderung des Testaments nach § 2255 BGB kann sich auf einzelne Teile des Testaments beschränken, etwa indem einzelne Verfügungen gestrichen werden, und bedarf nicht der Form des § 2247 BGB (vgl. BayObLG FamRZ 1995, 246/ 247; MünchKommBGB/Burkart 3. Aufl. § 2255 Rn. 7; Staudinger/Baumann BGB 13. Aufl. § 2255 Rn. 11; Voit in Dittmann/Reimann/Bengel Testament und Erbvertrag 3. Aufl. § 2255 Rn. 13).

d) Die Entscheidung des Landgerichts kann aber deshalb keinen Bestand haben, weil die Auffassung des Landgerichts, für die Wirksamkeit der Abänderung des Testaments zugunsten der Beteiligten zu 3 und ihrer Kinder mangele es an der gemäß § 2247 BGB notwendigen Unterschrift, rechtlich nicht zutrifft.

aa) Gemäß § 2247 Abs. 1 BGB kann der Erblasser ein Testament durch eine von ihm eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten. Hierbei ist es ohne Bedeutung, in welcher zeitlichen Reihenfolge die einzelnen Bestandteile des Testaments einschließlich der Unterschrift niedergeschrieben worden sind (BGH NJW 1974, 1083/1084; BayObLGZ 1965, 258/262; 1974, 440/441; 1984, 194/196; 1992, 181/187). Der Erblasser kann daher zunächst die Unterschrift leisten und später den Text - auch anstelle eines gestrichenen früheren Textes - darüber setzen. Zur formgerechten Errichtung eines eigenhändigen Testaments kann der Erblasser auch den Text benutzen, den er als früheres Testament niedergeschrieben hat, um ihn durch eigenhändige Ergänzung so zu verändern, dass er sein nunmehr gewolltes Testament darstellt (BayObLGZ 1984, 194/ 196; 1992, 181/187; BayObLG FamRZ 1995, 246/247). Für die Formgültigkeit kommt es insoweit nur darauf an, dass im Zeitpunkt des Todes eine die gesamten Erklärungen nach dem Willen des Erblassers deckende Unterschrift vorhanden ist (vgl. BGH NJW 1974, 1083/1084; BayObLGZ 1984, 194/196 f.; Staudinger/ Baumann § 2247 Rn. 62; Soergel/Harder BGB 12. Aufl. 2247 Rn. 35; Voit aaO § 2247 Rn. 25).

Der Rechtswirksamkeit der Begünstigung der Beteiligten zu 3 und ihrer Kinder in der im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin vorliegenden Fassung des Testaments vom 20.12.1989 steht daher der Umstand nicht entgegen, dass die Namen der nunmehr Begünstigten von der Erblasserin an die Stelle der gestrichenen Namen früher begünstigter Personen gesetzt worden sind. Der nach den erfolgten Streichungen und Ergänzungen vorhandene Textteil fügt sich nahtlos in den Gesamttext des Testaments ein und wird durch die unterhalb des Textes stehende Unterschrift gedeckt. Besondere Umstände, aus denen sich gleichwohl eine Formunwirksamkeit der testamentarischen Begünstigung der Beteiligten zu 3 und ihrer Kinder ergeben könnte (vgl. BayObLGZ 1974, 440/443), liegen nicht vor.

bb) Im übrigen hätte das Landgericht auch von seinem Standpunkt aus nicht von einer Formunwirksamkeit der Begünstigung der Beteiligten zu 3 und ihrer Kinder ausgehen dürfen, ohne sich mit dem Umstand auseinander zu setzen, dass sich das Testament in einem Umschlag befand, der außen quer über die verschlossenen Laschen hinweg die Unterschriften der Erblasserin und ihres Ehemanns trägt. Das Original des Umschlags befindet sich in den beigezogenen den Nachlass des Ehemanns der Erblasserin betreffenden Nachlassakten. Zur Ausgestaltung des Umschlags und zur Auffindesituation hat die Beteiligte zu 3 mit Schriftsatz vom 19.3.2002 mit Beweisangebot vorgetragen.

Die Unterschrift des Erblassers kann ihrer Abschlussfunktion auch dann genügen, wenn sie auf dem Testamentsumschlag angebracht ist (vgl. BayObLGZ 1982, 131/132 f.; BayObLG FamRZ 1988, 1211/1212; Voit aaO § 2247 Rn. 23). Nachdem das Testament hier jedoch auch ohne Berücksichtigung der auf dem Umschlag befindlichen Unterschrift den Formerfordernissen des § 2247 Abs. 1 BGB genügt, ist eine weitere Klärung und Entscheidung der Frage, ob die im Testament enthaltenen Erklärungen durch die auf dem Testamentsumschlag angebrachte Unterschrift gedeckt sind, entbehrlich.

3. Die Verkennung der Anforderungen des § 2247 Abs. 1 BGB führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts. Da das Amtsgericht im wesentlichen denselben Standpunkt wie das Landgericht vertreten hat und ein Erbschein nur vom Amtsgericht erteilt werden kann, ist auch der Beschluss des Amtsgerichts, soweit der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3 zurückgewiesen wurde, aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr aufgrund der dargestellten rechtlichen Beurteilung von der Formwirksamkeit der Begünstigung der Beteiligten zu 3 und ihrer Kinder in Ziffer 2 des Testaments vom 20.12.1989 auszugehen und die infolgedessen gebotenen weiteren Ermittlungen durchzuführen haben.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

a) Das Nachlassgericht darf keinen Erbschein ohne Antrag oder mit einem anderen als dem beantragten Inhalt erteilen (BayObLGZ 1965, 457/464; 1973, 28/30). Das Gericht muss allerdings dem Antragsteller, wenn der Erbschein mit dem beantragten Inhalt nicht erteilt werden kann, unter Hinweis auf die Rechtslage Gelegenheit zu einer Änderung des Antrags geben, wenn ein solcher nach Sachlage in Betracht kommt. Diese Pflicht des Gerichts ergibt sich aus dem Grundgedanken des § 139 ZPO, der im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12 FGG, § 2358 BGB) im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und insbesondere im Erbscheinsverfahren Geltung beanspruchen kann (vgl. BGH FamRZ 1989, 269/271; BayObLGZ 1965, 457/464; 1980, 87/89; OLG Hamm OLGZ 1967, 172/174; Keidel/Kayser FGG 14. Aufl. § 12 Rn. 26; Jansen FGG 2. Aufl. Vorbem. §§ 8 bis 18 Rn. 11; Zimmermann ZEV 1995, 275/279).

b) Dem bisher von der Beteiligten zu 3 gestellten Erbscheinsantrag kann bereits deshalb nicht stattgegeben werden, weil sich im Testament keine Anhaltspunkte dafür finden, dass neben der Beteiligten zu 3 bzw. 8 von den zwanzig Nichten und Neffen der Erblasserin nur die im Erbscheinsantrag genannten zehn Personen Erben geworden sein könnten. Als Begünstigte werden in der hier einschlägigen Ziffer 3 des Testaments zu gleichen Teilen alle Nichten und Neffen sowie die beiden Kinder des vorverstorbenen Ehemanns genannt. Soweit unter Ziffer 4 des Testaments die Beteiligte zu 3 und zehn andere Personen als diejenigen benannt sind, denen aus der Hälfte der Festkonten finanzielle Mittel zufließen sollen, bezieht sich dies nur auf den Fall, dass die Erblasserin vor ihrem Ehemann verstirbt. Dies ergibt sich daraus, dass die Erblasserin im Testament für diesen Fall ihren Ehemann "als Testament-Vollzugsberechtigten" benannt und ansonsten unter Hinweis auf die einschlägigen Teile des Testaments ("sollte der Fall 2 + 3 eintreten") eine andere Regelung vorgesehen hat.

c) Dem vorliegenden Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3 liegt die Annahme zugrunde, dass die Erblasserin sowohl von der Beteiligten zu 3 als auch von den sonstigen im Testament als Begünstigte benannten Personen gemäß dem Wert der ihnen jeweils zugewandten Anteile am Nachlass beerbt worden ist. Von einem solchen Erblasserwillen kann jedoch nicht ohne weiteres ausgegangen werden.

Der Inhalt des in seiner Gesamtheit formwirksamen Testaments vom 20.12.1989 ist rechtlich nicht eindeutig und bedarf deshalb der Auslegung. Die Erblasserin hat jeweils nur über einzelne Vermögensgegenstände (Eigentumswohnung bzw. Teile des Geldvermögens) zugunsten verschiedener Personen bestimmte Verfügungen getroffen. Nur im Zusammenhang mit der Beteiligten zu 3, der die Eigentumswohnung zugewendet worden ist, wurde der Ausdruck "erbt" verwendet. Allerdings ist die testamentarische Zuwendung bestimmter Gegenstände gemäß § 2087 Abs. 2 BGB auch dann, wenn der Bedachte als Erbe bezeichnet ist, im Zweifel nicht als Erbeinsetzung anzusehen. § 2087 Abs. 2 BGB enthält aber nur eine Auslegungsregel, keine gesetzliche Vermutung (BayObLG FamRZ 1999, 1392/1393; OLG Köln FamRZ 1993, 735; Palandt/Edenhofer BGB 61. Aufl. § 2087 Rn. 2). Die Vorschrift greift daher nicht ein, wenn ein anderer Wille des Erblassers festgestellt werden kann (vgl. BayObLGZ 1998, 76/79); ob ein Bedachter Erbe (§ 1937 BGB) oder Vermächtnisnehmer (§ 1939 BGB) ist, beurteilt sich nach dem sachlichen Inhalt der letztwilligen Verfügung.

Ist wie hier eine Eigentumswohnung ihrem Wert nach der Hauptnachlassgegenstand, so liegt es nahe, in ihrer Zuwendung an eine bestimmte Person deren Einsetzung als Alleinerben anzusehen (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1392/1394 m. w. N.). Demgegenüber spricht die Zuwendung von Geldansprüchen in der Regel gegen einen Willen des Testierenden, die in dieser Weise Bedachten als Erben einzusetzen (BayObLG FamRZ 1997, 1177/1178; BayObLGZ 1998, 76/81; Palandt/Edenhofer § 2087 Rn. 8).

Für eine Auslegung des Testaments in dem Sinne, dass nur die Beteiligte zu 3 die Stellung einer Erbin erlangt und die sonstigen Bedachten Vermächtnisnehmer sind, sprechen hier auch die aus dem Wortlaut des Testaments zu entnehmenden Vorstellungen der Erblasserin in ihrer Gesamtheit. Den Verfügungen der Erblasserin zufolge sollten zunächst die Beteiligte zu 3 und später deren Kinder im Wege der Vor- und Nacherbfolge die Eigentumswohnung erhalten. Da eine Sondernacherbfolge nur für einzelne Nachlassgegenstände nicht angeordnet werden kann, es dagegen möglich ist, die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft auf Bruchteile des Nachlasses zu beschränken (Palandt/Edenhofer § 2100 Rn. 2; Staudinger/Behrends § 2100 Rn. 6 f.; Münch-KommBGB/Grunsky § 2100 Rn. 16), hat die auf die Eigentumswohnung bezogene Verfügung dann Erfolg (vgl. § 2084 BGB), wenn sie so ausgelegt wird, dass die Beteiligte zu 3 mit einem dem Wert der Eigentumswohnung entsprechenden Bruchteil des Nachlasses nur Vorerbin werden sollte.

Auch bei einem und demselben Erben ist die Aufteilung des Nachlasses in Bruchteile in der Weise möglich, dass teilweise Vor- und Nacherbschaft, teilweise Vollerbschaft angeordnet ist (BayObLGZ 1961, 200/205; Staudinger/Behrends § 2100 Rn. 7; MünchKommBGB/Grunsky § 2100 Rn. 16). Somit könnte die Beteiligte zu 3 nach dem Willen der Erblasserin auch in bezug auf den sonstigen Nachlass Erbin, und zwar unbeschränkte - allerdings mit Vermächtnissen beschwerte - Vollerbin geworden sein. Diese Auslegung des Testaments liegt nahe, weil die Zuwendung der Eigentumswohnung an die Beteiligte zu 3 im Wege der Erbfolge dafür spricht, dass diese mit der Erlangung dieses Hauptvermögensgegenstands insgesamt in die wirtschaftliche Stellung der Erblasserin einrücken sollte. Im Gegensatz zu dieser ausdrücklich als Erbschaft ("erbt") bezeichneten Zuwendung an die Beteiligte zu 3 hat die Erblasserin das außer der Eigentumswohnung vorhandene Vermögen durch Zuwendung von Bargeld an 22 Personen (20 Nichten/Neffen und die beiden Kinder ihres Ehemanns) "aufgeteilt". Der Aufteilung sollten nach dem Willen der Erblasserin die Begleichung sämtlicher Kosten, die Abwicklung des Darlehensvertrags und die Veräußerung verschiedener Nachlassgegenstände vorausgehen. Dies spricht gegen einen Willen der Erblasserin, die in dieser Weise bedachten Vielzahl von Personen neben der Beteiligten zu 3 an ihrem Gesamtvermögen mit einer bestimmten Quote zu beteiligen, zumal die Entstehung einer solchen Erbengemeinschaft zur Folge hätte, dass auch die Eigentumswohnung, die von der Erblasserin der Beteiligten zu 3 und deren Kindern zugewandt wurde, zunächst sämtlichen Mitgliedern der Erbengemeinschaft entsprechend ihrer Erbquote in gesamthänderischer Gebundenheit gehörte. Schließlich steht einer Auslegung des Testaments im Sinne einer Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 3 auch die von der Erblasserin angeordnete Testamentsvollstreckung nicht entgegen (vgl. Staudinger/Otte § 2087 Rn. 14).

d) Vor der Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage dieser Auslegung des Testaments wird das Tatsachengericht allerdings klären müssen, ob die Erblasserin bei Vornahme der Veränderungen in der Testamentsurkunde testierfähig war.

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Da dem im Betreuungsverfahren über die Erblasserin erstellten psychiatrischen Gutachten vom 10.5.2000 zufolge bei der Erblasserin ein fortgeschrittenes dementielles Syndrom bei seniler Demenz vom Alzheimer-Typ vorlag, sind weitere Ermittlungen zur Frage der Testierfähigkeit unerlässlich.

aa) Zur zeitlichen Eingrenzung der in bezug auf die Testierfähigkeit vorzunehmenden Beweiserhebungen ist zunächst eine Klärung der Frage anzustreben, zu welchem Zeitpunkt die undatierten Veränderungen in der Testamentsurkunde, die nach dem Schriftbild nicht notwendig zeitgleich erfolgt sein müssen, vorgenommen worden sind. Insoweit ist der Umstand, dass der Umschlag, in dem sich das Testament befand, auch die Unterschrift des am 19.4.2000 verstorbenen Ehemanns der Erblasserin trägt, ein Indiz dafür, dass die Veränderungen jedenfalls zu einem Zeitpunkt vor dem Tod des Ehemanns erfolgten. Weiterer Aufschluss über den Zeitpunkt der Änderungen könnte möglicherweise auf der Grundlage des Vorbringens der Beteiligten gewonnen werden, demzufolge sich die Erblasserin und auch ihr Ehemann gegenüber mehreren als Zeugen in Betracht kommenden Personen zu verschiedenen Zeitpunkten - teilweise bereits Jahre vor dem Erbfall - zu der Frage geäußert haben, wer von den Beteiligten die Eigentumswohnung erben solle.

bb) Auf der Grundlage der so gewonnenen Erkenntnisse wird es notwendig sein, die Ermittlungen zur Frage der Testierfähigkeit auf den gesamten für die Vornahme der Veränderungen an der Testamentsurkunde in Betracht kommenden Zeitraum zu erstrecken.

Falls danach für den gesamten in Betracht kommenden Errichtungszeitraum gesicherte Feststellungen zur Testierfähigkeit der Erblasserin nicht möglich sein sollten, wäre entsprechend dem Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, die Erblasserin bei Vornahme der Veränderungen in der Testamentsurkunde solange als testierfähig anzusehen, als nicht die Testierunfähigkeit zur Gewissheit des Gerichts nachgewiesen ist. Deshalb trifft die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit der Erblasserin grundsätzlich denjenigen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft (BayObLGZ 1982, 309/312; BayObLG FamRZ 1996, 1438/1439 m. w. N.).

Ergäben die Ermittlungen, dass die Erblasserin zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb des für die Änderungen in Betracht kommenden Zeitraums nicht mehr testierfähig war und ließe sich nicht feststellen, zu welchem genauen Zeitpunkt die undatierten Veränderungen in der Testamentsurkunde vorgenommen wurden, ginge dies in entsprechender Anwendung des §.2247 Abs. 5 Satz 1 BGB zu Lasten der Beteiligten zu 3, die sich auf die Gültigkeit ihrer Erbeinsetzung infolge der vorgenommenen Veränderung beruft (BayObLG FamRZ 1994, 593/594; MünchKommBGB/ Burkart § 2247 Rn. 39; Staudinger/Baumann § 2247 Rn. 113; Soergel/Harder § 2247 Rn. 38; RGRK/Kregel BGB 12. Aufl. § 2247 Rn. 27; Palandt/Edenhofer § 2247 Rn. 21).

e) In einen zu erteilenden Erbschein wäre die angeordnete Testamentsvollstreckung nicht aufzunehmen, weil sie sich infolge der Ablehnung des Amtes durch den zum Testamentsvollstrecker eingesetzten Beteiligten zu 1 erledigt hat und nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Wille der Erblasserin für diesen Fall auf die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht nach § 2200 BGB gerichtet war.

4. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gerichtskosten fallen im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht an (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO). Unter diesen Umständen ist auch eine Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren der weiteren Beschwerde nicht erforderlich.

Ende der Entscheidung

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