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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.09.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 107/04
Rechtsgebiete: GBO


Vorschriften:

GBO § 19
Zur Auslegung einer Pfandfreigabe vor Erstellung eines Veränderungsnachweises.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind im Grundbuch als Eigentümer von Stellplatzgrundstücken eingetragen. Die Beteiligten beabsichtigen, auf diesen Stellplatzgrundstücken Garagen zu errichten. Das Vorhaben soll nach der notariellen Urkunde vom 31.7.2001 in der Weise durchgeführt werden, dass die Stellplatzgrundstücke einer BGB-Gesellschaft übertragen werden, eines dieser Grundstücke auf sämtliche Eigentümer der übrigen Stellplatzgrundstücke aufgeteilt wird, eine Neuvermessung vorgenommen und die neuen Grundstücke den Beteiligten übertragen werden.

Die Grundstücke sind in der Zwischenzeit neu vermessen worden. Aufgrund des Veränderungsnachweises vom 21.12.2001 ergibt sich als Neubestand, dass die bisher jeweils 16 m² großen Grundstücksstellflächen nunmehr in acht Fällen eine Größe von jeweils 17 m² und in vier Fällen eine Größe von jeweils 18 m² haben. Die Zerlegung und Verschmelzung der Grundstücke wurde in der Weise vorgenommen, dass bei zwei Grundstücken jeweils 1 m² zugeschlagen wurde, während bei den übrigen Grundstücken in unterschiedlichem Umfang Flächen abgetrennt und anderen Grundstücken hinzugefügt wurden.

In Abschnitt VI der notariellen Urkunde vom 31.7.2001 heißt es:

Zu dieser Urkunde sind die Zustimmungen der Berechtigten der verschiedenen im Grundbuch eingetragenen Belastungen erforderlich. Die Gesellschafter sind jeweils zur Lastenfreistellung des veräußerten Grundbesitzes verpflichtet.

Der amtierende Notar wird ermächtigt, die Zustimmungen einzuholen und entgegenzunehmen.

Der jeweilige Berechtigte gibt die veräußerte Stellplatzfläche von den für ihn eingetragenen Rechten frei und bewilligt und beantragt die lastenfreie Abschreibung im Grundbuch unter der Voraussetzung, dass Zug um Zug die erworbene Garagenfläche diesen Rechten im bestehenden Rangverhältnis als weiteres Pfand unterstellt wird.

Nach der Behauptung der Beteiligten haben alle Gläubiger der Pfandfreigabe durch Genehmigung der Urkunde vom 31.7.2001 zugestimmt.

Das Grundbuchamt hat den Antrag auf Vollzug der Urkunde vom 31.7.2001, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, mit Zwischenverfügung vom 30.7.2002 wie folgt beanstandet:

Nur aufgrund ausdrücklicher Pfandfreigabe durch die jeweilige Bank könne das Garagengrundstück von der BGB-Gesellschaft wieder auf die neuen Eigentümer übertragen werden. Die neu vermessenen Grundstücke seien mit den auf die BGB-Gesellschaft übertragenen Grundstücken nicht identisch. Eine Zustimmung der Gläubiger zur Urkunde vom 31.7.2001 reiche somit nicht aus.

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten hat das Landgericht mit Beschluss vom 5.4.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Banken hätten lediglich ihre Zustimmung dazu gegeben, dass die Fläche eines Stellplatzes auf sämtliche Eigentümer der verbleibenden Stellplätze aufgeteilt werde. Eine Zustimmung fehle aber dazu, dass die Grundstücksgrenzen der übrigen Grundstücke durch Abtrennung von Grundstücksteilen und Hinzufügung anderer Teile verschoben würden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Bei der Auslegung von Grundbucherklärungen, und damit auch von Pfandfreigabeerklärungen, ist auf deren Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt. Die Auslegung muss im Hinblick auf die Anforderungen des Grundbuchverkehrs an Klarheit und Bestimmtheit des objektiven Inhalts einer Grundbucherklärung zu einem dieser Bestimmtheit entsprechenden eindeutigen Ergebnis führen (BayObLGZ 1986, 327/329 f.).

b) Die Pfandfreigabe in der notariellen Urkunde vom 31.7.2001 bezieht sich auf die "veräußerten" Stellplatzflächen. Trotz des Bestimmtheitsgebots von Grundbucherklärungen ist die in der Urkunde vom 31.7.2001 enthaltene Freigabeerklärung der Auslegung zugänglich. Diese ergibt, dass sich die Pfandfreigabe auf alle Grundstücke bezieht, die von der unter II. der notariellen Urkunde vom 31.7.2001 festgehaltenen Absicht betroffen sind, auf den Stellplatzflächen Garagen zu errichten.

Werden Pfandfreigaben (wie hier und üblich) vor Erstellung des Veränderungsnachweises eingeholt, muss sich aus der Freigabebewilligung ergeben, dass sie sich auch auf die aufgrund des Veränderungsnachweises ergebende Teilfläche bezieht; hinsichtlich der genauen Beschreibung dieser Teilfläche genügt eine Bezugnahme auf den Kaufvertrag. Zulässig ist aber auch eine Freigabe der aufgrund des aufzustellenden Veränderungsnachweises sich ergebenden Teilfläche (BayObLGZ 1986, 327/330; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 13. Aufl. Rn. 887).

Hier ergibt sich die genaue Bestimmung der Grundstücke, auf die sich die Freigabe bezieht, aus folgenden Umständen: Die Gläubiger haben der notariellen Urkunde vom 31.7.2001 insgesamt zugestimmt. Die Gläubiger wussten somit, dass die Fläche eines Stellplatzes rechnerisch auf die übrigen Stellplätze aufgeteilt würde und dazu eine Neuvermessung der Stellplätze erforderlich ist. Die Gläubiger wussten ferner, dass die neuen Teilflächen größer als die alten sind. Ob den Gläubigern außerdem bewusst war, dass die katastermäßige Neubildung der von der BGB-Gesellschaft auf die Eigentümer zu übertragenden Grundstücke durch Zerlegung und Verschmelzung der ursprünglichen Grundstücke vorgenommen würde, ist unerheblich. Dies ergibt sich schon daraus, dass durch diesen Vorgang eine Wertminderung der jeweiligen Haftungsobjekte, also der Stellplatzgrundstücke, nicht eingetreten ist (vgl. BayObLGZ 2003, 202). Für die Gläubiger ist es somit ohne Interesse, auf welche katastermäßige Weise die Veränderung vorgenommen wurde, um das in der Urkunde vom 31.7.2001 umschriebene Ziel der Errichtung von Garagen auf den Stellplätzen zu erreichen.



Ende der Entscheidung

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