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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 03.04.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 11/03
Rechtsgebiete: WEG, BGB
Vorschriften:
WEG § 5 Abs. 4 | |
WEG § 10 Abs. 1 | |
WEG § 15 Abs. 1 | |
BGB § 1004 |
Gründe:
I.
Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage.
Der Antragsgegner ist Eigentümer von Teileigentum an Räumen im Erdgeschoss (Einheit Nr. 15). Er vermietete die Räume mit einer Fläche von 320 m² an einen Verein (im Folgenden "Verein IZ") zum, wie es im Mietvertrag heißt, "Betrieb von Versammlungsräumen und Verwaltungsbüros". Der etwas mehr als 100 - ausländische - Mitglieder zählende Verein nutzt die Räume als Begegnungsstätte; er errichtete auf dem Zwischendach der Wohnanlage eine Satellitenschüssel mit Elektromotor zum Empfang von Fernsehsendungen in der Heimatsprache der Vereinsmitglieder.
In der ursprünglichen Teilungserklärung vom 20.10.1980 ist in dem Abschnitt über die Bildung der Miteigentumsanteile ausgeführt:
15. Miteigentumsanteil von 92,70/1000 verbunden mit dem Sondereigentum an den im Aufteilungsplan mit Nr. 15 bezeichneten Räumen samt Kellerabteil
In der der Teilungserklärung als Anlage beigefügten Gemeinschaftsordnung ist unter § 2 Abs. 5 Folgendes ausgeführt:
Die Ausübung eines freien Berufes oder Gewerbes in den mit Nrn. 15, 16, 17 und 18 bezeichneten Einheiten bedarf ebenfalls der Zustimmung des Verwalters, die jedoch nur verweigert werden darf, wenn besondere Störungen der Hausgemeinschaft von der Ausübung des Berufes oder Gewerbes zu befürchten sind. Die Zustimmung darf insbesondere Spielhöllen, Diskotheken und Betrieben der gewerblichen Unzucht verweigert werden.
Im Nachtrag vom 18.2.1981 zur notariellen Urkunde vom 0.10.1980 ist unter anderem bestimmt:
Die Ziff. 15 bis 18 der Vorurkunde sind geändert und lauten künftig wie folgt:
15. Miteigentumsanteil von 191,75/1.000, verbunden mit dem Sondereigentum an den im Aufteilungsplan mit Nr. 15 bezeichneten Verkaufs- und Ausstellungsräumen samt Kellerabteil.
§ 2 Abs. 5 der Gemeinschaftsordnung zur Teilungserklärung wird in der Weise ergänzt, dass die Einheit Nr. 17 auch als Schule genützt werden kann.
Die Antragsteller haben beantragt, es dem Antragsgegner bei Meidung von Ordnungsmitteln zu untersagen, sein Teileigentum und die gemeinschaftlichen Hofflächen der Wohnanlage als Versammlungsräume bzw. als Aufenthalts- und Verweilort der Vereinsmitglieder oder deren Gäste zu nutzen oder nutzen zu lassen. Außerdem haben sie beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die Satellitenschüssel zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 10.6.2002 dem Antrag stattgegeben. Das Landgericht hat am 13.1.2003 die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Nutzung der Räume durch den "Verein IZ" als Versammlungsräume sei begründet. Die nach der ursprünglichen Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung zulässige gewerbliche Nutzung des Teileigentums sei durch den Nachtrag vom 18.2.1981 wirksam eingeschränkt worden. Nunmehr sei nur noch eine Nutzung zulässig, die nicht mehr störe oder beeinträchtige als der Betrieb von "Verkaufs- und Ausstellungsräumen". Die Nutzung des Teileigentums als Versammlungsräume des "Vereins IZ" sei aber mit stärkeren Beeinträchtigungen verbunden. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise sei mit größeren Lärmbeeinträchtigungen zu rechnen, als wenn die Räume nur als "Verkaufs- und Ausstellungsräume" genutzt würden.
Da die Nutzung der Räume durch den Verein zweckbestimmungswidrig sei, dürfe auch die im Gemeinschaftseigentum stehende Hoffläche von den Vereinsmitgliedern und deren Gästen nicht als Aufenthalts- oder Verweilort benutzt werden.
Der Antragsgegner sei verpflichtet, die Satellitenschüssel zu entfernen, weil aus den vorgelegten Lichtbildern ohne weiteres erkennbar sei, dass das optische Gesamtbild der Wohnanlage durch sie nachhaltig beeinträchtigt werde; außerdem störe der Elektromotor, der mit der Antenne verbunden sei. Auf das Grundrecht der Informationsfreiheit des Vereins könne sich der Antragsgegner schon deshalb nicht berufen, weil bereits die Vermietung der Räume an ihn eine zweckwidrige Nutzung des Teileigentums darstelle.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Der Antragsgegner darf nach § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB sein Teileigentum nicht dem "Verein IZ" zur Nutzung als Versammlungs- und Begegnungsstätte überlassen.
(1) Die Wohnungseigentümer können den Gebrauch des Sondereigentums durch Vereinbarung regeln (§ 15 Abs. 1 WEG). Dabei stehen Regelungen in der Teilungserklärung oder der Gemeinschaftsordnung einer Vereinbarung gleich (BayObLGZ 1988, 238/240).
(2) Da die ursprüngliche Teilungserklärung, die Gemeinschaftsordnung und der Nachtrag zur Urkunde vom 20.10.1980 im Grundbuch eingetragen sind, gelten für ihre Auslegung die für Grundbucheintragungen anzuwendenden Grundsätze. Danach ist allein auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Leser als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt.
(3) Grundsätzlich ist eine Teilungserklärung gerichtet auf die sachenrechtliche Begründung von Sondereigentum durch den Eigentümer eines Grundstücks; sie enthält also vornehmlich die Festlegungen des Umfangs der im Sondereigentum stehenden Räume und ihre Abgrenzung zum gemeinschaftlichen Eigentum. Dabei ist auch anzugeben, welche im Sondereigentum stehenden Räume zu Wohnzwecken und welche Räume nicht zu Wohnzwecken dienen. Als Gemeinschaftsordnung wird allgemein die Gesamtheit der schuldrechtlichen Vereinbarungen bezeichnet, die das Verhältnis der Wohnungs- und Teileigentümer untereinander nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG regeln.
In der Beurkundungspraxis wird allerdings nicht immer scharf unterschieden zwischen den sachenrechtlichen Erklärungen und den schuldrechtlichen Regelungen, die eigentlich die Gemeinschaftsordnung bilden. In solchen Fällen liegt die Auslegung nahe, dass in der näheren Kennzeichnung von Räumen des Teileigentums in der Teilungserklärung zugleich eine Zweckbestimmung zu sehen ist, die eine Gebrauchsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 WEG beinhaltet. Anders ist es hingegen, wenn der teilende Eigentümer in seiner Erklärung an das Grundbuchamt ausdrücklich zwischen der rein sachenrechtlichen Teilungserklärung und der schuldrechtlichen Gemeinschaftsordnung unterscheidet. In einem solchen Fall spricht eine allgemeine Vermutung dafür, dass Gebrauchsregelungen in der Gemeinschaftsordnung enthalten sind und Funktionsbezeichnungen für Räume des Teileigentums in der Teilungserklärung eher der Abgrenzung zum Wohnungseigentum als einer Festlegung des Verwendungszwecks dienen (BayObLGZ 1988, 238/241 f.).
(4) Im vorliegenden Fall ist in der ursprünglichen Teilungserklärung vom 20.10.1980 die Einheit des Antragsgegners als "Räume" bezeichnet. Dies stellt keine Zweckbestimmung dar; dafür ist dieser Begriff viel zu allgemein und unbestimmt (BayObLG WE 1996, 191 f.). Die Gebrauchsregelung für die Einheit ist deshalb, wenn man allein auf die notarielle Urkunde vom 20.10.1980 abstellt, der Gemeinschaftsordnung zu entnehmen.
Die Urkunde vom 20.10.1980 wurde aber durch den Nachtrag vom 18.2.1981 abgeändert. In diesem Nachtrag werden die Räume des Teileigentums Nr. 15 näher gekennzeichnet, nämlich als "Verkaufs- und Ausstellungsräume". Die nächstliegende Bedeutung dieser näheren Kennzeichnung der Räume ist dahin zu verstehen, dass eine Zweckbestimmung der Räume mit Vereinbarungscharakter und damit eine Gebrauchsvereinbarung hinsichtlich dieser Räume gewollt ist. Demgegenüber liegt es fern, in der genauen Kennzeichnung der Räume nur die Aussage sehen zu wollen, dass die Räume nicht zu Wohnzwecken dienen sollen. Der Nachtrag vom 18.2.1981 ändert somit nicht nur die ursprüngliche Teilungserklärung, sondern auch die Gemeinschaftsordnung insoweit ab, als das Teileigentum des Antragsgegners seiner Zweckbestimmung nach nur als "Verkaufs- und Ausstellungsraum" genutzt werden darf. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass der Nachtrag vom 18.2.1981 die Gemeinschaftsordnung vom 20.10.1980 in der Weise ergänzt, die Einheit Nr. 17 dürfe auch als Schule genutzt werden. Bezüglich der Einheit Nr. 15 wird durch den Nachtrag die ursprünglich eröffnete Gebrauchsmöglichkeit eingeschränkt; da sich das Ausmaß der Einschränkung eindeutig aus dem Wortlaut ergibt, bedurfte es einer ausdrücklichen Abänderung der Gemeinschaftsordnung vom 20.10.1980 nicht. Demgegenüber dient es der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, wenn, wie hier bezüglich der Einheit Nr. 17, unter ausdrücklicher Abänderung der Gemeinschaftsordnung ausgeführt wird, dass in der Einheit neben der Ausübung eines freien Berufes oder Gewerbes auch eine Schule eingerichtet werden darf.
(5) Mit der Zweckbestimmung "Verkaufs- und Ausstellungsraum" ist die von dem "Verein IZ" vorgenommene Nutzung des Teileigentums nicht zu vereinbaren. Ob eine solche Nutzung mehr stört oder beeinträchtigt als die der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung, ist nach einer typisierenden, d.h. verallgemeinernden Betrachtungsweise zu beurteilen (BayObLG WE 1996, 191 f.). Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht eine stärkere Beeinträchtigung bejaht. Dagegen werden von der Rechtsbeschwerde ausdrücklich auch keine Einwendungen erhoben.
(6) In der Vermietung der Räume an den "Verein IZ" ist kein Grund zu sehen, der dem gegen den Antragsgegner gerichteten Unterlassungsanspruch entgegenstehen könnte. Die Unterlassungspflicht des Antragsgegners schließt nämlich die Pflicht ein, dahin tätig zu werden, dass die unzulässige Nutzung des Teileigentums durch den Mieter unterbunden wird; er hat alle ihm zumutbaren rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen zu ergreifen, um seine Verpflichtung zu erfüllen (BayObLG NJW-RR 1991, 658 f.; NZM 1999, 866 f.; NJW-RR 2002, 1092).
b) Da die derzeitige Nutzung des Teileigentums zweckbestimmungswidrig ist, hat das Landgericht zu Recht auch die Nutzung der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Hoffläche durch die Vereinsmitglieder und deren Gäste untersagt.
c) Die Vorinstanzen haben den Antragsgegner zu Recht nach § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB sowie nach § 823 Abs. 1, § 249 BGB auch zur Beseitigung der Satellitenschüssel und zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verpflichtet.
Die Feststellung, ob eine bauliche Veränderung, wie hier die Errichtung der Satellitenschüssel, den optischen Gesamteindruck nachteilig verändert, ist in erster Linie Sache des Tatrichters; sie kann vom Gericht der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Solche liegen nicht vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob grundsätzlich das Grundrecht der Informationsfreiheit des "Vereins IZ" durch die Pflicht des Antragsgegners, die Satellitenschüssel zu beseitigen, beeinträchtigt würde. Die Prüfung dieser Frage erübrigt sich nämlich, da es, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, der Antragsgegner bereits zu unterlassen hat, sein Teileigentum dem "Verein IZ" zur Nutzung zu überlassen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.
Ende der Entscheidung
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