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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.07.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 123/03
Rechtsgebiete: WEG, BGB
Vorschriften:
WEG § 10 Abs. 1 Satz 2 | |
WEG § 15 Abs. 1 | |
BGB § 826 |
Gründe:
I.
Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Teileigentümer einer durch Teilungserklärung von 1977 begründeten und 1979 fertiggestellten Anlage.
Die Antragstellerin hat 1985 ein in der Teilungserklärung als "Laden" bezeichnetes Teileigentum erworben, in dem seit Errichtung der Anlage ein Eiscafe betrieben und die vorgelagerte Gemeinschaftsfläche als Terrasse miteinbezogen wird.
Am 28.7.1995 beschlossen die Teileigentümer unter Tagesordnungspunkt (TOP) 4, die Nutzung des Teileigentums als Eisdiele und der vorgelagerten als Terrasse ausgestalteten Gemeinschaftsfläche zu untersagen. Unter TOP 5 beschlossen sie, für die Nutzung der Terrassenfläche in Vergangenheit und Zukunft bis zur Beendigung der Nutzung eine Entschädigung geltend zu machen.
Die beiden Eigentümerbeschlüsse wurden am 19.8.1996 vom Amtsgericht für ungültig erklärt. Das Landgericht hob die Entscheidung des Amtsgerichts am 31.3.1998 insoweit auf, als Gegenstand die Nutzung der Terrasse ist. Der Senat änderte durch Beschluss vom 3.12.1998 (NZM 1999, 278) die Entscheidung der Vorinstanzen dahin ab, dass der Eigentümerbeschluss zu TOP 4 im vollen Umfang und der zu TOP 5 insoweit für ungültig erklärt wurden, als eine Nutzungsentschädigung für die Vergangenheit verlangt werden sollte.
Das Amtsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass die den beiden Eigentümerbeschlüssen zu Grunde gelegten Ansprüche verwirkt seien. Das Landgericht verneinte eine Verwirkung des Anspruchs auf Unterlassung einer unentgeltlichen Nutzung der Terrasse. Der Senat hielt einen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Teileigentums einschließlich Terrasse für verwirkt und für den Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung für die Vergangenheit keine Rechtsgrundlage für gegeben.
Der Pächter des Teileigentums der Antragstellerin sah sich nicht in der Lage, die Eisdiele ohne die Terrasse zu betreiben. Daher vereinbarte die Antragstellerin nach dem Beschluss des Landgerichts vom 31.3.1998, der eine Terrassennutzung nicht zuließ, mit dem Pächter, dass dieser von 1998 keine Pacht zu bezahlen habe und der ihm durch die Schließung der Eisdiele entstehende Schaden ersetzt werde.
Die Antragstellerin hat beantragt, die Antragsgegner zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von zuletzt 27609,70 EUR zu verpflichten. Das Amtsgericht hat den Antrag am 9.9.2002 abgewiesen und das Landgericht hat durch Beschluss vom 9.5.2003 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen weiteren Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Wohnungseigentümer hafteten bei einem Verstoß gegen die sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis gegenüber einem anderen Wohnungseigentümer ergebenden Schutz- und Treuepflichten auf Schadensersatz. Ein Schadensersatzanspruch wegen der beschlossenen Nutzungsuntersagung könne sich nicht gegen alle Wohnungseigentümer richten, sondern nur gegen diejenigen, die für die Nutzungsuntersagung gestimmt hätten. Ein solcher Anspruch sei nicht Gegenstand des Verfahrens, wäre aber zu verneinen, weil es an einer schuldhaften Pflichtverletzung fehle und insbesondere ein sittenwidriges Verhalten nicht vorliege. Der Eigentümerbeschluss über die Nutzungsuntersagung sei zwar für ungültig erklärt, nicht aber als nichtig festgestellt worden. Gegen ein sittenwidriges Verhalten spreche schon, dass das Bestehen eines Anspruchs auf Unterlassung der Terrassennutzung in den gerichtlichen Instanzen unterschiedlich beurteilt worden sei. Die Aufforderungen im Jahr 1996, die durch den Eigentümerbeschluss untersagte Nutzung der Terrasse zu unterlassen, seien nicht zu beanstanden, weil der Eigentümerbeschluss trotz Anfechtung zunächst wirksam geworden sei. Diese Aufforderungen seien im Übrigen nicht ursächlich für den geltend gemachten Schaden, weil die Nutzung trotz der Aufforderungen fortgesetzt worden sei. Ursächlich für die Schließung des Eiscafes und den dadurch ausgelösten Schaden sei nach dem Sachvortrag der Antragstellerin die Entscheidung des Landgerichts vom 31.3.1998 gewesen, durch die eine Terrassennutzung untersagt worden sei.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten der Antragsgegner verneint. Ein solches sieht die Antragstellerin darin, dass die Antragsgegner ihr durch Eigentümerbeschluss vom 28.7.1995 die Nutzung ihres Teileigentums und der davor liegenden Gemeinschaftsfläche als Eiscafe untersagt und für die Dauer der Nutzung eine Entschädigung verlangt haben.
Das Teileigentum der Antragstellerin ist in der Teilungserklärung als "Laden" bezeichnet. In dieser Bezeichnung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 1 WEG. Der Charakter eines Geschäftsbetriebs in einem Laden ist ganz wesentlich mit der Vorstellung verbunden, dass ein Laden an bestimmte Betriebszeiten gebunden ist; unter einem Laden ist in der Regel ein Raum zum Verkauf von Waren zu verstehen (BayObLG NZM 1998, 335; 2000, 288). Mit der Zweckbestimmung "Laden" verträgt sich nach diesen Grundsätzen der Betrieb eines Eiscafes nicht, weil er mehr stört, als eine zweckbestimmungsgemäße Nutzung als Laden. Bei einer zweckbestimmungswidrigen Nutzung kann jeder Wohnungseigentümer Unterlassung dieser Nutzung gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 15 Abs. 3 WEG verlangen ( BayObLG NZM 2000, 288 f. m. w. N.).
b) Den Antragsgegnern stand danach grundsätzlich ein Anspruch gegen die Antragstellerin zu, die Nutzung des als "Laden" bezeichneten Teileigentums als Eiscafe zu unterlassen. Dasselbe gilt für die Nutzung der vorgelagerten Terrasse. Diese steht im Gemeinschaftseigentum. Zu dessen Mitgebrauch sind alle Wohnungseigentümer berechtigt, da eine Vereinbarung, die sie zu Gunsten der Antragstellerin vom Mitgebrauch ausschließt, nicht vorliegt (§ 13 Abs. 2 Satz 1, § 15-Abs. 1 WEG). Dieser Anspruch liegt dem Eigentümerbeschluss vom 28.7.1995 zu TOP 4 zu Grunde.
Die Geltendmachung des Anspruchs ist grundsätzlich nicht geeignet, Schadensersatzpflichten auszulösen. Etwas anderes könnte dann gelten, wenn mit der Geltendmachung auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Antragstellerin abgezielt worden wäre (§ 826 BGB; vgl. BGH MDR 2003, 740). Dafür fehlen nach den Feststellungen des Landgerichts ausreichende Anhaltspunkte.
c) Allerdings ist auf Grund der rechtskräftigen gerichtliche Entscheidungen davon auszugehen,. dass der Unterlassungsanspruch als verwirkt anzusehen ist und dies seiner Geltendmachung entgegenstand.
Ob im Einzelfall ein an sich berechtigter Anspruch verwirkt ist oder nicht, ist in der Regel nicht im Voraus zuverlässig zu beurteilen. Die Frage hängt davon ab, ob das Zeitmoment und das Umstandsmoment als Voraussetzungen einer Verwirkung (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. § 242 Rn. 93 ff.) bejaht werden. Da die Gerichte diese Frage in den einzelnen Rechtszügen unterschiedlich beantwortet haben, kann den Antragsgegnern kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie von einem weiterhin bestehenden und nicht verwirkten Unterlassungsanspruch ausgingen und diesen geltend gemacht haben.
d) Auch im Hinblick auf die auf Grund des Gemeinschaftsverhältnisses zwischen den Wohnungseigentümern bestehende Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme waren die Antragsgegner nicht gehindert, den Unterlassungsanspruch geltend zu machen, zumal es der Antragstellerin freistand, die Berechtigung des Anspruchs im Hinblick auf eine in Betracht kommende Verwirkung gerichtlich überprüfen zu lassen; hiervon hat die Antragstellerin auch Gebrauch gemacht. Wenn sie vor Abschluss des von ihr eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens, das ihre Rechtsposition hinsichtlich der Verwirkung letztendlich bestätigte, diese aufgab, kann dies nicht Schadenersatzansprüche gegen die Antragsgegner begründen.
Nicht jede Geltendmachung eines umstrittenen Anspruchs hat, wenn das Bestehen des Anspruchs von den Gerichten verneint wird, die Verpflichtung zur Folge, einen durch die Geltendmachung des Anspruchs entstandenen Schaden zu ersetzen.
e) Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht schließlich davon ausgegangen, dass das Verlangen der Antragsgegner im Jahr 1996, die Nutzung entsprechend dem Eigentümerbeschluss vom 28.7.1995 zu unterlassen, nach dem eigenen Sachvortrag der Antragstellerin nicht ursächlich für die Aufgabe des Betriebs eines Eiscafes in ihrem Teileigentum war. Schon deshalb kann auf dieses Verlangen der Antragsgegner ein Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe nicht gestützt werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.
Ende der Entscheidung
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