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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.04.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 27/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 16 Abs. 2
WEG § 23 Abs. 4
WEG § 24 Abs. 5
Der unrechtmäßige Ausschluß des Vertreters eines Wohnungseigentümers von der Teilnahme an der Eigentümerversammlung macht die gefaßten Eigentümerbeschlüsse anfechtbar, wenn nicht sicher ist, daß sie auch ohne den Ausschluß getroffen worden wären.
Bayerisches Oberstes Landesgericht BESCHLUSS

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Dr. Delius

am 11. April 2001

in der Wohnungseigentumssache

pp.

wegen Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 28. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 15.266,76 DM festgesetzt.

I.

Die Antragstellerin, eine GmbH, und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

In § 14 der Gemeinschaftsordnung vom 27.11.1987 ist bestimmt, daß einer schriftlichen Vollmacht bedarf, wer in einer Eigentümerversammlung als Vertreter eines Wohnungseigentümers auftritt.

Die Antragstellerin hat die Wohnanlage als Bauträgerin errichtet. Sie wurde durch vorläufig vollstreckbares Teilurteil vom 10.8.1999 zur Zahlung eines Kostenvorschusses von etwa 124.000 DM zur Beseitigung von Baumängeln am gemeinschaftlichen Eigentum an die klagenden Wohnungseigentümer verpflichtet.

In der Eigentümerversammlung vom 27.10.1999 erschien für die Antragstellerin deren Prokurist, der weder eine schriftliche Vollmacht noch einen Nachweis seiner Prokura vorlegen konnte. Den Antrag, dem Prokuristen die Teilnahme an der Versammlung zu erlauben und ihm das Recht einzuräumen, sich zu Wort zu melden, lehnten die Wohnungseigentümer unter Tagesordnungspunkt (TOP) 2 ab.

Unter TOP 7 beschlossen die Wohnungseigentümer die Erhebung einer Sonderumlage, um die Sicherheit von etwa 124.000 DM zur Vollstreckung aus dem Teilurteil vom 10.8.1999 leisten zu können; außerdem beschlossen sie, den auf die Antragstellerin entfallenden Anteil von etwa 15.000 DM für den Fall, daß er nicht freiwillig bezahlt werde, einzuklagen.

Die Antragstellerin hat beantragt, die Eigentümerbeschlüsse zu TOP 2 und 7 für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat dem Antrag am 25.10.2000 stattgegeben. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 28.12.2000 den Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses zu TOP 2 verworfen und den Antrag im übrigen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Eigentümerbeschluß zu TOP 2 sei als Geschäftsordnungsbeschluß mit Beendigung der Eigentümerversammlung gegenstandslos geworden. Er könne daher nicht angefochten werden, jedoch die Anfechtung anderer in der Eigentümerversammlung gefaßter Beschlüsse begründen. Dies sei aber nicht der Fall, weil der Prokurist der Antragstellerin zu Recht von der Teilnahme an der Versammlung ausgeschlossen worden sei. Das Verlangen nach einem schriftlichen Nachweis der Vertretungsbefugnis des Prokuristen sei nicht rechtsmißbräuchlich. Der Prokurist habe im September 1999 in mehreren Schreiben an die Verwalterin im Gegensatz zu früheren Schreiben ohne den auf seine Prokura hinweisenden Zusatz unterschrieben. Das Weiterbestehen der Prokura habe daher in Zweifel gezogen werden können.

Ebenso wie die Kosten für die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen der Wohnungseigentümer gegen den Bauträger, der Wohnungseigentümer sei, gehörten auch die zur Vollstreckung des Titels gegen ihn aufzubringenden Beträge zur Leistung der Sicherheit zu den Kosten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Die Antragstellerin sei daher zu Recht anteilig an der Sonderumlage beteiligt worden. Daran ändere es nichts, daß jetzt nicht mehr alle Kläger, die das zu vollstreckende Urteil erstritten hätten, Wohnungseigentümer seien.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Erstbeschwerde der Antragsgegner ist innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 WEG eingegangen, nämlich nach einem Vermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle als Telefax am 6.11.2000.

b) Zu Recht hat das Landgericht die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses zu TOP 2 als unzulässig erachtet, weil dieser Beschluß mit Beendigung der Eigentümerversammlung vom 27.10.1999 gegenstandslos geworden ist. Auch ein Eigentümerbeschluß, der den Vertreter eines Wohnungseigentümers von der Teilnahme an einer bestimmten Versammlung ausschließt, ist ein solcher Beschluß, der über die einzelne Versammlung hinaus keine Rechtswirkungen entfaltet, so daß für eine Anfechtung das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (BayObLG WE 1997, 436 f.; Bärmann/Merle WEG 8. Aufl. § 23 Rn. 14 und § 24 Rn. 90). Wurde der Vertreter eines Wohnungseigentümers zu Unrecht von der Teilnahme an einer Versammlung ausgeschlossen, kann dies aber zur Folge haben, daß die übrigen in dieser Versammlung gefaßten Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären sind, sofern nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie auch ohne den Ausschluß zustandegekommen wären (BayObLG WuM 1996, 114 f.; Bärmann/Merle aaO).

c) Es kann dahinstehen, ob der Prokurist der Antragstellerin zu Recht von der Teilnahme an der Eigentümerversammlung ausgeschlossen wurde. Jedenfalls kann ausgeschlossen werden, daß der Eigentümerbeschluß zu TOP 7 nicht zustandegekommen wäre, wenn dem Prokuristen die Teilnahme an der Versammlung ermöglicht worden wäre. Dies kann der Senat anhand des Akteninhalts selbst entscheiden, ohne daß hierzu weitere Ermittlungen notwendig sind. Dabei ist von besonderer Bedeutung, daß die Antragstellerin durch ihren Prokuristen jedenfalls von der Beschlußfassung ausgeschlossen gewesen wäre. Denn die Antragstellerin war bei der Beschlußfassung zu TOP 7 nicht stimmberechtigt. Die Erhebung einer Sonderumlage, um eine Sicherheit leisten zu können, die Voraussetzung für die Vollstreckung eines vorläufig vollstreckbaren Urteils ist, fällt als Maßnahme zur Vorbereitung der Zwangsvollstreckung unter den Begriff der Einleitung eines Rechtsstreits im Sinne des § 25 Abs. 5 WEG (Bärmann/Merle § 25 Rn. 116). Für den zweiten Teil des Eigentümerbeschlusses zu TOP 7 ist der Stimmrechtsausschluß zweifelsfrei gegeben. Die Wohnungseigentümer haben, wie der Inhalt des gefaßten Beschlusses zeigt, mit einem Widerstand der Antragstellerin gerechnet, den Beschluß aber gleichwohl gefaßt. Auch die im vorliegenden Verfahren vorgetragenen Argumente der Antragstellerin haben die Antragsgegner ersichtlich nicht überzeugt, weil sie gegen den zunächst für die Antragstellerin günstigen Beschluß des Amtsgerichts Rechtsmittel eingelegt haben. Es kann daher ausgeschlossen werden, daß sie in der Eigentümerversammlung von den Argumenten des Prokuristen der Antragstellerin dazu bewegt worden wären, den Beschlußantrag zu TOP 7 abzulehnen.

d) Nicht zu beanstanden ist es, daß sich die Verwalterin, die grundsätzlich den Vorsitz in der Eigentümerversammlung zu führen hatte (vgl. § 24 Abs. 5 WEG), dabei einer Hilfskraft bediente (KG WuM 2001, 44). Seitens der Wohnungseigentümer, die den Vorsitz einer anderen Person hätten übertragen können, wurden gegen die Leitung der Versammlung durch den Ehemann der Verwalterin in deren Gegenwart keine Einwendungen erhoben.

e) Auch die hier im Vordergrund stehende Frage, ob sich die Antragstellerin anteilig an der Sonderumlage zur Stellung der zur Vollstreckung aus dem Urteil vom 10.8.1999 erforderlichen Sicherheit beteiligen muß, hat das Landgericht ohne Rechtsfehler bejaht. Der Senat hat am 31.1.1992 (NJW 1993, 603) entschieden, daß es sich bei den Kosten eines Rechtsstreits, der Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum zum Gegenstand hat, um Kosten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums handelt, die nach § 16 Abs. 2 WEG alle Wohnungseigentümer anteilig zu tragen haben (vgl. auch BGH FGPrax 1998, 216). Der Senat ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß sich an solchen Kosten auch der Bauträger zu beteiligen hat, der zugleich Wohnungseigentümer ist und gegen den sich die Ansprüche der Wohnungseigentümer und das zu ihrer Durchsetzung einzuleitende Verfahren richten. Ausgehend von dieser Entscheidung kann nichts anderes für Kosten gelten, die durch eine Sonderumlage aufzubringen sind, um die Vollstreckung eines gegen den Bauträger, der zugleich Wohnungseigentümer ist, erstrittenen Urteils zu ermöglichen. Daran ändert auch nichts, daß es sich um eine Sicherheitsleistung handelt, die dem Schutz der Antragstellerin als Vollstreckungsschuldnerin dient. Von ausschlaggebender Bedeutung ist, daß zunächst die Sicherheit aufgebracht werden muß, um eine Zwangsvollstreckung zu ermöglichen. Das Vollstreckungsorgan würde sich nicht mit einer um den Anteil der Antragstellerin gekürzten Sicherheitsleistung begnügen.

Ohne Bedeutung ist auch, ob derzeit noch sämtliche Kläger, die das Urteil gegen die Antragstellerin erstritten haben, Wohnungseigentümer sind. Durch die Vollstreckung des Urteils sollen Ansprüche durchgesetzt werden, die das gemeinschaftliche Eigentum betreffen. Diese Ansprüche sind damit von ihrem Inhalt her objektbezogen. Die Vollstreckung des Urteils bleibt damit unabhängig von der Zusammensetzung der Kläger eine Angelegenheit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Unberührt davon bleibt die Frage, wer vollstreckungsrechtlich Gläubiger des Anspruchs ist.

f) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht schließlich ausgeführt, daß der Beschlußgegenstand zu TOP 7 in dem Einladungsschreiben vom 14.10.1999 einschließlich der Anlage I dazu ausreichend im Sinne des § 23 Abs. 2 WEG bezeichnet ist.

3. Es erscheint angemessen, der unterlegenen Antragstellerin die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG). Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird in Übereinstimmung mit der Geschäftswertfestsetzung der Vorinstanzen auf 15.266,76 DM festgesetzt (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG).

Ende der Entscheidung

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