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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.07.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 61/03
Rechtsgebiete: FGG, WEG


Vorschriften:

FGG § 12
WEG § 14 Nr. 1
WEG § 22 Abs. 1
Die Feststellung, ob die von einem Wohnungseigentümer beabsichtigte bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums (hier: Kaminaufbau über dem Niveau eines Flachdachs) den optischen Gesamteindruck der Wohnanlage nachteilig verändert, liegt grundsätzlich auf tatsächlichem Gebiet. Einen Augenschein in der Wohnanlage muss das Gericht regelmäßig nur einnehmen, wenn vorgelegte Lichtbilder nicht geeignet sind, einen ausreichenden Gesamteindruck von der baulichen Veränderung und ihren Auswirkungen auf die Umgebung, insbesondere das Wohnungseigentum anderer Personen in derselben Wohnanlage, zu ermöglichen.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Dem Antragsteller gehört die im 2. Obergeschoss (Dachgeschoss) gelegene Wohnung Nr. 15. Das Gebäude hat ein Flachdach mit verschiedenen Aufbauten wie Notkaminen, Lichtkuppeln und Entlüftungsrohren.

In der Eigentümerversammlung vom 12.3.2001, an der der Antragsteller nicht teilnahm, beschlossen die Wohnungseigentümer, folgenden neuen Tagesordnungspunkt 6 aufzunehmen:

Verbot des Einbaus eines Kaminofens in der Wohnung Nr. 15.

Im Anschluss daran fassten die Wohnungseigentümer den Beschluss, dem Antragsteller zu untersagen, einen Kaminofen an die bestehenden Notkamine oder in anderer Weise an das Gemeinschaftseigentum anzuschließen.

Im April 2001 baute der Antragsteller den Kachelofen in seiner Wohnung auf und schloss ihn an den vorhandenen Kamin an, nahm ihn aber bisher nicht in Betrieb.

Der Antragsteller hat zunächst beantragt, den Eigentümerbeschluss vom 12.3.2001 für ungültig zu erklären und die Antragsgegner zu verpflichten, dem Anschluss des Kachelofens an den vorhandenen Gemeinschaftskamin zuzustimmen. Das Amtsgericht hat die Anträge am 20.9.2001 abgewiesen. Das Landgericht hat zunächst das schriftliche Gutachten eines Kaminbausachverständigen eingeholt, das zum Ergebnis kommt, dass eine Beeinträchtigung der Wohnungseigentümer durch Rauch, Funkenflug und Rußentwicklung unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen werden könne. Als solche sind im Wesentlichen eine Erhöhung des vorhandenen Kamins außerhalb des Flachdachs und das Zumauern einer Abluftöffnung am unteren Teil des Kamins in einem als Abstellraum genutzten gemeinschaftlichen Kellerraum bezeichnet. Die Wohnungseigentümer fassten daraufhin am 26.6.2002 den Beschluss, gegenüber dem Beschwerdegericht folgende Stellungnahme abzugeben:

...Die im Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen ... festgestellten Umbaumaßnahmen, welche zum Betrieb des Kamins notwendig sind, stellen in jedem Fall einen Eingriff in das Gemeinschaftseigentum dar und dürfen ohne positiven Beschluss der WEG nicht ausgeführt werden.

Im Einzelnen:

Der Beschluss (richtig: Verschluss) der Belüftungsöffnung in dem gemeinschaftlichen Abstellraum stellt eine bauliche Veränderung dar. Insbesondere weil der mit einer feuerhemmenden Stahltür verschlossene Raum keine andere Möglichkeit der Luftzufuhr besitzt.

Die Verlängerung der Kaminhöhe um 2,70 m stellt einen massiven Eingriff in das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes dar, welcher dadurch verstärkt wird, dass bei einer Verlängerung dieses Ausmaßes Sicherungsmaßnahmen gegen Winddruck sowie Zugangsmöglichkeiten für den Kaminkehrer angebracht werden müssten.

Der Kamin stellt eine bauliche Veränderung des Gesamteindrucks der Fassade dar.

Der Eingriff in das Flachdach wird wegen der Verankerung und der Notwendigkeit eines Zugangs zum Kaminkehrer abgelehnt.

....

In seiner Stellungnahme zum Gutachten hat sich der Antragsteller bereit erklärt, die Vorgaben des Sachverständigen zu erfüllen, und gebeten, unter diesen Auflagen seinem Antrag stattzugeben.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 21.8.2002 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Der Senat hat auf das Rechtsmittel des Antragstellers am 17.10.2002 (WuM 2002, 688) den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweiten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, im Wesentlichen deshalb an das Landgericht zurückverwiesen, weil der Verpflichtungsantrag in seiner abgeänderten Fassung nicht berücksichtigt worden sei. Das Landgericht hat nunmehr mit Beschluss vom 31.3.2003 die sofortige Beschwerde erneut zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Auch unter Beachtung der vom Sachverständigen geforderten Auflagen könne der Antragsteller von der Gemeinschaft nicht die Zustimmung zum Anschluss des Kachelofens an den vorhandenen Kamin verlangen. Die Auflagen ihrerseits wären nämlich mit Beeinträchtigungen verbunden, die die Antragsgegner nicht dulden müssten. So stelle die erforderliche Erhöhung des vorhandenen Kamins oberhalb der Wohnanlage um ein mindestens 2,2 m langes Aufsatzrohr mit einem Durchmesser von 18 cm eine bauliche Veränderung dar. Denn das äußere Erscheinungsbild der Wohnanlage werde nachteilig verändert. Dies lasse sich aus den zahlreichen vorgelegten Lichtbildern auch ohne Einnahme eines Augenscheins klar erkennen. So wiesen die bisher vorhandenen Notkamine, Lichtkuppeln und Entlüftungsrohre auf dem Flachdach nur eine verhältnismäßig geringe Höhe auf und seien von der Straße aus nicht sichtbar. Anders verhalte dies bei dem vorgesehenen Kamin. Auch von den Dachwohnungen benachbarter Häuser sei eine erhebliche Erhöhung des Kamins deutlich wahrnehmbar. Der vorgesehene Kamin bilde auf dem Flachdach einen Fremdkörper, auch wenn man die vorhandene Gemeinschaftsantenne und den benachbarten Kamin der Zentralheizungsanlage mit berücksichtige. Schließlich bräuchten es die Wohnungseigentümer auch nicht hinzunehmen, dass die Luftzufuhr für den gemeinschaftlichen Kellerraum abgeschnitten werde. Bei dessen gegenwärtiger Verwendung als Abstellraum sei die Öffnung zwar entbehrlich, eine andere Nutzung sei den Wohnungseigentümern aber verwehrt, falls die Öffnung zugemauert werde.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Senat bezieht sich zur Gültigkeit des Eigentümerbeschlusses vom 12.3.2001 auf seine vorangegangene Entscheidung vom 17.10.2002. Weiter ist auf der Grundlage dieser Entscheidung davon auszugehen, dass der Antragsteller jedenfalls ohne zusätzliche bauliche Maßnahmen den gewünschten Kachelofenanschluss an den Kamin nicht durchführen darf, weil mit Beeinträchtigungen der übrigen Wohnungseigentümer durch Rauch, Funkenflug und Rußentwicklung zu rechnen ist.

b) Jedoch bedingen auch die vom Sachverständigen für notwendig erachteten Auflagen zur Vermeidung von Rauch, Ruß und Funkenflug, welche der Antragsteller zu übernehmen bereit ist, bauliche Veränderungen, die die übrigen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben notwendige Maß hinaus beeinträchtigen (§ 22 Abs. 1, § 14 Nr. 1 WEG). Dafür kommt nämlich jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung in Betracht, die auch in einer nicht ganz unbedeutenden Verschlechterung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage liegen kann. Ob von einer Beeinträchtigung in diesem Sinn auszugehen ist, liegt weitgehend auf dem Gebiet der tatrichterlichen Würdigung. Diese kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt überprüft werden (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 559 Abs. 1 ZPO). Eine Nachprüfung der tatsächlichen Verhältnisse ist somit ausgeschlossen. Dies setzt allerdings voraus, dass verfahrensrechtlich zulässige und begründete Bedenken gegen diese Feststellungen nicht bestehen; andernfalls entfällt nämlich die Bindungswirkung (§ 559 Abs. 2 ZPO; siehe Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 42).

Das Landgericht kann sich für die Beurteilung, ob ein Nachteil vorhanden ist, im Allgemeinen mit Plänen und Lichtbildern begnügen (BayObLG NZM 1998, 980 f.; BayObLGZ 1991, 296/299; OLG Hamm WuM 1995, 220). Einen unmittelbaren Augenschein in der Wohnanlage muss das Gericht nach § 12 FFG nur einnehmen, wenn die vorgelegten Bilder nicht geeignet sind, einen ausreichenden Gesamteindruck von der baulichen Veränderung und ihren Auswirkungen auf die Umgebung, insbesondere das Wohnungseigentum anderer Personen in derselben Wohnanlage, zu ermöglichen (BayObLG Beschluss vom 3.7.2003 2Z BR 34/03). Dabei ist hier noch zu berücksichtigen, dass es nicht um die Wahrnehmung einer schon vorgenommenen, sondern um die Wertung einer geplanten Veränderung geht, für die ein Augenschein ohnehin nur bedingt geeignet erscheint. Denn wesentliches Element der richterlichen Entscheidungsfindung bildet in diesem Fall ein Wertungsvorgang, der darin besteht, die Folgen des Vorhabens für die bauliche Anlage und ihre Umgebung abzuschätzen.

Das Landgericht hatte hier jedenfalls ausreichendes Material bei den Akten, um auf einen Augenschein in der Anlage zu verzichten. Es verfügte unter anderem neben einem maßstabsgerechten Lageplan über eine Lichtbildmappe mit 16 Farbaufnahmen sowie über eine Übersichtsaufnahme im Format DIN A4, die das fragliche Flachdach mit den bisher vorhandenen Aufbauten zeigt. Die Lichtbilder sind aus unterschiedlichsten Blickwinkeln gefertigt und geben insbesondere auch einen Eindruck, von wo aus der geplante Kamin zu sehen sein würde. Das Landgericht hat zudem in der mündlichen Verhandlung die Lichtbilder mit den anwesenden Beteiligten erörtert. Auf dieser Grundlage konnte es den Schluss ziehen, dass die geplante Kaminerhöhung eine optische Beeinträchtigung bilden und im Verhältnis zu den übrigen Dachaufbauten einen Fremdkörper darstellen würde. Hierbei berücksichtigte das Gericht auch, dass sich auf dem Flachdach eine um etwa 2,5 m höhere Antenne als der geplante Kaminaufbau befindet und unmittelbar in der Nachbarschaft ein über das Niveau des Dachs hinausragender Kamin der Zentralheizungsanlage vorhanden ist. Eine Augenscheinseinnahme der Örtlichkeit wäre nur dann geboten gewesen, wenn sie einen weitergehenden Gesamteindruck hätte erwarten lassen, die die Sachentscheidung hätte beeinflussen können (OLG Hamm WuM 1995, 220/221). Dies lässt sich hier verneinen. Dass der geplante Kamin, jedenfalls auch aus nicht ganz ungewöhnlichen Perspektiven (siehe BayObLG NJW-RR 2002, 445/446; ZMR 1999, 118), sichtbar sein würde, hat das Landgericht ebenfalls ohne Rechtsfehler bejaht. Dass die tatsächlichen Folgerungen des Beschwerdegerichts die einzig möglichen, d.h. zwingend sind oder dass eine andere Schlussfolgerung ebenso nahe oder noch näher gelegen hätte, bedarf keiner Erörterung. Denn mit der Rechtsbeschwerde kann dies nicht geltend gemacht werden (Keidel/Meyer-Holz § 27 Rn. 42 m. w. N.).

c) Ob ferner aus der erforderlichen Verschließung der Belüftungsöffnung im gemeinschaftlichen, derzeit zum Abstellen von Mobiliar genutzten Kellerraum ebenfalls ein nicht hinzunehmender Nachteil der Wohnungseigentümer (§ 14 Nr. 1 WEG) folgt, weil dadurch anderweitige Nutzungsmöglichkeiten auf Dauer verwehrt wären, kann unter diesen Umständen dahinstehen.

Das Landgericht brauchte auch nicht mehr der Frage nachzugehen, inwieweit neue Zugangsmöglichkeiten für den Kaminkehrer oder eine sturmsichere Verankerung des Kaminaufbaus notwendig würden und zustimmungspflichtige bauliche Veränderungen beinhalteten.

3. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 47 WEG die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die Rechtsbeschwerdeinstanz erscheint es dem Senat auch angemessen, ihm die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner aufzuerlegen (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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