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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.08.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 81/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15 Abs. 2
WEG § 21 Abs. 3
WEG § 27 Abs. 1
WEG § 27 Abs. 2 Nr. 5
1. Für eine als selbständiges Teileigentum ausgewiesene Tiefgarage mit Sondernutzungsrechten an den einzelnen Stellplätzen können die Wohnungseigentümer Regelungen zum Einbau von Tiefgaragenboxen treffen.

2. Ein Eigentümerbeschluss, der den Verwalter ermächtigt, beim Einbau von Tiefgaragenboxen im Falle der Beschädigung des Gemeinschaftseigentums notfalls auch gerichtlich dagegen vorzugehen, ist hinreichend bestimmt und entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung.


Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

In der Wohnanlage befinden sich zwei Tiefgaragen I und II, die in der Teilungserklärung je als Teileigentum (Sondereigentum) ausgewiesen sind. Jede der beiden Tiefgaragen ist in 187 bzw. 184 Anteile unterteilt, wobei jedem Anteil das Sondernutzungsrecht an einem bestimmten Stellplatz zugewiesen ist (§ 12 Gemeinschaftsordnung). Nach der Gemeinschaftsordnung bedürfen bauliche Veränderungen in den Sondereigentumseinheiten, insbesondere Um- und Einbauten, soweit dadurch das gemeinschaftliche Eigentum oder das Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers berührt wird, der Zustimmung des Verwalters.

Die Antragsteller erwarben mit Vertrag vom 8.11.2001 die Sondernutzungsrechte und zugehörigen Miteigentumsanteile an insgesamt 16 Stellplätzen. Ursprünglich hatten bis zu 50 Tiefgaragennutzer an den ihnen zugewiesenen Stellplätzen so genannte Tiefgaragenboxen in Form nicht einsehbarer Stahlblechkonstruktionen aufgestellt. Anlässlich einer grundlegenden Sanierung der beiden Tiefgaragen, bei der insbesondere eine Isolierschicht eingebracht bzw. erneuert wurde, wurden die vorhandenen Tiefgaragenboxen entfernt.

In der Eigentümerversammlung vom 27.3.2003 fassten die Wohnungseigentümer unter Tagesordnungspunkt 7 d folgenden Beschluss:

Die Wohnungseigentümergemeinschaft fordert die Hausverwaltung auf, dafür Sorge zu tragen, dass keine TG-Boxen in die Tiefgarage eingebracht werden, um das Gemeinschaftseigentum vor Beschädigungen zu schützen. Sofern TG-Boxen eingebaut werden, hat die Verwaltung dagegen vorzugehen, notfalls auch gerichtlich, im Falle der Beschädigung des Gemeinschaftseigentums.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, die Unwirksamkeit dieses Beschlusses festzustellen, hilfsweise ihn für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 2.7.2003 die Anträge abgewiesen und den Geschäftswert mit 80.000 EURO bestimmt. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht mit Beschluss vom 4.3.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller, mit der sie die Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses weiterverfolgen. Die anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragsgegner wenden sich in eigenem Namen mit ihrer Beschwerde gegen die landgerichtliche Geschäftswertfestsetzung, mit der der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 10.000 EURO festgesetzt und derjenige für das erstinstanzliche Verfahren entsprechend abgeändert wurde. Ihr Ziel ist es, den Geschäftswert, wie schon vom Amtsgericht bestimmt, mit 80.000 EURO festzusetzen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist erfolglos.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Beschluss sei dahin auszulegen, dass die Wohnungseigentümer nicht abstrakt über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Einbaus von Boxen beschlossen, sondern lediglich Vorgaben für die zukünftige Vorgehensweise des Verwalters aufgestellt hätten. Der nach seinem objektiven Erklärungswert auszulegende Beschluss habe nicht zum Inhalt, dass die Eigentümergemeinschaft den Einbau der Boxen für unzulässig halte, weil Beschädigungen am Gemeinschaftseigentum zu befürchten seien. Solche Befürchtungen bildeten lediglich den Hintergrund des Beschlusses.

Die Wohnungseigentümer hätten die zur Beschlussfassung nötige Kompetenz besessen. Geregelt werde nicht das Verhältnis der Mitberechtigten des Teileigentums untereinander; vielmehr bestehe hier der Bezug zum Gemeinschaftseigentum, das vor Beschädigungen geschützt werden solle. Es genüge für die Beschlusskompetenz, dass eine konkrete, nachvollziehbare Gefahr der Beschädigung von Gemeinschaftseigentum bestehe. Diese sei im Hinblick auf die anlässlich einer aufwändigen Sanierung eingebrachte Isolierschicht plausibel. Es genüge die im Regelfall gegebene Gefährdung des Gemeinschaftseigentums, wenn die Tiefgaragenboxen im Boden befestigt würden. Dass auch Befestigungsarten denkbar seien, die keine unzumutbare Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums bedingten, sei unerheblich.

Der Beschluss sei schließlich auch hinreichend bestimmt und entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Jedenfalls genüge er noch den Mindestanforderungen, die an Klarheit und Bestimmtheit zu stellen seien. Er enthalte die Anweisung an die Hausverwaltung, generell einem Einbau von Tiefgaragenboxen entgegenzuwirken, um einer etwaigen Beschädigung des Gemeinschaftseigentums vorzubeugen. Der zweite Satz enthalte eine Handlungsanweisung für den Fall, dass Gemeinschaftseigentum beschädigt werde. Die Verwaltung müsse dann gegen den einbauenden Teileigentümer vorgehen, notfalls auch gerichtlich. Dies entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Zwar solle der Verwalter grundsätzlich jedem Einbau, etwa durch Anschreiben an den betreffenden Stellplatzinhaber, entgegenwirken, um eine Beschädigung des Gemeinschaftseigentums zu verhindern. In Zusammenschau mit dem weiteren Beschlussinhalt werde aber klar gestellt, dass weitere gerichtliche wie außergerichtliche Maßnahmen dagegen erst dann ergriffen werden sollten, wenn das Gemeinschaftseigentum durch den Boxeneinbau tatsächlich beschädigt worden sein sollte.

Demnach sei es den Antragstellern nicht grundsätzlich verboten, ihre Tiefgaragenboxen wieder einzubauen, wenn sie dies ohne erhebliche Beeinträchtigung oder Beschädigung des Gemeinschaftseigentums zustande brächten. Sie müssten es hinnehmen, dass ihnen eine gerichtliche Auseinandersetzung aufgrund des Beschlusses drohe, wenn eine derartige Beeinträchtigung und deren Klärung im Raum stehe.

Dem Beschluss stehe auch nicht entgegen, dass der frühere Verwalter den Antragstellern die Boxen genehmigt habe. Denn durch die grundlegende Sanierung der Tiefgarage hätten sich die tatsächlichen Gegebenheiten geändert. Schon deshalb scheide eine Bindung der Eigentümergemeinschaft an die frühere Verwalterzustimmung aus.

Für den Geschäftswert sei das Interesse aller Beteiligten daran maßgeblich, dass die Tiefgaragenstellplätze künftig von Boxen freigehalten würden. Dies beinhalte einerseits das Interesse an der Freihaltung des Gemeinschaftseigentums von Beschädigungen, andererseits das Interesse der Stellplatzinhaber an der weiteren gewinnbringenden Nutzung der Plätze mit Boxen. Dieses Interesse sei angemessen mit 10.000 EURO bewertet.

2. Die Sachentscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Nach § 23 Abs. 1 WEG werden Angelegenheiten, die nach diesem Gesetz die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden können, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Wohnungseigentümer geordnet. Soweit nicht eine Vereinbarung besteht, können die Wohnungseigentümer eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung durch Stimmenmehrheit beschließen (§ 21 Abs. 3 WEG). Demnach stand es den Wohnungseigentümern zu, auch im Bereich des selbständigen Teileigentums, den die Tiefgarage bildet, einen Beschluss zu fassen, der dem Schutz des gemeinschaftlichen Eigentums, nämlich der Seitenbegrenzung, der Decke, der Stützpfeiler, der Bodenplatte und der Feuchtigkeitsisolierung dient (§ 1 Abs. 5, § 5 Abs. 1 WEG; vgl. OLG Köln ZMR 1998, 722; OLG Düsseldorf ZfIR 1999, 854; Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 1 WEG Rn. 11). Dass das Einbringen und Aufstellen von Garagenboxen die nicht fern liegende Gefahr von Schäden für das Gemeinschaftseigentum nach sich ziehen kann, hat das Landgericht zutreffend bejaht. Der Senat beurteilt dies nicht anders. Zudem ergibt sich die Beschlusskompetenz auch aus § 15 Abs. 2 WEG, wonach die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit einen der Beschaffenheit der im Sondereigentum stehenden Tiefgarage entsprechenden ordnungsmäßigen Gebrauch beschließen können.

b) Der Senat hält die vom Landgericht gefundene Auslegung des Eigentümerbeschlusses für zutreffend.

Den angefochtenen Beschluss kann der Senat selbst auslegen; er ist nicht an die Auslegung des Tatrichters gebunden. Der Beschluss stellt seinem Inhalt nach nämlich eine Dauerregelung dar. Er wirkt in die Zukunft und soll eine unbestimmte Vielzahl von Fällen erfassen, in denen derzeitige Stellplatzinhaber wie auch ihre Rechtsnachfolger den Einbau einer Box beabsichtigen. Der Beschluss erzeugt Bindungswirkung gemäß § 10 Abs. 3 WEG gerade auch für Sondernachfolger. Ebenso wie die im Grundbuch eingetragene Gemeinschaftsordnung hat ihn der Senat nach seinem Wortlaut und Sinn auszulegen, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung ergibt. Umstände außerhalb des protokollierten Wortlauts dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGHZ 139, 288/292 f.; 113, 374/378; BayObLG NJW-RR 2000, 603/605 und st. Rspr.), z.B. weil sie sich aus dem übrigen Versammlungsprotokoll ergeben.

Der Beschluss schafft nicht konstitutiv ein Verbot, Boxen in die Tiefgaragen einzubringen. Er geht vielmehr davon aus, dass der Einbau Schäden am Gemeinschaftseigentum hervorrufen kann und deshalb zu unterbleiben hat. Präventiv wird die Verwaltung aufgefordert, im Rahmen von § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG darauf hinzuwirken, solche befürchteten Schäden zu verhindern. Gemeint sind damit Maßnahmen tatsächlicher Art (Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 27 Rn. 40/41), die den Teileigentümer bewegen sollen, von seinem Vorhaben Abstand zu nehmen. In Verbindung mit dem folgenden Satz wird verdeutlicht, dass der Verwalter gegen einen dennoch vorgenommenen Einbau weitergehend tätig zu werden, gegebenenfalls im Namen der Wohnungseigentümer auch gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen hat (vgl. § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG). Hierbei ist es unbedenklich, dem Verwalter im Voraus für einen bestimmten Kreis von Verfahren eine generelle Ermächtigung zu erteilen (BayObLG ZWE 2001, 599/600; Merle in Bärmann/Pick/Merle § 27 Rn. 143). Für den Umfang der Vertretungsmacht ist der Inhalt der Ermächtigung maßgeblich (Merle in Bärmann/Pick/Merle § 27 Rn. 168). Diese wird hier hinreichend klar umrissen. Insbesondere wird deutlich, dass die Ermächtigung nicht den Einbau an sich, sondern nur die Fälle erfasst, in denen das Gemeinschaftseigentum in Mitleidenschaft gezogen wird. Nach ihrer nächstliegenden Bedeutung verlangt die Regelung vom Verwalter nur die auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage gewonnene subjektive Schlussfolgerung, dass ein durch einen Einbau verursachter Schaden am Gemeinschaftseigentum vorliegt. Eine derartige Bewertung hat der Verwalter nach der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu treffen (vgl. § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB); ob diese gewahrt ist, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab (vgl. Merle in Bärmann/Pick/Merle § 27 Rn. 51; siehe auch BayObLG Beschluss vom 22.4.2004, 2Z BR 038/04; BayObLG ZMR 1999, 654 f.). Dass eine Schädigung, etwa durch Anbohren der Isolierschicht, tatsächlich eingetreten ist, muss sodann gegebenenfalls gerichtlich geklärt werden. Somit lassen sich gegen die Bestimmtheit des Beschlusses ebenso wenig stichhaltige Bedenken vorbringen wie gegen den Umstand, dass dieser einer ordnungsmäßigen Verwaltung nach § 21 Abs. 3 WEG entspricht, die auf Schadensverhinderung einerseits und umgehende Schadensbeseitigung andererseits gerichtet ist.

c) Zutreffend hat das Landgericht auch ausgeführt, dass die Eigentümerversammlung bei ihrer Beschlussfassung nicht an eine frühere Verwalterzustimmung gebunden ist. Dafür ist nämlich unerheblich, ob ein Einbau der Boxen, wie es die Antragsteller behaupten, auch noch nach dem Auftragen der Schutzschicht im Zuge der Sanierung beschädigungslos möglich ist. Maßgeblich ist vielmehr die durch die Sanierung als solche geschaffene neue Sachlage. Zudem liegt in der Bestimmung der Gemeinschaftsordnung, für eine Maßnahme die Verwalterzustimmung einzuholen, nicht die Abbedingung des § 22 Abs. 1 WEG. Als bauliche Veränderung stellt sich jedoch der Boxeneinbau dar, sofern er zu Schäden am Gemeinschaftseigentum der Tiefgarage, etwa durch Anbohren der Isolierschicht, führt (BayObLGZ 1990, 120/123; Merle in Bärmann/Pick/Merle § 22 Rn. 141).

3. Der Senat hält es nach § 47 WEG für angemessen, den in allen Rechtszügen unterlegenen Antragstellern neben den gerichtlichen auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner im Rechtsbeschwerdeverfahren aufzuerlegen.

4. Die nach § 9 Abs. 2 BRAGO und § 31 Abs. 3 Sätze 1 und 3 KostO zulässige Beschwerde der anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragsgegner gegen die landgerichtliche Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren ist unbegründet.

Der Geschäftswert bestimmt sich nach dem Interesse aller Beteiligten an der im Beschluss getroffenen Regelung (BayObLG WE 1997, 116); dafür ist maßgeblich der Gegenstand des jeweiligen Beschlusses. Zu bewerten ist deshalb einerseits das Interesse, Gemeinschaftseigentum im Bereich der Tiefgarage vor Beschädigungen durch Einbringung von Boxen zu schützen und gegen Schädiger vorzugehen, andererseits das Interesse, als Inhaber eines Stellplatzes sein dort abgestelltes Fahrzeug besser zu schützen oder die Stellflächen, etwa als Vermieter, mit Boxen besser und teurer vermieten zu können. Mit 10.000 EURO erscheinen diese Interessen angemessen bewertet.

Soweit das Landgericht auch den amtsgerichtlichen Geschäftswert entsprechend abgeändert hat, ist die (weitere) Geschäftswertbeschwerde hiergegen zwar mangels Zulassung durch das Landgericht unzulässig (§ 31 Abs. 3 Satz 5 KostO i.V.m. § 14 Abs. 4 und 5 KostO); jedoch steht dem Senat die Überprüfung von Amts wegen offen gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO. Eine Änderung der für das amtsgerichtliche Verfahren getroffenen Festsetzung durch das Landgericht kommt nach den vorangegangenen Erwägungen aber nicht in Frage.

Ende der Entscheidung

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