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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.12.1999
Aktenzeichen: 3 ObOWi 126/99
Rechtsgebiete: PostG, OWiG


Vorschriften:

PostG § 4 Nr. 1
PostG § 51 Abs. 1
OWiG § 79 Abs. 5 Satz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BayObLG

Beschluß

30.12.1999 3

ObOWi 126/99

Der 3. Senat für Bußgeldsachen des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Bayerischen Obersten Landesgericht Lancelle sowie der Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Vitzthum und Dr. Pettenkofer am 30. Dezember 1999 in dem Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen die Fahrpersonalverordnung nach Anhörung der Staatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Coburg vom 17. August 1999 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Richter des Amtsgerichts Coburg zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Coburg sprach den Betroffenen am 17. 8. 1999 vom Vorwurf frei, die Lenkzeit am Steuer eines LKW überschritten zu haben.

Dem Betroffenen war angelastet worden, in der Zeit vom 1. bis 2. 12. 1998 mit dem LKW einer Subunternehmerin der Post AG Briefe oder Pakete befördert und dabei die Überschreitung der Lenkzeit billigend in Kauf genommen zu haben.

Nach Auffassung des Amtsrichters handelte es sich bei dem LKW jedoch um ein Fahrzeug im Sinne des Art. 4 Nr. 6 VO (EWG) Nr. 3820/85, das von einer zuständigen Stelle des Postsachenbeförderungsdienstes eingesetzt wurde, so daß es nicht den Vorschriften der VO (EWG) Nr. 3820/85 unterfiel.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung des materiellen Rechts rügt.

II.

Die nach ihrer Zulassung statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

Das angefochtene Urteil geht anscheinend, ohne dies ausdrücklich festzustellen, davon aus, daß das zulässige Gesamtgewicht des vom Betroffenen gesteuerten Fahrzeugs 3,5 Tonnen übersteigt. Denn andernfalls wäre angesichts der Ausnahmevorschrift des Art. 4 Nr. 1 VO (EWG) Nr. 3820/85 die Frage, ob im vorliegenden Fall Art. 4 Nr. 6 VO (EWG) Nr. 3820/85 Anwendung findet, nicht mehr entscheidungserheblich.

Die angegriffene Entscheidung hat bei der Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 4 Nr. 6 VO (EWG) Nr. 3820/85 die Zielsetzungen dieser Verordnung außer Betracht gelassen. Allerdings ist auch nach Umwandlung der Deutschen Bundespost in die Deutsche Post AG letztere zuständige Stelle des Postsachenbeförderungsdienstes. Denn die Anwendbarkeit des Art. 4 Nr. 6 VO (EWG) Nr. 3820/85 erfordert nicht, daß dieser Dienst öffentlich-rechtlich organisiert ist (EuGH NStZ-RR 1996, 281). Die genannte Bestimmung verbietet es der Deutschen Post AG auch nicht, sich bei der Postsachenbeförderung eines Subunternehmers zu bedienen.

Schließlich gehört die Beförderung von Briefen und Paketen wie alle in § 4 Nr. 1 PostG genannten Postdienstleistungen zur Postsachenbeförderung im Sinne Art. 4 Nr. 6 VO (EWG) Nr. 3820/85. Damit sind aber die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Art. 4 Nr. 6 VO (EWG) Nr. 3820/85 im vorliegenden Fall noch nicht erfüllt.

Die Auslegung dieser Vorschrift hat nämlich ferner zu beachten, daß ihr Ergebnis die Ziele der VO (EWG) Nr. 3820/85 nicht beeinträchtigen darf. Diese Verordnung soll u.a. Ungleichheiten beseitigen, die den Wettbewerb konkurrierender Unternehmen beeinträchtigen könnten, sowie die Arbeitsbedingungen und die Sicherheit im Straßenverkehr verbessern. Zwar besitzt die Deutsche Post AG gemäß § 51 Abs. 1 PostG bis 31. 12. 2002 die gesetzliche Exklusivlizenz, bestimmte Briefsendungen und adressierte Kataloge gewerbsmäßig zu befördern, so daß sie insoweit während dieser Zeit nicht im Wettbewerb mit anderen Unternehmen steht. Im übrigen aber, gerade auch bei der hier in Rede stehenden Paketbeförderung, konkurriert sie mit anderen Anbietern. Wäre die Deutsche Post AG beim Erbringen der nicht von der gesetzlichen Exklusivlizenz erfaßten Postdienstleistungen im Gegensatz zu ihren Mitbewerbern nicht gehalten, die Bestimmungen der VO (EWG) Nr. 3820/85 einzuhalten, so würde ihr dies gegenüber ihren Konkurrenten einen gegen die Ziele dieser Verordnung verstoßenden Wettbewerbsvorteil verschaffen. Dieser ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteil der Deutschen Post AG würde auch bestehen, wenn sie bei der gleichzeitigen Beförderung von Postsachen, für die sie die gesetzliche Exklusivlizenz besitzt, und solchen, die auch Mitbewerber befördern dürfen, die Ausnahmevorschrift des Art. 4 Nr. 6 VO (EWG) in Anspruch nehmen könnte (vgl. dazu auch EuGH Slg I 1992, 4071 - Fall British Gas).

Die Deutsche Post AG ist sonach dann nicht an die VO (EWG) Nr. 3820/85 gebunden, wenn sie ausschließlich Postsachen, die ihrer gesetzlichen Exklusivlizenz unterliegen, durch eigenes Personal befördert. Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt, wenn die Deutsche Post AG zur Beförderung derartiger Postsachen Subunternehmer einsetzt. Diese sind nämlich nicht ohne weiteres die "zuständige Stelle" im Sinne des Art. 4 Nr. 6 VO (EWG) Nr. 3820/85. Eine Gleichbehandlung mit der Deutschen Post AG setzt vielmehr voraus, daß sie unter deren Kontrolle stehen (vgl. dazu EuGH NStZ-RR 1996, 281 zur Müllabfuhr). Diese "behördliche" Kontrolle soll sicherstellen, daß für Subunternehmer der Deutschen Post AG, die ja untereinander in Wettbewerb stehen, die gleichen Wettbewerbsbedingungen herrschen. Kontrolliert wird der Subunternehmer von der Deutschen Post AG in diesem Sinn aber nur, wenn sie einerseits regelmäßig überprüft, ob der Subunternehmer sein Fahrpersonal bei der Beförderung von Postsachen in einer Weise einsetzt, daß das von der VO (EWG) Nr. 3820/85 angestrebte Ziel einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Sicherheit im Straßenverkehr verwirklicht wird, andererseits aber auch dafür sorgt, daß etwa festgestellte Mängel abgestellt werden.

Inwieweit im vorliegenden Fall diese Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Art. 4 Nr. 6 VO (EWG) Nr. 3820/85 erfüllt sind, läßt die angefochtene Entscheidung offen.

III.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird daher das Urteil des Amtsgerichts Coburg vom 17. 8. 1999 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Richter des Amtsgerichts Coburg zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG). Der Senat entscheidet in der Besetzung mit drei Richtern (§ 80 a Abs. 1 und 3 OWiG) durch Beschluß gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.



Ende der Entscheidung

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