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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.12.2003
Aktenzeichen: 3 ObOWi 93/03
Rechtsgebiete: LadSchlG


Vorschriften:

LadSchlG § 1 Abs. 1
LadSchlG § 3
Ein Feilhalten von Waren zum Verkauf an jedermann im Sinn von § 1 Abs. 1 LadSchlG liegt auch dann vor, wenn die Waren zwar zur Miete ("Leihe") gegen Hinterlegung des Kaufpreises als "Kaution" angeboten werden, tatsächlich aber dem Kunden gegen Zahlung der "Kaution" übereignet werden sollen.
Tatbestand:

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen vorsätzlicher Missachtung des Ladenschlussgesetzes zur Geldbuße von 400 Ç. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügte der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts. Das zulässige Rechtsmittel (§§ 344, 345 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) hatte in der Sache teilweise Erfolg.

Gründe:

1. Das Amtsgericht hat folgende Tatfeststellungen getroffen:

In N. betreibt der Betroffene in dem auf geschlechtliche Animation ausgerichteten Betrieb "World of Sex", eine Verkaufsstelle für Sexhefte, Sexvideos und damit zusammenhängende Gegenstände.

Am 2.11.2002 gegen 21.08 Uhr wurde unter seiner Weisung an einen Passanten ein Sexmagazin "Teenagers" für 10,50 Ç verkauft. Gesetzlicher Ladenschluss war um 20.00 Uhr.

Mittels Aushang und Flugblatt informierte der Betroffene zuvor den Kunden wie folgt: "Liebe Kunden! Auch wir müssen uns an die gesetzlichen Ladenschlusszeiten halten. Deshalb bieten wir Ihnen an, unsere Ware ab 20 Uhr zu leihen. Als Kaution hinterlegen Sie den Kaufpreis. Die Verleihgebühr pro Kalendertag beträgt 20 % des Kaufpreises. Die Verleihgebühr wird fällig bei Rückgabe der Ware. Dann erhalten Sie ihre volle Kaution zurück! Ihr Team".

2. Dieser Sachverhalt trägt die Verurteilung wegen vorsätzlicher Missachtung des Ladenschlusses gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 LadSchlG. Der Betroffene hat entgegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 LadSchlG eine Verkaufsstelle werktags nach 20.00 Uhr für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden offen gehalten.

Der sachliche Geltungsbereich des Ladenschlussgesetzes beschränkt sich auf das Feilhalten von Waren zum Verkauf an jedermann (vgl. BGH NJW 1983, 1504/1505; Zmarzlik Ladenschlussgesetz 2. Aufl. § 1 Rn. 2). Andere Geschäftszwecke, wie z.B. die Vermietung von Waren, fallen nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Maßgeblich für die Beurteilung ist das tatsächlich Gewollte und nicht die gewählte äußere Form. Dieser Grundsatz beherrscht nicht nur das Zivilrecht (vgl. § 127 Abs. 2, § 133 BGB), sondern prägt die gesamte Rechtsordnung und findet auch im Bereich des öffentlichen Rechts Anwendung (vgl. z.B. § 62 VwVerfG oder § 41 Abs. 2 AO). Wenn deshalb in einem Ladengeschäft die angebotenen Waren den Kunden gegen Zahlung eines dem Kaufpreis entsprechenden Geldbetrags übereignet werden sollen, handelt es sich um ein die Anwendbarkeit des Ladenschlussgesetzes begründendes Feilhalten zum Verkauf, auch wenn das Rechtsgeschäft als "Leihe" und der Kaufpreis als "Kaution" bezeichnet wird.

So liegt der Fall hier. Der Tatrichter hat ohne Rechtsfehler die Überzeugung gewonnen, dass das Verhalten des Betroffenen einen Verkauf darstellte und die vorgenommene rechtliche Konstruktion lediglich der Umgehung des Ladenschlussgesetzes diente (UA S. 4). Er gründet dies im Wesentlichen auf die Erwägungen, dass in dem Geschäftslokal ausschließlich Neuware angeboten wurde, dass die Warenpräsentation in den Regalen keinen Hinweis auf Leihartikel gab und dass die in dem Aushang und Flugblatt erwähnte Möglichkeit des "Entleihens" gegen Hinterlegung des Kaufpreises als "Kaution" ausschließlich auf die Zeit des Ladenschlusses ab 20.00 Uhr beschränkt war. Die Überzeugung des Tatrichters beruht damit auf tragfähigen verstandesmäßig nachvollziehbaren Tatsachengrundlagen (vgl. BGH StV 2002, 235 m.w.N.), die die gezogenen Schlussfolgerungen nicht nur möglich, sondern in hohem Maß nahe liegend erscheinen lassen. Sie ist deshalb vom Rechtsbeschwerdegericht hinzunehmen.

Auch die Annahme vorsätzlichen Handelns findet in den getroffenen Feststellungen eine ausreichende Grundlage. Falls der Betroffene bei voller Kenntnis des Sachverhalts gleichwohl rechtsirrig das Ladenschlussgesetz für nicht anwendbar gehalten haben sollte, würde dies lediglich einen Subsumtionsirrtum begründen, der den Vorsatz nicht ausschließt, sondern nur zu einem Verbotsirrtum führen kann (vgl. Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 16 Rn. 11 m.w.N.). Ein solcher wäre im Hinblick auf die dem Betroffenen als Geschäftsmann obliegenden gesteigerten gewerberechtlichen Erkundigungspflichten vermeidbar gewesen (vgl. Tröndle/Fischer § 17 Rn. 9 m.w.N.). Wer wie der Betroffene eine bußgeldbewehrte gewerberechtliche Schutzvorschrift bewusst umgehen will, darf bezüglich der Erlaubtheit seines Handelns nicht auf die Wirksamkeit einer den tatsächlichen Lebenssachverhalt verschleiernden rechtlichen Scheinkonstruktion vertrauen (vgl. KG JR 1977, 379/380).

3. Die Bußgeldbemessung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Der Tatrichter hat hierzu ausgeführt:

Nachdem der Betroffene mit voller Überzeugung hinter seinem Vorgehen steht, vorsätzliches Verhalten in gesteigerter Form vorliegt, wird eine am oberen Rand des Bußgeldrahmens bis zu 500 EUR gewählte Geldbuße von 400 EUR verhängt. Anders kann der gut verdienende Betroffene als Geschäftsführer nicht beeindruckt werden.

Diese Erwägung lässt nicht zweifelsfrei erkennen, ob dem Betroffenen die Vorsätzlichkeit seines Handelns oder das Beharren auf seiner Überzeugung erschwerend zur Last gelegt werden soll. Beides wäre fehlerhaft.

Vorsätzliches Handeln an sich darf nicht als Zumessungsgrund herangezogen werden, weil davon bereits der Bußgeldrahmen abhängt (§ 17 Abs. 2 OWiG; vgl. KK/Steindorf OWiG 2. Aufl. § 17 Rn. 68 "Schuldform" m.w.N.). Zulässig wäre allenfalls, innerhalb des Vorsatzes eine Schuldabstufung vorzunehmen und das Vorliegen eines lediglich bedingten Vorsatzes mildernd zu berücksichtigen (KK/Steindorf § 17 Rn. 82 "Vorsatz").

Das Beharren auf einer unzutreffenden Rechtsansicht trotz richterlicher Belehrung gehört zu den natürlichen Verteidigungsrechten eines Betroffenen und ist deshalb kein zulässiger Schärfungsgrund. Eine Uneinsichtigkeit kann nur dann zu Lasten des Betroffenen berücksichtigt werden, wenn das Prozessverhalten nach der Art der Tat und der Persönlichkeit des Täters auf die Gefahr künftiger erneuter Rechtsbrüche schließen lässt (KK/Steindorf § 17 Rn. 70). Eine solche Gefahr hat das Gericht mit dem Hinweis, anders könne der gut verdienende Betroffene als Geschäftsführer nicht beeindruckt werden, zwar behauptet, aber nicht durch konkrete Umstände belegt, die über das Festhalten des Betroffenen an seiner bisherigen Rechtsauffassung hinausgehen. Insoweit bedarf es weiterer Feststellungen.



Ende der Entscheidung

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