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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 27.07.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 101/01
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 19 Abs. 2
Enthält der Vertragstext an auffälliger Stelle eine eindeutige Angabe des Verkehrswertes, so müssen die Beteiligten nicht wissen, dass sich an ihm die Höhe der Notargebühren orientiert.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Denk

am 27. Juli 2001

in der Kostensache

auf die weitere Beschwerde des beteiligten Notars

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 31. Januar 2001 wird aufgehoben.

II. Die Beschwerde der Beteiligten gegen die berichtigte Kostenrechnung des Notars vom 30. März 2000 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten kauften am 23.7.1999 von ihrer Heimatgemeinde im Rahmen eines Einheimischenmodells ein 822 m² großes Baugrundstück. In Ziff. V des von dem weiteren Beteiligten beurkundeten Vertrages heißt es:

Der volle Kaufpreis (Verkehrswert des Vertragsgrundstücks ohne Erschließungskosten) beträgt 650,-- DM pro Quadratmeter.

Hierauf gewährt der Verkäufer dem Käufer einen auflösend bedingten Preisnachlass als Subvention von 534,-- DM pro Quadratmeter, so dass der Käufer vorerst nur den Betrag von 116,-- DM pro Quadratmeter zahlen muss.

Der Preisnachlass soll entfallen, wenn die Beteiligten gegen bestimmte vertragliche Verpflichtungen verstoßen, die der Sicherung des Einheimischenmodells dienen.

Der weitere Beteiligte erstellte für seine Tätigkeit am 23.7.1999 eine Kostenrechnung, die er nach der Stellungnahme der Notarkasse vom 28.3.2000 am 30.3.2000 berichtigte und den Beteiligten mitteilte. Hierzu legte er für die Bewertung den in der Urkunde genannten vollen Kaufpreis von 534300 DM zugrunde. Hiergegen legten die Beteiligten Beschwerde ein, da sie der Meinung sind, es sei der ermäßigte Kaufpreis (95352 DM) maßgebend. Das Landgericht hat die berichtigte Kostenrechnung aufgehoben und den weiteren Beteiligten angewiesen, ausgehend von einem Geschäftswert von 406088,20 DM den Beteiligten eine neue Kostenrechnung zu erteilen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde des beteiligten Notars.

II.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft, vom Landgericht zugelassen und fristgerecht eingelegt worden (§ 156 Abs. 2 Satz 1 und 2 KostO).

2. Das Rechtsmittel ist begründet.

Gegenstand der Erstbeschwerde wie der weiteren Beschwerde ist der Geschäftswert der Vertragsbeurkundung vom 23.7.1999 (vgl. BayObLGZ 1987, 186/190; Korintenberg/Bengel KostO 14. Aufl. § 156 Rn. 58).

a) Das Landgericht hat ausgeführt, für den Geschäftswert seien der Kaufpreis und weitere von den Beteiligten übernommene Leistungen von insgesamt 406088,20 DM maßgeblich, da der Verkehrswert des Grundstücks 279480 DM betrage und somit niedriger sei.

b) Dies hält der rechtlichen Prüfung nicht stand (§ 156 Abs. 2 Satz 4 KostO, § 550 ZPO).

aa) Der Geschäftswert für die Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages richtet sich zwar grundsätzlich nach dem Kaufpreis, zu dem der Wert weiterer vom Erwerber übernommener oder ihm sonst infolge der Veräußerung obliegender Leistungen hinzuzurechnen ist (§ 20 Abs. 1 Satz 1, § 141 KostO). Ist allerdings der Kaufpreis niedriger als der nach § 19 KostO festzustellende (Verkehrs)Wert des Grundstücks, so ist nach § 20 Abs. 1 Satz KostO der Verkehrswert heranzuziehen. Nach dem Gesetzeswortlaut ist demnach jeweils ein Vergleich zwischen dem Kaufpreis und dem Wert des Grundstücks nach § 19 KostO anzustellen und der höhere Wert als Geschäftswert zugrunde zu legen. Da jedoch der Kaufpreis im allgemeinen dem Wert der gekauften Sache gleichkommen wird, soll für den Normalfall die Bestimmung des Geschäftswerts dadurch vereinfacht werden, dass der Wert der verkauften Sache nicht eigens festgestellt werden muss. Um diesem Vereinfachungszweck des § 20 Abs. 1 Satz 1 KostO Rechnung zu tragen, ist der Wert der Sache nur dann festzustellen, wenn deutlich zutage tritt, dass in dem nach § 18 Abs. 1 KostO maßgebenden Zeitpunkt der Kaufpreis nicht annähernd so hoch ist wie der sich bei Anwendung des § 19 KostO ergebende Wert der Sache (BayObLGZ 1974, 422/425; BayObLG JurBüro 1995, 432/433 m.w.N.). Das ist hier der Fall.

bb) Die Höhe des Kaufpreises hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Die Beteiligten hatten zunächst nur den ermäßigten Kaufpreis von 116 DM je Quadratmeter zu bezahlen. In die Bewertung sind jedoch die zusätzlichen Leistungen der Käufer einzubeziehen. Diese hat das Landgericht zutreffend dargestellt. Das gilt insbesondere für den Umstand, dass die auflösende Bedingung für den Preisnachlass eintreten und der volle Kaufpreis gemäß Ziff. V Abs. 1 des Vertrages zu zahlen sein könnte (vgl. dazu BayObLGZ 1964, 294/297; Korintenberg/ Bengel § 20 Rn. 8). Mit dem Landgericht kann daher von einem Kaufpreis in Höhe von 406088,20 DM ausgegangen werden.

cc) Hingegen ist die Bewertung des Grundstücks, die das Landgericht vorgenommen hat, nicht frei von Rechtsfehlern.

Der Wert von Grundbesitz bestimmt sich nach § 19 Abs. 2 Satz 1 KostO. Nach dieser Vorschrift sind alle ausreichenden Anhaltspunkte für einen den Einheitswert übersteigenden Wert heranzuziehen, um dem Verkehrswert als dem gemeinen Wert im Sinn von § 19 Abs. 1 Satz 1 KostO möglichst nahe zu kommen. Der Verkehrswert lässt sich nicht mathematisch exakt errechnen, vielmehr nur schätzen; der Wert ist also Ermessenswert (Korintenberg/Bengel KostO 14. Aufl. Rn. 9, Rohs/Wedewer KostO 3. Aufl. Rn. 2b, je zu § 19; Göttlich/Mümmler KostO 14. Aufl. Stichwort "Grundbesitzwert" S. 484).

Die diesbezügliche Bewertung des Landgerichts ist zwar nur beschränkt nachprüfbar (BayObLG Rpfleger 1970, 181/182). Das Landgericht hat aber für seine Bewertung ausschließlich die tabellarischen Bodenrichtwerte herangezogen und dabei die Angaben der Beteiligten unberücksichtigt gelassen. Damit hat es einen wesentlichen Gesichtspunkt außer acht gelassen. Darin liegt ein Rechtsfehler.

Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 KostO kommt den Angaben der Beteiligten bei der Bestimmung des Verkehrswerts besondere Bedeutung zu (vgl. BayObLG Rpfleger 1970, 181/182). Beteiligte im Sinne dieser Vorschrift sind diejenigen des gebührenpflichtigen Geschäfts (Korintenberg/Bengel § 19 Rn. 20), hier also die Parteien des beurkundeten Vertrages. Die hervorgehobene Bedeutung ihrer Einschätzung beruht unter anderem auf der Überlegung, dass sie in aller Regel das konkret zu bewertende Grundstück kennen und deshalb mit den für die Bewertung relevanten Umständen am besten vertraut sind, während sich allgemeine Anhaltspunkte wie etwa die Bodenrichtwerte stets auf eine größere Gruppe von Grundstücken beziehen und deshalb der konkreten Situation, z.B. einer besonderen Lage, nicht stets gerecht werden müssen. Zum anderen bemisst sich der Verkehrswert gerade danach, welche Gegenleistung bei einer Veräußerung für das Grundstück erzielt werden kann. Die Vertragsparteien, beide mit den örtlichen Verhältnissen vertraut, haben hier im Vertrag ausdrücklich erklärt, der Verkehrswert des Vertragsgrundstücks betrage 650 DM pro Quadratmeter. Dies ist eine hinreichend bezifferte Angabe (Korintenberg/Bengel § 19 Rn. 21), da sich bei einer Grundstücksgröße von 822 m² unschwer der Wert von 534300 DM errechnen lässt.

Unter diesen Umständen durfte das Landgericht nicht ohne nähere Begründung, warum dieser Angabe keine Bedeutung beizumessen sei, von den Bodenrichtwerten ausgehen.

c) Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf diesem Rechtsfehler. Da sich die für die Bewertung maßgeblichen Umstände aus den Akten ergeben, kann der Senat selbst in der Sache entscheiden. Er hält es für angemessen, bei der Bewertung aus den bereits genannten Gründen von den ausdrücklichen Angaben zum Verkehrswert im Vertrag auszugehen. Eindeutige Hinweise darauf, dass die Angaben unzuverlässig oder unrichtig wären (vgl. Rohs/Wedewer KostO 2. Aufl. § 19 Rn. 24), was zu einem Rückgriff auf andere ausreichende Anhaltspunkte zwänge, liegen nicht vor. Insbesondere steht der im Vertrag genannte Wert angesichts der Schwankungen, die bei Bodenpreisen je nach Lage des Grundstücks zu verzeichnen sind, nicht außer Verhältnis zu den sonstigen Anhaltspunkten für die Wertbestimmung, insbesondere den Bodenrichtwerten.

Wegen des eindeutigen und ausdrücklichen Wortlauts des Vertrages kommt es nicht darauf an, ob den Beteiligten bewusst war, dass ihre Angaben für den Wert Bedeutung haben (Korintenberg/Bengel § 19 Rn. 23). Diese Frage stellt sich nur bei der Verwertung mittelbarer Angaben, die Rückschlüsse auf den Wert zulassen. Jedenfalls wenn wie hier die Wertangabe eindeutig ist und an auffälliger Stelle im Vertragstext steht, kommt es nicht mehr darauf an, ob den Beteiligten deren Bedeutung für die Wertfestsetzung auch bewusst war, ob der weitere Beteiligte bei der Beurkundung einen dementsprechenden Hinweis gegeben hat (vgl. OLG Hamm Rpfleger 1973, 329/331), oder ob sonstige Umstände vorlagen, aus denen hervorging, dass die Beteiligten mit einer Heranziehung der Wertangabe zur Bestimmung der Notarkosten zumindest rechnen mussten.

d) Der Verkehrswert des Grundstücks beträgt danach 534300 DM. Er ist höher als der Kaufpreis. Der weitere Beteiligte hat ihn zutreffend seiner Kostenrechnung zugrundegelegt. Daher war die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben und die Erstbeschwerde zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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