Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 24.07.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 122/01
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG


Vorschriften:

BGB § 1836 Abs. 2 Satz 2
BVormVG § 1 Abs. 3
Der mit der Übergangsregelung des § 1 Abs. 3 BVormVG verfolgte Zweck, aus der veränderten Vergütungssituation resultierende unzumutbare Nachteile zu vermeiden, rechtfertigt es, den Betreuern grundsätzlich auch in den Fällen, in denen von ihnen betreute Personen nicht mittellos sind, für eine angemessene Übergangszeit einen Härteausgleich zu gewähren
Der 3.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Schreieder

am 24. Juli 2001

in der Betreuungssache

auf die sofortige weitere Beschwerde des Betreuer

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 1. März 2001 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht München I zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Für die vermögende Betroffene ist ein Rechtsanwalt zum Betreuer bestellt, der die Betreuung berufsmäßig führt. Sein Aufgabenkreis umfasst die Fürsorge für die Heilbehandlung, die Organisation der ambulanten Versorgung, die Wohnungsangelegenheiten, die Vermögenssorge sowie die Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern.

Der Vergütung des Betreuers wurde für dessen Tätigkeit in den Jahren 1996 und 1997 ein Stundensatz von 210 DM (einschließlich Mehrwertsteuer) und für die Jahre 1998 und 1999 ein Stundensatz von 200 DM (einschließlich Mehrwertsteuer) zugrunde gelegt.

Entgegen seinem Antrag, ihm auch für den Abrechnungszeitraum 1.1. bis 31.10.2000 eine Vergütung auf der Basis eines Stundensatzes von 200 DM (einschließlich Mehrwertsteuer) zu bewilligen, gestand ihm das Amtsgericht mit Beschluss vom 26.1.2001 lediglich einen Stundensatz von 60 DM (zuzüglich Mehrwertsteuer) zu.

Die sofortige Beschwerde des Betreuers ist gemäß Beschluss des Landgerichts vom 1.3.2001 ohne Erfolg geblieben.

Hiergegen wendet sich der Betreuer mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das zulässige, insbesondere vom Landgericht zugelassene Rechtsmittel (§ 69e Satz 1, § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG) führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Dieses hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Gemäß der verfassungsrechtlich unbedenklichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vergütung von Berufsbetreuern vermögender Betreuter dürfe der dem Beschwerdeführer entsprechend seiner Qualifikation zustehende Stundensatz von 60 DM nur überschritten werden, wenn die Schwierigkeiten der Betreuung dies ausnahmsweise rechtfertigten. Als Anhaltspunkt hierfür komme nach dem Akteninhalt lediglich die vom Betreuer so bezeichnete "reduzierte Sprachfertigkeit" der Betroffenen in Betracht. Hierdurch würden sich Besprechungen mit der Betroffenen zwar in die Länge ziehen. Diesem Umstand werde jedoch bereits über die Berücksichtigung des erhöhten Zeitaufwands Rechnung getragen. Auch Vertrauensschutzgesichtspunkte oder der Grundsatz der Gleichbehandlung rechtfertigten keine höhere Vergütung. Die grundlegende Änderung des Vergütungsrechts für Betreuer sei bereits zum 1.1.1999 erfolgt. Inwieweit die vom Gesetzgeber für die Betreuung mittelloser Betreuter festgesetzten Stundensätze auch für die Vergütung der Betreuer vermögender Betreuter maßgebend seien, sei von Anfang an umstritten gewesen. Der Beschwerdeführer habe deshalb nicht davon ausgehen können, dass ihm der Stundensatz von 200 DM weiterhin und auf Dauer zugebilligt würde. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31.8.2000 stelle einen sachlichen Grund dar, von der bisher geübten Praxis bei der Vergütung von Betreuern vermögender Betreuter abzuweichen.

2. Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Beschwerdeentscheidung, soweit die Kammer der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt. Danach kommt den in § 1 Abs. 1 BVormVG festgelegten Stundensätzen für die Vergütung von Betreuern bemittelter Betreuter Richtlinienfunktion zu und darf der Tatrichter sie nur überschreiten, wenn die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte dies im Einzelfall ausnahmsweise gebietet (BGHZ 145, 104; vgl. hierzu BayObLGZ 2000, 316; 2001 Nr.26). Die dahingehende Auslegung des § 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB, nach der insbesondere für eine Berücksichtigung der Sach- und Personalkosten des Betreuers kein Raum mehr ist (vgl. BGHZ 145, 104/ 113 f.), begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG BtPrax 2000, 120/122 f. und 2000, 254/256; OLG Düsseldorf BtPrax 2000, 219/220; OLG Frankfurt a.Main FGPrax 2000, 147/148; OLG Karlsruhe FGPrax 2001, 72). Dies gilt für Rechtsanwälte als Betreuer nicht zuletzt auch deshalb, weil es ihnen § 1835 Abs. 3 BGB ermöglicht, bestimmte Tätigkeiten als Aufwendungen abzurechnen und hierdurch ihre Einkünfte aus der Betreuung zu ergänzen (vgl. BVerfG BtPrax 2000, 120/122 und 2000, 254/255 sowie FamRZ 2000, 1284/1285). Das Vorbringen des Beschwerdeführers enthält zu diesen Fragen keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte. Der Senat sieht daher unter Hinweis auf die genannten Entscheidungen von einer weiteren Begründung ab.

Die Würdigung des Landgerichts, dass die im Abrechnungszeitraum erledigten Aufgaben an den Betreuer als Rechtsanwalt keine außergewöhnlichen Anforderungen gestellt hätten, ist rechtsfehlerfrei. Sie hält sich im Rahmen des dem Tatrichter insoweit eingeräumten Ermessens (BayObLGZ 1999, 375/378 und 2000, 136/138). Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kammer wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen oder den zur Bewältigung der angefallenen Geschäfte erforderlichen Einsatz unvertretbar unterbewertet hätte.

3. Dagegen wird die Beschwerdeentscheidung der Übergangsregelung des § 1 Abs. 3 BVormVG und ihrer Ausstrahlung auf die Vergütung von Betreuern bemittelter Betreuter nicht gerecht.

Diese Bestimmung gilt zwar unmittelbar nur, wenn die Vergütung des Betreuers wegen Mittellosigkeit des Betreuten aus der Staatskasse zu leisten ist. Der mit ihr verfolgte Zweck, aus der veränderten Vergütungssituation resultierende unzumutbare Nachteile zu vermeiden (vgl. BayObLGZ 2000, 136/138 f.; 2001, 37/39), rechtfertigt es jedoch, den Betreuern grundsätzlich auch in den Fällen, in denen von ihnen betreute Personen nicht mittellos sind, für eine angemessene Übergangszeit einen Härteausgleich zu gewähren (vgl. BayObLGZ 2000, 331/334; 2001 Nr.26). Hier wirkt sich die neue Vergütungsregelung häufig besonders negativ aus, da die Gerichte bis 31.12.1998 Betreuern bemittelter Betreuter gewöhnlich deutlich höhere Stundensätze zugebilligt hatten, als für die Betreuung mittelloser Betreuter vorgesehen waren (vgl. BayObLGZ 2000, 331/334 f.). Nach der Rechtsprechung zum früheren Recht war der Stundensatz so zu bemessen, dass die Vergütung dem Berufsbetreuer über den Ersatz von Kosten hinaus ein angemessenes Honorar erbrachte (vgl. BayObLGZ 1999, 375/379). Bei Rechtsanwälten hat der Senat einen Stundensatz von 200 DM einschließlich Mehrwertsteuer als in der Regel angemessen angesehen (vgl. BayObLGZ 1997, 44). Die gravierende Reduzierung der Vergütung für die Betreuung vermögender Betreuter gestattet es dem Tatrichter, in diesem Bereich übergangsweise über die Beträge des § 1 Abs. 1 BVormVG hinausgehende Stundensätze auch dann zu bewilligen, wenn dies mangels besonderer Schwierigkeit der Betreuung an sich nicht möglich wäre. Der Tatrichter hat deshalb bei der Vergütung von Betreuern nicht mittelloser Betreuter in seine Erwägungen einzubeziehen, ob bzw. inwieweit es für den Betreuer eine besondere Härte bedeuten würde, die nunmehr maßgeblichen Bemessungskriterien bereits ab 1.1.1999 ohne Einschränkung anzuwenden (vgl. BayObLGZ 2001 Nr.26).

4. Der Senat verweist die Sache an das Landgericht zurück, da die Entscheidung, ob, für welchen Zeitraum und in welchem Ausmaß dem Betreuer ein Härteausgleich zugestanden werden kann, sowie die Feststellung der für diese Entscheidung relevanten Umstände dem Tatrichter obliegt.

Vorsorglich weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in den Fällen, in denen es um einen Härteausgleich für den Betreuer eines nicht mittellosen Betreuten geht, folgendes zu beachten ist:

Entsprechend § 1 Abs. 3 BVormVG ist Voraussetzung für einen Härteausgleich, dass der Betreuer bereits vor dem 1.1.1999 über einen erheblichen Zeitraum hinweg Betreuungen berufsmäßig geführt hat (vgl. BayObLGZ 2001 Nr. 26).

Kriterien für Gewährung des Härteausgleichs bei einem Rechtsanwalt als Betreuer sind insbesondere, seit wann er Betreuungen berufsmäßig führt, in welchem Ausmaß diese Tätigkeit die Struktur und die Organisation seiner Kanzlei sowie seine Einkommenssituation geprägt hat, welche Anstrengungen eine etwa notwendige Anpassung der Kanzleistruktur und -organisation an die durch die Änderung des Betreuervergütungsrechts bedingte Minderung der Einkünfte erfordert und im welchem Umfang er im Abrechnungszeitraum angefallene Tätigkeiten als Aufwendungen abrechnet (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1835 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB). Diese Umstände hat das Vormundschaftsgericht bzw. das im Beschwerdeverfahren an seine Stelle tretende Landgericht nach § 12 FGG zwar grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln.

Da sie allein aus der Sphäre des Betreuers stammen, trifft diesen insoweit jedoch eine Darlegungslast, d.h. es obliegt ihm, die notwendigen Angaben zu machen und zu belegen (vgl. OLG Dresden FamRZ 2000, 552/553). Hierzu muss dem Betreuer Gelegenheit gegeben werden.

Was den Zeitraum betrifft, für den Härteausgleich zugestanden werden kann, vermögen die Gesichtspunkte der Besitzstandswahrung und der Ermöglichung einer Anpassung der Organisation des Büro- bzw. Kanzleibetriebs an die veränderte Einkommenssituation erhöhte Stundensätze in der Regel allenfalls bis zum 30.6.2000 zu rechtfertigen (vgl. BayObLGZ 2001 Nr.26). Diesen Zeitraum von 1 1/2 Jahren hat der Gesetzgeber in der ursprünglichen Fassung des § 1 Abs. 3 BVormVG als ausreichend angesehen. Die nachfolgende Verlängerung um ein Jahr durch Art.7 Abs. 10 des Gesetzes vom 27.6.2000 (BGBl. 1 897) erfolgte allein deshalb, weil in den meisten Ländern die durch § 2 BVormVG ermöglichten Nachqualifizierungen von Betreuern und Anerkennungsmaßnahmen nicht bis zum 30.6.2000 abgeschlossen werden konnten (BT-Drucks.14/2920 S.11 und 14/3195 S.37). In Bayern endet die Übergangsfrist aus diesem Grund nunmehr erst mit dem 31.12.2002 (Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Nachqualifizierung von Berufsbetreuern vom 19.6.2001 - GVB1 S.290).

Was schließlich das Ausmaß des Härteausgleichs angeht, soll der Tatrichter sich entsprechend § 1 Abs. 3 Satz 2 BVormVG an der bisherigen Vergütung orientieren. Diese stellt einen besonders wichtigen Orientierungspunkt dar (vgl. BayObLGZ 2001, 37/40). In diesem Zusammenhang kann auch von Bedeutung sein, dass der Betreuer Geschäfte, für' deren Wahrnehmung er an sich gemäß § 1835 Abs. 3 BGB Aufwendungsersatz verlangen könnte, im Vertrauen auf den bisherigen Stundensatz nur im Rahmen der Vergütung geltend macht, weil er hierüber Einzelaufzeichnungen nicht geführt hat. Soweit § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG bestimmt, dass bei der übergangsweisen Erhöhung der Stundensätze nicht über 60 DM hinausgegangen werden dürfe, gilt diese Höchstgrenze für Betreuer vermögender Betreuter naturgemäß nicht (vgl. BayObLGZ 2001 Nr.26). Andernfalls würde das Ziel eines angemessenen Härteausgleichs, das § 1 Abs. 3 BVormVG im Auge hat, in diesem Bereich verfehlt. Dem wesentlich höheren Niveau der Betreuern nicht mittelloser Betreuter früher gewährten Vergütungen könnte vielfach nicht Rechnung getragen werden. Betreuern, denen schon aufgrund ihrer Qualifikation ein Stundensatz von 60 DM zusteht, würde ein Härteausgleich ohne sachliche Rechtfertigung gänzlich versagt.

Ende der Entscheidung

Zurück