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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.09.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 302/01
Rechtsgebiete: BGB, FGG, ZPO
Vorschriften:
BGB § 1906 | |
FGG § 16 | |
FGG § 22 | |
FGG § 70g Abs. 1 Satz 1 | |
ZPO § 181 |
Gründe:
I.
Mit für sofort wirksam erklärten Beschluss vom 22.6.2001 genehmigte das Amtsgericht dem Betreuer die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung für die Dauer von zwei Jahren.
Die von der Betroffenen gegen die Unterbringungsmaßnahme am 26.7.2001 eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 13.8.2001 als unzulässig verworfen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die durch den Verfahrenspfleger erhobene sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen, mit der zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts beantragt und sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 22.6.2001 eingelegt wird.
II.
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Der Betroffenen war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts zu gewähren. Der Beschluss des Landgerichts vom 13.8.2001 ist damit gegenstandslos geworden. Das Landgericht hat nunmehr über die sachliche Begründetheit der sofortigen Beschwerde zu entscheiden.
1. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 22.6.2001 ist der Betroffenen wirksam zugestellt worden.
a) Gemäß § 16 Abs. 2, § 70g Abs. 1 Satz 1 PGG sind Entscheidungen in Unterbringungssachen, zu denen nach § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b FGG auch die Genehmigung der Unterbringung eines Betreuten nach § 1906 Abs. 1-3 BGB zählt, dem Betroffenen stets selbst bekannt zu machen. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Betroffenen ein Verfahrenspfleger bestellt worden ist oder nicht (vgl. Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 70g Rn. 1). Mit der Regelung des § 70g Abs. 1 Satz 1 FGG sollte die Rechtsstellung des Betroffenen gestärkt werden, der nicht ohne sein Wissen untergebracht werden soll (BT-Drucks. 11/4528 S. 185). Wegen dieses Gesetzeszweckes ist umstritten, ob die Zustellung an den Betroffenen stets an ihn persönlich zu erfolgen hat (so Marschner/Volckart Freiheitsentziehung und Unterbringung 4. Aufl. § 70g FGG Rn. 3) oder ob eine Ersatzzustellung möglich ist (so Bassenge/Herbst § 70g FGG Rn. 1; Jürgens/Mertens BtR 2. Aufl. § 70g FGG Rn. 1; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 16 Rn. 41, 42; Knittel BtG § 70g FGG Rn. 3).
Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass eine Ersatzzustellung ausreicht. Würde stets eine Übergabe an den Betroffenen persönlich gefordert, wäre eine Zustellung häufig in den Fällen nicht möglich, in denen der Betroffene sich bewusst der Unterbringungsmaßnahme entziehen will und sich zu einer Vereitelung der Zustellung entschließt. Darüber hinaus sprechen praktische Gesichtspunkte für die Zulassung der Ersatzzustellung, weil die Übergabe an den Betroffenen persönlich vor allem in geschlossenen, aber auch in offenen Einrichtungen auf Schwierigkeiten stoßen kann. Aus diesen Gründen sieht künftig § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in der Fassung des Zustellungsreformgesetzes vom 25.6.2001 (BGBl I S. 1206) ausdrücklich die Ersatzzustellung an den Leiter einer Gemeinschaftseinrichtung oder einen dazu ermächtigten Vertreter vor.
b) Die Ersatzzustellung an die Betroffene ist wirksam erfolgt. Laut Postzustellungsurkunde wurde der Beschluss "einem im Dienst der Familie stehenden Erwachsenen" übergeben, also eine Ersatzzustellung gemäß § 181 Abs. 1 ZPO dokumentiert. Dieser Fall der Ersatzzustellung liegt aber nicht vor, weil die Betroffene in ihrer Wohnung im Pflegeheim nicht in einer Familie lebt. Zutreffend hätte die Ersatzzustellung gemäß § 181 Abs. 2 ZPO beurkundet werden müssen, da Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen oder Krankenhäusern und deren Bevollmächtigte als "Hauswirt" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind (vgl. Baumbach/Hartmann ZPO 59. Aufl. § 181 Rn. 18; Zöller/Stöber ZPO 22. Aufl. § 181 Rn. 15; OLG Stuttgart Rpfleger 1975, 102). Dennoch führt die fehlerhafte Bezeichnung nicht zur Unwirksamkeit der Ersatzzustellung. Ein Verstoß gegen Zustellungsvorschriften führt nur dann zur Unwirksamkeit, wenn ein wesentlicher Mangel vorliegt; bloße Ungenauigkeiten bei der Durchführung, welche die Zustellung selbst nicht beeinträchtigen, sind unschädlich (vgl. BGH Rpfleger 1989, 418; BGH NJW 1990, 176/177; OLG Schleswig JurBüro 1991, 122; Baumbach/Hartmann § 191 Rn. 14; Thomas/ Putzo ZPO 23. Aufl. § 190 Rn. 8). Auch wenn der Postzusteller eine Zustellung nach § 181 Abs. 1 ZPO und nicht nach § 181 Abs. 2 ZPO vornehmen wollte, ist maßgeblich, dass eine Ersatzzustellung an eine Person erfolgt ist, an welche wirksam zugestellt werden konnte. Demgegenüber fällt es nicht ins Gewicht, dass die Art der Ersatzzustellung nicht zutreffend bezeichnet worden ist (vgl. OLG Schleswig aaO).
Anhaltspunkte dafür, dass die in der Zustellungsurkunde benannte Empfangsperson nicht zu den vom Leiter der Einrichtung Bevollmächtigten zählt, liegen nicht vor.
2. Der Betroffenen war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels zu gewähren, weil sie glaubhaft gemacht hat, dass sie trotz wirksamer Zustellung ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war (§ 22 Abs. 2 FGG).
a) Über den Wiedereinsetzungsantrag konnte der Senat im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Erstbeschwerde entscheiden. Zwar ist grundsätzlich dasjenige Gericht zur Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag berufen, das über das Rechtsmittel zu befinden hat, § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG. Hier war der Verwerfungsbeschluss des Landgerichts aber schon ergangen, der Wiedereinsetzungsantrag ist gleichzeitig mit der Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde erfolgt. In diesen Fällen hat das Rechtsbeschwerdegericht über das Wiedereinsetzungsgesuch zu entscheiden, da die Wiedereinsetzung Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erstbeschwerde und damit auch für die Begründetheit der weiteren Beschwerde ist (vgl. BGHZ 42, 223/228; BGH NJW 1980, 1168/1169; BayObLG NJW 1988, 714/715; BayObLG WE 1995, 251; Bassenge/Herbst § 22 FGG Rn. 22; Keidel/Kahl § 22 Rn. 44; offengelassen in BGH FamRZ 1982, 163/164 a.E.). Eine Zurückverweisung an das Landgericht zur Entscheidung über die Wiedereinsetzung würde im übrigen nur zu einem unnötigen Hin- und Hersenden von Akten führen und damit dem Grundsatz der Beschleunigung gerade in Unterbringungssachen widersprechen.
b) Der Betroffenen war Wiedereinsetzung zu gewähren, weil sie glaubhaft gemacht hat, dass sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war.
Die Betroffene hat in ihrem Beschwerdeschreiben gegen den Verwerfungsbeschluss des Landgerichts erklärt, dass sie den Beschluss des Amtsgerichts zum Zeitpunkt der Ersatzzustellung Ende Juni nicht erhalten habe. Diese Behauptung der Betroffenen wird dadurch gestützt, dass sie in ihrem im Juli an das Amtsgericht gesandten Beschwerdeschreiben gegen die Unterbringungsmaßnahme den Beschluss des Amtsgerichts nicht erwähnt, sondern nach einer Amtsperson verlangt hat. Es kommt hinzu, dass laut Postzustellungsurkunde der Beschluss am 27.6.2001 zugestellt worden ist. Bereits einen Tag später ist die Betroffene in eine andere (geschlossene) Einrichtung verlegt worden. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass sie im Hinblick auf die Verlegung von dem Beschluss keine Kenntnis erhalten hat. Eine Bestätigung von Seiten des Heimes, dass der Betroffenen die Sendung ausgehändigt worden ist, liegt nicht vor.
Eine weitere Glaubhaftmachung war hier im Hinblick auf den Zweck des § 70g Abs. 1 Satz 1 FGG nicht erforderlich. Denn es ist angebracht, hier nach dem Zweck des Verfahrens geringere Anforderungen an den Grad der Glaubhaftmachung zu stellen (vgl. Jansen FGG 2. Aufl. § 15 Rn. 80). Von der Betroffenen kann nicht verlangt werden, dass sie eine Bestätigung der Empfangsperson vorlegt, diese habe ihr die Sendung nicht ausgehändigt. Zum einen liegt diese Tatsache nicht in der Sphäre der Betroffenen, zum anderen dürfte eine derartige Erklärung kaum zu erreichen sein.
c) Die Betroffene trifft auch kein Verschulden an der Fristversäumung. Zwar war sie bei der persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht auf eine anderweitige Unterbringung, die ihre Freiheit mehr einschränken würde, hingewiesen worden. Auch wenn sie kurz nach dieser Anhörung in eine geschlossene Einrichtung gebracht worden ist, war sie nicht dazu verpflichtet, sich während der laufenden Beschwerdefrist nach der Rechtsgrundlage sowie danach zu erkundigen, ob und wann ein entsprechender Beschluss ergangen war. Dies würde eine Überspannung der die unterzubringenden Personen treffenden Sorgfaltspflichten bedeuten.
d) Die wirksame Zustellung an den Verfahrenspfleger steht einer Wiedereinsetzung nicht entgegen. Für jeden Verfahrensbeteiligten wird eine gesonderte Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde in Lauf gesetzt (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 1445). Solange die Frist für die Betroffene persönlich nicht abgelaufen ist, kann der Verfahrenspfleger, der kein selbständiges Beschwerderecht hat (vgl. LG Lübeck FamRZ 1995, 1597/1598), für die Betroffene Beschwerde einlegen.
e) Durch die Wiedereinsetzung ist der Beschluss des Landgerichts vom 13.8.2001 gegenstandslos geworden (vgl. Thomas/ Putzo § 238 Rn. 12). Die Sache war daher an das Landgericht zur Entscheidung über die Begründetheit der sofortigen Beschwerde zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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