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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 19.04.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 389/01
Rechtsgebiete: KostO, WertV
Vorschriften:
KostO § 19 | |
WertV § 4 |
Gründe:
I.
Die Beteiligten zu 1 bis 3 und 5 sind die Kinder der Erblasserin, der Beteiligte zu 4 ist ein Pflegesohn. Die Beteiligte zu 3 beantragte auf der Grundlage eines privatschriftlichen Testaments einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist. Das Amtsgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, das Testament sei gefälscht. Die hiergegen erhobene Beschwerde der Beteiligten zu 3 hat das Landgericht durch Beschluss vom 25.9.2001 zurückgewiesen. In dem Beschluss ist der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 93750 DM festgesetzt worden. Gegen diese Festsetzung wendet sich die Beteiligte zu 3 mit ihrer Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde (§ 31 Abs. 3 Satz 1, § 14 Abs. 4 Satz 1 KostO) ist teilweise begründet.
1. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht ist nach freiem Ermessen zu bestimmen (§ 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO), wobei, sofern wie hier besondere Umstände nicht vorliegen, das mit dem Rechtsmittel verfolgte wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers maßgebend ist (vgl. BayObLGZ 1991, 382/384; 1993, 115/117). Der Senat ist befugt, eine eigene Ermessensentscheidung anstelle des Landgerichts zu treffen, da es sich um eine Erstbeschwerde handelt (vgl. Korintenberg/Lappe KostO 14. Aufl. § 31 Rn. 62).
Die Beteiligte zu 3 verfolgte im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht ihren Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins weiter. Ihr wirtschaftliches Interesse insoweit war, was das Landgericht verkannte und auch die Beteiligten zu 1 und 2 verkennen, durch den Unterschied zwischen dem Wert des von ihr als Alleinerbin erstrebten Nachlasses und dem Wert ihres Nachlassanteils bei gesetzlicher Erbfolge bestimmt (vgl. BayObLGZ 1993, 115/117; Rohs/Wedewer KostO 75. ErgLfg zur 2. Aufl. § 131 Rn. 16a).
2. Der Nachlasswert wird vom Senat auf 144315 DM geschätzt. Die für die Geschäftswertfestsetzung im ersten Rechtszug maßgeblichen Vorschriften können als Anhaltspunkte für die Schätzung herangezogen werden, hier also insbesondere § 107 Abs. 2 Satz 1 KostO, der auf den reinen Nachlasswert im Zeitpunkt des Erbfalles abstellt (vgl. BayObLGZ 1986, 489/491).
a) Der Wert der zum Nachlass gehörenden Forderungen und beweglichen Sachen wird auf der Grundlage des Nachlassverzeichnisses vom 24.2.1997 auf 6200 DM, der der Nachlassverbindlichkeiten einschließlich der Todesfallkosten (abzüglich des von der AOK gewährten Sterbegeldes) auf 22600 DM geschätzt.
b) Die Bewertung des zum Nachlass gehörenden Grundbesitzes richtet sich nach § 19 Abs. 2 Satz 1 KostO. Sie muss dem Verkehrswert möglichst nahe kommen (BayObLGZ 1991, 382/385). Ausreichende Anhaltspunkte für einen den Einheitswert (21300 DM laut Einheitswertbescheid vom 21.10.1991) übersteigenden Verkehrswert bilden die vom Landgericht herangezogene Auskunft der Immobilienmaklerin vom 5.3.1998, die Bodenrichtwertauskunft des Landratsamtes vom 11.6.2001 und deren Ergänzung vom 6.2.2002. Danach liegt das zum Nachlass gehörende Grundstück in einem Gebiet, für das am 2.5.1991 die Aufstellung eines Bebauungsplanes beschlossen wurde. Der Bereich ist im Flächennutzungsplan als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. Das Grundstück war daher bereits im Zeitpunkt des Erbfalles Bauerwartungsland (§ 4 Abs. 2 WertV) gewesen. Für dessen Bewertung ist entscheidend, wie der gesunde Grundstücksverkehr das Grundstück beurteilt (vgl. BGHZ 39, 198). Bei Bauerwartungsland der Stufe 3, bei dem also bereits die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen ist, dürfen 50 % der Preise für Bauland (§ 4 Abs. 4 WertV) angesetzt werden (vgl. Simon/Kleiber Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten 7. Aufl. Rn. 2.13 und 2.16), wie dies auch der Bewertung der Immobilienmaklerin entspricht.
Der Senat geht im Einklang damit und mit dem Landgericht davon aus, dass nur 425 m² des zum Nachlass gehörenden Grundstücks bebaubar sein werden. Bei Zugrundelegung des vom Landratsamt mitgeteilten Richtwerts von 730 DM/m² ist der bebaubare Teil daher mit 155125 DM (730 DM x 425 x 50 %) zu bewerten. Der nicht bebaubare Teil ist entsprechend der Richtwertauskunft des Landratsamts vom 11.6.2001 mit 5590 DM (430 m² x 13,- DM/m²) zu bewerten. Somit ist der geschätzte Verkehrswert des zum Nachlass gehörenden Grundstücks bezogen auf den Zeitpunkt des Erbfalles 160715 DM.
3. Wäre die Beteiligte zu 3 Alleinerbin geworden, hätte sie, was das Landgericht zutreffend berücksichtigt hat, die Pflichtteilsansprüche ihrer drei Geschwister erfüllen müssen (§ 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Belastung macht 3/8 des Nachlasswertes aus (§ 1924 Abs. 2 und Abs. 4, § 2303 Abs. 1 Satz 2, § 2311 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB), so dass der Beteiligten zu 3 wertmäßig 90196 DM geblieben wären. Bei gesetzlicher Erbfolge entfällt auf die Beteiligte zu 3 wirtschaftlich 1/4 des Nachlasswertes, also 36078 DM. Der festzusetzende Geschäftswert besteht in der Differenz beider Werte.
Ende der Entscheidung
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