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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.03.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 6/02
Rechtsgebiete: AktG
Vorschriften:
AktG § 304 Abs. 4 | |
AktG § 305 Abs. 5 Satz 4 |
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren die Bestimmung des vertraglich geschuldeten Ausgleichs, zum Teil auch der vertraglich geschuldeten Abfindung aufgrund eines zwischen den Antragsgegnerinnen geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages.
Am 12.7.2000 schlossen die Antragsgegnerinnen, eine GmbH und eine Aktiengesellschaft, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, dem die Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 2, die Aktiengesellschaft, am 13.7.2000 zustimmte. Aktionäre der Antragsgegnerin zu 2 waren zu diesem Zeitpunkt die Antragsgegnerin zu 1, die GmbH, als Mehrheitsaktionärin sowie zwei weitere außenstehende Aktionäre, die ebenso wie die Anteilseigner der Antragsgegnerin zu 1 auf den Bericht über den Vertrag (§ 293a AktG) und die Prüfung des Vertrages (§ 293b AktG) verzichteten. Der Vertrag garantiert den außenstehenden Aktionären der Antragsgegnerin zu 2 für jedes volle Geschäftsjahr die Zahlung eines Ausgleichsbetrages in Höhe von DM 3,40 pro Aktie. Weiterhin hat sich die Antragsgegnerin zu 1 verpflichtet, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine Abfindung von DM 61 pro Aktie zu erwerben. Der Vertrag enthält ferner Anpassungsklauseln für den Fall, dass sich in einem anlässlich der Eingliederung der X-AG in die Antragsgegnerin zu 2 stattfindenden Spruchstellenverfahren ein höherer Unternehmenswert ergeben sollte. Er wurde am 22.11.2000 in das Handelsregister eingetragen; die Eintragung wurde in der Süddeutschen Zeitung und im Bundesanzeiger bekannt gegeben, wobei der Bundesanzeiger als letztes die Bekanntmachung enthaltendes Blatt am 2.12.2000 erschienen ist.
Die Antragsteller waren Aktionäre der X-AG, die mit Beschluss der Hauptversammlung vom 13.7.2000 in die Antragsgegnerin zu 2 eingegliedert wurde. Die Eingliederung wurde im September 2000 in das Handelsregister eingetragen. Alle Antragsteller haben nach der Eingliederung die Abfindung durch Aktien der Antragsgegnerin zu 2 gewählt. Solche Aktien wurden spätestens eingebucht im Depot
- des Antragstellers zu 1 am 4.12.2000 (Umtausch durch Antragsgegnerin zu 2 vorgenommen vor dem 2.12.2000),
- des Antragstellers zu 2 am 11.12.2000,
- des Antragstellers zu 3 am 24.11.2000,
- der Antragstellerin zu 4 am 27.11.2000,
- des Antragstellers zu 5 am 19.12.2000,
- der Antragstellerin zu 6 vor dem 2.12.2000,
- des Antragstellers zu 7 am 9.11.2000.
Wegen des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages haben die Antragsteller zu 1 bis 5 einen Antrag auf Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs, die Antragstellerin zu 6 einen Antrag auf Festsetzung des geschuldeten Ausgleichs und der geschuldeten Abfindung gestellt. Der Antragsteller zu 7 hat einen Anschlussantrag bezüglich Ausgleich und Abfindung gestellt. Die Anträge sind wie folgt bei Gericht eingegangen:
- Antragsteller zu 1 bis 4: 17.11.2000 (ausdrücklicher Wiederholungsantrag 1.12.2000),
- Antragsteller zu 5: 22.1.2001,
- Antragstellerin zu 6: 29.1.2001,
- Antragsteller zu 7: 5.4.2001.
Das Landgericht hat die Erstanträge durch Veröffentlichungen am 9.2.2001 (Ausgleich) und am 1.3.2001 (Abfindung) bekannt gemacht.
Die Antragsgegnerinnen sind der Auffassung, dass die Erstantragsteller nicht antragsberechtigt seien, weil sie zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung über den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nicht Aktionäre der Antragsgegnerin zu 2 gewesen seien. Zudem seien die Anträge der Antragsteller zu 1 bis 4 verfrüht, weil vor Bekanntmachung der Eintragung des Vertrages in das Handelsregister gestellt worden. Der Anschlussantrag des Antragstellers zu 7 sei schon deshalb unzulässig, weil es an einem zulässigen Erstantrag fehle.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 14.11.2001 ausgesprochen, dass ein aktienrechtliches Spruchstellenverfahren zur Bestimmung des angemessenen Ausgleichs gemäß § 304 Abs. 1 AktG und der angemessenen Abfindung gemäß § 305 Abs. 1 AktG durchzuführen sei (I). Den Antrag des Antragstellers zu 5 hat es als unzulässig zurückgewiesen (II).
Gegen die Feststellung zur Durchführung des Spruchstellenverfahrens richten sich die Beschwerden der Antragsgegnerinnen, gegen die Zurückweisung seines Antrags diejenige des Antragstellers zu 5.
II.
Die Rechtsmittel sind zulässig.
1. Bezüglich des Antragstellers zu 5 ergibt sich dies schon daraus, dass das Landgericht über seinen Antrag abschließend entschieden und ihm keine Folge gegeben hat.
2. Die Antragsgegnerinnen wenden sich gegen eine sie beschwerende Zwischenentscheidung des Landgerichts. Eine solche Entscheidung ist zulässig und beschwerdefähig (vgl. BayObLGZ 1995, 319/321 m. w. N.; BayObLG NJW-RR 1997, 72/73; BayObLG ZIP 2002, 127/128; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 109/110; Keidel/ Kahl, FGG 14. Aufl. § 19 Rn. 10; Bassenge u.a. FGG/RPflG 9. Aufl. Einl. FGG Rn. 93 und § 19 FGG Rn. 4). Dabei kann dahinstehen, ob in Fällen dieser Art die einfache oder die sofortige Beschwerde gegeben ist, da die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde in jedem Fall gewahrt ist. Die Antragsgegnerinnen sind auch beschwerdeberechtigt (§ 20 Abs. 1 FGG). Die Kammer hat mit ihrer Entscheidung über die für die Endentscheidung präjudizielle Vorfrage entschieden, ob ein Spruchstellenverfahren durchzuführen ist. Sie hat dies bejaht und dadurch die (behauptete) Rechtsstellung der Antragsgegnerinnen beeinträchtigt.
3. Die Antragsgegnerinnen haben sich ausweislich ihres Antrags vom 20.12.2001 ausdrücklich gegen Ziff. I des angefochtenen Beschlusses insgesamt gewandt und beantragt festzustellen, dass ein Spruchstellenverfahren nicht durchzuführen ist. Darin, dass sie in ihrem Schriftsatz einleitend lediglich die Antragsteller zu 1 bis 4 als Beschwerdegegner bezeichnet haben, liegt ein offensichtliches formales Versehen. Die von der Antragstellerin zu 6 aufgeworfene Frage, ob für ein nur auf die Anträge der Antragsteller zu 1 - 4 beschränktes Beschwerdeverfahren ein Rechtsschutzbedürfnis bestünde, stellt sich deshalb nicht.
III.
Das Rechtsmittel der Antragsgegnerinnen ist in der Sache unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht die Voraussetzungen für die Einleitung eines Spruchstellenverfahrens gemäß §§ 304, 305 AktG bejaht.
1. Die Antragsgegnerinnen haben einen wirksamen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen (§ 291 Abs. 1 Satz 1 AktG; vgl. auch Hüffer AktG 4. Aufl. § 291 Rn. 8 und 23). Die Antragsteller haben die Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs bzw. einer angemessenen Abfindung beantragt, wobei die Antragsteller zu 1 bis 6 Anträge nach § 304 bzw. 305 AktG gestellt haben, denen sich der Antragsteller zu 7 gemäß § 306 Abs. 3 Satz 2 AktG angeschlossen hat.
2. Zweck der durch das Landgericht getroffenen Zwischenentscheidung ist es, vorab zu klären, ob die Voraussetzungen für die sachliche Prüfung der Angemessenheit des Ausgleichs bzw. der Abfindung gegeben sind, oder ob die gestellten Anträge bzw. einzelne von ihnen als unzulässig zurückzuweisen sind. Zweifelhaft und zwischen den Beteiligten umstritten ist insoweit allein, ob die Antragsteller wirksame Anträge auf Festsetzung des angemessenen Ausgleichs bzw. der angemessenen Abfindung gestellt haben, insbesondere antragsberechtigt sind. Einem solchen Antrag kommt nach dem Gesetz eine mehrfache Funktion zu.
Er ist zum einen Voraussetzung für die Durchführung des entsprechenden Spruchstellenverfahrens als Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. § 304 Abs. 3 Satz 3, § 305 Abs. 5 Satz 2 AktG). In dieser Funktion hat der Antrag verfahrensrechtliche Bedeutung. Er setzt voraus, dass der Antragsteller berechtigt ist, die begehrte Entscheidung zu beantragen. Fehlt diese Berechtigung, so ist der Antrag wegen Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung als unzulässig abzuweisen (vgl. Bassenge u.a. Einl. zum FGG Rn. 10; Keidel/Kayser § 12 Rn. 12; BGHZ 106, 122/124).
Gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2, § 305 Abs. 5 Satz 4 AktG kann der Antrag nur binnen 2 Monaten seit dem Tag gestellt werden, an dem die Eintragung des Unternehmensvertrages im Handelsregister als bekannt gemacht gilt. Diese Frist stellt nach heute ganz herrschender Ansicht eine materiellrechtliche Ausschlussfrist dar (Hüffer AktG 4. Aufl. Rn. 26, MünchKomm-AktG/Bilda 2. Aufl. Rn. 223 f., Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht 2. Aufl. § 304 AktG kn. 88). Insoweit hat der Antrag auch materiellrechtliche Bedeutung. Wird nicht rechtzeitig wenigstens ein entsprechender Antrag gestellt, verlieren die außenstehenden Aktionäre ihren Anspruch auf angemessene Abfindung bzw. angemessenen Ausgleich. Damit entfällt auch ihre Antragsberechtigung kraft Gesetzes (MünchKomm-AktG/Bilda § 304 Rn. 224).
Schließlich bestimmt der Antrag den Kreis der auf Antragstellerseite unmittelbar am Verfahren beteiligten Aktionäre. Aktionäre, die keinen Antrag gestellt haben, werden im Verfahren durch einen durch das Gericht bestellten gemeinsamen Vertreter vertreten (§ 306 Abs. 4 Satz 2 AktG). Allerdings ist hinsichtlich dieser Wirkung der Antrag nicht an die Frist des § 304 Abs. 4 Satz 2 AktG gebunden. Vielmehr kann ein Aktionär auch noch binnen einer Frist von zwei Monaten nach Bekanntmachung des Erstantrags in den Gesellschaftsblättern einen eigenen Antrag stellen (§ 306 Abs. 2 Satz 2 AktG). Ein solcher Antragsteller wird im Ergebnis ebenso Partei des Verfahrens wie wenn er das Verfahren selbst eingeleitet hätte (Hüffer § 306 Rn. 11 m. w. N.). Sein Antrag kann nicht aus den oben genannten Gründen als unzulässig zurückgewiesen werden, wenn auch nur ein anderer Antragsteller wirksam das Verfahren eingeleitet und damit die oben dargestellten Wirkungen herbei geführt hat. Den Antrag können auch diejenigen Aktionäre stellen, die Aktien erst nach Eintragung des Unternehmensvertrages erworben haben (Hüffer aaO). Unter diesen Umständen ist es geboten, den Antrag eines Aktionärs, der zwar einen Erstantrag beabsichtigt hat, aber diesen bei Gericht nicht binnen der Frist des § 304 Abs. 4 Satz 2 AktG eingereicht oder die Antragsberechtigung erst nach Ablauf dieser Frist erworben hat, jedenfalls als Anschlussantrag im Sinn von § 306 Abs. 2 Satz 2 AktG zu werten. Eine Zurückweisung als unzulässig wegen Versäumung der Frist des § 304 Abs. 4 Satz 2 AktG scheidet jedenfalls dann aus, wenn bereits ein anderer Aktionär ein zulässiges Verfahren zur Überprüfung von Ausgleich und Abfindung eingeleitet hat.
3. Im vorliegenden Fall ist schon deshalb ein Spruchstellenverfahren durchzuführen, weil zumindest die Antragsteller zu 5 und 6 ihren Erstantrag innerhalb der Frist des § 304 Abs. 4 Satz 2 AktG (für die Abfindung i.V.m. § 305 Abs. 5 Satz 4 AktG) gestellt haben und auch hierzu berechtigt waren.
a) Nach dem Gesetzeswortlaut ist "jeder außenstehende Aktionär" antragsberechtigt. Die Antragsteller sind außenstehende Aktionäre der Antragsgegnerin zu 2 im Sinne des Gesetzes (vgl. dazu näher Hüffer § 304 Rn. 2). Strittig ist allerdings, zu welchem Zeitpunkt der Antragsteller die Aktionärseigenschaft erlangt haben muss, um berechtigt einen Antrag stellen zu können. Zu diesem Rechtsproblem werden im wesentlichen drei Ansichten vertreten:
aa) Nach der restriktivsten Auffassung, auf die sich auch die Antragsgegnerinnen berufen, muss der Antragsteller bereits bei Beschlussfassung der Hauptversammlung gemäß § 293 Abs. 1 AktG Aktionär der "Untergesellschaft" gewesen sein (Großkommentar-Würdinger AktG 3. Aufl. Anm. 31; KG AG 1971, 158 ff.). Tragender Grund hierfür ist, dass der dem Unternehmensvertrag zustimmende Hauptversammlungsbeschluss mit der Begründung, der im Vertrag bestimmte Ausgleich sei nicht angemessen oder der Vertrag sehe keine angemessene Abfindung vor, nicht angefochten werden kann (§ 304 Abs. 3 Satz 2, § 305 Abs. 5 Satz 1 AktG). Dieser Einschränkung entspreche die Antragsbefugnis nach den §§ 304 ff. AktG; sie stelle im Ergebnis eine "Ausgestaltung" des Anfechtungsrechtes im Sinne einer "konstruktiven Teilanfechtung" dar. Aus diesem Grunde sei die Antragsbefugnis des Aktionärs, soweit es auf den Zeitpunkt des Aktienbesitzes ankomme, nach den für die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen geltenden Grundsätzen zu beurteilen (vgl. KG aaO).
bb) Nach anderer Auffassung ist auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung der Eintragung des Unternehmensvertrages im Handelsregister (§ 10 Abs. 2 HGB) abzustellen, wobei zusätzlich eine Anwendung von § 15 Abs. 2 HGB erwogen wird (Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff AktG § 304 Rn. 132, 133; Hüffer § 304 Rn. 24; OLG Frankfurt a.M. NJW 1972, 641 ff.). Gegenstand des Rechtsmittels sei nicht der Hauptversammlungsbeschluss, vielmehr gehe es um eine Überprüfung des Unternehmensvertrages. Ein Rechtsmittel gegen einen Vertrag aber könne frühestens am Tage von dessen Wirksamwerden eingelegt werden. Gemäß § 294 Abs. 2 AktG werde ein Unternehmensvertrag erst wirksam, wenn sein Bestehen in das Handelsregister eingetragen worden sei (vgl. i.e. Geßler aaO sowie OLG Frankfurt a.M. aaO). Aktionären, die diese Eigenschaft erst nach Bekanntmachung der Eintragung des Unternehmensvertrages in das Handelsregister erlangt hätten, könne das Rechtsmittel nicht zustehen, da § 304 Abs. 4 Satz 1 AktG nur Aktionäre erfasse, deren materielle Rechtsposition durch die getroffene Vereinbarung beeinträchtigt worden sei (so insbesondere OLG Frankfurt a.M. aaO).
cc) Nach der am weitesten gehenden, im Schrifttum wohl herrschenden Auffassung ist der Zeitpunkt der Antragstellung im Spruchstellenverfahren maßgeblich, wobei die Zwei-Monats-Frist des § 304 Abs. 4 Satz 2 AktG zu beachten sei (vgl. z.B. MünchKomm-AktG/Bilda 2. Aufl. § 304 Rn. 214 ff., 217,; KK-AktG/Koppensteiner 2. Aufl. § 304 Rn. 63; Emmerich/Habersack Aktien- und Gmbfi-Konzernrecht 2. Aufl. § 304 AktG Rn. 85, 86; Schneider NJW 1971, 110911111; Meilicke/Hohlfeld BB 1972, 1249/1250; van Aerssen AG 19 99, 249/254; vgl. ferner Schulenberg AG 1998, 74/77 ff.). Der Antrag auf Durchführung eines Spruchstellenverfahrens richte sich gegen den Inhalt des Unternehmensvertrages. Auch ein Aktionär, der seine Aktien nach Bekanntmachung der Eintragung des Unternehmensvertrages in das Handelsregister erwerbe, trete in eine Rechtsposition ein, die mit der Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der vertraglich zugesagten Kompensation verbunden sei. Diese Rechtsposition zu wahren sei Teil des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes der außenstehenden Aktionäre, so dass auch diesem Aktionär das Antragsrecht nicht verwehrt werden könne (vgl. MünchKomm-AktG/Bilda § 304 Rn. 217).
b) Der Senat folgt der zuletzt dargestellten Rechtsauffassung, wobei offen bleiben kann, ob es für die Antragsberechtigung auch genügt, wenn der Antragsteller die Stellung als Aktionär nach Antragstellung, aber innerhalb der gesetzlichen Antragsfrist des § 304 Abs. 4 Satz 2 AktG erwirbt.
aa) Auszugehen ist vom Wortlaut des § 304 Abs. 4 Satz 1 AktG. Dieser enthält keine wie auch immer geartete Einschränkung der Antragsbefugnis außenstehender Aktionäre. Es ist lediglich die Antragsfrist zu wahren, wobei allerdings mit Ablauf der Frist des § 304 Abs. 4 Satz 2 AktG die Antragsbefugnis entfallen kann. Im Aktienrecht gibt es auch keinen allgemeingültig en Grundsatz des Inhalts, dass bei der Geltendmachung von Aktionärsrechten jeweils auf die Berechtigung des Antragstellers am Tag der Beschlussfassung der Hauptversammlung abgestellt werden müsste. Entsprechendes gilt zwar für die Anfechtungsklage (vgl. Hüffer § 245 Rn. 7), nicht aber z. B. für die Nichtigkeitsklage (vgl. Hüffer § 249 Rn. 5).
bb) Das Spruchstellenverfahren tritt zwar nach den Intentionen des Gesetzgebers an die Stelle der sonst jedem Aktionär zustehenden Anfechtungsmöglichkeit (vgl. Kropff Aktiengesetz 1965 § 304 Begründung RegE a.E./ S. 396). Daraus folgt aber nicht, dass auch die Antragsbefugnis des Aktionärs den Regeln der Anfechtungsklage folgen müsste. Der Antrag richtet sich, wie inzwischen ganz überwiegend anerkannt wird (s.o.), gerade nicht gegen den ergangenen Beschluss der Hauptversammlung, sondern auf Überprüfung des Unternehmensvertrages, der seinerseits erst mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam wird (§ 294 Abs. 2 AktG). Es ist zudem heute allgemeine Meinung, dass auch Aktionäre, die bei der Beschlussfassung nach § 293 Abs. 1 AktG für den Vertrag gestimmt haben, einen Antrag auf Durchführung eines Spruchstellenverfahrens stellen können (vgl. Hüffer § 304 Rn. 23 m. w. N.), obwohl eine Anfechtung unter Umständen ausgeschlossen wäre (vgl. § 245 Nr. 1 AktG). Der Antrag kann daher auch nicht als "Teilanfechtung" des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung angesehen werden. Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, die Antragsbefugnis im Spruchstellenverfahren gegen den Gesetzeswortlaut auf Aktionäre zu begrenzen, die bereits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung an der Gesellschaft beteiligt waren.
cc) Nach dem Gesetzeswortlaut ist es auch nicht gerechtfertigt, von dem Antragsteller Aktienbesitz jedenfalls im Zeitpunkt der Eintragung des Unternehmensvertrages zu verlangen. Dadurch würde im Ergebnis an der nicht gerechtfertigten Parallele zwischen Spruchstellenverfahren und Anfechtungsklage festgehalten; lediglich die Konsequenzen würden zugunsten uninformierter Aktienerwerber abgemildert (vgl. KK-AktG/Koppensteiner aaO; Schneider S. 1111). Die Mitgliedschaftsrechte an Aktiengesellschaften sind vom Gesetzgeber als eigentumsähnliche, dem Schutz des Art. 14 GG unterstellte Rechte verstanden worden (OLG Frankfurt a.M.,NJW 1972, 641/642). Derjenige, der Aktien der "Untergesellschaft" nach Eintragung des Vertrages in das Register erwirbt, tritt daher in eine Rechtsposition ein, die "noch mit der Möglichkeit gerichtlicher Überprüfung (der) Kompensationen" verbunden ist (MünchKomm/Bilda § 304 Rn. 217). Auch diese Möglichkeit ist Teil des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes der außenstehenden Aktionäre.
dd) Aus § 307 AktG können für die hier zu entscheidende Frage keine Rückschlüsse gezogen werden. Die Regelung hat keinen Bezug zum Minderheitenschutz, der durch §§ 304, 305 AktG gewährleistet werden soll. Die Beteiligten werden durch die Vorschrift lediglich gezwungen, einer grundlegend veränderten Lage Rechnung zu tragen, die entsteht, wenn sich - notwendigerweise mit Zustimmung des herrschenden Unternehmens oder mit diesem "verknüpfter" Aktionäre - außenstehende Aktionäre nachträglich an der "Untergesellschaft" beteiligen, die zuvor keine solchen Aktionäre hatte.
ee) Allerdings kann ein Antragsrecht, das nach Wirksamwerden des Unternehmensvertrages mit den Aktien "erworben" werden kann, missbraucht werden (vgl. dazu Schneider aaO). So kann das Recht etwa zu dem Zweck erworben werden, es sich anschließend von der Gesellschaft "abkaufen" zu lassen. Jedoch werden interessierte Kreise von der Möglichkeit, ein Spruchstellenverfahren durchzuführen, in der Regel lange vor Eintragung eines Unternehmensvertrages in das Handelsregister oder der entsprechenden Bekanntmachung im Bundesanzeiger Kenntnis erlangen und haben deshalb schon vor der Eintragung hinreichende Gelegenheit, Aktien zu erwerben. Eine Einschränkung der Antragsbefugnis für das Spruchstellenverfahren ist daher kein geeignetes Mittel, um missbräuchlichen Verhaltensweisen entgegenzuwirken. Für derartige Fallgestaltungen müssen andere Lösungen gefunden werden (vgl. MünchKomm-AktG/Bilda § 304 Rn. 217; siehe auch den durch das Bundesministerium der Justiz erstellten Entwurf eines Spruchverfahrensneuordnungsgesetzes, abgedruckt in NZG 2002, 25).
c) Im vorliegenden Verfahren war nach diesen Grundsätzen die Antragstellerin zu 6 zur Stellung des Erstantrags berechtigt. Sie hat ihren Antrag, der sowohl die Angemessenheit des Ausgleichs wie die Angemessenheit der Abfindung betrifft, am 29.1.2001 und damit innerhalb der Frist des § 304 Abs. 4 Satz 2 AktG gestellt. Sie war zu diesem Zeitpunkt bereits Aktionärin der Antragsgegnerin zu 2.
Gleiches gilt für den Antragsteller zu 5. Er hat seinen Antrag am 22.1.2001 per Telefax gestellt; auch er war zu diesem Zeitpunkt bereits Aktionär der Antragsgegnerin zu 2. Die Abweisung des Antrags durch das Erstgericht beruht auf einem offensichtlichen Versehen (s. unten IV).
Damit ist das Spruchstellenverfahren ordnungsgemäß eingeleitet, ein Verlust der materiellen Rechte der außenstehenden Aktionäre ist nicht eingetreten.
4. Die Anträge der Antragsteller zu 1 bis 4 können schon deshalb nicht als unzulässig angesehen werden, weil sie jedenfalls als Anschlussanträge zulässig sind. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob die Antragsberechtigung des Aktionärs unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung erst für den Ablauf der Antragsfrist des § 304 Abs. 4 Satz 2 AktG zu fordern ist, wofür die Behandlung dieser Frist als materielle Ausschlussfrist sprechen könnte. Ebenso kann dahinstehen, ob die Besonderheiten des vorliegenden Falles - die Antragsteller konnten überhaupt erst nach Ausübung ihres Wahlrechtes aus § 320b Abs. 1 Satz 3 AktG ihren bisherigen Aktienbestand in Aktien der Antragsgegnerin zu 2 umtauschen - dazu zwingen, würden, wegen nicht zu verkennender Missbrauchsmöglichkeiten auf Seiten der Unternehmen alle Anträge auf ein Spruchstellenverfahren von Aktionären, die zuvor Aktionäre der X-AG waren, als berechtigt zuzulassen, unbeschadet der im allgemeinen zur Frage der Antragsbefugnis vertretenen Rechtsauffassung.
a) Die Antragsteller zu 1 bis 4 haben ihren Antrag vor dem Zeitpunkt bei Gericht eingebracht, an den das Gesetz den Beginn der Antragsfrist knüpft. Sie haben aber durch Fortführung des Verfahrens mit der Einreichung weiterer Anlageabschriften am 4.12.2000 ihren Antrag innerhalb der 2-Monats-Frist konkludent erneuert, ebenso durch einen weiteren Schriftsatz, der vom 2.2.2001 datiert und ausweislich eines Vermerks des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle noch am gleichen Tage, also innerhalb der Antragsfrist in Form eines Telefax bei Gericht eingegangen ist. Jedenfalls bei Einreichung dieses Schriftsatzes am 2.2.2001 waren alle Antragsteller Aktionäre der Antragsgegnerin zu 2. Dies genügt nach Auffassung des Senats für die Annahme eines wirksamen Erstantrags. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Frist des § 304 Abs. 4 Satz 2 AktG wie dargelegt eine materielle Ausschlussfrist darstellt, die gewahrt ist, wenn der Antrag rechtzeitig bei Gericht eingeht. Die Berechtigung der Antragsteller endete erst mit Fristablauf (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 61. Aufl. vor § 194 Rn. 7). Wird ein Antrag vor Fristbeginn gestellt, so mag der Antrag zu diesem Zeitpunkt unzulässig oder unbegründet sein. Jedenfalls mit Fristbeginn wird ein solcher Antrag aber wirksam, soweit er vom Antragsberechtigten weiterverfolgt wird (vgl. OLG Stuttgart DB 1992, 1470; Kallmeyer UmwG 2. Aufl. § 305 Rn. 8). Die Forderung, den Antrag innerhalb der Frist nochmals ausdrücklich zu stellen, wäre eine sinnlose Förmelei.
b) Aber selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen wollte, haben die Antragsteller zu 1 bis 4 jedenfalls durch ihre Schriftsätze eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie sich am Verfahren beteiligen wollen. Als Anschlussanträge waren ihre Anträge in jedem Fall zulässig (vgl. oben 2).
5. Der Antragsteller zu 7 hat form- und fristgerecht einen Anschlussantrag gemäß § 306 Abs. 3 Satz 2 AktG gestellt. Er ist zudem antragsberechtigt(vgl. dazu auch OLG Düsseldorf WM 1989, 1605; OLG Frankfurt a.M. WM 1990, 148; Hüffer § 306 Rn. 11).
Die Frage, ob ein wirksamer Anschlussantrag auch dann vorläge, wenn die (Erst-)anträge nach §§ 304, 305 AktG mangels Antragsbefugnis oder Wahrung der Antragsfrist abzuweisen gewesen wären, ist für den vorliegenden Fall irrelevant und kann von daher dahinstehen.
6. Andere Gründe, die der Durchführung eines Spruchstellenverfahrens im vorliegenden Falle entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere gibt es keine Rechtsgrundlage, die Antragsteller auf das Spruchstellenverfahren zu verweisen, das anlässlich der Eingliederung der X-AG in die Antragsgegnerin zu 2 eingeleitet wurde. Ob es-wirtschaftlich sinnvoll ist, hier zwei Verfahren parallel zueinander zu betreiben und gegebenenfalls auch parallele Sachverständigengutachten zu erholen, hat der Senat nicht zu entscheiden.
7. Obwohl der Senat in der Frage der Antragsberechtigung (siehe oben 3.) der Rechtsauffassung des KG wie auch der Rechtsauffassung des OLG Frankfurt a.M. nicht folgt, liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 306 Abs. 2i § 99 Abs. 3 Satz 6 AktG i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG nicht vor. Der Senat kann deshalb selbst in der Sache entscheiden.
a) Die Entscheidung des KG (AG 1971, 158 ff.) beruht nicht auf der dort vertretenen, engen Auslegung der Antragsbefugnis. Der Antragsteller im dortigen Verfahren war ausweislich der Entscheidungsgründe bereits am Tage der Hauptversammlung, die dem Unternehmensvertrag zugestimmt hat, Aktionär der "Untergesellschaft". Er wäre damit nach jeder der zuvor dargestellten, in Rechtsprechung und Literatur diskutierten Rechtsauffassungen antragsberechtigt gewesen. In einem solchen Fall ist eine Vorlagepflicht nicht begründet (vgl. Bassenge/Herbst § 28 FGG Rn. 5 a.E.).
b) Das OLG Frankfurt a.M. (NJW 1972, 641) hat die Antragsberechtigung eines Aktionärs verneint, der sich erst an der "Untergesellschaft" beteiligt hatte, nachdem die Eintragung des Unternehmensvertrages im Handelsregister bekannt gemacht worden war. Im Ergebnis wäre der Senat aber auch auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht Frankfurt a.M. aaO vertretenen Rechtsauffassung hier zu keiner anderen als der getroffenen Entscheidung gelangt. Die Antragsteller zu 3, 4 und 6 haben ihre Anteile an der Antragsgegnerin zu 2 vor dem 2.12.2000, dem Tag der Bekanntmachung der Registereintragung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages im Bundesanzeiger, erworben. Bezüglich dieser Antragsteller wäre auch auf der Grundlage der vom OLG Frankfurt a.M. vertretenen Rechtsauffassung ein Spruchstellenverfahren durchzuführen. Diesem Verfahren hätten sich alle anderen Antragsteller im Wege eines Anschlussantrages anschließen können. Die als Erstanträge gestellten Anträge der Antragsteller zu 1, 2 und 5 wären, wie unter 2 dargelegt, in solche Anschlussanträge umzudeuten. Damit aber wären auch in diesem Falle die Beschwerden der Antragsgegnerinnen gegen Ziffer I des Beschlusses des Landgerichts zurückzuweisen gewesen. Auch in einem solchen Falle ist eine Vorlagepflicht nicht begründet (Bassenge u.a. aaO).
IV.
Das Rechtsmittel des Antragstellers zu 5 ist begründet. Wie dargelegt beruht die Auffassung des Landgerichts auf einem Versehen. Der Antrag des Antragstellers zu 5 auf Einleitung eines Spruchstellenverfahrens ist ausweislich der Akten nicht am 22.11.2000, sondern am 22.1.2001 als Telefax bei Gericht eingegangen. Damit war der Antragsteller bereits bei Antragstellung Aktionär der Antragsgegnerin zu 2.
V.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Gerichtskosten auf § 306 Abs. 7 Satz 7 AktG. Ein Anlass, die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen anderen Beteiligten aufzuerlegen, hat sich nicht ergeben.
Für die außergerichtlichen Kosten gelten § 306 Abs. 2, § 99 Abs. 1 AktG, § 13 a Abs. 1 FGG. Die hiernach erforderliche Billigkeitsentscheidung führt wie im Regelfalle entsprechend § 306 Abs. 7 Satz 7 AktG zur Kostenbelastung der Vertragsteile (vgl. dazu Hüffer § 306 Rn. 22). Auch insoweit hat sich ein Anlass zur Belastung anderer Verfahrensbeteiligter nicht ergeben.
Von der Festsetzung eines Geschäftswertes wird vorläufig abgesehen, weil in der Hauptsache noch keine Sachentscheidung ergangen ist (vgl. BayObLG AG 1999, 273).
Ende der Entscheidung
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