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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.08.2001
Aktenzeichen: 1 ObOWi 306/01
Rechtsgebiete: StVO


Vorschriften:

StVO § 18 Abs. 7
Gewendet wird im Straßenverkehr auch dann, wenn der Kraftfahrer auf einer Straße unter Einbeziehung von zwei gegenüberliegenden Parkplätzen sein Fahrzeug in die Gegenrichtung bringt.
Tatbestand:

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit des Wendens auf einer Kraftfahrstraße zu einer Geldbuße von 300 DM und verhängte zugleich ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts fuhr der Betroffene am 22.9.2000 gegen 7.00 Uhr mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen ..., von der Autobahn aus Richtung Landsberg kommend zunächst in Richtung Buchloe/Memmingen. An der Autobahnausfahrt Buchloe zur B 12 verließ er die Autobahn und passierte dabei das auf einem Pfosten angebrachte Schild Autobahnende und das ebenfalls angebrachte Schild Zeichen 331 Kraftfahrstraße. Unmittelbar dahinter fuhr der Betroffene an einem Hinweisschild vorbei, das ein Wendeverbot auswies. Sodann setzte der Betroffene seine Fahrt in Richtung Kaufbeuren fort und passierte an der Ausfahrt bzw. Einfahrt Jengen in Richtung Kempten nochmals das Zeichen 331. Schließlich erreichte er die bei Kilometer 76,8 rechts- und linksseitig der B 12 befindlichen Parkplätze, welche bogenförmig zur B 12 angelegt sind. Einfahrt und Ausfahrt der Parkplätze liegen wechselseitig genau gegenüber. Der Betroffene fuhr in den rechtsseitig gelegenen Parkplatz ein, machte nach seiner eigenen nicht widerlegten Aussage eine Zigarettenpause und überlegte, ob er sich nicht verfahren habe. Er stellte nunmehr fest, dass er eigentlich die Autobahn befahren hätte müssen und entschloss sich zur Rückfahrt zur Autobahn in Richtung Buchloe. Zu diesem Zweck fuhr er an der Ausfahrt des Parkplatzes der B 12 nicht nach rechts in Richtung Kaufbeuren weiter, sondern überquerte die B 12, um in den gegenüberliegenden Parkplatz einzufahren. Nach Durchfahren des Parkplatzes setzte der Betroffene seine Fahrt zur Autobahn in Richtung Buchloe fort.

Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt, die er form- und fristgerecht begründet hat.

Der Senat hat die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt zur Entscheidung folgender Frage:

Liegt ein Wenden auf einer Kraftfahrstraße im Sinn des § 18 Abs. 7 StVOlvor, wenn der Betroffene auf einer Kraftfahrstraße unter Einbeziehung von zwei gegenüberliegenden Parkplätzen sein Fahrzeug in die der bisherigen Fahrtrichtung entgegengesetzte Richtung bringt?

Gründe:

Das Amtsgericht hat in dem Verhalten des Betroffenen ein verbotenes Wenden auf einer Kraftfahrstraße im Sinn des § 18 Abs. 7 StVO gesehen. Der Senat hält in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung (nichtveröffentlichte Beschlüsse vom 9.3.2000 - 1 ObOWi 97/00 und vom 28.10.1997 - 1 ObOWi 538/97) die Rechtsbeschwerde für unbegründet und möchte die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigen. Er sieht sich hieran aber durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16.8.2000 - 2 Ss 325/2000 (NZV 2001, 179/180) gehindert.

Das Oberlandesgericht Stuttgart vertritt in dieser Entscheidung die Auffassung, dass derjenige, der auf einer Kraftfahrstraße unter Einbeziehung von zwei gegenüberliegenden Parkplätzen sein Fahrzeug in die der bisherigen Fahrtrichtung entgegengesetzte Richtung bringt, nicht auf einer Kraftfahrstraße im Sinn des § 18 Abs. 7 StVO wende.

Der Senat stimmt im Ausgangspunkt mit dem Oberlandesgericht Stuttgart darin überein, dass der Betroffene die Kraftfahrstraße durch das Einbiegen auf den rechtsseitig gelegenen Parkplatz nicht völlig verlassen hat, weil der Parkplatz einer Kraftfahrstraße, ebenso wie bei Autobahnen, noch zur Kraftfahrstraße gehört (vgl. OLG Stuttgart aaO). Nicht folgen kann der Senat dagegen dem Oberlandesgericht Stuttgart in der Auffassung, dass die mit dem hier beschriebenen Fahrmanöver verbundene Gefahr nicht vergleichbar sei mit den Gefährdungsmomenten, die eine Fahrtrichtungsänderung um 180 Grad auf einer oder zwei Fahrbahnen mit sich bringe, und daher kein Verstoß gegen § 18 Abs. 7 StVO vorliege.

Der Gesetzgeber hat das Wenden im Sinn der genannten Vorschrift nicht definiert. Allgemein wird aber unter Wenden im Sinn der StVO der Vorgang bezeichnet, durch den ein Fahrzeug auf derselben Straße von der bisherigen in die entgegengesetzte Richtung gebracht wird (BGHSt 27, 233/234 f.; BayObLGSt 1981, 178/179; Mühlhaus/Janiszewski/Burmann StVO 16. Aufl. § 9 Rn. 56; Hentschel Straßenverkehrsrecht 36. Aufl. § 9 Rn. 50). Einigkeit besteht darin, dass die Gefährlichkeit des Fahrmanövers in der Überquerung der Fahrbahn und in dem Umdrehen des Fahrzeugs in die Gegenrichtung besteht (BGHSt 27, 233/235).

Das Oberlandesgericht Stuttgart führt selbst aus, dass im vorliegenden Fall nach dem ersten Anschein ein Wenden im Sinn des § 18 Abs. 7 StVO vorliege. Anerkannt und auch vom Oberlandesgericht Stuttgart nicht in Frage gestellt ist, dass ein verbotenes Wenden im Sinn des § 18 Abs. 7 StVO gegeben ist, wenn ein Kraftfahrer sein Fahrzeug in die der bisherigen Fahrtrichtung entgegengesetzte Richtung unter Einbeziehung eines rechts der Fahrbahn (BayObLGSt 1981, 178/179 f.) oder links der Fahrbahn (OLG Koblenz NZV 1992, 406/407) gelegenen Parkplatzes bringt. Nach Auffassung des Senats kann nichts anderes gelten, wenn der Betroffene sein Fahrmanöver unter Benutzung von zwei gegenüberliegenden Parkplätzen durchführt.

Dieses Ergebnis wird nicht nur dem Gesetzeswortlaut gerecht, es entspricht auch dem Gesetzeszweck. Das Wenden auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen ist verboten, weil es für den auf diesen Straßen abzuwickelnden Schnellverkehr besonders gefährlich ist. Diese allgemeine Gefahrenlage wird nicht nur dann geschaffen, wenn die Gegenrichtung durch Ausfahren aus einem Parkplatz und anschließender sofortiger Benutzung der Fahrbahn in die Gegenrichtung erreicht wird. Vielmehr tritt die erwähnte Gefahrenlage ebenso bei dem hier zur Entscheidung stehenden Fahrmanöver des Betroffenen ein. Auch bei diesem Verkehrsvorgang ändert das Fahrzeug gänzlich die bisherige Fahrtrichtung, indem es beide Fahrbahnen überquert und unter Benutzung des gegenüberliegenden Parkplatzes die Gegenrichtung erreicht. Wesentliche Merkmale des Wendens, nämlich das vorübergehende Querfahren und die hieraus erwachsene besondere Gefahr für den Schnellverkehr, sind auch bei dem hier beschriebenen Verkehrsvorgang gegeben.

Der Senat ist nicht der Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart, dass das bloße Überqueren der beiden Fahrbahnen in relativ kurzer Zeit nicht vergleichbar sei mit den Gefährdungsmomenten, die eine Fahrtrichtungsänderung um 180 Grad auf einer oder zwei Fahrbahnen mit sich bringe. Eher ist das Gegenteil der Fall. Beim üblichen Wendemanöver auf einer Kraftfahrstraße wird durch das Setzen des Blinkers das beabsichtigte verbotswidrige Fahrverhalten zumindest angedeutet, so dass sich daraus wenigstens eine gewisse Warnung für die nachfolgenden wie entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer ergibt. Beim hier vorliegenden überqueren der Straße von dem einen auf den gegenüberliegenden Parkplatz mit einer Richtungsänderung von 90 Grad entfällt ein Warneffekt gänzlich. Mit dem vom Betroffenen vorgenommenen Fahrmanöver können die übrigen Benutzer der Kraftfahrstraße nicht rechnen. Vielmehr gehen diese davon aus, dass der Betroffene seine Fahrt in der vorgesehenen Fahrtrichtung fortsetzt. Angesichts der auf Kraftfahrstraßen üblichen hohen Geschwindigkeiten stellt daher das Fahrverhalten des Betroffenen eine mindestens gleiche - wenn nicht höhere - Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer dar wie das übliche Wenden auf einer Kraftfahrstraße. Aus diesem Grund besteht nach Auffassung des Senats kein Anlass, einen Kraftfahrer, der das Wendemanöver unter Einbeziehung von zwei Parkplätzen durchführt, bei der Frage der Anwendbarkeit des § 18 Abs. 7 StVO zu privilegieren.

Ende der Entscheidung

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