Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.03.2003
Aktenzeichen: 1 ObOWi 9/03
Rechtsgebiete: StVG


Vorschriften:

StVG § 24a Abs. 1
Bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 24a StVG, der eine Atemalkoholmessung zugrunde liegt, ist der Tatrichter nicht verpflichtet, in den Urteilsgründen, sofern sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben haben, Ausführungen dazu zu machen, dass die Verfahrensbestimmungen für die Messung, insbesondere ein Zeitablauf von 20 Minuten zwischen Trinkende und Messung, eingehalten worden sind (entgegen OLG Hamm, 3. Juni 2001, 2 Ss OWi 316/02, NZV 2002, 414 und OLG Zweibrücken, 27. September 2001, 1 Ss 212/01, DAR 2002, 279).
Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen am 27.9.2002 wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges mit 0,32 mg/l Atemalkoholkonzentration zu einer Geldbuße von 750 EUR verurteilt und ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt.

Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 OWiG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Feststellungen sind derzeit noch lückenhaft (§ 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 StPO).

1. Das Amtsgericht hat dem am 8.5.2002 um 00.02 Uhr begangenen Verstoß gegen § 24a Abs. 1 StVG die Atemalkoholmessungen mit dem Analysegerät Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III vom 8.5.2002 um 00.18 Uhr und 00.20 Uhr zu Grunde gelegt. Das Amtsgericht hält eine Wartezeit von 20 Minuten nach dem Trinkende bis zum Beginn der ersten Atemalkoholmessung für nicht erforderlich und hat sich deshalb auch nicht der gegenteiligen Rechtsauffassung des "OLG Oldenburg vom 08.05.2002 Ss 112/02, NZV 2002, 414 f" (gemeint ist: OLG Hamm Beschluss vom 3.6.2002 - 2 Ss OWi 316/02, NZV 2002, 414) angeschlossen. Diese Rechtsauffassung des Amtsgerichts hält jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Bei der Bestimmung der Atemalkohol-Konzentration handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des BGH (allgemein zu standardisierten Messverfahren BGHSt 39, 291; speziell zur Atemalkoholmessung BGHSt 46, 358; BayObLGSt 2000, 51 = NZV 2000, 295; OLG Hamm NZV 2000, 426; OLG Köln zfs 2001, 138; OLG Stuttgart VRS 99, 286). Der Gesetzgeber hat ausdrücklich vorgesehen, dass bei der Atemalkoholbestimmung nur Messgeräte eingesetzt und Messmethoden angewendet werden dürfen, die den im Gutachten des Bundesgesundheitsamts gestellten Anforderungen genügen (BT-Ds 13/1439 S.4; BGHSt 46, 358/363). Für den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 24a Abs. 1 StVG genügt unter diesen Voraussetzungen das gewonnene Messergebnis als solches (BGHSt 46, 358; Maatz in: Homburger Tage 2001, Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltsverein, 2002, S.45 ff., 54). Der Tatrichter ist zwar nicht verpflichtet, im Urteil darzulegen, dass bei der Atemalkoholmessung ein bauartzugelassenes und geeichtes Atemalkoholanalysegerät unter Beachtung der Verfahrensbestimmungen zum Einsatz gekommen ist, jedoch hat er sich von alledem zu überzeugen, wenn konkrete Anhaltspunkte etwa dafür vorliegen, dass die Verfahrensbestimmungen nicht eingehalten wurden.

Nach dem oben angeführten Gutachten des Bundesgesundheitsamts "Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse" (Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr, hrsg. im Auftrag des Bundesministers für Verkehr von der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft 86, 1992, S.12) besteht für das Messverfahren neben dem Erfordernis einer Kontrollzeit von 10 Minuten vor der Atemalkoholmessung und der Doppelmessung im Zeitabstand von maximal 5 Minuten unter Einhaltung der zulässigen Variationsbreite zwischen den Einzelwerten die Vorgabe, dass zwischen der Beendigung der Alkoholaufnahme (Trinkende) und der Atemalkoholmessung ein Zeitraum von 20 Minuten verstrichen sein muss. Ausschlaggebend für diese Vorgabe ist weniger die Gefahr der Verfälschung der Messwerte durch Mund- oder Mundrestalkohol auf das Messergebnis; denn dazu ist die vorgeschriebene Kontrollzeit von 10 Minuten vor der ersten Messung ausreichend. Vielmehr stellt sich erst nach dieser Zeit ein definiertes Verhältnis zwischen Atemalkohol- und Blutalkoholkonzentration ein, das kurzfristigen Schwankungen nur noch in geringem Maß unterworfen ist (Gutachten des Bundesgesundheitsamts aaO; vgl. auch Schoknecht NZV 2003, 67). Mit Blick auf die erheblichen Unterschiede zwischen Atemalkohol- und Blutalkoholkonzentration insbesondere in der Anflutungsphase könnte sich nach Maatz BA 2002, 29/35 Fn.59 eher ein Zeitabstand von 30 Minuten empfehlen (weitere Nachweise bei Schoknecht aaO). Dem ist allerdings Schoknecht, der auch das Gutachten für das Bundesgesundheitsamt erstellt hat, mit überzeugenden Gründen entgegengetreten (Schoknecht NZV 2003, 67/68).

Das Amtsgericht hat in den Urteilsgründen zwar festgestellt, wann der Betroffene von der Polizei angehalten wurde, nicht aber wie lange der Betroffene bis dahin mit seinem PKW schon unterwegs war bzw. den Zeitpunkt für das Trinkende. Von der Beachtung der genannten Verfahrensbestimmung, dass zwischen der Beendigung der Alkoholaufnahme (Trinkende) und der Atemalkoholmessung ein Zeitraum von 20 Minuten verstrichen sein muss, hat das Amtsgericht auf Grund einer unzutreffenden Rechtsauffassung abgesehen.

2. Soweit OLG Hamm NZV 2002, 414/415 und OLG Zweibrücken DAR 2002, 279 verlangen, dass bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 1 StVG auf Grund einer Atemalkoholmessung in allen Fällen den tatrichterlichen Feststellungen zu entnehmen sein muss, dass der Zeitablauf seit Trinkende mindestens 20 Minuten betragen hat, steht dies nach Auffassung des Senats nicht in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof (BGHSt 46, 358) hat lediglich die Frage entschieden, dass bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration unter Verwendung eines Atemalkoholmessgeräts, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat, der gewonnene Messwert ohne Sicherheitsabschläge verwertbar ist, wenn das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind. Nicht gefordert hat der BGH hinsichtlich der vom Amtsrichter zu treffenden Feststellungen, dass die Beachtung der Verfahrensbestimmungen dargestellt werden müsse. Weil es sich bei dem Atemalkoholmessverfahren mit dem Gerät Alcotest 7110 Evidential MK III der Firma Dräger um ein standardisiertes Messverfahren handelt, besteht keine Veranlassung, weitergehende Anforderungen an die zu treffenden Feststellungen zu stellen als bei anderen standardisierten Messverfahren. Vielmehr hat der BGH bei standardisierten Messverfahren die Angabe der Messmethode und des zu berücksichtigenden Toleranzwerts für ausreichend angesehen (vgl. BGHSt 39, 291/303). Mithin reicht es grundsätzlich aus, wenn in den Urteilsgründen die Messmethode, die beiden Einzelmessungen sowie der aus ihnen errechnete Mittelwert mitgeteilt werden (BayObLGSt 2000, 51; BayObLG NZV 2001, 524; ausdrücklich auch der 3.Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm NZV 2002, 198). Eine Vorlage gemäß § 121 Abs. 2 GVG hält der Senat nicht für geboten, da er sich in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH sieht.

III.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Amtsgericht Weilheim i.OB. zurückverwiesen (§ 79 Abs.6 OWiG).

Ende der Entscheidung

Zurück