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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Urteil verkündet am 22.09.2004
Aktenzeichen: 1 St RR 110/04
Rechtsgebiete: GG, StGB


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1
StGB § 240
Zwar ist regelmäßig nicht nach § 240 StGB strafbar, wer die Veröffentlichung tatsächlicher oder vermeintlicher Missstände, wie z.B. gegenüber einer Bank die Offenlegung von Unregelmäßigkeiten in der Bilanz, androht, sofern es dem Drohenden um die Beseitigung dieser Umstände geht. Wird jedoch die Äußerung einer durch unwahre Tatsachen gestützten Meinung eingesetzt, um die Einstellung eines Zwangsversteigerungsverfahrens, auf die kein Anspruch besteht, durchzusetzen, so stellt dies ein sozial unerträgliches Verhalten im Sinn des § 240 Abs. 2 StGB dar.
Tatbestand:

1. Am 25.9.2003 erließ das Amtsgericht wegen versuchter Erpressung in drei Fällen einen Strafbefehl, durch den gegen den Angeklagten eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 EUR verhängt wurde. Dem Strafbefehl lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 21.8.2003 betrieb die V-Bank in K, die Zwangsversteigerung einer Immobilie gegen eine Schuldnerin B. Versteigerungstermin war auf Dienstag, den 26.8.2003, vor dem Amtsgericht Würzburg bestimmt (Az. 1 K 168/02).

1. Am 21.8.2003 gegen 16.55 Uhr rief der Angeklagte von seinem Wohnsitz in Sulzberg aus bei der V-Bank an und gab gegenüber dem dortigen Mitarbeiter S vor, für die Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. tätig zu sein.

Für den Fall, dass die V-Bank die Versteigerung des Anwesens B nicht einstellen werde, kündigte der Angeklagte an, am Vorabend des Versteigerungstermins, mithin am 25.8.2003, die Bankbilanz des Jahres 2002 öffentlich zu besprechen. In vorgenannter Bilanz sei es zu Unregelmäßigkeiten wegen überhöhter Abschreibungen gekommen.

2. Am 22.8.2003 gegen 11.30 Uhr rief der Angeklagte Rechtsanwältin Dr. W, Vertreterin der V-Bank, in deren Kanzleiräumen an. Gegenüber der Rechtsanwältin gab er an, er werde am Montagabend in K eine Veranstaltung für Geschädigte der V-Bank abhalten. Mit großem öffentlichen Wirbel werde er die Bilanz 2002 zerreißen, wenn die Bank nicht ohne wenn und aber die Zwangsversteigerung gegen Frau B einstelle.

3. Am 22.8.2003 gegen 11.54 Uhr sandte der Angeklagte von einem Faxgerät im Ortsbereich S aus ein Telefax an den Vorstand der V-Bank, in welchem er nochmals forderte, die Zwangsversteigerung einzustellen. Er werde den Fall B zum Anlass nehmen, die V-Bank in K und Umkreis bekannt zu machen. Hierzu verwies der Angeklagte wiederum auf Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen der Jahre 2002 und 2001, welche bekannt gemacht würden, sollte im Fall B keine andere Entscheidung ergehen.

Tatsächlich gab es in den Bilanzen der Jahre 2002 und 2001 weder Ungereimtheiten noch hatte der Angeklagte solche entdeckt. Ihm war jedoch bewusst, dass bereits die - wenn auch völlig haltlose - Behauptung von Unregelmäßigkeiten dem Ansehen der Bank schaden und negativen Einfluss auf den Geschäftsbetrieb haben würde. Vor diesem Hintergrund waren seine Drohungen geeignet, Einfluss auf die Entscheidungen der Bank zu entfalten.

Er handelte dabei in der Absicht, der Schuldnerin B eine Aussetzung der Zwangsversteigerung zu verschaffen und den endgültigen Verlust des Eigentums zu verhindern. Er wusste, dass die Schuldnerin B hierauf keinen Anspruch hatte und die von ihm behaupteten Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen in keinem Zusammenhang mit dem Versteigerungsverfahren gegen B standen.

Unabhängig von seiner Intervention einigte sich die V-Bank mit der Schuldnerin B. Ohne Einigung mit der Schuldnerin wäre der V-Bank bei Einstellung des Versteigerungsverfahrens finanziell Schaden entstanden.

Auf seinen Einspruch hin wurde der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts freigesprochen. Die hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte Berufung hat das Landgericht als unbegründet verworfen, wobei es den im Strafbefehl geschilderten Sachverhalt, soweit er die objektive Tatseite betrifft, zugrunde legte. Der Tatbestand der Erpressung sei nicht erfüllt, da ein Vermögensschaden der Bank nicht feststellbar sei. Es könne nicht zulasten des Angeklagten unterstellt werden, dass die Forderung der Bank durch einen Zuschlag im ersten Versteigerungstermin voll befriedigt worden wäre. Demgegenüber könne die Einstellung der Zwangsvollstreckung zu einem wirtschaftlich für die Bank günstigeren Ergebnis führen, insbesondere wenn sich, wie hier, die wirtschaftliche Situation der Schuldnerin bessere. Letztlich sei dies offenbar auch die Auffassung der Bank gewesen, da sie sich - unabhängig von den Drohungen des Angeklagten - einvernehmlich mit der Schuldnerin für die Einstellung der Zwangsvollstreckung entschieden habe.

Auch eine Nötigung komme nicht in Betracht, da es an der erforderlichen Verwerflichkeit der Mittel-Zweck-Relation fehle. Der Angeklagte habe nicht mit der Bekanntgabe von Tatsachen, sondern mit der Veröffentlichung seiner Meinung gedroht; dies sei vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Es sei dem Angeklagten unbenommen, eine Bilanz anders zu bewerten als die Bank. Ein solches negatives Werturteil dürfe er verbreiten, solange er dieses nicht zur Schmähkritik missbrauche. Zwischen den gerügten Bilanzen und dem konkreten Zwangsversteigerungsverfahren bestehe auch ein innerer Zusammenhang, da die Forderung gegen die Schuldnerin B in der Bilanz enthalten sei. Letztlich sei es dem Angeklagten darum gegangen, eine von ihm als wirtschaftlich sinnlos beurteilte Zerschlagung des Eigentums der Schuldnerin zu verhindern. Diese Verhandlungsweise verdiene keinen erhöhten Grad sittlicher Missbilligung.

Mit ihrer Revision rügte die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Bei zutreffender rechtlicher Würdigung des festgestellten Sachverhalts hätte der Angeklagte wegen versuchter Nötigung in drei Fällen verurteilt werden müssen. Zwar sei weder das eingesetzte Mittel - die Drohung, strafbares Verhalten der Bankverantwortlichen zu offenbaren - noch das angestrebte Ziel - die Einstellung der Zwangsvollstreckung - grundsätzlich zu missbilligen. Jedoch sei die Mittel-Zweck-Relation verwerflich, weil es am inneren Zusammenhang zwischen Mittel und Zweck fehle. Die vom Angeklagten geforderte Einstellung der Zwangsvollstreckung sei nicht geeignet, strafbares Verhalten der Bankverantwortlichen zu verhindern und den Erfolg bereits geschehener Straftaten im Zusammenhang mit der Bilanzerstellung zu beseitigen. Zudem bestehe, wie der Angeklagte wisse, kein Anspruch der Schuldnerin auf Einstellung der Zwangsvollstreckung. Das Landgericht habe es auch versäumt, vom Angeklagten eine hinreichende Erläuterung der von ihm behaupteten Unregelmäßigkeiten zu verlangen. Die Staatsanwaltschaft bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht hat ergänzend ausgeführt, der Angeklagte habe wider besseres Wissen mit der wahrheitswidrigen Veröffentlichung von Straftaten gedroht; dabei handle es sich nicht um Bewertungen, sondern um die Mitteilung von Tatsachen. Die gemäß §§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 Abs. 1 StPO zulässige Revision hatte auch in der Sache Erfolg, weil das Berufungsurteil, soweit es die Strafbarkeit wegen versuchter Nötigung verneint, nicht frei von Rechtsfehlern ist.

Gründe:

Nach § 240 Abs. 1 StGB ist u.a. strafbar, wer einen Menschen rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung nötigt. Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist; diese Rechtswidrigkeitsregel des § 240 Abs. 2 StGB umschreibt nicht einen zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Tatumstand, sondern hat die Bedeutung eines allgemeinen Verbrechensmerkmals. Die im Tatbestand aufgeführte Handlung - die Ausübung von Zwang im Sinn des § 240 Abs. 1 StGB - indiziert also nicht bereits die Rechtswidrigkeit. Diese Ausnahme vom allgemeinen Verbrechensaufbau ist geboten, weil angesichts der Weite der Tatbestandsbeschreibung in § 240 Abs. 1 StGB andernfalls zahlreiche im täglichen Umgang der Bürger miteinander als sozialadäquat empfundene Verhaltsweisen erfasst würden, ohne dass eine die Rechtswidrigkeit ausschließende Gegennorm entgegenstünde. Deshalb bestimmt § 240 Abs. 2 StGB, dass erst die Verquickung des Nötigungsmittels mit der angestrebten Verhaltensweise des Genötigten den Schluss auf tatbestandsmäßig-rechtswidriges Verhalten begründen kann. Aufgabe des § 240 Abs. 2 StGB ist es somit zu bewirken, dass die Verbindung von Nötigungsmittel und angestrebter Verhaltensweise nur unter der einschränkenden Voraussetzung der Verwerflichkeit strafbar ist, wobei der Begriff "verwerflich" zugleich einen Wertungsmaßstab festlegt (BGHSt 2, 194/195; 35, 270/275 f., 279).

1. In objektiver Hinsicht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte gegenüber Mitarbeitern der Bank sowie der die Bank vertretenden Rechtsanwältin angekündigt hat, er werde Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen offen legen, falls das Zwangsversteigerungsverfahren gegen die Schuldnerin B nicht eingestellt werde.

a) Diese Ankündigung stellt die Drohung mit einem empfindlichen Übel im Sinn des § 240 Abs. 1 StGB dar.

Ein Nötigungsmittel in der Form, dass eine Veröffentlichung in Aussicht gestellt wird, ist dann ein empfindliches Übel, wenn die Bekanntgabe den Betroffenen in seinem Lebenskreis nicht unerheblich beeinträchtigen würde. Das angedrohte Übel kann - wie im Fall der die Bank vertretenden Rechtsanwältin - auch einem Dritten, der vertretenen Bank, gelten (LK/Träger/Altvater StGB 11. Aufl. § 240 Rn. 60). Das Bekanntwerden von Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen ist geeignet, das Ansehen der Bank in der Öffentlichkeit herabzusetzen, und kann gravierende negative Folgen für den Geschäftsbetrieb mit sich bringen. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Täter in Aussicht stellt, seine Meinung im Sinn einer (negativen) Bewertung der Bilanzen ("Verreißen") zu äußern, oder ob er ankündigt, konkrete (zutreffende oder falsche) Tatsachen mit für die Bank negativem Inhalt bekannt zu geben. Für die Erfüllung des Nötigungstatbestandes ist auch unerheblich, ob die Zufügung des angekündigten Übels rechtswidrig wäre oder nicht; auch die Drohung beispielsweise mit einer berechtigten Strafanzeige kann ein empfindliches Übel darstellen (BGHSt 5, 254/258; LK/Träger/Altvater § 240 Rn. 59). Für die Beurteilung ist vielmehr maßgeblich, welche Folgen die angedrohte Veröffentlichung für den Betroffenen haben kann, nicht ihre Qualität als Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung und nicht ihr Wahrheitsgehalt. Diese letztgenannten Gesichtspunkte sind erst bei der Verwerflichkeitsprüfung gemäß § 240 Abs. 2 StGB von Bedeutung.

b) Die angedrohte Veröffentlichung hatte das Ziel, die Bank zu einer Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens, d.h. zu einer entsprechenden Verfahrenshandlung im Vollstreckungsverfahren, zu bewegen. Hierin liegt der Nötigungszweck im Sinn des § 240 Abs. 1 StGB.

c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist von einer verwerflichen Mittel-Zweck-Relation im Sinn des § 240 Abs. 2 StGB auszugehen.

Dies setzt voraus, dass der Einsatz des Nötigungsmittels zu dem angestrebten Zweck verwerflich ist. Das bedeutet, dass die Rechtswidrigkeit der Nötigung sich nicht einseitig nach dem angewandten Mittel oder dem angestrebten Zweck bestimmt, sondern aus dem Verhältnis zueinander (BGHSt 2, 194/196). Auch der an sich erlaubte Zweck rechtfertigt nur die Anwendung sozial hinnehmbarer Mittel. Überschreitet der angewandte Zwang diese Grenze, so ist er auch bei berechtigtem Zweck rechtswidrig, unter Umständen sogar dann, wenn das Mittel für sich allein betrachtet ebenfalls rechtmäßig wäre (LK/Träger/Altvater § 240 Rn. 69, 88). Allerdings können sich aus der Beurteilung des eingesetzten Mittels und des erstrebten Zwecks jeweils für sich Gesichtspunkte ergeben, die bei der Bewertung der Mittel-Zweck-Relation zu berücksichtigen sind.

aa) Soweit - wie hier - als Nötigungsmittel die Androhung der Bekanntgabe von Informationen eingesetzt wird, ist zu bedenken, dass der verfassungsrechtliche Schutzbereich der Grundrechte auf Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und auf Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) berührt sein kann. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt die Meinungsfreiheit sowohl im Interesse der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen, mit der sie eng verbunden ist, als auch im Interesse des demokratischen Prozesses, für den sie eine konstitutive Bedeutung hat, ohne ausdrücklich zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung zu unterscheiden. Es ist der Sinn von Meinungsäußerungen, geistige Einflüsse auf die Umwelt zu bewirken, meinungsbildend und überzeugend zu sein. Deshalb sind Werturteile von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG durchweg geschützt, ohne dass es darauf ankäme, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational ist. Für Tatsachenbehauptungen gilt dies nicht in vergleichbarer Weise. Die Mitteilung einer Tatsache ist im strengen Sinn keine Äußerung einer Meinung. Tatsachenbehauptungen fallen deswegen aber nicht von vornherein aus dem Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit heraus. Sie sind vielmehr durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt, weil und soweit sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen sind. Daher endet der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen erst dort, wo sie zu einer verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein schützenswertes Gut. Das Bundesverfassungsgericht geht deswegen davon aus, dass die erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst wird. Die Abgrenzung zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen kann im Einzelfall schwierig sein, vor allem deswegen, weil die beiden Äußerungsformen nicht selten miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen (BVerfGE 90, 241/247 f.; BVerfG NJW 1993, 1845).

Von einer solchen Gemengelage ist nach den Feststellungen des Landgerichts zur objektiven Tatseite auszugehen. Der Angeklagte hat angekündigt, die Bilanzen der Bank öffentlich zu bewerten und in diesem Zusammenhang auf Ungereimtheiten hinzuweisen. Er hat also in Aussicht gestellt, seine Meinung zu äußern und diese Äußerung mit Tatsachen zu untermauern (vgl. BayObLGSt 1994, 121/126 f.). Grundsätzlich darf niemand gehindert werden, die Öffentlichkeit auf (vermeintliche) Missstände hinzuweisen (BVerfG NJW 1993, 1519). Das Landgericht hat jedoch ausdrücklich festgestellt, dass die Bilanzen der Jahre 2001 und 2002 keine Ungereimtheiten aufwiesen. Wenn der Angeklagte gleichwohl die Veröffentlichung solcher Ungereimtheiten angekündigt hat, handelt es sich dabei um die Androhung (auch) der Bekanntgabe falscher Tatsachen. Dies kann im Rahmen der Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Tat nicht außer Betracht bleiben (vgl. BVerfG NJW 1993, 1845/1846).

bb) Zwar hat sich der Angeklagte uneigennützig für die Interessen der Schuldnerin B eingesetzt. Er hat dabei jedoch ein Handlungsziel verfolgt, auf dessen Verwirklichung die Schuldnerin nach der Rechtsordnung keinen Anspruch hatte. Die Bank betrieb im Rahmen der geltenden Gesetze aufgrund eines rechtskräftigen Titels die Zwangsversteigerung des Grundstücks der Schuldnerin. Dass eine Einstellung der Zwangsvollstreckung, insbesondere unter den Voraussetzungen der Härteklausel des § 765a ZPO oder gemäß § 775 ZPO, beispielsweise bei Befriedigung des Gläubigers oder nach einer Stundungsbewilligung durch den Gläubiger, in Betracht kam, ist nicht erkennbar. Die Rechtsordnung gewährt grundsätzlich auch kein privates Faustrecht, um zivilrechtliche Rechtsbeziehungen zu regeln, selbst wenn die angestrebte Lösung wirtschaftlich sinnvoll sein sollte (LK/Träger/Altvater § 240 Rn. 92).

cc) Aus den dargestellten Gründen ergeben sich bereits Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des eingesetzten Mittels und des erstrebten Zwecks jeweils für sich betrachtet. Jedenfalls ist die angedrohte Maßnahme im Verhältnis zur bezweckten Handlung als verwerflich anzusehen. Zwar ist es regelmäßig nicht zu missbilligen, wenn die Veröffentlichung tatsächlicher oder vermeintlicher Missstände angedroht wird, sofern es dem Drohenden um die Beseitigung dieser Missstände geht (LK/Träger/Altvater § 240 Rn. 93). Hier wird jedoch die Äußerung einer durch unwahre Tatsachen gestützten Meinung eingesetzt, um die Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens, auf die kein Rechtsanspruch besteht, durchzusetzen; dies stellt ein sozial unerträgliches Verhalten dar (Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 240 Rn. 41 m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Landgerichts besteht auch kein innerer Zusammenhang zwischen Mittel und Zweck. Die Offenlegung (vermeintlicher) Unregelmäßigkeiten steht in keiner Verbindung zu der Einstellung der gegen die Schuldnerin betriebenen Zwangsversteigerung. Den gegenteiligen Schluss lassen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht zu. Dafür, dass die vom Angeklagten angekündigte Information über Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen gerade die Verbuchung und Bewertung der Forderung der Bank gegen die Schuldnerin, wie sie den Bilanzen zugrunde liegt, betreffen sollte, sind den Tatsachenfeststellungen des Landgerichts keinerlei Anhaltspunkte zu entnehmen. Im Übrigen würde dies die Rechtswidrigkeit der Mittel-Zweck-Relation nicht beseitigen, da der Umstand, ob nach den einschlägigen zivilprozessualen Bestimmungen eine Einstellung der Zwangsversteigerung in Betracht kommt, in keinem Zusammenhang mit bilanzrechtlichen Fragen steht. Ein Anspruch der Schuldnerin auf Einstellung der Vollstreckung bestand zudem ersichtlich nicht.

d) Die Tathandlung des Angeklagten hat nicht zum Erfolg geführt, weil die Bank sich mit der Schuldnerin nach den Urteilsfeststellungen unabhängig von der Intervention des Angeklagten geeinigt hat und die Zwangsvollstreckung deshalb eingestellt wurde. Da der Nötigungsadressat die Handlung somit nicht infolge der Nötigung ausgeführt hat, fehlt es an der Kausalität, so dass nur versuchte Vergehen der Nötigung in Betracht kommen (Tröndle/Fischer § 240 Rn. 56).

2. § 240 StGB setzt in subjektiver Hinsicht Vorsatz voraus. Hierzu gehören das Bewusstsein, die Drohung mit einem Übel einzusetzen, um das Verhalten eines anderen zu erzwingen, die Kenntnis (oder das Inkaufnehmen) der Umstände, die das angedrohte Übel als empfindlich erscheinen lassen, und die Kenntnis (oder das Inkaufnehmen) der Umstände, die den Einsatz des Nötigungsmittels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich und damit die Tat als rechtswidrig erscheinen lassen (LK/Träger/Altvater § 240 Rn. 115).

Die Feststellungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite sind unzureichend. Insoweit kann nicht von den Ausführungen im Strafbefehl ausgegangen werden, da das Landgericht diese nur, soweit sie den objektiven Sachverhalt betreffen, dem Urteil zugrunde legt (vgl. S. 7 Mitte des Urteils). Den Urteilsfeststellungen ist noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Angeklagte die Drohung bewusst eingesetzt hat, um das von ihm gewünschte Ziel zu erreichen. Es ist auch auszuschließen, dass sich der Angeklagte als ausgebildeter Bankkaufmann und Mitglied des Schutzvereins für Bankkunden über die Bedeutung seiner Drohung für die Bank und über die Rechtmäßigkeit der von der Bank betriebenen Zwangsversteigerung im Unklaren war. Welche Vorstellungen er jedoch im Hinblick auf die von ihm erwähnten Unregelmäßigkeiten hatte, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Hierzu übernimmt das Landgericht lediglich ungeprüft die Behauptung des Angeklagten, er könne aufgrund seiner Erfahrungen bereits nach fünf Minuten feststellen, ob eine Bilanz in Ordnung sei oder nicht. Zu welchem Ergebnis die Überprüfung nach Auffassung des Angeklagten im konkreten Fall geführt hat, bleibt offen.

Dagegen ist das Landgericht jedenfalls nach den von ihm bislang getroffenen Feststellungen zu Recht davon ausgegangen, dass eine Verurteilung wegen versuchter Erpressung (§ 253 StGB) nicht in Betracht kommt. Im Berufungsurteil wird auf S. 7 unten ausgeführt, der Angeklagte sei der Überzeugung gewesen, dass bei Einstellung der Zwangsvollstreckung ein wirtschaftlich vernünftigeres Ergebnis erzielt werden konnte, als dies bei Durchführung der Zwangsversteigerung der Fall war. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist dem Angeklagten - unabhängig davon, wie sich die Vermögensverhältnisse der Beteiligten in objektiver Hinsicht darstellen - jedenfalls das Bewusstsein, dass seine Tat im Fall ihrer Vollendung zu einem Vermögensnachteil der Bank geführt hätte, nicht nachweisbar.

Ende der Entscheidung

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