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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.08.2003
Aktenzeichen: 1 St RR 88/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 Abs. 3
Bei auf Trunkenheit zurückzuführenden Verkehrsvergehen mit schweren, insbesondere tödlichen Unfallfolgen gebietet § 56 Abs. 3 StGB vielfach die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung. Dennoch dürfen auch bei der Ahndung solcher Taten die besonderen Umstände des Einzelfalls nicht außer Acht gelassen werden.
Gründe:

"Das LG begründet seine Entscheidung, die verhängte Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen, im Wesentlichen mit dem krassen Fehlverhalten der Angekl. und dem erheblichen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat; eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung laufe den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen zuwider. Diese Erwägungen werden dem Sinn und Zweck des § 56 Abs. 3 StGB nicht gerecht.

Entscheidendes Kriterium der Verteidigung der Rechtsordnung ist die Erhaltung der Rechtstreue der Bevölkerung. Die Vollstreckung einer Strafe ist danach notwendig, wenn andernfalls eine ernstliche Gefährdung der rechtlichen Gesinnung der Bevölkerung als Folge schwindenden Vertrauens in die Funktion der Rechtspflege zu besorgen wäre. Das ist dann der Fall, wenn ein bloßer Strafausspruch ohne Vollstreckung angesichts einer schwerwiegende Besonderheiten aufweisenden konkreten Gestaltung des Einzelfalls als ungerechtfertigte Nachgiebigkeit und unsicheres Zurückweichen vor dem Unrecht aufgefasst werden könnte ... .

Auf diese für die Beurteilung nach § 56 Abs. 3 StGB wesentlichen Gesichtspunkte geht das LG nicht ein. Es argumentiert vielmehr zum einen mit den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen, denen eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung zuwiderlaufe. Auf diesen Gesichtspunkt ist maßgeblich abzustellen, wenn im Rahmen des § 56 Abs. 2 StGB zu prüfen ist, ob die Aussetzung einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr in Betracht kommt (BGHSt 29, 370 = DRsp-ROM Nr. 1996/21656). Um einen solchen Fall geht es hier aber nicht.

Zum anderen begründet das LG seine Auffassung mit dem erheblichen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat. Bei der Entscheidung über eine mögliche Versagung der Strafaussetzung trotz günstiger Täterprognose bedarf es einer Gesamtwürdigung aller Tat und Täter kennzeichnenden Umstände. Dabei kann auch die Schwere der Schuld (mittelbar) Bedeutung erlangen. Sie kann für sich allein aber eine Versagung der Aussetzung nicht rechtfertigen (BGHSt 24, 40 = DRsp-ROM Nr. 1994/5774). Zwar erfordern die durch Alkohol im Straßenverkehr hervorgerufenen Gefahren und Schäden ein nachdrückliches und energisches Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden. Bei auf Trunkenheit zurückzuführenden Verkehrsvergehen mit schweren, insbesondere tödlichen Unfallfolgen wird deshalb die Versagung der Strafaussetzung häufig näher liegen als deren Bewilligung. Dennoch dürfen auch bei der Ahndung solcher Taten die besonderen Umstände des Einzelfalls nicht außer Acht gelassen werden (BGHSt 24, 64 = DRsp-ROM Nr. 1994/5769). Hieraus ergeben sich aber gerade im vorliegenden Fall im Vergleich zu einer typischen Trunkenheitsfahrt mit schwerwiegenden Folgen erhebliche Besonderheiten, die das LG nicht hinreichend würdigt.

Die nicht vorbestrafte Angekl. hat eine Alkoholmenge zu sich genommen, die zwar zu ihrer Fahruntüchtigkeit führte, aber mit 0,59 Promille, maximal 0,65 Promille noch im unteren Bereich lag. Nach den Feststellungen des LG hat sich die Angekl. nach dem Alkoholgenuss zunächst hingelegt und sich erst ca. zwei Stunden später entschlossen, ... zum Tierarzt zu fahren. ... Die Angekl. leidet so stark unter den Folgen der Tat, dass sie sich in psychotherapeutische Behandlung begeben musste. Sie ist wegen ihres Alters besonders strafempfindlich. Auch wenn das Verhalten der Angekl. schwere, nicht rückgängig zu machende Folgen hatte, die auf ihre Alkoholisierung zurückzuführen sind, und vor allem im erneuten Überfahren in der Vorwärtsbewegung ein krasses Fehlverhalten zu sehen ist, stellt sich die Tat angesichts der festgestellten Umstände gleichwohl nicht als besonders rücksichtslose Missachtung der Rechtsordnung dar. Zum Tatgeschehen haben maßgeblich auch die Gedankenlosigkeit der Angekl. und eine Verkettung unglücklicher Umstände beigetragen. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Strafaussetzung zur Bewährung auf völliges Unverständnis in der Bevölkerung stoßen und deren Rechtsgefühl und Rechtstreue ernstlich beeinträchtigt würde, wenn sie vom gesamten Tatgeschehen und allen täterbezogenen Umständen unterrichtet werden würde. Ein unabweisbares Bedürfnis, die Freiheitsstrafe zu vollstrecken, besteht daher nicht."



Ende der Entscheidung

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