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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.10.2002
Aktenzeichen: 1Z AR 140/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 29 Abs. 1
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 39
ZPO § 504
BGB § 269
Erfüllungsort für Honoraransprüche aus einem Anwaltsvertrag ist der Sitz der Anwaltskanzlei.
Gründe:

I.

Die Klägerin, eine Rechtsanwalts-GmbH mit Sitz in München, hat einen Honoraranspruch in Höhe von 1371,70 DM gegen den in Bergheim wohnenden Beklagten beim Amtsgericht München eingeklagt. Nachdem das Amtsgericht München zweimal zur Hauptsache verhandelt hatte - in beiden Terminen (vom 1.3.2001 und 18.10.2001) haben die Parteien ihre Anträge gestellt und wurde danach die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert -, ohne dass seine örtliche Zuständigkeit von ihm selbst oder vom Beklagten in Zweifel gezogen worden wäre, wies es nach einem Richterwechsel die Klägerin telefonisch darauf hin, dass es den Gerichtsstand des Erfüllungsortes am Kanzleisitz nicht für gegeben und sich deswegen für unzuständig halte. Die Klägerin beantragte mit Schriftsatz vom 21.8.2002 die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Bergheim im schriftlichen Verfahren. Mit Verfügung vom 21.8.2002 hob das Amtsgericht den für 22.8.2002 anberaumten - dritten - Termin auf und forderte den Beklagten auf, zu dem Verweisungsantrag binnen einer Woche Stellung zu nehmen. Mit Beschluss vom 9.9.2002 erklärte es sich für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit nach § 281 ZPO an das Amtsgericht Bergheim. Zur Begründung führte es aus, es bestehe keine Zuständigkeit des Amtsgerichts München nach § 29 ZPO; Erfüllungsort sei nicht der Sitz der Kanzlei, sondern der Ort, an dem der Beklagte bereits bei Begründung des Mandats seinen Wohnsitz gehabt habe. Das Amtsgericht Bergheim lehnte die Übernahme mit den Parteien mitgeteiltem Beschluss vom 23.9.2002 ab und erklärte sich seinerseits für unzuständig. Es ist der Meinung, dass beim Amtsgericht München der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 29 ZPO begründet sei, da die Anwaltskanzlei nach ganz herrschender Meinung auch Erfüllungsort für die Zahlung der anwaltlichen Honoraransprüche sei. Der Verweisungsbeschluss vom 9.9.2002 sei nicht bindend, weil der zur Vermeidung einer Klageabweisung gestellte Verweisungsantrag durch einen als Verletzung des rechtlichen Gehörs zu wertenden irreführenden Hinweis ausgelöst worden sei. Es hat die Akten dem Oberlandesgericht München, dieses hat sie dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt.

II.

Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht München.

1. Nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO hat das Bayerische Oberste Landesgericht den Zuständigkeitsstreit zu entscheiden.

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Durch die auf § 281 ZPO gestützten Beschlüsse vom 9.9.2002 und 23.9.2002 haben sich zwei Gerichte, von denen eines zuständig ist, im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO "rechtskräftig" für unzuständig erklärt (vgl. § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

3. Das Amtsgericht München ist örtlich zuständig. Sein Verweisungsbeschluss ist nicht bindend.

a) Nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO ist ein Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das verwiesen wird, grundsätzlich bindend. Diese Bindung ist auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten (BayObLG NJW-RR 1991, 187/188; KG Report 1999, 394/395; Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 36 Rn. 28). Die Bindung tritt grundsätzlich auch dann ein, wenn der Verweisungsbeschluss zu Unrecht ergangen ist (BGH NJW 1988, 1794/1795; FamRZ 1990, 1226/1227; BayObLGZ 19851 397/401). Sie entfällt nur dann, wenn die Verweisung auf Willkür oder einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (BGHZ 71, 69/72; 102; 338/341; BayObLGZ' 1986, 285/287; 1991 280/281 f.; Zöller/Greger § 281 Rn. 17, 17a).

b) Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts München ist nicht bindend, weil er auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht.

Aus der Sicht des verweisenden Richters, der die Zuständigkeit des Amtsgerichts München nach § 29 Abs. 1 ZPO nicht für gegeben hielt, war die Zuständigkeit des Amtsgerichts München auch nicht gemäß § 39 Satz 1 ZPO durch die zweimalige rügelose Verhandlung zur Hauptsache begründet worden, weil die - trotz anwaltlicher Vertretung des Beklagten erforderliche (Zöller/Herget § 504 Rn. 2) - Belehrung nach § 504 ZPO unterblieben war (§ 39 Satz 2 ZPO). Er hatte dann aber vor einer allenfallsigen Verweisung nach § 504 ZPO zu verfahren, also den Beklagten vor der Fortsetzung der Verhandlung zur Hauptsache - zu der bereits Termin bestimmt war - auf seine Meinung und auf die Folgen einer rügelosen (weiteren) Einlassung zur Hauptsache hinzuweisen. Die Vorschrift des § 504 ZPO soll zwar in erster Linie den Beklagten davor schützen, dass er in Unkenntnis der Unzuständigkeit des Gerichts oder der Folgen einer rügelosen Einlassung die Rechte einbüßt, die ihm aus der Unzuständigkeit erwachsen (MünchKomm/Deubner ZPO 2. Aufl. § 504 Rn. 1); sie soll ihm aber auch die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglichen, ob er die Unzuständigkeit rügen will oder nicht (MünchKomm/Deubner aaO Rn. 6). Insoweit ist § 504 ZPO auch eine Vorschrift zugunsten des Klägers, der ein Interesse daran hat, dass der Beklagte zur Entscheidung darüber veranlasst wird, ob er die Unzuständigkeit rügt oder die Zuständigkeit des Gerichts durch (erneutes) rügeloses Verhandeln begründet (MünchKomm/Deubner aaO Rn. 8).

Dadurch, dass der Richter nur die Klägerin, nicht aber den Beklagten belehrte und ihm keine Möglichkeit gab, sich für oder gegen eine (weitere) rügelose Verhandlung zur Hauptsache zu entscheiden, wurde dessen - durch § 504 ZPO konkretisierter - Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das rechtliche Gehör war nicht schon dadurch gewahrt, dass dem Beklagten lediglich Gelegenheit gegeben wurde, zum Verweisungsantrag der Klägerin Stellung zu nehmen. Auch wenn in diesem Antrag die Rechtsmeinung des Richters wiedergegeben worden wäre - was nicht der Fall war -, hätte dies die nach § 504 ZPO erforderliche Belehrung durch das Gericht nicht erübrigt (Wieczorek/Schütze/ Hausmann ZPO 3. Aufl. § 39 Rn. 14 Fußn. 46).

c) Fehlt somit dem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts München die Bindungswirkung, so ist das örtlich zuständige Gericht allein nach den einschlägigen Zuständigkeitsvorschriften zu bestimmen. Örtlich zuständig ist das von der Klägerin - endgültig und unwiderruflich - ausgewählte (§ 35 ZPO) Amtsgericht München; seine Zuständigkeit beruht auf § 29 Abs. 1 ZPO, da Honoraransprüche aus einem Anwaltsvertrag nach der herrschenden Meinung, die auch der Senat teilt, am Ort der Kanzlei des Rechtsanwalts zu erfüllen sind (§ 269 BGB; BGHZ 97, 79/82; NJW 1991, 3095/3096; BayObLG NJW-RR 2001, 928; Zöller/Vollkommer Rn. 25 Stichwort "Anwalt"; Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. Rn. 6 jeweils zu § 29).

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