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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.01.2004
Aktenzeichen: 1Z AR 140/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 29
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Für eine Klage des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache ist Erfüllungsort und damit Gerichtsstand der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts nach dem Vertrag befindet.
Gründe:

I.

Der Kläger trägt vor, ihm stünden aus der Rückabwicklung eines Kaufvertrages über eine Kamera Rollei B 35 gegen die Beklagte Forderungen zu. Er hat deshalb bei dem Amtsgericht Rosenheim gegen die Beklagte in der Hauptsache Klage auf Zahlung von 126,50 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe der in seinem Besitz befindlichen Kamera Rollei B 35 sowie auf Feststellung erhoben, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme dieser Kamera in Verzug befindet. Bereits in der Klageschrift hat der Kläger darauf hingewiesen, dass sich die Zuständigkeit des Amtsgerichts Rosenheim aus § 29 ZPO ergebe; Erfüllungsort und damit Gerichtsstand sei nämlich der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit der Rückgängigmachung des Kaufvertrags befinde.

Die Beklagte hat die Zuständigkeit des Amtsgerichts Rosenheim gerügt und geltend gemacht, zuständig sei das Amtsgericht Euskirchen als das für ihren Wohnsitz zuständige Amtsgericht. Der Kläger ist diesem Vorbringen der Beklagten entgegengetreten, hat jedoch "höchst vorsorglich und hilfsweise" beantragt, das Verfahren an das Amtsgericht in Euskirchen abzugeben.

Mit Beschluss vom 12.9.2003 hat sich das Amtsgericht Rosenheim für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Euskirchen abgegeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Gerichtsstand des Erfüllungsortes liege nicht vor. Entscheidend sei, dass in erster Linie die Rückzahlung des Kaufpreises verlangt werde. Das Amtsgericht Euskirchen sei allein zuständig.

Das Amtsgericht Euskirchen hat sich mit Beschluss vom 28.11.2003 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Rosenheim zurückverwiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht Euskirchen im Wesentlichen ausgeführt, die Verweisung an das Amtsgericht Euskirchen erscheine objektiv willkürlich. Der Kläger klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache. Somit sei Erfüllungsort gemäß § 29 ZPO und damit Gerichtsstand der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts von dem Vertrag befinde, da an diesem Ort die Kaufsache zurückzugewähren sei.

Das Amtsgericht Rosenheim hat die Akten dem Oberlandesgericht München zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Dieses hat die Akten an das Bayerischen Oberste Landesgericht weitergeleitet.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für die Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen dem zuerst mit dem Rechtsstreit befassten Amtsgericht Rosenheim und dem Amtsgericht Euskirchen zuständig (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO).

2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.

3. Als zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Rosenheim zu bestimmen.

Für die Klage nach Rückgängigmachung des Kaufs gilt nach herrschender Meinung (vgl. BGHZ 87, 104/109 f.; Zöller/Vollkommer ZPO 24. Aufl. § 29 Rn. 25 Stichwort "Kaufvertrag") Folgendes:

Ist der Kaufvertrag beiderseits erfüllt und klagt der Käufer auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache, so ist Erfüllungsort und damit Gerichtsstand der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts (früher: der Wandlung) nach dem Vertrag befindet. Der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO) ist somit bei dem Amtsgericht Rosenheim gegeben. Der Kläger hat das ihm zustehende Wahlrecht (§ 35 ZPO) zwischen den in Betracht kommenden Gerichtsständen des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO) und des Wohnsitzes der Beklagten (§ 13 ZPO) durch Erhebung der Klage bei dem Amtsgericht Rosenheim als Gerichtsstand des Erfüllungsorts unwiderruflich und bindend (vgl. BayObLG NJW-RR 1991, 187/188) ausgeübt.

Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Euskirchen folgt nicht aus einer Bindung an den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Rosenheim vom 12.9.2003. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO) tritt ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Verweisung sich so weit von der gesetzlichen Grundlage entfernt, dass sie im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters und das Willkürverbot des Grundgesetzes nicht hingenommen werden kann (vgl. BGHZ 71, 69/72; 102, 338/341; BayObLGZ 2003, 187/190; Zöller/Greger § 281 Rn. 17).

Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Rosenheim vom 12.9.2003 entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage, weil das als Gericht des Erfüllungsorts unzweifelhaft örtlich zuständige Amtsgericht Rosenheim sich darüber hinwegsetzte, dass die Verweisung des Rechtsstreits gemäß § 281 Abs. 1 ZPO die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetzt. Aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11.11.2003 (X ARZ 91/03), auf den das Amtsgericht Rosenheim in seiner Vorlageverfügung vom 5.12.2003 hingewiesen hat, ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung; dieser Beschluss setzt sich mit der Frage des Erfüllungsorts für Gebührenforderungen von Rechtsanwälten auseinander und stellt die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze für die Klage nach Rückgängigmachung des Kaufs (BGHZ 87, 104/109 f.) nicht in Frage.



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