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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.08.2005
Aktenzeichen: 1Z AR 145/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 269
BGB § 1922
ZPO § 29
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
1. Bei einem stationären Aufenthalt des Patienten ist der Sitz der Klinik Erfüllungsort sowohl für die Leistungen des Krankenhauses wie auch für die Bezahlung des Entgelts durch den Patienten.

2. Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts gilt auch für den Fall, dass der Anspruch gegen den Erben als Gesamtrechtsnachfolger geltend gemacht wird.


Gründe:

I.

Die inzwischen verstorbene Mutter der Antragsgegner war stationär in einer Klinik der Antragstellerin, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, im Landgerichtsbezirk Kempten (Allgäu) untergebracht. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegner für die im Rahmen der Unterbringung angefallenen Kosten als Erben in Anspruch. Sie hat beantragt, für das beabsichtigte Streitverfahren das zuständige Gericht zu bestimmen. Der Antragsgegner zu 1 hat seinen Wohnsitz in Kempten (Allgäu), der Antragsgegner zu 2 in Sachsen.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist das nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständige Gericht, da die Antragsgegner ihren allgemeinen Gerichtsstand in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken haben.

2. Die beantragte Bestimmung kann jedoch nicht getroffen werden. Die Bestimmung eines für Streitgenossen gemeinsam zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt voraus, dass für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Diese Voraussetzung fehlt. Die Antragstellerin kann ihre Ansprüche sowohl im erweiterten Gerichtsstand der Erbschaft (§ 28 ZPO) wie im Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) einheitlich gegen beide Antragsgegner geltend machen.

a) Nach § 28 ZPO können im Gerichtsstand der Erbschaft, d.h. dort, wo der Erblasser zur Zeit seines Todes den allgemeinen Gerichtsstand hatte (§ 27 Abs. 1 ZPO), Nachlassverbindlichkeiten gegen die Erben eingeklagt werden, solange die Erben noch als Gesamtschuldner haften. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Antragstellerin macht eine Nachlassverbindlichkeit geltend, nämlich eine Forderung aus einer Krankenbehandlung, die sich ursprünglich gegen die Erblasserin richtete (§ 1967 Abs. 2 BGB). Nach dem Vortrag der Antragstellerin handelt es sich bei den Antragsgegnern um die Erben, die hiergegen gerichteten Einwände in dem Schreiben des Antragsgegners zu 1 sind ohne rechtliche Relevanz. Schließlich nimmt die Antragstellerin die Antragsgegner auch als Gesamtschuldner in Anspruch, geht also selbst davon aus, dass die Erben noch als Gesamtschuldner haften. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erben nur noch anteilig in Anspruch genommen werden könnten (vgl. §§ 2060, 2061 BGB). Die insoweit darlegungspflichtigen Antragsgegner (Zöller/Vollkommer ZPO 25. Aufl. § 28 Rn. 4) haben hierzu nichts vorgetragen.

b) Außerdem dürfte ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand nach § 29 ZPO bestehen. Streitgegenstand ist, soweit ersichtlich, eine Zahlungsverpflichtung aus einem Krankenhausaufnahmevertrag. Bei diesem Vertragstyp ergibt sich ein gemeinsamer Leistungsort für das gesamte Vertragsverhältnis aus der Natur des Schuldverhältnisses. Zwar ist bei gegenseitigen Verträgen der Leistungsort nicht notwendig ein einheitlicher für alle im Rahmen des Vertragsverhältnisses zu erbringenden Leistungen (vgl. BGH NJW 2004, 54). Gleichwohl ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass für bestimmte Vertragstypen ein solcher einheitlicher Leistungsort bestehen kann. Das ist dann der Fall, wenn der Schwerpunkt des Vertrages eindeutig an einem Ort liegt, also etwa die vertragscharakteristische Leistung an dem Ort erbracht wird, an dem jedenfalls üblicherweise auch der Großteil der sonstigen beiderseitigen Verpflichtungen erfüllt wird. Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Senats beim Krankenhausaufnahmevertrag gegeben (ebenso OLG Celle NJW 1990, 777; LG München I NJW-RR 2003, 488/489; vgl. auch zum Belegarztvertrag Senatsbeschluss vom 23.12.2004 Az. 1Z AR 184/04 = MDR 2005, 677). Der eindeutige Schwerpunkt dieses Vertrages ist die Heilbehandlung sowie die Pflege und Versorgung des Patienten, die schon ihrer Natur nach nur am Klinikort erbracht werden können. Üblicherweise wird der Vertrag auch dort geschlossen, die Einzelheiten der Vertragsdurchführung werden dort festgelegt, die Abrechnung wird in der Regel dort erstellt. Daher ist von einem einheitlichen Leistungsort am Sitz der Klinik sowohl für die Leistungen des Krankenhauses in Form von stationärer Unterbringung und Arzneimittelversorgung als auch für die Zahlungspflicht des Patienten auszugehen (vgl. Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 29 Rn. 44; Palandt/Heinrichs BGB 64. Aufl. § 269 Rn. 13, 14). Die Ortsbindung eines derartigen Vertrages geht über die des Anwaltsvertrages (vgl. dazu BGH NJW 2004, 54/55) deutlich hinaus. In persönlicher Hinsicht erfasst § 29 ZPO auch die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Gesamtnachrechtsfolger der Vertragsparteien (Zöller/Vollkommer § 29 Rn. 7), so dass hier die Antragsgegner einheitlich bei dem für den Klinikort örtlich zuständigen Gericht in Anspruch genommen werden können.

Ende der Entscheidung

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