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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.12.2002
Aktenzeichen: 1Z AR 164/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 38 Abs. 1
ZPO § 281 Abs. 2
Ein Verweisungsbeschluss, dem offensichtlichen ein Sachverhaltsirrtum zugrundeliegt, bindet nicht.
Gründe:

I.

Die Klägerin macht eine Hauptsacheforderung von 1712,91 EUR gegen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und deren Gesellschafter aus einem Mietvertrag über eine Meldestelle eines automatischen Wahl- und Übertragungssystems geltend, der zwischen der Berliner Zweigniederlassung einer AG als Vermieterin und einer GmbH als Mieterin am 6.12.1996 zu rückseitig abgedruckten "Allgemeinen Bedingungen" abgeschlossen worden war. In den "Allgemeinen Bedingungen" war eine Gerichtsstandsklausel enthalten, nach welcher "Gerichtsstand wenn der Mieter Vollkaufmann ist, der Sitz der... Zweigniederlassung" der AG sein sollte. Die Klägerin behauptet, dass ihr die Forderung aus diesem Mietvertrag durch die AG am 30.9.1998 abgetreten worden sei. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts war im Jahre 2000 - mit Zustimmung der Klägerin - anstelle der GmbH in den Mietvertrag eingetreten.

In den das Verfahren einleitenden Mahnbescheiden war als für ein streitiges Verfahren zuständiges Gericht das Amtsgericht München benannt. An dieses gab das Mahngericht die Verfahren nach Widerspruch der Beklagten ab. Die Klägerin beantragte beim Amtsgericht München die Verweisung des Rechtsstreits "an das gemäß... §§ 38 Abs. 1, 40 Abs. 2 ZPO zuständige Amtsgericht Berlin-Pankow/Weißensee". Nachdem die Beklagten die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts München gerügt und bestritten hatten, dass die "Allgemeinen Bedingungen" Vertragsbestandteil geworden seien, verwies das Amtsgericht München mit Beschluss vom 4.10.2002 den Rechtsstreit an das Amtsgericht Berlin-Pankow/Weißensee. Das Amtsgericht Pankow/ Weißensee wies die Parteien mit Beschluss vom 23.10.2002 darauf hin, dass für den "Sitz" der Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Amtsgericht (Berlin) Köpenick zuständig wäre, gemäß der Gerichtsstandsklausel in den "Allgemeinen Bedingungen" des Vertrages vom 6.12.1996 das Amtsgericht (Berlin) Charlottenburg, in dessen Bezirk die Zweigniederlassung der AG zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses lag. Die Klägerin beantragte mit Schriftsatz vom 29.10.2002, den Rechtsstreit an das Amtsgericht Köpenick zu verweisen. Das Amtsgericht Pankow/Weißensee erklärte sich mit Beschluss vom 14.11.2002 für örtlich unzuständig und legte "die Sache zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits dem Oberlandesgericht München vor". Das Oberlandesgericht München hat sie an das Bayerische Oberste Landesgericht weitergeleitet.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist das nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO zuständige Gericht.

2. Ein Fall des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegt jedoch nicht vor, weil diese Bestimmung grundsätzlich voraussetzt, dass eines der Gerichte, die sich für unzuständig erklärt haben, tatsächlich zuständig ist (BGH NJW 1995, 534; BayObLG NJW-RR 2000, 67; Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 36 Rn. 27). Hier ist keines der Gerichte, die sich für unzuständig erklärt haben, das wirklich zuständige Gericht; als solches kommen nur die Berliner Amtsgerichte Köpenick oder Charlottenburg in Betracht.

Eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Pankow/Weißensee ist auch nicht durch bindende Verweisung begründet worden (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Ein Verweisungsbeschluss, der auf einem offensichtlichen Sachverhaltsirrtum beruht, wie hier - das Amtsgericht München hielt offensichtlich das Amtsgericht Pankow/Weißensee für das für den Sitz der Zweigniederlassung der AG zuständige Gericht; tatsächlich ist dies das Amtsgericht Charlottenburg -, entfaltet keine Bindungswirkung (BAG NJW 1997, 1091/1092; Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 28).

Ein am Zuständigkeitsstreit nicht beteiligtes drittes Gericht, das sich noch nicht rechtskräftig für unzuständig erklärt hat, kann nur dann bestimmt werden, wenn es ausschließlich zuständig ist, den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör gewährt und ein nach 281 Abs. 1 ZPO erforderlicher Verweisungsantrag gestellt worden ist (BGHZ 71, 69/75; NJW 1996, 3013 f. und aaO; BayObLG aaO; Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 27).

Dieser Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Es kann dahinstehen, ob die Gerichtsstandsklausel so zu verstehen ist, dass das für die Zweigniederlassung der AG zuständige Gericht ausschließlich zuständig sein sollte. Jedenfalls liegt kein Verweisungsantrag an das für die Zweigniederlassung der AG zuständige Amtsgericht Charlottenburg vor.

Für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts durch den Senat besteht auch kein Bedürfnis, da das Amtsgericht Pankow/Weißensee an den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts München nicht gebunden und daher eine Weiterverweisung an das zuständige Berliner Gericht zulässig ist (vgl. BGH FamRZ 1997, 171/ 172; Zöller/Greger § 281 Rn. 19).

3. Die Akten sind dem Amtsgericht Pankow/Weißensee zurück zu geben. Der Umstand, dass die Verweisung durch das Amtsgericht München nicht bindend ist, ändert nichts daran, dass die Sache mit der Verweisung beim Amtsgericht Pankow/Weißensee anhängig geworden ist und dieses Amtsgericht sie daher weiter zu behandeln hat (BGH NJW 1989, 461/462; FamRZ 1997, 171/172).

Ende der Entscheidung

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