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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 16.12.2004
Aktenzeichen: 1Z AR 168/04
Rechtsgebiete: EGBGB, AdWirkG, FGG,


Vorschriften:

EGBGB Art. 14 Abs. 1 Nr. 2
EGBGB Art. 22
EGBGB Art. 23
AdWirkG § 5 Abs. 1 Satz 1
FGG § 5
FGG § 43b Abs. 2 Satz 2
Polnisches Familien - und Vormundschaftsgesetzbuch Art. 118
Polnisches Familien - und Vormundschaftsgesetzbuch Art. 119
Die besondere Zuständigkeit des Amtsgerichts am Sitz des Oberlandesgerichts für Adoptionsverfahren greift auch dann ein, wenn zwar nach dem Adoptionsstatut deutsches Recht berufen ist, hinsichtlich eines Zustimmungserfordernisses aber zusätzlich ausländisches Recht anzuwenden ist (hier polnisches Recht).
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten des Bayerischen Obersten Landesgerichts Gummer und des Richters am Bayerischen Obersten Landesgericht Rojahn sowie der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Markwardt am 16. Dezember 2004 in dem Adoptionsverfahren auf Vorlage des Amtsgerichts Miesbach

beschlossen:

Tenor:

Zuständig ist das Amtsgericht München.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1, der deutscher Staatsangehöriger ist, und die Beteiligte zu 3, die polnische Staatsangehörige ist, haben am 6.9.1996 an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland die Ehe geschlossen.

Der Beteiligte zu 1 beantragt die Adoption der Beteiligten zu 2, der 1989 nichtehelich geborenen Tochter seiner Ehefrau. Das Kind hat die polnische Staatsangehörigkeit. Der in Polen wohnende leibliche Vater des Kindes hat ebenfalls die polnische Staatsangehörigkeit. Der Beteiligte zu 1 hat beim Amtsgericht Miesbach, in dessen Bezirk er seinen Wohnsitz hat, einen am 12.2.2003 notariell beurkundeten Adoptionsantrag anhängig gemacht. Das Vormundschaftsgericht Miesbach hat mit Beschluss vom 12.10.2004 das Verfahren an das Amtsgericht München - Vormundschaftsgericht - abgegeben unter Hinweis auf dessen ausschließliche Zuständigkeit, da ausländische Sachvorschriften zur Anwendung kommen. Das Amtsgericht München - Vormundschaftsgericht- hat mit Beschluss vom 20.10.2004 die Übernahme des Verfahrens abgelehnt unter Hinweis auf die Regelzuständigkeit, wenn nur Teil - und Vorfragen ausländischem Recht unterliegen. Das Amtsgericht Miesbach hat das Verfahren zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung berufen. Es handelt sich um eine Vorlage nach § 5 FGG, die das Bayerische Oberste Landesgericht gemäß § 199 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 FGG i.V.m. Art. 11 Abs. 3 Nr. 1 AGGVG zu entscheiden hat, denn die beteiligten Amtsgerichte haben ihren Sitz in verschiedenen Landgerichtsbezirken, allerdings im selben Oberlandesgerichtsbezirk (vgl. BayObLGZ 1989, 1).

2. Örtlich zuständig ist das Amtsgericht München.

Die örtliche Zuständigkeit für die Annahme eines Kindes richtet sich, wenn ausländische Sachvorschriften zur Anwendung kommen, nach § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 des Adoptionswirkungsgesetzes vom 5.11.2001 (AdWirkG). Die Anwendung von ausländischen Sachvorschriften wiederum ist zunächst anhand des in Art. 22 EGBGB normierten Adoptionsstatuts zu ermitteln. Die vorliegend beantragte Einzeladoption durch nur einen Ehegatten (vgl. v. Hoffmann Internationales Privatrecht 7. Aufl. 2002 § 8 Rn. 143) unterliegt gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 2 EGBGB dem Ehewirkungsstatut nach Art. 14 Abs. 1 EGBGB. Da beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung am 6.9.1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten, ist gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB als Ehewirkungsstatut deutsches Recht berufen. Zusätzlich aber findet auch nach der ergänzenden kollisionsrechtlichen Sonderregelung des Art. 23 EGBGB für diesen statusverändernden Rechtsvorgang der Adoption (vgl. Palandt/Heldrich BGB 63. Aufl. Art. 23 EGBGB Rn. 1) polnisches Recht Anwendung. Das Zustimmungserfordernis des Kindes sowie seines leiblichen Vaters zur Adoption ist sowohl nach dem Adoptionsstatut als auch nach dem Personalstatut des Kindes zu erfüllen, d.h. es ist kumulativ anzuknüpfen, um so hinkenden Statusveränderungen vorzubeugen (vgl. v. Hoffmann IPR § 8 Rn. 148). Hinsichtlich dieser Zustimmungserfordernisse sind also sowohl die deutsche als auch die polnische Rechtsordnung kumulativ neben dem an sich maßgebenden Grundstatut des Art. 22 EGBGB anzuwenden. Daher gehört die ergänzende Sonderregelung des Art. 23 EGBGB nicht in den Bereich von Vorfragen, sondern zur Hauptfrage der Adoption selbst (vgl. Kegel/Schurig Internationales Privatrecht 8. Aufl. § 20 XII 2b). Es kann dahingestellt bleiben, ob es bei der "Regelzuständigkeit" des § 43b Abs. 2 Satz 1 FGG bleibt, wenn nur Vorfragen ausländischem Recht unterliegen (so für Teil- oder Vorfragen: Steiger DNotZ 2002, 184/206 Fn. 42 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien; OLG Hamm FamRZ 2003, 1042/1043 ohne nähere Begründung). Jedenfalls ist weder dem Gesetzeswortlaut des § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 AdWirkG noch den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 14/6011, S. 57 zu Art. 4 Abs. 2) eindeutig zu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine Einschränkung dahingehend beabsichtigt hat, dass eine Zuständigkeitskonzentration nicht gegeben sein soll, wenn sich Teile der Hauptfrage nach ausländischem Recht beurteilen (so im Ergebnis auch: OLG Stuttgart Beschluss vom 2.12.2003 FamRZ 2004, 1124/1125). Eine solche einschränkende Auslegung des § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG ist auch nicht durch die ratio legis veranlasst, da eine Zuständigkeitskonzentration an einem zentralen Vormundschaftsgericht auch für die Prüfung von Teilen der Hauptfrage - deren Beantwortung unter Anwendung ausländischer Sachvorschriften durchaus rechtlich schwierig sein kann - im Ergebnis sinnvoll ist; darüber hinaus könnte eine solche einschränkende Auslegung zu vielfältigen Zuständigkeitsstreitigkeiten wegen der dann erforderlichen Abgrenzung von Teil- zu Hauptfragen führen, die möglichst zu vermeiden sind (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.).

Art. 23 EGBGB verweist als Sachnormverweisung (Palandt/Heldrich Art. 23 EGBGB Rn. 2; Kroppholler IPR 4. Aufl. § 49 IV 2) auf Art. 118 § 1 und Art. 119 §§ 1, 2 des polnischen Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches vom 25.2.1964, in dem die Erforderlichkeit der Zustimmung des Kindes und seines leiblichen Vaters zur Adoption geregelt sind.

Da also im vorliegenden Fall auch ausländische Sachvorschriften zur Anwendung kommen, ist gemäß § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG, § 5 Abs. 1 Satz 1 AdWirkG das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - am Sitz des Oberlandesgerichts örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Annehmende seinen Wohnsitz hat, hier also das Amtsgericht München.



Ende der Entscheidung

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