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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.10.2005
Aktenzeichen: 1Z AR 188/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 261 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 281
1. Ein bindender Verweisungsbeschluss bewirkt im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren, dass hinsichtlich der Parteien, die von der Bindungswirkung betroffen sind, ein anderes Gericht als dasjenige, an das bindend verwiesen worden ist, nicht mehr bestimmt werden kann.

2. Ist die Bestimmung dieses Gerichts für die hinzukommende Partei nicht zumutbar, kann auch ein gemeinsam zuständiges Gericht nicht (mehr) bestimmt werden.


Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat zunächst gegen den Antragsgegner zu 1 bei dem Amtsgericht Aschaffenburg Klage auf Zahlung rückständiger Kosten erhoben, die für die Unterbringung der inzwischen verstorbenen J. W. in einem von der Antragstellerin geführten Heim angefallen sind, das im Bezirk des Amtsgerichts Aschaffenburg liegt. Das Amtsgericht Aschaffenburg hat sich mit Beschluss vom 10.3.2004 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf klägerischen Antrag an das Amtsgericht Düsseldorf verwiesen mit der Begründung, der Antragsgegner zu 1 habe dort seinen Wohnsitz. Am 20.7.2004 hat die Antragstellerin die Klage auf die Antragsgegnerin zu 2 erweitert, die ihren Wohnsitz im Bezirk des Amtsgerichts Aschaffenburg hat, und am 6.9.2004 hat sie beantragt, das zuständige Gerichts durch das Landgericht Düsseldorf bestimmen zu lassen.

Nach Vortrag der Antragstellerin haben beide Antragsgegner von der Verstorbenen J. W. Generalvollmacht für die Abwicklung von Vermögensangelegenheiten erhalten und den zur Unterbringung der Verstorbenen erforderlichen Heimvertrag unterzeichnet. Für deren Unterbringung und Pflege seien noch nicht bezahlte Kosten in Höhe von 3033 EUR angefallen. Nach Ansicht der Antragstellerin haften ihr beide Antragsgegner, soweit dies dem Klagevortrag entnommen werden kann, wohl wegen Verletzung von Pflichten, die sich aus einem dieser Generalvollmacht zugrunde liegenden Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ergäben.

Das Landgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 30.8.2005 den Bestimmungsantrag dem Oberlandesgericht Bamberg vorgelegt, dieses hat ihn an das Bayerische Oberste Landesgericht weitergeleitet.

II.

1. Zur Entscheidung über den Antrag ist das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig, § 36 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO.

2. Die Voraussetzungen für die beantragte Bestimmung (§ 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) sind gegeben.

a) Die Antragsgegner haben ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Amtsgerichten. Sie werden als Gesamtschuldner und damit als Streitgenossen gemäß § 59 ZPO in Anspruch genommen. Die Klageänderung in Form der Parteierweiterung auf der Beklagtenseite (§ 263 ZPO) hat erst nach Klageerhebung zu einer Streitgenossenschaft der Antragsgegner geführt. Diese steht einer Gerichtsstandsbestimmung nicht entgegen. Eine Gerichtsstandsbestimmung kann entgegen dem Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch noch nach Klageerhebung erfolgen (BayObLGZ 1992, 89/90). Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die Streitgenossenschaft von Antragsgegnern mit differierendem allgemeinen Gerichtsstand bereits von Anfang an bestanden hat oder erst nachträglich eingetreten ist. § 261 Abs. 1 Nr. 2 ZPO steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil sich durch die nachträgliche subjektive Klageerweiterung der Streitgegenstand geändert hat (vgl. Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. § 261 Rn. 12).

b) Die Bestimmung scheidet auch nicht deshalb aus, weil für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist.

Ist oder war im Zeitpunkt der Klageerhebung ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand gegeben, kommt eine Bestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO regelmäßig nicht in Betracht (vgl. BayObLGZ 2002, 151/152). Das Vorliegen eines solchen gemeinsamen Gerichtsstands muss aber bereits im Bestimmungsverfahren mit hinreichender Sicherheit feststehen. Kann für den Gegenstand der Klage, wie er sich aufgrund der von der Klagepartei vorgetragenen Tatsachen darstellt, ein gemeinschaftlich besonderer Gerichtsstand nicht zuverlässig festgestellt werden und sind die übrigen Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gegeben, ist das Rechtsschutzbedürfnis für eine Bestimmung zu bejahen (BayObLGZ 1985, 314/317).

Hier lässt sich nicht mit erforderlicher Sicherheit feststellen, dass ein gemeinsamer Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) gegeben ist. Bei Klagen auf Schadensersatz wegen Verletzung von Schutzpflichten zugunsten Dritter ist "streitige Verpflichtung" im Sinne des § 29 Abs. 1 ZPO die Verpflichtung, für deren Nicht- oder Schlechterfüllung Ersatz begehrt wird (Zöller/Vollkommer § 29 Rn. 23). Im vorliegenden Fall wären die Pflichten aus einem Vertrag - sofern er der Erteilung der Generalvollmacht zugrunde lag - in Form von rechtzeitiger Zahlung der Heimkosten am jeweiligen Sitz des vertraglichen Schuldners, also am jeweiligen Wohnsitz der beiden Antragsgegner, zu erfüllen gewesen (§§ 269, 270 BGB).

Ein ausschließlicher Gerichtsstand für Ansprüche aus Miet- oder Pachtverhältnissen (§ 29a ZPO) ist ebenfalls nicht gegeben. Dieser Gerichtsstand gilt für Streitigkeiten aus Heimverträgen nur, wenn bei diesen der Mietcharakter überwiegt (vgl. Zöller/Vollkommer § 29a Rn. 6). Dies ist hier nicht der Fall. Es überwiegt nach dem Inhalt des vorliegenden Heimvertrags eher der Unterbringungs- und Pflegecharakter.

Auch der besondere Gerichtsstand der Vermögensverwaltung (§ 31 ZPO) greift hier nicht ein, da die Klägerin und Antragstellerin nicht vertragliche Geschäftsherrin ist.

3. Bei der Bestimmung ist zu beachten, dass ein bindender Verweisungsbeschluss regelmäßig eine Grenze für die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO darstellt (vgl. BayObLGZ 1992, 89/90, BayObLG BB 2005, 2265/2266). Ein durch bindende Verweisung beim zuständigen Gericht anhängiges Verfahren soll vor späteren Zuständigkeitsänderungen geschützt sein (vgl. Vollkommer MDR 1987, 804/805). Daher müssen die bei einer Gerichtstandsbestimmung allgemein anerkannten Gründe der Zweckmäßigkeit und Verfahrenswirtschaftlichkeit dann zurücktreten, wenn bereits ein bindender Verweisungsbeschluss gemäß § 281 ZPO ergangen ist (vgl. BayObLG aaO). Die Bindung führt aber nicht dazu, dass eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO generell ausscheidet. Sie bewirkt vielmehr nur, dass hinsichtlich der Parteien, die von der Bindungswirkung betroffen sind, ein anderes Gericht als dasjenige, an das bindend verwiesen worden ist, nicht mehr bestimmt werden kann. Ist die Bestimmung dieses Gerichts für die hinzukommende Partei nicht zumutbar, kann auch ein gemeinsam zuständiges Gericht nicht (mehr) bestimmt werden.

Hier ist der ordnungsgemäß ergangene Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Aschaffenburg für die Antragstellerin und den Antragsgegner zu 1 unanfechtbar und für sie sowie das Amtsgericht Düsseldorf bindend (§ 281 Abs. 2 Satz 2, 4 ZPO). Der Antragsgegnerin zu 2 ist es auch angesichts der örtlichen Entfernung zuzumuten, den Rechtsstreit vor diesem Gericht zu führen. Sie hat sich einer Bestimmung des gemeinsam zuständigen Amtsgerichts Düsseldorf nicht widersetzt. Der Senat bestimmt daher das Amtsgericht Düsseldorf als für beide Streitgenossen gemeinsam zuständiges Gericht.

Ende der Entscheidung

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