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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.03.2002
Aktenzeichen: 1Z AR 22/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6 | |
ZPO § 38 Abs. 1 |
Gründe:
I.
Die in Schweinfurt ansässige Klägerin hat eine Forderung für eine Warenlieferung gegen die in Nürnberg ansässige Beklagte im Mahnverfahren geltend gemacht. Im Mahnbescheidsantrag hat sie als für ein streitiges Verfahren zuständiges Gericht das Amtsgericht Nürnberg angegeben. Nach Widerspruch der Beklagten beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 1.6.2001 zur Durchführung des streitigen Verfahrens die Abgabe an das Amtsgericht Schweinfurt, das gemäß ihren in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuständig sei. Die entsprechende Klausel lautet:
"Für sämtliche Ansprüche aus der Geschäftsverbindung mit Vollkaufleuten... ist ausschließlicher Gerichtsstand des Sitz des Auftragnehmers... " Das Mahngericht gab das Verfahren an das Amtsgericht Nürnberg ab. Dieses ordnete mit Verfügung vom 26.6.2001 ein schriftliches Vorverfahren an und stellte die Anspruchsbegründung der Beklagten mit der Aufforderung zu, sich binnen der Notfrist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft auch "zum Verweisungsantrag an das Amtsgericht Schweinfurt zu äußern". Nachdem innerhalb dieser Frist keine Äußerung der Beklagten eingegangen war, erklärte sich das Amtsgericht Nürnberg mit den Parteien mitgeteiltem Beschluss vom 16.7.2001 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht Schweinfurt. Der Beschluss enthält eine kurze Begründung: Die Klägerin habe schlüssig vorgetragen, das Amtsgericht Schweinfurt als ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart zu haben. Die Gerichtsstandsvereinbarung sei zwischen Kaufleuten auch wirksam.
Das Amtsgericht Schweinfurt teilte den Parteien mit Verfügung vom 17.8.2001 mit, dass es den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg nicht für bindend halte und deshalb eine Rückverweisung beabsichtige. Mit den Parteien zugestelltem Beschluss vom 15.10.2001 erklärte es sich für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit zurück an das Amtsgericht Nürnberg. In den Gründen dieses Beschlusses vertritt es die Auffassung, dass der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg willkürlich sei. Die Klägerin habe im Mahnbescheidsantrag das für den Sitz der Beklagten zuständige Gericht gewählt. Dem habe die Gerichtsstandsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin nicht entgegengestanden. Als Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und durch diese Klausel Begünstigte habe die Klägerin auf ihr Vorrecht verzichten und das nach § 17 ZPO zuständige Gericht wählen können. Diese Wahl sei bindend. Es liege nicht nur ein Rechtsirrtum vor, sondern ein Verstoß gegen elementare, allgemein bekannte Verfahrensvorschriften.
Das Amtsgericht Nürnberg - bei dem die Akten erst am 9.2.2002 eingingen - hat mit Verfügung vom 6.3.2002 die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht gemäß § 36 ZPO vorgelegt.
II.
Zu bestimmen war das Amtsgericht Schweinfurt. Die nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dafür maßgebenden Voraussetzungen liegen vor.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen den in verschiedenen bayerischen Oberlandesgerichtsbezirken gelegenen Amtsgerichten zuständig.
2. Beide Amtsgerichte, von denen nach Sachlage eines zuständig sein muss, haben sich nach Eintritt der Rechtshängigkeit durch den Parteien mitgeteilte, gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbare Verweisungsbeschlüsse im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO "rechtskräftig" für unzuständig erklärt (vgl. BayObLG NJW-RR 1991, 187/188).
3. Örtlich zuständig ist jedenfalls aufgrund des bindenden Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Nürnberg vom 16.7.2001 das Amtsgericht Schweinfurt.
a) Nach § 281 Abs. 2 Satz 2 und 4 ZPO n.F. ist ein Verweisungsbeschluss grundsätzlich unanfechtbar und für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Diese Bindung ist auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten, so dass der erste mit verfahrensrechtlicher Bindungswirkung erlassene Verweisungsbeschluss im Bestimmungsverfahren fortwirkt (BayObLG aaO; KG Report 1999, 394/395; Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 36 Rn. 28). Dies entzieht auch einen sachlich zu Unrecht ergangenen Verweisungsbeschluss grundsätzlich der Nachprüfung (BGH NJW 1988, 1794/1795; BGH FamRZ 1990, 1226/ 1227; BayObLGZ 1985, 397/401). Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn die Verweisung offensichtlich gesetzwidrig ist, so dass sie als objektiv willkürlich erscheint, oder wenn sie auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (BGHZ 71, 69/72; 102, 338/341; BAG NJW 1997, 1091; BayObLGZ 1986, 285/287; 1991, 280/281 f.; Zöller/Greger § 281 Rn. 17 und 17a).
b) Dem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg liegt die Rechtsansicht zugrunde, dass die Klägerin mit der Angabe des Amtsgerichts Nürnberg im Mahnbescheidsantrag nicht eine Wahl zwischen mehreren zuständigen Gerichten getroffen (§ 35 ZPO), sondern ein unzuständiges Gericht benannt habe, weil die Parteien als Kaufleute wirksam die ausschließliche Zuständigkeit des für den Sitz der Klägerin zuständigen Gerichts vereinbart und dadurch auch den allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten ausgeschlossen hätten. Das Amtsgericht Nürnberg hat die Gerichtsstandsklausel so ausgelegt, dass sie für beide Parteien bindend sein sollte, so dass es der Klägerin nicht frei stand, statt des als zuständig vereinbarten Amtsgerichts Schweinfurt das für den Sitz der Beklagten zuständige Amtsgericht Nürnberg zu wählen. Ob die Gerichtsstandsklausel anders auszulegen gewesen wäre - nämlich, wie das Amtsgericht Schweinfurt meint, als einseitig begünstigende Vereinbarung mit der Folge einer nur einseitigen Bindung der Beklagten und der Möglichkeit einer Wahl der Klägerin zwischen dem vereinbarten Gerichtsstand und dem gesetzlichen allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten (vgl. Wieczorek/ Schütze ZPO 3. Aufl. § 38 Rn. 93) -, kann dahinstehen; jedenfalls ist die Auslegung des Amtsgerichts Nürnberg nicht offensichtlich unvertretbar und willkürlich. Da der Verweisungsbeschluss auch nicht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht, ist er bindend.
Ende der Entscheidung
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