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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.03.2006
Aktenzeichen: 1Z AR 22/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 104 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 724 Abs. 2
ZPO § 727
ZPO § 796 Abs. 1
Für die Festsetzung von Kosten des Verfahrens auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids bei Rechtsnachfolge (einschließlich Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren) ist das Amtsgericht zuständig, das den Vollstreckungsbescheid erlassen hat.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens hatte vor dem Amtsgericht - Zentrales Mahngericht - Coburg je einen Vollstreckungsbescheid gegen die D. GmbH und Herrn S. als gesamtschuldnerisch haftende Schuldner erwirkt. Die D. GmbH beantragte sodann mit der Behauptung, sie habe die Gläubigerin befriedigt, weshalb deren Forderung gegen den weiteren Schuldner S. kraft Gesetzes auf sie übergegangen sei, für sich als Rechtsnachfolgerin die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des gegen Herrn S. gerichteten Vollstreckungsbescheids. Das Amtsgericht Coburg - Zentrales Mahngericht - gab dem Antrag statt. Die hiergegen eingelegte Erinnerung des Schuldners S. wies es zurück. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners S. hob das Landgericht Coburg die Entscheidungen des Amtsgerichts Coburg auf, erklärte die Zwangsvollstreckung aus der erteilten Vollstreckungsklausel für unzulässig und wies den Antrag auf ihre Erteilung zurück. Ferner legte das Landgericht die Kosten des Beschwerdeverfahrens der D. GmbH auf.

Mit an das Amtsgericht Coburg - Zentrales Mahngericht - gerichtetem Schreiben vom 18.5.2005 beantragte der anwaltliche Vertreter des Schuldners S. die Festsetzung der im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren entstandenen Anwaltskosten. Mit Beschluss vom 30.5.2005 erklärte sich das Amtsgericht Coburg - Zentrales Mahngericht - für sachlich und örtlich unzuständig und verwies die Sache an das Amtsgericht Essen, in dessen Bezirk die erstattungspflichtige D. GmbH ihren Sitz hat und das im Mahnbescheidsantrag als zuständiges Prozessgericht für die gegen die D. GmbH gerichtete Klage genannt worden war. Nach einer Weiterverweisung vom Amtsgericht Essen an das Amtsgericht Duisburg, in dessen Bezirk der Schuldner S. wohnt, und Rückverweisung der Sache vom Amtsgericht Duisburg an das Amtsgericht Essen erklärte sich das Amtsgericht Essen mit Beschluss vom 5.9.2005 für örtlich unzuständig mit der Begründung, zuständiges Gericht des ersten Rechtszuges sei hier das Amtsgericht Coburg. Das Amtsgericht Essen hat die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

Zuständig zur Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag ist das Amtsgericht Coburg; dieses Gericht ist "Gericht des ersten Rechtszuges" im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

1. Gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 ZPO entscheidet über einen Kostenfestsetzungsantrag das Gericht des ersten Rechtszuges. Darunter ist im Regelfall auch bei vorgelagertem Mahnverfahren nach dem Verhältnis, in dem dieses Verfahren zum eigentlichen Streitverfahren steht, nicht das Mahngericht, sondern dasjenige Gericht zu verstehen, das für den etwa nachfolgenden Rechtsstreit zuständig ist (vgl. BGH NJW 1991, 2084; BayObLG Rpfleger 2003, 35; JurBüro 2004, 320; NJW-RR 2005, 1012; OLG Köln NJW-RR 1999, 1737; Zöller/Herget ZPO 25. Aufl. § 104 Rn. 21 Stichwort "Zuständigkeit"). Das gilt grundsätzlich auch für im Mahnverfahren entstandene Kosten, wenn es zur Inanspruchnahme des (fiktiven) Prozessgerichts nicht gekommen ist.

Hier liegt der Fall jedoch anders. Gegenstand des Kostenfestsetzungsantrags sind nicht im Mahnverfahren angefallene Kosten, sondern solche, die im Verfahren auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids für den präsumtiven Rechtsnachfolger des Gläubigers mit anschließendem Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren entstanden sind. Das ist ein eigenständiges Verfahren, das mit dem eigentlichen Streitverfahren (und dem diesem vorgelagerten Mahnverfahren) unmittelbar nichts zu tun hat. Für derartige Titelumschreibungen von Vollstreckungsbescheiden ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht das Streitgericht, sondern das Mahngericht als "Gericht des ersten Rechtszuges" zuständig, das den Vollstreckungsbescheid erlassen hat (BGH NJW 1993, 3141; vgl. § 724 Abs. 2, §§ 727, 796 Abs. 1 ZPO). Dann aber erscheint es nur folgerichtig, ebenfalls das Mahngericht, und nicht das Streitgericht, auch als "Gericht des ersten Rechtszuges" im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen, wenn es - wie hier - um die Kosten dieses Titelumschreibungs-(Rechtsmittel-)Verfahrens geht. Die in anderen Fällen gebrauchte Argumentation, wonach im Hinblick auf das Verhältnis des vorgelagerten Mahnverfahrens zum nachfolgenden eigentlichen Streitverfahren das (fiktive) Streitgericht als "Gericht des ersten Rechtszuges" gilt, greift hier nicht ein. Die Titelumschreibung des Vollstreckungsbescheids ist ein anderer Verfahrensgegenstand, über den, folgt man der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch im Streitfall gerade nicht das für die zugrunde liegende Forderung zuständige Streitgericht, sondern allein das Mahngericht und die ihm im Beschwerderechtszug übergeordneten Gerichte entscheiden. Die in diesem Verfahren angefallenen Kosten sind deshalb vom Mahngericht festzusetzen, dem insoweit die Stellung eines Gerichts des ersten Rechtszuges zukommt.

2. Der Bestimmung des danach zuständigen Amtsgerichts Coburg steht die von diesem Gericht mit Beschluss vom 30.5.2005 ausgesprochene Abgabe/Verweisung an das Amtsgericht Essen nicht entgegen. Der Beschluss verwendet, ebenso wie das vorangegangene Hinweisschreiben an den Antragsteller, nebeneinander die Begriffe Abgabe und Verweisung und lässt nicht erkennen, was gemeint ist. Der Sache nach handelt es sich jedenfalls um eine bloße Abgabe, der keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO zukommt. Denn das Amtsgericht Coburg hat seine Zuständigkeit schon vor Mitteilung des Kostenfestsetzungsantrags an die Antragsgegnerin verneint; in diesem Verfahrensstadium ist für eine Verweisung nach § 281 ZPO kein Raum. Das gilt ebenso für die Weiter-"Verweisung" der Sache vom Amtsgericht Essen an das Amtsgericht Duisburg und für die "Rückverweisung" vom Amtsgericht Duisburg an das Amtsgericht Essen; auch diese "Verweisungen" sind vor Bekanntgabe des Kostenfestsetzungsantrags an die Antragsgegnerin erfolgt und als bloße nicht bindende Abgaben zu qualifizieren. Der Antragsgegnerin war selbst zum Zeitpunkt des nachfolgenden zweiten Unzuständigkeitsbeschlusses des Amtsgerichts Essen vom 14.11.2005 der Kostenfestsetzungsantrag noch nicht bekannt gegeben und rechtliches Gehör gewährt worden. Auch dieser Beschluss entfaltet daher keine Bindungswirkung.



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