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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.04.2002
Aktenzeichen: 1Z AR 30/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3 | |
ZPO § 60 |
Gründe:
I.
Die Klägerin war von der Beklagten zu 1, die in Günzburg eine Praxis als Frauenärztin betreibt, wegen eines Mamma-Karzinoms operiert und anschließend in der Klinik der Beklagten zu 2 in Ulm bestrahlt worden. Die danach verbleibenden starken Schmerzen führt die Klägerin auf Behandlungsfehler beider Beklagter zurück. Sie nimmt sie mit der zum Landgericht Memmingen erhobenen Klage als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch. Der Vorsitzende der Zivilkammer ordnete ein schriftliches Vorverfahren an; die Klage wurde beiden Beklagten zugestellt. Die Beklagte zu 2 rügte innerhalb der ihr zur Klageerwiderung gesetzten Frist die örtliche Unzuständigkeit des Landesgerichts Memmingen.
Die Klägerin hat, wie ihr von der Zivilkammer anheim gegeben worden war, mit an das Oberlandesgericht München gerichtetem Schriftsatz vom 12.3.2002 beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen.
Das Oberlandesgericht München hat den Antrag dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt.
II.
Zu bestimmen war das Landgericht Memmingen. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
1. Da das Landgericht Memmingen, bei dem die Beklagte zu 1 ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, und das Landgericht Ulm, bei dem die Beklagte zu 2 ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken angehören (OLG München bzw. OLG Stuttgart), das zuerst mit der Sache befasste Gericht aber zum Bezirk des Oberlandesgerichts München gehört, nimmt nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht die Bestimmung vor.
2. Der Umstand, dass die Beklagten nicht, wie es § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wörtlich voraussetzt, "verklagt werden sollen" sondern bereits verklagt sind, steht einer Bestimmung des zuständigen Gerichts nach dieser Vorschrift grundsätzlich nicht entgegen (BayObLGZ 1993, 170/171; Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. Rn. 16; Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. Rn. 15 jeweils zu § 36). Aus dem konkreten Prozessstand können sich aber, wenn die Bestimmung erst nach Klageerhebung beantragt wird, Einschränkungen ergeben (vgl. z.B. BGH LM § 36 Ziff. 3 ZPO Nr. 11; BayObLGZ 1980, 222/224 f.; Stein/Jonas/Schumann ZPO 21. Aufl. § 36 Rn. 11 Fußn. 30).
3. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt voraus, dass eine Streitgenossenschaft - in einer der Formen der §§ 59, 60 oder 62 ZPO - besteht (offen gelassen in BGH FamRZ 1986, 660 f.; vorausgesetzt aber in BGH NJW 1992, 981).
Die Voraussetzungen für eine passive Streitgenossenschaft im Sinne des § 60 ZPO sind erfüllt.
Bei der Prüfung dieser Frage muss von dem Vortrag des Klägers ausgegangen werden (BayObLGZ 1983, 64/65). Die Schlüssigkeit der Klage ist jedoch im verfahren gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht zu prüfen (BayObLG MDR 1998, 180/181; Thomas/Putzo § 36 Rn. 15).
Die Klägerin führt den von ihr geltend gemachten Schaden auf Behandlungsfehler beider Beklagter zurück. Den Gegenstand des Rechtsstreits bilden daher auf einem im wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche (vgl. BayObLG NJW-RR 1998, 209, 814/815; Zöller/Vollkommer § 60 Rn. 7). Es ist nicht erforderlich, dass der tatsächliche und der rechtliche Grund von mehreren geltend gemachten Ansprüchen identisch ist, um das Vorliegen einer Streitgenossenschaft zu begründen. Erforderlich ist allerdings, dass die Ansprüche in einem inneren Zusammenhang stehen (KG MDR 2000, 1394). Dieser innere Zusammenhang ergibt sich hier daraus, dass nach der Behauptung der Klägerin die Behandlungsfehler beider Beklagten zusammenwirkten zu dem zum Schadensersatz verpflichtenden Zustand.
4. Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand ist nicht gegeben.
5. Der Umstand, dass bereits Klage erhoben ist, führt hier insoweit zu einer Einschränkung im Bestimmungsverfahren, als nicht mehr frei zwischen den in Betracht kommenden Gerichten gewählt werden kann; denn für die Beklagte zu 1 ist das Landgericht Memmingen örtlich zuständig (§§ 12, 13 ZPO); es könnte daher, wenn das Landgericht Ulm als das gemeinschaftlich zuständige Gericht bestimmt würde, den Rechtsstreit hinsichtlich der Beklagten zu 1 nicht verweisen, weil sich dadurch nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO an seiner örtlichen Zuständigkeit nichts ändern würde und weil es daher insoweit nicht seine Unzuständigkeit aussprechen könnte, wie es Voraussetzung einer Verweisung nach § 281 ZPO wäre (vgl. BGH NJW 1993, 1273; BayObLG NJW-RR 1994, 891/892).
Obwohl in einem derartigen Fall die Möglichkeit der Auswahl unter den an sich in Betracht kommenden Gerichten praktisch nicht mehr gegeben ist (vgl. BGH LM § 36 Ziff. 3 ZPO Nr. 6), kann das Gericht, bei dem die Klage bereits erhoben ist, dann noch als das gemeinschaftliche Gericht bestimmt werden, wenn es dem anderen Streitgenossen zugemutet werden kann, den Rechtsstreit vor diesem Gericht zu führen (vgl. BGH NJW 1988, 646/647; Senatsbeschluss vom 22.2.2002 Az. 1Z AR 10/02; Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 18)
Das ist hier der Fall. Die aufzuklärenden Vorgänge liegen nicht überwiegend in einem der beiden Gerichtsbezirke; es besteht daher kein räumliches Schwergewicht der Klage (vgl. Zöller/Vollkommer aaO). Der Bezirk des Landgerichts Memmingen ist dem des Landgerichts Ulm benachbart; nach den örtlichen Gegebenheiten kann es der Beklagten zu 2 daher zugemutet werden, sich auf den Rechtsstreit vor dem Landgericht Memmingen einzulassen. Die von der Beklagten zu 2 für das Landgericht Ulm angeführten Umstände, dass bei diesem Gericht eine Arzthaftungskammer bestehe und dass auch Arzthaftungsfälle vor der Kammer verhandelt würden, machen die Bestimmung des Landgerichts Memmingen für die Beklagte zu 2 nicht unzumutbar, weil davon ausgegangen werden kann, dass auch das Landgericht Memmingen die (in diesem Fall noch maßgebende, § 26 Nr. 2 Satz 1 EGZPO) Vorschrift des § 348 ZPO a.F. sachgerecht handhabt.
Ende der Entscheidung
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