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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.04.2002
Aktenzeichen: 1Z AR 38/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 281
ZPO § 689 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 691 Abs. 1
Das zuständige Mahngericht für eine antragstellende Aktiengesellschaft ist das für ihren Sitz und nicht für ihre Niederlassung zuständige Mahngericht.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin, eine Aktiengesellschaft mit Sitz München, stellte am 27.9.2001 durch ihre Niederlassung Darmstadt beim Amtsgericht Coburg, dem zentralen Mahngericht für Bayern, Mahnbescheidsantrag. Der Rechtspfleger wies die Antragstellerin telefonisch darauf hin, dass das Amtsgericht Coburg nicht zuständig sei, weil der Antrag von der Niederlassung Darmstadt, nicht von der Zentrale in München gestellt sei; für die Niederlassung Darmstadt sei das Amtsgericht Hünfeld zuständig. Mit Schriftsatz vom 24.10.2001 beantragte die Antragstellerin die Abgabe des Verfahrens an das für Darmstadt zuständige zentrale Mahngericht, das Amtsgericht Hünfeld. Mit Beschluss vom 6.11.2001 erklärte sich das Amtsgericht Coburg "gemäß § 689 Abs. 2 ZPO für örtlich =zuständig" und verwies die Sache antragsgemäß an das Amtsgericht Hünfeld. Dieses erklärte sich mit Beschluss vom 3.1.2002 seinerseits für örtlich unzuständig, weil der allgemeine Gerichtsstand der Antragstellerin durch ihren Sitz bestimmt werde, und legte die Sache dem Oberlandesgericht Bamberg zur Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO vor. Die Akten gingen beim Oberlandesgericht Bamberg am 11.4.2002 ein. Es hat sie dem Bayerischen obersten Landesgericht vorgelegt.

II.

1. Für ein Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist in diesem Falle nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig.

2. Haben sich im Mahnverfahren zwei Mahngerichte für zum Erlass des beantragten Mahnbescheids unzuständig erklärt, von denen eines nach Sachlage zuständig sein muss, so kann das zu ständige Mahngericht in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bestimmt werden, obwohl keine rechtskräftigen Unzuständigkeitserklärungen vorliegen (vgl. BGH Rpfleger 1978, 13; NJW 1979, 1785; 1993, 2752; 1998, 1332; Wieczorek/ Schütze ZPO 3. Aufl. Rn. 23; MünchKomm/Holch ZPO 2. Aufl. Rn. 12 jeweils zu § 691).

a) Geht ein Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids bei einem Amtsgericht ein, das sich nach § 689 Abs. 2 ZPO für örtlich unzuständig hält, so hat es nach der gesetzlichen Regelung den Antrag zurückzuweisen (§ 691 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). In der Praxis ist es aber üblich, in einem solchen Falle den Antrag an das örtlich zuständige Amtsgericht weiterzuleiten, wenn der Antragsteller bei der gebotenen Anhörung (§ 691 Abs. 1 Satz 2 ZPO) dies beantragt (Loritz JR 1985, 98; Wieczorek/Schütze Rn. 22; Musielak/Voit ZPO 2. Aufl. Rn. 4 jeweils zu § 689; Stein/Jonas/Leipold ZPO 21. Aufl. § 281 Rn. 8; dagegen Stein/Jonas/Schlosser § 689 Rn. 13).

b) Bei dieser Weiterleitung handelt es sich um eine formlose Abgabe, nicht um eine Verweisung im Sinne des § 281 ZPO (Stein/Jonas/Leipold aaO; Zinke NJW 1983, 1081/1084; Loritz JR 1985, 98/99). Eine Verweisung nach § 281 ZPO ist erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit möglich (BGH NJW 1983, 1062; 1980, 1281; BayObLG NJW 1964, 1573/1574; Musielak/Foerste Rn. 2 und 5; Stein/Jonas/Leipold Rn. 10 jeweils zu § 281; Jauernig NJW 1995, 2017/2018), also nicht vor Erlass des Mahnbescheids. Soweit das unzuständige Gericht den Antrag, statt ihn gemäß § 691 ZPO zurückzuweisen, an das örtlich zuständige Amtsgericht weiterleitet, handelt es sich demnach auch dann um eine Abgabe, nicht um eine Verweisung im Sinne des § 281 ZPO, wenn das Gericht die Verfügung als "Verweisungsbeschluss" bezeichnet oder wie einen Verweisungsbeschluss formuliert (MünchKomm/Holch § 691 Rn. 11). Dementsprechend tritt auch keine Bindungswirkung im Sinne des § 281 Abs. 2 Satz 2 und 4 ZPO ein (Musielak/Foerste aaO Rn. 2; Stein/Jonas/Leipold aaO; Zinke NJW 1983, 1081/1084 f.; anders noch BGH Rpfleger 1978, 13; diese Ansicht liegt aber seinen oben unter 2 vor a zitierten weiteren Entscheidungen nicht mehr zugrunde).

c) Nach dem Zweck des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, einen Zuständigkeitsstreit möglichst schnell zu beenden, ist es gleichwohl geboten, ein Zuständigkeitsbestimmungsverfahren entsprechend dieser Vorschrift zuzulassen (vgl. BayObLGZ 1981, 387; Wieczorek/Schütze § 691 Rn. 23).

3. Mangels Bindungswirkung des "Beschlusses" des Amtsgerichts Coburg vom 6.11.2001 hat der Senat dasjenige Mahngericht zu bestimmen, das tatsächlich zuständig ist.

Das ist das für den Sitz der Antragstellerin (§ 17 ZPO) zuständige Amtsgericht Coburg.

Nach § 689 Abs. 2 ZPO ist für das Mahnverfahren ausschließlich zuständig das Amtsgericht, bei dem der Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Dieser wird bei einer Aktiengesellschaft durch ihren Sitz bestimmt 17 ZPO). Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Antragstellerin den Mahnbescheidsantrag durch ihre Niederlassung in Darmstadt gestellt hat. Der Gerichtsstand der Niederlassung nach § 21 ZPO ist ein besonderer Gerichtsstand für Passivklagen gegen das Unternehmen, die sich auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung beziehen. Er lässt jedoch den nach § 689 Abs. 2 Satz 1 ZPO allein maßgebenden allgemeinen Gerichtsstand der Antragstellerin unberührt (BGH Rpfleger 1978, 13; NJW 1998, 1322; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 24. Aufl. § 689 Rn. 3).



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