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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.01.2004
Aktenzeichen: 1Z AR 4/04
Rechtsgebiete: StGB, ZPO


Vorschriften:

StGB § 263
ZPO § 32
ZPO § 35
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 919
ZPO § 930 Abs. 1 Satz 3
ZPO § 834
1. Wird mit dem Arrestantrag der Antrag auf Forderungspfändung verbunden, braucht der Antragsgegner im Hinblick auf den Sicherungszweck des Verfahrens (§ 834 ZPO) nicht zu einem Verweisungsantrag gehört werden. Die Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO setzt im Hinblick darauf nicht voraus, dass die Beschlüsse der am Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichte dem Antragsgegner mitgeteilt worden sind.

2. Zum Gerichtsstand der unerlaubten Handlung am Ort, an dem die Bank des Betrogenen dessen vermögensschädigende Anweisung zum Geldtransfer erhalten hat und zulasten seines dort geführten Kontos ausgeführt hat (Fortführung Senatsbeschluss vom 27.3.2003, 1Z AR 28/03).


Gründe:

I.

Der Antragsteller will die Antragsgegner als Verantwortliche bzw. Vermittler der Kapitalanlagefirma A mit Sitz in Sacramento/USA aus dem Gesichtspunkt des Anlagebetrugs auf Schadensersatz gesamtschuldnerisch in Anspruch nehmen. Er trägt vor, die Überweisung des Anlagebetrages von 7.000 DM von seinem im Amtsgerichtsbezirk Wunsiedel gelegenen Wohnort veranlasst zu haben. Der Antragsteller hat am 10.10.2003 beim Amtsgericht Wunsiedel die Anordnung des dinglichen Arrests in das Vermögen der Antragsgegner wegen seiner Forderung in Höhe von 3.579,04 EUR sowie die Pfändung der Forderung der Antragsgegner gegen den Freistaat Sachsen auf Freigabe der durch die Staatsanwaltschaft Dresden in dem gegen die Antragsgegner geführten Ermittlungsverfahren beschlagnahmten Gelder und Vermögensgegenstände beantragt.

Durch das Amtsgericht Wunsiedel auf Bedenken gegen dessen Zuständigkeit hingewiesen hat der Antragsteller erklärt, die durch Täuschung der Antragsgegner veranlasste Vermögensverfügung habe an seinem Wohnort stattgefunden; nur vorsorglich stelle er hilfsweise Verweisungsantrag an das Amtsgericht Pirna. Mit Beschluss vom 22.10.2003 hat sich das Amtsgericht Wunsiedel für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Pirna verwiesen mit der Begründung, der Antragsteller habe keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluss auf die Verwirklichung eines Betrugstatbestandsmerkmals im Bezirk des Amtsgerichts Wunsiedel zuließen. Das Amtsgericht Pirna sei immerhin für den Antragsgegner zu 1 zuständig.

Das Amtsgericht Pirna hat, nachdem es zunächst die Akten formlos zurückgegeben und eine Abgabe an das Amtsgericht Greiz erfolglos versucht hatte, mit Beschluss vom 5.1.2004 sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Wunsiedel zurückverwiesen. Dieses hat die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen dem zuerst mit der Sache befassten Amtsgericht Wunsiedel/Bayern und dem Amtsgericht Pirna/Sachsen zuständig (§ 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO). Die Voraussetzungen für eine Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Diese Vorschrift findet auch Anwendung im Arrestverfahren gemäß §§ 916 ff. ZPO (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 24. Aufl. § 36 Rn. 2). Die beiden am Kompetenzstreit beteiligten Amtsgerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig sein muss, haben sich jeweils durch unanfechtbare Verweisungsbeschlüsse vom 22.10.2003 und 5.1.2004 (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO) im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO "rechtskräftig" für unzuständig erklärt. Im Hinblick auf den Sicherungszweck des Arrestverfahrens war eine vorherige Anhörung der Antragsgegner sowie die Mitteilung der Beschlüsse ausnahmsweise nicht erforderlich (§ 928, § 834 ZPO; vgl. BayObLGZ 1985, 397/400).

2. Für den Arrestantrag gegen die Antragsgegner ist nach §§ 32, 35 ZPO das Amtsgericht Wunsiedel zuständig.

a) Gemäß § 919 ZPO ist für die Anordnung des Arrestes sowohl das Gericht der Hauptsache als auch das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der mit Arrest zu belegende Gegenstand oder die in ihrer persönlichen Freiheit zu beschränkende Person sich befindet. Da der Antragsteller mit dem Arrestantrag den Antrag auf Forderungspfändung verbunden hat, ist das Arrestgericht als Vollstreckungsgericht zuständig (§ 930 Abs. 1 Satz 3 ZPO).

b) Das Amtsgericht Wunsiedel ist als Gericht der Hauptsache (§ 919 Alternative 1 ZPO) in dem vom Antragsteller gewählten (§ 35 ZPO) Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) zuständig. Der Ort, an dem im Sinne des § 32 ZPO die unerlaubte Handlung begangen ist (Begehungsort), ist sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt hat (Handlungsort) als auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Erfolgsort); nur der Schadensort als solcher ist ohne Belang (vgl. BGHZ 124, 237/245; BayObLGZ 1995, 301/303). Wenn allerdings der Schadenseintritt selbst zum Tatbestand der Rechtsverletzung gehört, ist der Ort des Schadenseintritts Verletzungs- und damit Begehungsort (vgl. BGHZ 40, 391/395; BayObLG aaO; Stein/Jonas/Schumann ZPO 21. Aufl. § 32 Rn. 30; Zöller/Vollkommer § 32 Rn. 16). So liegt der Fall hier.

Der Antragsteller behauptet, Opfer eines Betrugs (§ 263 StGB) geworden zu sein. Zum Betrugstatbestand gehört auch die zu einem Vermögensschaden führende Vermögensverfügung des Getäuschten (vgl. BGHSt 14, 170; Schönke/Schröder/Cramer StGB 26. Aufl. § 263 Rn. 5, 54; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 263 Rn. 5, 40). Erst mit Eintritt des Schadens ist das Delikt vollendet (Schönke/Schröder/Cramer Rn. 178; Tröndle/Fischer Rn. 114); die Verletzung des durch § 263 StGB geschützten Rechtsguts liegt in der Beschädigung des Vermögens (vgl. LK/Tiedemann StGB 11. Aufl. § 263 Rn. 3). Die Rechtsgutverletzung, nämlich die Beschädigung des Vermögens des Antragstellers, hat sich nach seinem Vortrag im Bezirk des Amtsgerichts Wunsiedel verwirklicht, wo die Bank des Antragstellers dessen Anweisung zum Geldtransfer erhalten und zulasten seines dort geführten Kontos ausgeführt hat.

c) Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Wunsiedel ist nicht durch dessen Verweisung vom 22.10.2003 an das Amtsgericht Pirna entfallen. Grundsätzlich bindet zwar auch ein fehlerhafter Verweisungsbeschluss, und diese Bindung ist auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten (Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 28). Eine Bindung tritt aber ausnahmsweise dann nicht ein, wenn sich die Verweisung so weit von der gesetzlichen Grundlage entfernt, dass sie im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters und das Willkürverbot des Grundgesetzes nicht mehr hingenommen werden kann (vgl. BGHZ 102, 338/341; BayObLGZ 2003, 187/190).

Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Verweisungsbeschluss vom 22.10.2003 entbehrt der gesetzlichen Grundlage, weil das gemäß § 919, § 930 Abs. 1 Satz 3, § 802 ZPO ausschließlich örtlich zuständige Amtsgericht Wunsiedel sich darüber hinweggesetzt hat, dass die Verweisung des Rechtsstreits gemäß § 281 Abs. 1 ZPO die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetzt (BGH NJW 2002, 3634; BayObLGZ 1993, 317/319). Darüber hinaus entbehrt der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wunsiedel vom 22.10.2003 auch deswegen der gesetzlichen Grundlage, weil es das Verfahren insgesamt an das Amtsgericht Pirna verwiesen hat, obwohl dort für die Antragsgegner zu 2 und 3 unter keinem Gesichtspunkt ein Gerichtsstand begründet ist.



Ende der Entscheidung

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