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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 03.02.2003
Aktenzeichen: 1Z AR 6/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 2
Im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist das Gericht nicht an Parteianträge gebunden.
Gründe:

I.

Der Kläger hat die Beklagte zu 2 beauftragt, einen Kühlhallenanbau zu erstellen. Zur Sicherung etwaiger Gewährleistungsansprüche hat die Beklagte zu 1 eine Gewährleistungsbürgschaft in Höhe 26500 DM (13549,23 EUR) übernommen. Der Kläger hat zunächst die Beklagte zu 1 allein im Mahnverfahren auf Zahlung dieses Betrages in Anspruch genommen. Als für ein streitiges verfahren zuständiges Gericht hat er das Landgericht München I angegeben, bei dem die Beklagte zu 1 ihren allgemeinen Gerichtsstand hat. Nach deren Widerspruch hat er mit der Anspruchsbegründung die Klage auf die Beklagte zu 2 erweitert; er fordert von dieser die Zahlung desselben Betrags als Mängelbeseitigungskosten. Gleichzeitig hat er die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Zwickau beantragt, in dessen Bezirk das erstellte Bauwerk liegt und bei dem die Beklagte zu 2 ihren allgemeinen Gerichtsstand hat und auch schon ein selbstständiges Beweisverfahren wegen der Mängel des Bauwerks durchgeführt wurde. Die Beklagte zu 2 hat keinen Anwalt beauftragt; ihr Inhaber hat mit Schreiben vom 2.12.2002 erklärt, die Forderung anzuerkennen. Die Beklagte zu 1 hat sich gegen die von dem Kläger beantragte Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Zwickau, soweit die Klage gegen sie gerichtet ist, gewandt; nicht dieses, sondern allein das Landgericht München I sei für die Bürgschaftsforderung zuständig. Der Kläger hat daraufhin beantragt das Verfahren bezüglich der Beklagten zu 2 an das zuständige Landgericht Zwickau zu verweisen. Gleichzeitig hat er "gemäß § 36 Nr. 3 ZPO beantragt ... das zuständige Gericht für die Beklagte zu 1 zu bestimmen", weil die Beklagten Streitgenossen seien und es auch sinnvoll sei, das Verfahren insgesamt vor dem Landgericht Zwickau durchzuführen.

Das Landgericht hat diesen Antrag dem Oberlandesgericht, dieses hat ihn dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt.

II.

1. Nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO ist das Bayerische Oberste Landesgericht für die Entscheidung über den Bestimmungsantrag zuständig.

2. Die Beklagten sind Streitgenossen (§ 60 ZPO; Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 60 Rn. 2).

Es ist kein gemeinsamer Gerichtsstand begründet, weil nach der auch vom Senat geteilten h. M. die Bürgschaft einen von der Hauptschuld unabhängigen Erfüllungsort hat (Palandt/Sprau BGB 62. Aufl. § 765 Rn. 26); als Erfüllungsort der Zahlungspflicht der Beklagten zu 1 kommt hier gemäß der allgemeinen Regel des § 269 Abs. 1 BGB nur ihr Sitz - München - in Betracht, während die Beklagte zu 2 ihre Verpflichtungen am Ort des Bauwerks zu erfüllen hat, sodass auch bei ihr der besondere Gerichtsstand nach § 29 Abs. 1 ZPO mit dem allgemeinen Gerichtsstand - beim Landgericht Zwickau - zusammenfällt.

3. Der Umstand, dass die Beklagten nicht, wie es § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wörtlich voraussetzt, "verklagt werden sollen", sondern bereits verklagt sind, steht einer Bestimmung des zuständigen Gerichts nach dieser Vorschrift grundsätzlich nicht entgegen (BayObLGZ 1993, 170/171; Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. Rn. 16; Thomas/Putzo Rn. 15 jeweils zu § 36). Aus dem konkreten Prozessstand können sich aber Einschränkungen ergeben; denn auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind - wie im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO verfahrensrechtliche Bindungswirkungen (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO) oder Zuständigkeitsverfestigungen (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) zu beachten (Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 28; Vollkommer MDR 1987, 804/805).

Hier ist spätestens mit der Zustellung der Anspruchsbegründung an die Beklagte zu 1 (vgl. Zöller/Vollkommer § 696 Rn. 5) die Rechtshängigkeit mit, der Wirkung eingetreten, dass die - nach §§ 12, 17 ZPO gegebene - Zuständigkeit des Landgerichts München I für die Klage gegen die Beklagte zu 1 bestehen bleibt und somit auch in einem Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht mehr geändert werden darf. Anders verhält es sich mit der Klage gegen die Beklagte zu 2; da sie bei einem unzuständigen Gericht erhoben wurde, greift § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht ein.

Demnach ist es zwar nicht mehr möglich, das Landgericht Zwickau als das gemeinschaftliche Gericht für beide Streitgenossen zu bestimmen, wohl aber das Landgericht München I. Ein Gericht, bei dem die Klage bereits erhoben und das für einen Streitgenossen zuständig ist, kann aber nur dann noch als das gemeinschaftliche Gericht für den anderen Streitgenossen bestimmt werden, wenn es diesem zugemutet werden kann, den Rechtsstreit vor diesem Gericht zu führen (vgl. BGH NJW 1988, 646/647; Senatsbeschluss vom 22.2.2002 Az. 1Z AR 10/02). Dies wäre hier zwar dann nicht der Fall, wenn die Beklagte zu 2 einen Rechtsstreit wirklich führen wollte, weil sich auch das Objekt des Streits im Bezirk des Landgerichts Zwickau befindet und dieses bereits ein selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt hat. Die Bestimmung des Landgerichts München I als auch für die Beklagte zu 2 zuständiges Gericht kann dieser aber deswegen zugemutet werden, weil sie, ohne einen Rechtsanwalt einzuschalten, erklärt hat, den Anspruch anzuerkennen, also keinen Rechtsstreit durchführen, sondern Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen will. Andererseits will die Beklagte zu 1 sich gegen die Klage verteidigen. Bei dieser Fallkonstellation erscheint es zweckmäßiger, den Rechtsstreit hinsichtlich der Beklagten zu 2 beim Landgericht München I zu lassen, statt zu einer Abtrennung des Verfahrens gegen die Beklagte zu 2 und zur Verweisung des Rechtsstreits an ein weiteres Gericht zu zwingen.

Der Umstand, dass der Kläger nicht die Bestimmung des Landgerichts München I, sondern des Landgerichts Zwickau beantragt hat, steht der Bestimmung des Landgerichts München I nicht entgegen, weil das bestimmende Gericht an einen Parteiantrag, ein bestimmtes Gericht zu bestimmen, nicht gebunden ist (Wieczorek/Schütze/Hausmann ZPO 3. Aufl. Rn. 50; MünchKomm/ Patzina ZPO 2. Aufl. Rn. 15 jeweils zu § 36).

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