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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.01.2004
Aktenzeichen: 1Z AR 6/04
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 5
FGG § 37 Abs. 1 Satz 2
FGG § 36 Abs. 1 Satz 1
FGG § 46
1. Gemeinsame Behandlung eines Zuständigkeitsstreits nach § 5 FGG und eines Abgabestreits nach § 46 Abs. 2 FGG zwischen zwei Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

2. Das für die Anordnung der Pflegschaft zuständige Gericht bleibt grundsätzlich während der ganzen Dauer des Verfahrens zuständig; ein anderes Amtsgericht kann nur nach Maßgabe des § 46 FGG zur Führung der Pflegschaft berufen werden.

3. Fehlen eines wichtigen Grundes für eine Abgabe des Pflegschaftsverfahrens, wenn der Pflegling bereits über zehn Jahre in einem anderen Amtsgerichtsbezirk lebt und keine Änderungsanordnungen anstehen.


Gründe:

I.

Das Kind wurde 1991 geboren; ihre Mutter, die Beteiligte zu 2, war im Zeitpunkt der Geburt 17 Jahre, der Vater 18 Jahre alt, beide unverheiratet. Das Vormundschaftsgericht Nürnberg hat der in Nürnberg wohnhaften Mutter mit Beschluss vom 21.6.1991 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind vorläufig und mit Beschluss vom 25.7.1991 auf Dauer entzogen und das Jugendamt der Stadt Nürnberg zum Ergänzungspfleger bestellt. Das Kind lebt seit Ende 1991 bei Pflegeeltern, die im Amtsgerichtsbezirk Bamberg wohnhaft sind. Das Vormundschaftsgericht Nürnberg hat seit 1991 die vom Jugendamt Nürnberg geführte Pflegschaft durch Entgegennahme und Überprüfung jährlicher Berichte überwacht und mit Beschluss vom 9.4.1997 die vom Jugendamt Nürnberg beantragte Änderung des Familiennamens des Kindes in den seiner Pflegeeltern genehmigt. Mit Verfügung vom 8.6.2000 hat das Familiengericht Nürnberg verfügt, zu überprüfen, ob der weitere Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Mutter weiterhin erforderlich ist. Mit Schreiben vom 25.1.2001 hat das Jugendamt Nürnberg vorgeschlagen, das Aufenthaltsbestimmungsrecht bei ihm zu belassen, nachdem die Mutter mit dem Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie einverstanden sei. Das Familiengericht Nürnberg hat entsprechend seinem Vermerk vom 30.1.2001 es bei der vom Vormundschaftsgericht am 25.7.1991 angeordneten Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Mutter und der Bestellung des Jugendamts Nürnberg zum Pfleger belassen. Eine entsprechende Verfügung hat das Familiengericht am 11.9.2003 getroffen.

Mit Schreiben vom 4.9.2003 hat das Jugendamt Nürnberg angeregt, die Ergänzungspflegschaft auf die Pflegemutter zu übertragen. Die Mutter hat beantragt, die Pflegschaft beim Jugendamt zu belassen.

Das Familiengericht Nürnberg hat dem Vormundschaftsgericht Nürnberg die Akte zur weiteren Behandlung der Frage des Pflegerwechsels zugeleitet. Das Vormundschaftsgericht Nürnberg hat, nachdem das Familiengericht Nürnberg eine Rückübernahme des Verfahrens zur Behandlung des Pflegerwechsels abgelehnt hatte, mit Verfügung vom 2.12.2003 festgestellt:

Ein Pflegerwechsel wird nicht angeordnet.

Ein förmlicher Antrag hierauf liegt nicht vor. Es ist lediglich in zwei Berichten des Stadtjugendamts Nürnberg und des Kreisjugendamts Bamberg davon die Rede, dass die Pflegemutter evtl. bereit wäre, die Pflegschaft zu übernehmen.

Gründe, das Stadtjugendamt Nürnberg zu entlassen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere erscheint es das Wohl des Kindes nicht zwingend zu erfordern, das von der Pflegschaft lediglich erfasste Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Pflegemutter zu übertragen, da der Aufenthalt derzeit und wohl auch zukünftig geregelt ist, keine Änderungsanordnungen anstehen und die tatsächliche Aufenthaltsbestimmung des täglichen Lebens bereits durch die Pflegeeltern erfolgt.

Andererseits hat die Pflegemutter anklingen lassen, dass eine Adoption anstehe, bei der sie das Kind ohnehin nicht vertreten und ein Ergänzungspfleger - erneut - zu bestellen wäre.

Das Wohl des Kindes ist durch den status quo nicht beeinträchtigt, so dass eine Änderung nicht angezeigt ist.

Mit Schreiben vom 5.12.2003 hat das Jugendamt Nürnberg dem Vormundschaftsgericht Nürnberg mitgeteilt, dass das Kreisjugendamt Bamberg bereit wäre, die Ergänzungspflegschaft für das Kind zu übernehmen. Mit Verfügung vom 12.12.2003 hat das Vormundschaftsgericht Nürnberg dem Vormundschaftsgericht Bamberg angetragen, das Verfahren zu übernehmen. Dies hat das Amtsgericht Bamberg mit Verfügung vom 29.12.2003 abgelehnt. Daraufhin hat sich das Vormundschaftsgericht Nürnberg mit Beschluss vom 8.1.2004 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Vormundschaftsgericht Bamberg abgegeben und zugleich verfügt, die Akte dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorzulegen.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung berufen. Soweit sich das Vormundschaftsgericht Nürnberg für örtlich unzuständig erklärt und die Bestimmung des zuständigen Gerichts beantragt hat, handelt es sich um eine Vorlage nach § 5 FGG, die das Bayerische Oberste Landesgericht gemäß § 199 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 FGG i.V.m. Art. 11 Abs. 3 Nr. 1 AGGVG zu entscheiden hat, denn die beteiligten Amtsgerichte haben ihren Sitz in verschiedenen bayerischen Oberlandesgerichtsbezirken (vgl. BayObLGZ 1989, 1). Soweit das Vormundschaftsgericht Nürnberg in den Gründen seines Beschlusses vom 8.1.2004 darauf abhebt, die Bestimmung des zuständigen Gerichts sei notwendig, weil ein wichtiger Grund für die Abgabe an das Vormundschaftsgericht Bamberg vorliege, zielt die Vorlage darauf ab, das Vormundschaftsgericht zur Übernahme im Verfahren gemäß § 46 Abs. 2 FGG zu verpflichten. Auch in diesem Fall besteht die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts nach den genannten Vorschriften. Gegen eine Verbindung der beiden Verfahren bestehen keine Bedenken (BayObLGZ 1961, 317/319; Keidel/Sternal FGG 15. Aufl. § 5 Rn. 9; Keidel/Engelhardt § 46 Rn. 38).

2. Die Verfahrensvoraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 5, § 46 Abs. 2, Abs. 3 FGG liegen vor. Die beteiligten Amtsgerichte können sich über die Abgabe und Übernahme nicht einigen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 FGG); das Vormundschaftsgericht Nürnberg hält sich außerdem für örtlich nicht zuständig (§ 5 Abs. 1 Satz 1 FGG). "Rechtskräftige", d.h. unanfechtbare Zuständigkeits- und Unzuständigkeitserklärungen sind nicht erforderlich; es reichen die formlosen Abgabeverfügungen, sofern sie eine tatsächliche als verbindlich gewollte Unzuständigkeitserklärung enthalten (vgl. Keidel/Sternal § 5 Rn. 16; Keidel/Engelhardt § 46 Rn. 33).

3. Das Amtsgericht Nürnberg hat sich zu Unrecht für örtlich unzuständig erklärt. Es hat mit Beschluss vom 21.6.1991 und 25.7.1991 der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht gemäß § 1666, § 1667 BGB entzogen und gemäß § 1909 BGB das Jugendamt Nürnberg für das in Nürnberg wohnhafte Kind zum Ergänzungspfleger bestellt. Für diese Maßnahme war es gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2, § 36 Abs. 1 Satz 1 FGG örtlich zuständig. Der Umstand, dass das Kind seit Ende 1991 bei seinen Pflegeeltern im Amtsgerichtsbezirk Bamberg wohnhaft ist, ändert nichts an der einmal begründeten Zuständigkeit des Amtsgerichts Nürnberg; das zur Anordnung zuständige Gericht bleibt grundsätzlich während der ganzen Dauer der Pflegschaft zuständig; ein anderes Gericht kann nur nach Maßgabe des § 46 FGG berufen werden (vgl. Keidel/Engelhardt § 36 Rn. 7).

4. Das Amtsgericht Bamberg hat die ihm angetragene Übernahme des Pflegschaftsverfahrens zu Recht abgelehnt; ein wichtiger Grund für die Abgabe nach § 46 Abs. 1 FGG liegt nicht vor. Insoweit kann auf die oben zitierten Ausführungen des Vormundschaftsgerichts Nürnberg in seiner Verfügung vom 2.12.2003 Bezug genommen werden. Ergänzend ist nur auszuführen, dass das Kind seit über zehn Jahren bei seinen Pflegeeltern im Amtsgerichtsbezirk Bamberg wohnhaft ist und das Pflegschaftsverfahren trotzdem in dieser Zeit vom Amtsgericht Nürnberg geführt worden ist. Zutreffend weist das Amtsgericht Bamberg darauf hin, dass auch bei einem Wechsel der Pflegschaft vom Jugendamt Nürnberg an das Jugendamt Bamberg die gerichtliche Tätigkeit im Wesentlichen in der Überprüfung der jährlichen Berichterstattung über den vermögenslosen Pflegling besteht. Außerdem ist die Mutter, die anlässlich der Überprüfung des Fortbestehens der Pflegschaft gemäß § 1696 BGB zu hören ist, in Nürnberg wohnhaft.



Ende der Entscheidung

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