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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.07.2002
Aktenzeichen: 1Z AR 62/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3 | |
ZPO § 22 |
Gründe:
I.
Die Kläger nehmen die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihnen durch den Beitritt zu einer Publikums-KG entstanden ist.
Die Beteiligung erfolgte mittelbar über eine als Treuhandkommanditistin fungierende Steuerberatungsgesellschaft, die Beklagte zu 1; diese hat ihren Sitz - wie die Publikums-KG selbst - in München. Der Beklagte zu 2 ist persönlich haftender Gesellschafter der KG; er wohnt in Stuttgart. Die Beklagte zu 3, eine GmbH mit Sitz in Hannover, vertrieb diese Kapitalanlage. Der Beklagte zu 4 war als Handelsvertreter für die Beklagte zu 3 tätig; aufgrund seiner Beratung haben die Kläger Anteile an der KG über 50000 DM und 20000 DM gezeichnet. Er wohnt in Wiesbaden.
Die Kläger haben in der beim Landgericht München I bereits eingereichten, aber noch nicht zugestellten Klageschrift "vorab" nach § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 37 ZPO beantragt, die Klage zur Bestimmung des Landgerichts München I als zuständiges Gericht dem Oberlandesgericht München vorzulegen. Das Landgericht München I hat den Antrag dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt.
Die Beklagten zu 2 bis 4 sind der Meinung, dass nicht das Landgericht München I, sondern das Landgericht Stuttgart als zuständiges Gericht bestimmt werden sollte, weil in dessen Bezirk das hauptsächliche Objekt der Kommanditgesellschaft gelegen sei, auf dessen - nach Meinung der Kläger fehlerhafter - Beschreibung im Emissionsprospekt die Prospekthaftungsansprüche vor allem gestützt seien. Beim Landgericht Stuttgart sei auch ein Parallelverfahren anhängig gemacht worden, für das das OLG Stuttgart das Landgericht Stuttgart als zuständiges Gericht bestimmt habe.
II.
Zu bestimmen war das Landgericht München I.
1. Da der allgemeine Gerichtsstand der vier Beklagten in den Bezirken verschiedener (bayerischer und außerbayerischer) Oberlandesgerichte liegt, nimmt das Bayerische Oberste Landesgericht nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO die Bestimmung vor.
2. Die Voraussetzungen einer Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) Die Beklagten sollen als Streitgenossen in Anspruch genommen werden (§ 60 ZPO).
Nach den vom Bundesgerichtshof zur sog. Prospekthaftung entwickelten Grundsätzen haften sowohl die das Management bildenden Initiatoren und Gründer einer Publikums-KG (BGHZ 74, 103/108; Palandt/Heinrichs BGB 61. Aufl. § 276 Rn. 24), zu denen der persönlich haftende Gesellschafter (der Beklagte zu 2) und der Treuhandkommanditist (die Beklagte zu 1) zählen können (Palandt/Heinrichs aaO) - ob sie hier tatsächlich zu diesem Personenkreis zählen, ist im Rahmen des Bestimmungsverfahrens nicht zu entscheiden -, als auch der Anlagevermittler (hier: die Beklagte zu 3; BGH aaO S. 109; WM 1984, 1075; Palandt/Heinrichs aaO Rn. 22f). Daneben kann auch haften, wer bei den Vertragsverhandlungen mit dem Anleger als Vertreter, Sachwalter oder Garant persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat (Palandt/Heinrichs aaO Rn. 25). Wiederum ist nicht im Rahmen des Bestimmungsverfahrens zu entscheiden, ob dies beim Beklagten zu 4 tatsächlich der Fall war; nach den Behauptungen der Kläger kommt dieser Haftungstatbestand jedenfalls in Betracht. Alle diese Personen haften aus einem im wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund, so dass sie als Streitgenossen in Anspruch genommen werden können (vgl. BGHZ 76, 231).
b) Für den Rechtsstreit ist kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand begründet.
Zwar können Mitglieder von Anlagegesellschaften Ansprüche gegen den der sog. Prospekthaftung unterliegenden Personenkreis der Gründer, Initiatoren oder Gestalter der Gesellschaft im Gerichtsstand des § 22 ZPO geltend machen (BGHZ 76, 231/234 f.; Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. Rn. 8; MünchKomm/Patzina ZPO 2. Aufl. Rn. 5; Wieczorek/Schütze/Hausmann ZPO 3. Aufl. Rn. 13 jeweils zu § 22). Die Anwendung des § 22 ZPO kann jedoch nicht auch auf selbständige Werbeunternehmen, die den Beitritt neuer Anleger vermitteln, im übrigen aber der Anlagegesellschaft fern stehen, sowie deren Erfüllungsgehilfen (hier also die Beklagte zu 3 und den Beklagten zu 4) erstreckt werden (BGH aaO S. 236; MünchKomm/Patzina aaO).
3. Jedoch kann bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO berücksichtigt werden, dass für die Beklagten zu 1 und 2 der besondere Gerichtsstand des § 22 ZPO beim Landgericht München I begründet wäre. Die hierzu führende erweiternde Auslegung des § 22 ZPO hat ihren Grund u.a. in der Überlegung, dass es sich in diesen Fällen häufig um eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten handelt, die von enttäuschten Gesellschaftern gegen gesellschaftsnahe Personen anhängig gemacht werden, die zudem in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gleich oder ähnlich liegen und die meist ohne Aufklärung und Würdigung der inneren Verhältnisse der Anlagegesellschaft nicht sachgerecht beurteilt werden können. Die prozessrechtliche Möglichkeit, über Lebenssachverhalte dieser Art durch ein- und dasselbe - ortsnahe - Gericht entscheiden lassen zu können, liegt daher bei Prospekthaftungsklagen gegenüber diesem Personenkreis im Sinn einer vernünftigen Rechtspflege und im Interesse der beteiligten Parteien (BGHZ 76, 231/235). Wenn auch die Anwendung des § 22 ZPO nicht auf selbständige Anlagevermittler erstreckt werden kann, so können doch im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO diese Erwägungen berücksichtigt werden. Sie führen dazu, in einem derartigen Fall aus Zweckmäßigkeitsgründen das Gericht des Sitzes der Kommanditgesellschaft (der hier übereinstimmt mit dem Sitz der Beklagten zu 1), also hier das Landgericht München I zu bestimmen. Die für die Bestimmung des Landgerichts Stuttgart angeführten Gründe müssen gegenüber diesen Überlegungen zurücktreten.
Ende der Entscheidung
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