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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.06.2004
Aktenzeichen: 1Z AR 75/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 38 Abs. 1
Ablehnung der Zuständigkeitsbestimmung bei Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands, weil dem weiteren Streitgenossen die Prozessführung an diesem im konkreten Fall nicht zumutbar ist.
Gründe:

I. Die im Landgerichtsbezirk Bamberg anässige Antragstellerin führte im Auftrag Tiefbau und Kabelmontagearbeiten entlang der Bahntrasse Garmisch-Partenkirchen-Mittenwald aus, bei denen aufgeständerte Kabelkanäle montiert wurden. Herstellerin der Kabelkanäle ist die im Landgerichtsbezirk Frankfurt/Main ansässige Antragsgegnerin zu 2, Verkäuferin ist die im Landgerichtsbezirk Amberg ansässige Antragsgegnerin zu 1. Von dieser bezog die Antragstellerin die verlegten Kabelkanäle unter Zugrundelegung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Allgemeine Bestellbedingungen für Lieferungen und Leistungen), in denen es in Ziff. 15.6 heißt:

Alleiniger Gerichtsstand ist der Sitz des für die bestellende Gesellschaft zuständigen Gerichts.

Da die Auftraggeberin jedenfalls zum Teil die Vergütung unter Hinweis auf erhebliche Mängel der verlegten Kabelkanäle verweigert, hat die Antragstellerin beim Landgericht Bamberg gegen die Antragsgegnerinnen einen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gestellt. Die Antragsgegnerin zu 2 hat die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Bamberg gerügt. Die Klägerin hat die Bestimmung des zuständigen Gerichts beantragt.

II. 1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung über den Bestimmungsantrag gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO berufen (§ 36 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 9 EGZPO).

2. Eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann auch für ein selbständiges Beweisverfahren vorgenommen werden, wenn dieses zur Schadensfeststellung gegen mehrere Antragsgegner durchgeführt werden soll (BayObLGZ 1991, 343/344).

3. Die Voraussetzungen für eine solche Zuständigkeitsbestimmung liegen jedoch nicht vor. Der Bestimmung eines zuständigen gemeinsamen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO steht der zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1 vereinbarte ausschließliche Gerichtsstand entgegen.

a) Im Hinblick auf die Kaufmannseigenschaft der Vertragspartner des Liefervertrages, der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1, besteht an der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung gemäß § 38 Abs. 1 ZPO kein Zweifel. Die dort getroffene Vereinbarung des ausschließlichen Gerichtsstands am Sitz der Klägerin erstreckt sich jedoch nicht auf die Antragsgegnerin zu 2, mit der die Antragstellerin keinerlei vertragliche Beziehungen unterhalten hat.

b) Der Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens richtet sich gegen die Antragsgegnerinnen als Streitgenossen im Sinne des § 60 ZPO. Die Prorogation eines ausschließlichen Gerichtsstandes mit einem der Streitgenossen hat zur Folge, dass keiner der allgemeinen Gerichtsstände der Antragsgegnerinnen, sondern nur der vereinbarte ausschließliche Gerichtsstand für den gemeinsamen Antrag bestimmt werden kann (vgl. BGH NJW 1988, 646/647). Damit liegen an sich die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO von vornherein nicht vor (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 24. Aufl. § 36 Rn. 16; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 25. Aufl. § 36 Rn. 18).

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch - unter Berücksichtigung der verfahrensökonomischen Zielsetzung der Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO - die Zuständigkeitsbestimmung in Fällen eines prorogierten Gerichtsstands nicht als von vorneherein ausgeschlossen angesehen worden (vgl. BGHZ 90, 155/159 f.; NJW 1987, 439; Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 18). Das mit einem Streitgenossen als ausschließlich zuständig vereinbarte Gericht kann danach gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als auch für andere Streitgenossen zuständig bestimmt werden, wenn es diesen anderen Streitgenossen unter Berücksichtigung der mit der Prorogation verfolgten Zwecke zugemutet werden kann, sich ebenfalls vor diesem Gericht verklagen zu lassen (vgl. BayObLG NJW-RR 2000, 1592).

Diese Voraussetzung liegt hier in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 2, die ausdrücklich die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Bamberg gerügt hat, nicht vor. Mit der Gerichtsstandsvereinbarung hat die Antragstellerin ihren allgemeinen Gerichtsstand gegenüber der Antragsgegnerin zu 1 als verbindlich durchgesetzt. Nach dem System der gesetzlichen Regelung über die örtliche Zuständigkeit (§§ 12 f. ZPO) muss sich ein Vertragspartner aber in dem Gerichtsstand des Vertragsgegners nur verklagen lassen, wenn er sich diesem Gerichtsstand durch besondere Vereinbarung unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 ZPO unterworfen hat. Hieraus folgt, dass sich ein Streitgenosse grundsätzlich nicht den mit dem anderen Streitgenossen vereinbarten allgemeinen Gerichtsstand des Klägers bzw. Antragstellers aufdrängen lassen muss. Hiervon mag unter besonderen Umständen, wie sie in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen vorlagen, etwa wenn ein anderer inländischer Gerichtsstand sonst nicht in Betracht kommt, abgewichen werden können (vgl. BayObLGZ 1999, 75/77). Derartige besondere Gründe sind aber hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Antragstellerin steht mit der Antragsgegnerin zu 2 in keinerlei Vertragsbeziehungen und will etwaige Ansprüche gegen diese auf Produkthaftung stützen. Keinesfalls musste die Antragsgegnerin zu 2 aufgrund des von ihr mit der Antragsgegnerin zu 1 geschlossenen Liefervertrages damit rechnen, ihrerseits von einem Vertragspartner der Antragsgegnerin zu 1 an dessen allgemeinen Gerichtsstand in Anspruch genommen zu werden. Das gilt umso mehr, als die Beweiserhebung an einem Ort stattfinden soll, der zu keinem der allgemeinen Gerichtsstände der Parteien einen Bezug hat.

c) Durch die Ablehnung der Zuständigkeitsbestimmung wird die Antragstellerin nicht unzumutbar belastet. Sie hat durch die Prorogation eines ausschließlichen Gerichtsstands, der ersichtlich der Durchsetzung ihrer Ansprüche entgegenkommt, die Bestimmung eines der allgemeinen Gerichtsstände der Antragsgegnerinnen unmöglich gemacht. Die Antragstellerin hat es auch in der Hand, durch die Derogation des ausschließlichen Gerichtsstands mit der Antragsgegnerin zu 1 die Voraussetzungen für die Bestimmung des Gerichtsstands gemäß den gesetzlichen Vorgaben des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wieder zu schaffen. Im Übrigen ist es ihr im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit ohnehin möglich, das Beweisverfahren zunächst nur gegen die Antragsgegnerin zu 1 an dem mit dieser vereinbarten Gerichtsstand durchzuführen.

3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Bestimmungsverfahrens (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. BGH NJW-RR 1987, 757; BayObLG JurBüro 1989, 132/133). Der Wert des Bestimmungsverfahrens wurde gemäß § 3 ZPO auf einen Bruchteil (10 %) des von der Antragstellerin mit 500.000 EUR bezifferten Gegenstandswerts für das selbständige Beweisverfahren festgesetzt.



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