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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.08.2002
Aktenzeichen: 1Z AR 82/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 60
ZPO §§ 485 ff.
Zur Frage der Notwendigkeit der Streitgenossenschaft bei der Gerichtsstandsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für ein selbständiges Beweisverfahren.
Gründe:

I.

Der Antragsteller hat am 21.9.2001 einen Oldtimer für 17.762 DM gekauft. "Grundlage für den Kaufpreis" waren nach seiner Darstellung ihm vom Verkäufer vorgelegte Unterlagen, nämlich eine "Fahrzeugwertermittlung" der Antragsgegner zu 1 und 2, wonach der Oldtimer 15000 DM wert sei, und die Begutachtung des Antragsgegners zu 3 (TÜV) gemäß § 21 StVZO.

Mit Schriftsatz vom 16.5.2002 hat er beim Amtsgericht Hersbruck - bei dem die Antragsgegner zu 1 und 2 ihren allgemeinen Gerichtsstand haben - einen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens durch schriftliches Gutachten eines Kraftfahrzeugsachverständigen gestellt, mit dem er beweisen will, dass der Oldtimer in den Gutachten der Antragsgegner nicht berücksichtigte schwere Mängel hatte, weswegen der tatsächliche Wert des Fahrzeugs nur ca. 2000 DM betrage. Der Antragsteller meint, gegen alle drei Antragsgegner Ansprüche "auf Schadensersatz aus § 328 BGB analog aus dem Gesichtspunkt des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte" in Höhe von 13000 DM (6646,79 EUR) zu haben.

Mit an das Bayerische Oberste Landesgericht gerichteten Schriftsätzen vom 24.6. und 25.7.2002 hat er beantragt, für das selbständige Beweisverfahren das Landgericht Nürnberg-Fürth als auch für den Antragsgegner zu 3 - der seinen allgemeinen Gerichtsstand beim Landgericht Stuttgart hat - zuständiges Gericht zu bestimmen.

Die Antragsgegner sind dem Antrag entgegengetreten; sie bestreiten vor allem, dass der geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach bestehe.

II.

1. Für die Entscheidung über den Bestimmungsantrag ist nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig, da der allgemeine Gerichtsstand des Antragsgegners zu 3 außerhalb Bayerns liegt und ein bayerisches Gericht zuerst mit der Sache befasst war.

2. Auch für ein selbständiges Beweisverfahren kann, wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist (vgl. § 486 Abs. 2 ZPO), das zuständige Gericht entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt werden (vgl. BayObLGZ 1991, 343/344 f.; BayObLG NJW-RR 1999, 1010). Ob ein gemeinsamer besonderer oder allgemeiner Gerichtsstand gegeben ist, ergibt sich in diesem Fall im Hinblick auf § 486 Abs. 2 ZPO, also danach, ob ein solcher für den entsprechenden Rechtsstreit gegeben wäre.

Der Gerichtsstandsbestimmung steht nicht entgegen, dass das selbständige Beweisverfahren bereits anhängig ist (vgl. BayObLGZ 1993, 170/171; Beschluss vom 25.6.1998 Az. 1Z AR 37/98 unter II. 2. b).

3. Ebenso wie bei Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für das Klageverfahren die Schlüssigkeit der Klage nicht zu prüfen ist (BayObLG MDR 1998, 180/181), ist bei Bestimmung des zuständigen Gerichts für ein selbständiges Beweisverfahren die Zulässigkeit des Antrags nach § 485 ZPO nicht zu prüfen, da darüber erst das zuständige Gericht entscheiden kann (BayObLG NJW-RR 1999, 1010).

4. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt voraus, dass die mehreren Personen als Streitgenossen verklagt werden sollen. Die Voraussetzungen eines Tatbestands der Streitgenossenschaft müssen schlüssig vorgetragen sein, auch wenn die Schlüssigkeit der Klage darüber hinaus nicht geprüft wird (BayObLG MDR 1998, 180/181; Beschluss vom 26.4.2002 Az. 1Z AR 30/02 unter II. 3.). Auch im Rahmen der entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift auf das selbständige Beweisverfahren muss dieses Erfordernis grundsätzlich gegeben sein. Im Hinblick auf die Eigenart des selbständigen Beweisverfahrens genügt es bei der entsprechenden Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auf dieses aber, dass eine Klage gegen die mehreren Antragsgegner des selbständigen Beweisverfahrens als Streitgenossen - unter Umständen je nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens - in Betracht kommt (vgl. BayObLG NJW-RR 1999, 1010). Insoweit muss, da die Schlüssigkeit der Klage, von den Tatbestandsvoraussetzungen der Streitgenossenschaft abgesehen, nicht geprüft wird, vom Rechtsstandpunkt des Antragstellers ausgegangen werden. Dieser meint, dass die beiden Gutachten jeweils aufgrund von (zivilrechtlichen) Verträgen des Verkäufers des Oldtimers mit den Antragsgegnern zu 1 und 2 bzw. dem Antragsgegner zu 3 erstellt worden seien, in deren Schutzbereich er - als jemand, dem gegenüber diese Gutachten verwendet werden sollten - einbezogen gewesen sei, so dass er von den Antragsgegnern Schadensersatz wegen Verletzung der von diesen vertraglich übernommenen Pflicht, die Gutachten sorgfältig zu erstatten, verlangen könne. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung bilden gleichartige und auf einem im wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche den Gegenstand des (späteren) Rechtsstreits (§ 60 ZPO).

5. Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand für die Klage ist nicht ersichtlich, so dass auch für das selbständige Beweisverfahren nach § 486 Abs. 2 Satz 1 ZPO kein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand zur Verfügung steht. Auch § 486 Abs. 3 ZPO begründet im vorliegenden Fall keine gemeinsame Zuständigkeit für das selbständige Beweisverfahren, weil nach dem Vortrag des Antragstellers eine sofortige Beweiserhebung beim örtlich zuständigen Amtsgericht nicht notwendig ist.

6. Der Senat hält es für zweckmäßig, das Landgericht Nürnberg-Fürth, das für eine Klage gegen die Antragsgegner zu 1 und 2 als deren allgemeiner Gerichtsstand örtlich und sachlich zuständig wäre, als das im selbständigen Beweisverfahren für alle Antragsgegner zuständige Gericht zu bestimmen. Wenn er auch die Schlüssigkeit der Ansprüche nicht prüfen darf, die der Antragsteller geltend macht, kann er doch für die Frage, wo das Schwergewicht der Klage liegt, berücksichtigen, dass dem Anspruch gegen den Antragsgegner zu 3 die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegensteht (BGHZ 18, 110; 49, 108; VersR 1973, 317), so dass die vom Antragsteller erstrebte Beweiserhebung für eine Klage gegen den Antragsgegner zu 3 voraussichtlich keine Bedeutung haben wird.

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