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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.08.2003
Aktenzeichen: 1Z AR 90/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 12
ZPO § 13
ZPO § 23
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 36 Abs. 2
ZPO § 281
1. Keine Verweisung in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren.

2. Gleichstellung des Falls, in dem ein Teil der Antragsgegner seinen allgemeinen, ein anderer Teil den besonderen Gerichtsstand des Vermögens im Inland hat, mit dem Regelfall des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.


Gründe:

I.

Der Antragsteller macht gegen die Antragsgegner zu 1 bis 6 als Gesamtschuldner einen Zahlungsanspruch in Höhe von 375967 EUR nebst Zinsen aus der Rückabwicklung eines Aktienkaufvertrages geltend. Er hat bei dem Oberlandesgericht Dresden mit Schriftsatz vom 18.6.2003 beantragt, einen gemeinschaftlichen Gerichtsstand für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegner zu 1 bis 6 zu bestimmen, da kein gemeinsamer Gerichtsstand gegeben sei. Die Antragsgegner zu 2, 4 und 5 hätten ihren Wohnsitz und daher ihren allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) in den Bezirken der Landgerichte Kempten und Augsburg. Die Antragsgegner zu 1, 3 und 6 hätten im Inland keinen Wohnsitz; für sie bestehe jedoch der besondere Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO) bei dem Landgericht Dresden. Zweckmäßigkeitserwägungen sprächen dafür, das Landgericht Dresden als zuständiges gemeinsames Gericht zu bestimmen.

Das Oberlandesgericht Dresden wies den Antragsteller mit Verfügung vom 24.7.2003 darauf hin, dass es für eine Entscheidung über seinen Antrag vom 18.6.2003 nicht zuständig sein dürfte. § 36 Abs. 2 ZPO enthalte bei einer Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eine Regelungslücke für den Fall, dass ein Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung vor Einreichung der Klage gestellt werde, weil es an einem zuerst mit der Sache befassten Gericht fehle. Diese Lücke sei dahin gehend zu schließen, dass dem Antragsteller ein Wahlrecht eingeräumt werde, an welches der in Betracht kommenden Oberlandesgerichte er sich wende. In Betracht komme jedoch nur ein Oberlandesgericht, in dessen Bezirk wenigstens einer der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand gemäß §§ 12, 13 ZPO habe. Im Bezirk des Oberlandesgerichts Dresden habe jedoch keiner der Antragsgegner seinen Wohnsitz. Damit sei die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Dresden für das Gerichtsstandsbestimmungsverfahren nicht gegeben. Zuständig sei vielmehr nur ein Oberlandesgericht, in dessen Bezirk einer der Antragsgegner seinen Wohnsitz habe.

Diesem Hinweis entsprechend gab das Oberlandesgericht Dresden dem Antragsteller mit Verfügung vom 24.7.2003 auf zu prüfen, ob der Bestimmungsantrag zurückgenommen oder Verweisung entsprechend § 281 ZPO beantragt werde.

Dem daraufhin vom Antragsteller gestellten Verweisungsantrag entsprechend verwies das Oberlandesgericht Dresden mit Beschluss vom 1.8.2003 das Gerichtsstandsbestimmungsverfahren an das Bayerische Oberste Landesgericht. Zur Begründung verwies das Oberlandesgericht Dresden zunächst auf seine Verfügung vom 24.7.2003. Die Antragsgegner zu 2, 4 und 5 hätten ihren allgemeinen Gerichtsstand bei einem der Eingangsgerichte, denen das Oberlandesgericht München übergeordnet sei, so dass gemäß § 8 EGGVG, § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht für das Gerichtsstandsbestimmungsverfahren zuständig sei.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung über den Bestimmungsantrag zuständig.

a) Allerdings ergibt sich die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts nicht bereits in entsprechender Anwendung des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO aus einer Bindung an den Verweisungsbeschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 1.8.2003. Auch wenn dieser Beschluss nicht ausdrücklich auf § 281 ZPO gestützt wurde, legt der im Tenor dieses Beschlusses verwendete Begriff der Verweisung in Verbindung mit dem gerichtlichen Hinweis vom 24.7.2003 gleichwohl die Annahme nahe, dass Grundlage für die Abgabe des Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens an das Bayerische Oberste Landesgericht die entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 281 ZPO sein sollte.

Dagegen erfolgt nach der Rechtsauffassung und der ständigen Praxis des Bayerischen Obersten Landesgerichts - soweit bekannt auch der anderen Oberlandesgerichte - die Weiterleitung eines Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens an ein anderes Gericht im Wege der nicht bindenden Abgabe. § 281 ZPO findet im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren nach der Gesetzessystematik keine - auch keine entsprechende - Anwendung; hierfür besteht im Hinblick darauf, dass der Antragsteller im Falle des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die freie Auswahl hat, an welches der in Betracht kommenden übergeordneten Gerichte er seinen Bestimmungsantrag richtet (vgl. BayObLGZ 1998, 2.09/211), auch kein Bedürfnis. Das formfreie Abgabeverfahren wird daher den Interessen der Beteiligten hinreichend gerecht.

b) Das Bayerische Oberste Landesgericht bejaht jedoch seine Zuständigkeit (§ 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO), da die Antragsgegner in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (Dresden und München) ihren Gerichtsstand haben, der Antragsteller bei dem Oberlandesgericht Dresden die "Verweisung" an das Bayerische Oberste Landesgericht beantragt hat und er sich mit seinem Bestimmungsantrag aufgrund seiner Wahlmöglichkeit von vornherein auch unmittelbar an das Bayerische Oberste Landesgericht hätte wenden können.

2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor. Sämtliche Antragsgegner sollen als Streitgenossen (§§ 59, 60 ZPO) verklagt werden. Die Antragsgegner zu 2, 4 und 5 haben jeweils im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ihren allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO), die Antragsgegner zu 1, 3 und 6 den besonderen Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO), ohne dass ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand gegeben ist. Dieser Fall ist mit dem Regelfall des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, dass alle Streitgenossen ihren Gerichtsstand im Inland haben, gleichzustellen, da hinsichtlich der Interessenlage der Beteiligten und in Bezug auf den Sinn der Regelung kein Unterschied festzustellen ist (vgl. BCH NJW 1971, 196; 1988, 646; Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 36 Rn. 15).

3. Als für die Klage zuständiges gemeinsames Gericht wird das Landgericht Dresden bestimmt.

Dem Zuständigkeitsbestimmungsverfahren liegen Zweckmäßigkeitserwägungen und damit der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit zugrunde (vgl. BGHZ 90, 155/157; BayObLGZ,1993, 170/177; 1998, 209/211; Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 18). Für eine Zuständigkeit des Landgerichts Dresden spricht, dass drei der sechs Antragsgegner einen Gerichtsstand in dessen Bezirk haben, dass die Rückabwicklung des der Klage zugrunde liegenden Aktienkaufvertrages eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Dresden betrifft, alle Beteiligten Aktionäre dieser Gesellschaft sind, der Antragsteller deren Aufsichtsratsvorsitzender ist und der Antragsgegner zu 1 deren Vorstand angehört. Da die vorliegende Fallgestaltung - wie oben dargelegt, mit dem Regelfall des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gleichzustellen ist, steht der aus Zweckmäßigkeitserwägungen gebotenen Bestimmung des Landgerichts Dresden als zuständiges Gericht hier nicht entgegen, dass keiner der Antragsgegner dort seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.

Ende der Entscheidung

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