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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.08.2002
Aktenzeichen: 1Z AR 93/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 33 | |
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3 | |
ZPO § 506 Abs. 1 |
Gründe:
I.
Der Kläger und die Drittwiderbeklagten zu 2 bis 4 gründeten mit Gesellschaftsvertrag vom 1.10.1992 die Bauherrengemeinschaft R. GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) mit Sitz in R. im Landgerichtsbezirk Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern). Gegenstand der Gesellschaft ist die Errichtung und Vermietung eines Büro- und Geschäftsgebäudes in R. Das Betriebsgrundstück der Gesellschaft stand im Miteigentum des Klägers und der Drittwiderbeklagten zu 2 bis 4; die Drittwiderbeklagte zu 1 ist wiederum am Miteigentumsanteil des Klägers zur Hälfte beteiligt.
Mit Vertrag vom 4.8.1998 übertrugen der Kläger und die Drittwiderbeklagte zu 1 sowie die Drittwiderbeklagten zu 2 bis 4 an den Beklagten ein Fünftel Bruchanteil an ihrem jeweiligen Miteigentumsanteil zur Beilegung einer gesellschaftsrechtlichen Streitigkeit, über die Wirksamkeit des Grundstückserwerbs seitens der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts von einer R. GmbH, deren Gesellschafter neben dem Kläger und den Drittbeklagten zu 2 und 4 der Beklagte ist. Dieser verpflichtete sich im notariellen Vertrag vom 4.8.1998, an den Kläger jährlich 3000 DM für eine persönliche Sicherheitengestellung zugunsten der GbR zu bezahlen. Außerdem gewährte der Kläger dem Beklagten am 4.6.1999 ein mit 4,75 % jährlich zu verzinsendes Darlehen über 20000 DM mit dem Verwendungszweck "Privatdarlehen für die Bauherrengemeinschaft R. GbR". Am 9.12.1999 ist der Beklagte als Gesellschafter in die Bauherrengemeinschaft R. GbR eingetreten.
Der im Landgerichtsbezirk Ingolstadt (Bayern) wohnhafte Kläger hat vor dem Amtsgericht Pfaffenhofen a. d. Ilm Klage gegen den ebenfalls im Landgerichtsbezirk Ingolstadt wohnhaften Beklagten auf Bezahlung der Vergütung für Sicherheitengestellung im Jahr 2000 und Darlehenszinsen bis einschließlich Dezember 2001 in Höhe von insgesamt 2253,97 EUR erhoben. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und Widerklage sowie Drittwiderklage gegen die im Landgerichtsbezirk Ingolstadt wohnhafte Drittwiderbeklagte zu 1 und gegen die im Landgerichtsbezirk Neubrandenburg wohnhaften Drittwiderbeklagten zu 2 bis 4 erhoben. Mit der Widerklage macht der Beklagte gegen den Kläger und die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner einen Anteil in Höhe von 8146,46 EUR aus dem von der Bauherrengemeinschaft R. GbR im Jahr 1999 erzielten Überschuss über die Einnahmen der Werbungskosten geltend.
Das Amtsgericht wies die Parteien darauf hin, dass es aufgrund des Widerklagestreitwerts nicht mehr sachlich zuständig sei. Der Beklagte beantragte, den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht zu verweisen und dieses gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO bestimmen zu lassen. Das Amtsgericht hält die Zulassung der Drittwiderklagen für sachdienlich und hat auf Antrag des Beklagten die Akten dem Oberlandesgericht München zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt, das diese dem Bayerischen Obersten Landesgericht zuständigkeitshalber übersandt hat.
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung über den Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts berufen, weil einerseits der Gerichtsstand der Klage im Bezirk des Landgerichts Ingolstadt liegt, während der .allgemeine Gerichtsstand der Widerbeklagten sowohl dort (Widerbeklagter, Drittwiderbeklagte zu 1) als auch im Landgerichtsbezirk Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern) liegt und ein bayerisches Gericht zuerst mit der Sache befasst war (vgl. Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 36 Rn. 6a).
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann im Falle der Widerklage, die weitere bisher nicht am Verfahren Beteiligte einbezieht, die keinen Gerichtsstand beim Klagegericht haben, die örtliche Zuständigkeit unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt werden, wenn das mit der Widerklage befasste Gericht deren Sachdienlichkeit gemäß § 263 ZPO bejaht (BGH NJW 1991, 2838; 1992, 982; 1993, 2120; 2000, 1871/1872). Das ist der Fall. Die übrigen Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor:
a) Der Beklagte ist als Widerkläger zum Antrag gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 37 ZPO befugt.
b) Der Rechtsstreit ist noch nicht so weit gediehen, dass eine Gerichtsstandsbestimmung auszuscheiden hätte (vgl. BGHZ 88, 331/333; BayObLGZ 1993, 170/171 m. w. N.). Maßgebend ist der Stand des Prozessverhältnisses zwischen dem Widerkläger und dem Kläger sowie den Drittwiderbeklagten. Insoweit hat noch keine mündliche Verhandlung stattgefunden.
c) Die Widerklage und die Drittwiderklage sind gegen Streitgenossen im Sinn von § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gerichtet. Maßgebend ist insoweit der Vortrag des Widerklägers (vgl. BayObLGZ 1985, 314/316). Dieser stützt seinen Anspruch auf anteilige Beteiligung am Ertrag des im Miteigentum der Parteien stehenden Anwesens in R. gemäß § 1008, § 743 Abs. 2 BGB. Der Widerbeklagte und die Drittwiderbeklagten sind die übrigen Miteigentümer und' stehen ihm insoweit als Streitgenossen im Sinne von § 59 ZPO gegenüber. Auf die Schlüssigkeit der Widerklage kommt es für das Bestimmungsverfahren nicht an (BayObLG NJW-RR 1998, 1291).
d) Für den Widerbeklagten und die Drittwiderbeklagten besteht kein gemeinsamer allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand, der die Gerichtsstandsbestimmung ausschließen würde (vgl. BGH NJW 2000, 1871/1872). Für den widerbeklagten Kläger ist der Gerichtsstand gemäß § 33 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 506 Abs. 1 ZPO, 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG beim Landgericht Ingolstadt begründet, das dem vorlegenden Amtsgericht Pfaffenhofen a. d. Ilm übergeordnet ist. Jedoch kann für die Drittwiderbeklagten aus § 33 ZPO kein Gerichtsstand hergeleitet werden, wenn sie nicht (zufällig) bei dem angerufenen Gericht einen allgemeinen oder besonderen Gerichtsstand haben (vgl. BGH aaO). Letzteres trifft nur für die Drittwiderbeklagte zu 1 zu, die ihren allgemeinen Gerichtsstand ebenfalls beim Landgericht Ingolstadt hat (§§ 12, 13 ZPO). Für die Drittwiderbeklagten zu 2 bis 4 besteht dagegen der durch Wohnsitz begründete allgemeine Gerichtsstand beim Landgericht Neubrandenburg. Ob dort für Widerkläger, Widerbeklagten und die Drittwiderbeklagten zu 2 bis 4 in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der im Landgerichtsbezirk Neubrandenburg ansässigen Bauherrengemeinschaft R. GbR (vgl. BGH NJW 2001, 1056 f.) wegen des gesellschaftsrechtlichen Bezugs der Widerklageforderung der gemeinsame besondere Gerichtsstand der Mitgliedschaft gemäß § 22 ZPO besteht, kann dahinstehen, weil dieser sich nicht auf die Drittwiderbeklagte zu 1, die nicht Gesellschafterin ist, beziehen würde. Damit besteht für sämtliche Streitgenossen, die mit der Widerklage in Anspruch genommen werden, kein gemeinsamer allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand.
3. Als örtlich zuständig bestimmt der Senat das Landgericht Ingolstadt. Grundsätzlich soll das bestimmende Gericht unter den Gerichten, bei denen die Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten auswählen können (vgl. BGH NJW 1993, 2752 [2753]; Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 18). Hier kommt aber das Landgericht Neubrandenburg nicht in Betracht; denn das Landgericht Ingolstadt ist für den Kläger und Widerbeklagten bereits nach § 33 ZPO und für die Drittwiderbeklagte zu 1 gemäß §§ 12, 13 ZPO zuständig. Deswegen könnte es nicht insgesamt den Rechtsstreit an das Landgericht Neubrandenburg verweisen, also nicht insgesamt seine Unzuständigkeit aussprechen, wie es Voraussetzung einer Verweisung nach § 281 ZPO wäre. Obwohl in einem solchen Fall die Möglichkeit der Auswahl unter den an sich in Betracht kommenden Gerichten beschränkt ist, kann das Gericht, bei dem die Klage bzw. Widerklage bereits erhoben und das für den Teil der Streitgenossen zuständig ist, dann noch als das gemeinschaftliche Gericht bestimmt werden, wenn es den anderen Streitgenossen zugemutet werden kann, sich vor diesem Gericht verklagen zu lassen (vgl. BGH NJW 1988, 646/647). Das ist hier der Fall. Sowohl Widerkläger, Widerbeklagter als auch die Drittwiderbeklagte zu 1 haben ihren allgemeinen Gerichtsstand beim Landgericht Ingolstadt. Der Widerbeklagte hat bereits auf die Widerklage erwidert. Angesichts ihrer damit gleichlaufenden Interessen ist es den Drittwiderbeklagten zu 2 bis 4 zumutbar, den Rechtsstreit beim Landgericht Ingolstadt zu führen.
Ende der Entscheidung
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