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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.09.2003
Aktenzeichen: 1Z AR 94/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, StGB, HGB


Vorschriften:

ZPO § 32
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 421
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 826
BGB § 840 Abs. 1
StGB § 27
StGB § 263
HGB § 332 Abs. 1
HGB § 322 Abs. 1
Gerichtsstandsbestimmung für eine Klage auf Schadensersatz wegen Verlustes einer Kapitalanlage gegen die von der Kapitalanlagegesellschaft beauftragte Steuerberater- und Wirtschaftsprüfergesellschaft und deren zuständigen Mitarbeiter aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, aus Prospekthaftung und aus Delikt, wenn der gemeinschaftliche besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nicht zuverlässig feststellbar ist.
Gründe:

I.

Die Kläger haben im Zeitraum vom 28.12.1998 bis 2.5.2002 als Kapitalanleger zu unterschiedlichen Beträgen zwischen 2.607,59 EUR und 10.200 EUR Genussrechte an den im Landgerichtsbezirk Hof ansässigen Firmen A-GmbH und A-AG erworben. Nach Vortrag der Kläger hat die A-AG am 3.9.2002, die A-GmbH am 23.1.2003 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Die Kläger behaupten, die Insolvenz der Gesellschaften sei auf unzulässige Fehlinvestitionen in den Jahren von 1999 bis Juli 2002 zurückzuführen, die spätestens Ende 2000 zur Überschuldung und zum Verlust ihrer Einlagen geführt hätten. Die Beklagte zu 1 mit Sitz im Landgerichtsbezirk Nürnberg-Fürth sei im maßgeblichen Zeitraum als Steuerberater- und Wirtschaftsprüfergesellschaft von den A-Gesellschaften mit der Erstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen beauftragt und auch bei der Erstellung der Genussrechtsprospekte sowie deren Konzeption maßgeblich beteiligt gewesen. Der Beklagte zu 2 mit Wohnsitz im Landgerichtsbezirk Hof, Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, sei der für die Gesellschaften zuständige Mitarbeiter der Beklagten zu 1 gewesen und habe bereits frühzeitig von der wirtschaftlichen Schieflage der Gesellschaften gewusst. Die Beklagten hätten im maßgeblichen Zeitraum die Gesellschaften nicht nur juristisch und steuerrechtlich umfassend beraten, sondern auch die Jahresabschlüsse erstellt und geprüft. Sie hätten die massive Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage im Jahr 2000 einem Teil der Geschäftsführung vorenthalten und mitgewirkt, die Insolvenz der Gesellschaften zu verzögern; sie seien auch mitverantwortlich für unzutreffende, lückenhafte und irreführende Aussagen in den Vertriebsprospekten. Die Kläger machen wegen des Verlustes ihrer Einlagen gegen die Beklagten gesamtschuldnerisch Schadensersatzansprüche auf Grund Verletzung drittschützender Pflichten aus einem Wirtschaftsprüferverhältnis, aus Prospekthaftung und aus Delikt (u.a. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 332 Abs. 1, 322 Abs. 1 HGB, §§ 262, 26/27 StGB, § 826 BGB) geltend. Sie haben beim Landgericht Hof Klage erhoben und beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen. Die Beklagten haben sich dafür ausgesprochen, das Landgericht Nürnberg-Fürth als zuständig zu bestimmen.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO berufen, denn die Beklagten haben ihren allgemeinen Gerichtsstand in verschiedenen bayerischen Oberlandesgerichtsbezirken.

2. Dem Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts ist zu entsprechen (§ 36 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 37 ZPO).

a) Die Kläger nehmen die Beklagten nach ihrem insoweit maßgeblichen Vortrag (vgl. BayObLGZ 1985, 314/316) als Streitgenossen in Anspruch (§ 59 ZPO), da sie wegen derselben Anspruchsgrundlagen, nämlich aus Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, aus Prospekthaftung und aus Delikt verantwortlich gemacht werden und deshalb Gesamtschuldner sind (§ 421, § 840 Abs. 1 BGB). Im Bestimmungsverfahren ist nicht zu prüfen, ob das anspruchsbegründende Vorbringen schlüssig ist; es ist lediglich zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die beantragte Gerichtsstandsbestimmung vorliegen. Dazu gehört die Frage, ob das Vorbringen die Annahme einer Streitgenossenschaft rechtfertigt (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 36 Rn. 18). Das ist der Fall.

b) Ein die Gerichtsstandsbestimmung ausschließender gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO), an dem auch im Rahmen des einheitlichen prozessualen Anspruchs konkurrierende Ansprüche aus Vertrags- oder Prospekthaftung zu prüfen sind (BGH NJW 2003, 828), lässt sich nicht sicher feststellen. Zwar ist § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dann nicht anwendbar, wenn für mehrere als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand zu verklagende Parteien ein gemeinschaftlicher allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand im Inland gegeben ist (vgl. Zöller/Vollkommer Rn. 15). Für eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO genügt es aber, wenn für den Gegenstand der Klage, wie er sich auf Grund der von der Klagepartei vorgetragenen Tatsachen darstellt, ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht zuverlässig festgestellt werden kann und die übrigen Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gegeben sind (vgl. BayObLGZ 1985, 314/317).

So liegt es hier. Die Kläger, die an ihrem Wohnsitz durch Vertriebsbeauftragte der A-Gesellschaften zu der Kapitalbeteiligung veranlasst worden sind, leiten die Haftung der Beklagten aus ihrer Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungstätigkeit für die A-Gesellschaften ab, ohne dass hinreichend erkennbar ist, wo die Beklagten im Einzelnen Tatbestandsmerkmale der gegen sie geltend gemachten vertraglichen und deliktischen Anspruchsgrundlagen erfüllt haben sollen. Hierfür kommt der im Landgerichtsbezirk Hof gelegene Sitz der Gesellschaften in Frage, wo die Beklagten steuerliche und wirtschaftliche Beratung sowie die Vorarbeiten zu den Jahresabschlüssen vorgenommen haben sollen, während als Handlungsort für die Abschlussarbeiten selbst, die Jahresabschlüsse, Bilanzen und Prüftestate der Sitz der Beklagten zu 1 im Landgerichtsbezirk Nürnberg-Fürth in Betracht kommt. Bei dieser Sachlage ist das Bedürfnis nach Gerichtsstandsbestimmung nicht weggefallen.

3. Es erscheint zweckmäßig, das Landgericht Hof als örtlich zuständig zu bestimmen. In seinem Bezirk hat der Beklagte zu 2 seinen allgemeinen Gerichtsstand. Dort ist auch der Sitz der Gesellschaften, deren steuerliche und wirtschaftliche Beratung durch die Beklagten haftungsauslösend sein soll. Im Bezirk des Landgerichts Hof wird das Insolvenzverfahren der GmbH und der AG geführt (Amtsgericht Hof Az. 00 IN 295/02, 00 IN 284/02). Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hof führt außerdem gegen die Verantwortlichen der A-Gesellschaften ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs u.a. (Az. 133 Js 11505/02) sowie gegen Mitarbeiter der Beklagten zu 1 wegen Beihilfe zum Betrug (Az. 133 Js 15478/02).

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