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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.09.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 10/02
Rechtsgebiete: GG, Türkisches IPRG, Türkisches ZGB


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 10 Abs. 1
Türkisches IPRG Art. 42
Türkisches ZGB Art. 173
Türkisches ZGB Art. 141 a.F.
Türkisches ZGB Art. 187
Türkisches ZGB Art. 153 a.F.
Eine in Deutschland geschiedene türkische Staatsangehörige trägt nicht schon deswegen ihren vorehelichen türkischen Familiennamen, weil die deutsche Ehescheidung in der Türkei noch nicht anerkannt ist.
Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1 ist türkische Staatsangehörige. Ihre in Italien geschlossene Ehe mit S., dessen Namen sie führt, wurde 1995 durch Urteil eines bayerischen Amtsgerichts rechtskräftig geschieden. Ein Verfahren zur Anerkennung des Scheidungsurteils in der Türkei wurde nicht durchgeführt. Die von den türkischen Behörden für die Beteiligte zu 1 ausgestellten Ausweispapiere lauten nach wie vor auf den Namen S.

Am 12.5.2000 brachte die Beteiligte zu 1 ein Kind zur Welt. Die Vaterschaft hat ein deutscher Staatsangehöriger anerkannt. Das Kind lebt bei seiner Mutter in Bayern.

Im Rahmen der Eintragung der Geburt des Kindes teilte der Standesbeamte der Beteiligten zu 1 seine Auffassung mit, dass sie kraft ihres türkischen Heimatrechts aufgrund der Scheidung nicht mehr S. heiße, sondern wieder ihren Geburtsnamen E. trage. Dementsprechend wurde im Geburtenbuch für Mutter und Kind der Familienname E. - nicht wie von ihr gewünscht S. - eingetragen.

Ein hiergegen gerichteter Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten wurde als Antrag auf Berichtigung des Namenseintrags dem Amtsgericht vorgelegt. Dieses wies den Berichtigungsantrag zurück. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und den Standesbeamten angewiesen, den Geburtseintrag dahin zu ändern, dass der Nachname der Mutter und der vom Kind geführte Familienname nicht E., sondern S. lautet. Gegen diese Entscheidung richtet sich das Rechtsmittel der Standesamtsaufsicht, mit dem sie die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses anstrebt.

II.

Das Rechtsmittel der Standesamtsaufsicht ist als sofortige weitere Beschwerde statthaft und auch im übrigen zulässig (§ 49 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 48 Abs. 1 PStG, § 29 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG). Es hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Die Namensführung der türkischen Mutter des Kindes richte sich nach türkischem Recht. Die familienrechtliche Vorfrage nach dem Personenstand der Mutter sei unselbständig anzuknüpfen. Da die Scheidung der Mutter in der Türkei nicht anerkannt sei, führe sie nach türkischem Recht nach wie vor den Ehenamen S. Dem gemäß heiße sie auch nach deutschem Recht S., unbeschadet des Umstandes, dass sie nach deutschem Recht rechtskräftig geschieden sei.

2. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Zutreffend sind die Vorinstanzen stillschweigend davon ausgegangen, dass die im Hinblick auf die türkische Staatsangehörigkeit der Beteiligten zu 1 zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben und das deutsche Verfahrensrecht anzuwenden ist. Es geht um die Eintragung der Geburt im deutschen Geburtenbuch; die internationale Zuständigkeit folgt aus der örtlichen Zuständigkeit (vgl. § 50 Abs. 1 PStG; BayObLGZ 1995, 2 38/240).

b) Gegenstand des Verfahrens nach § 47 PStG ist die beantragte Berichtigung des Eintrags im Geburtenbuch (§ 21 PStG) dahin, dass die Familiennamen der Mutter und des Kindes statt E richtig S. lauten. Die Vorinstanzen haben den verfahrenseinleitenden Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 als entsprechenden Antrag auf Berichtigung (§ 47 Abs. 2 Satz 1 PStG) ausgelegt; dies ist nicht zu beanstanden.

c) Das Landgericht hat zutreffend den Namen der Mutter gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB nach ihrem türkischen Heimatrecht bestimmt. Eine vorrangig zu beachtende Rechtswahl nach Maßgabe von Art. 10 Abs. 2 EGBGB zugunsten eines anderen, etwa des deutschen Rechts als Ehenamensstatut - was über die Scheidung hinaus fortgewirkt hätte (vgl. OLG Hamm StAZ 1999, 370; Staudinger/Hepting BGB [2000] Art. 10 EGBGB Rn. 168; Henrich StAZ 1996, 129/132 m. w. N.) - haben die Eheleute nicht getroffen; es bleibt daher bei der Anknüpfung an das Personalstatut nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB. Eine Rückverweisung, die nach Art. 4 Abs. 1 EGBGB zu beachten wäre, findet nicht statt; das türkische Internationale Privatrecht knüpft für die Bestimmung des Familiennamens ebenfalls an das Heimatrecht des Namensträgers an (vgl. BayObLG NJW 1992, 632).

d) Nach türkischem Recht führt die Ehefrau den Familiennamen ihres Mannes (Art. 153 Satz 1 türk. ZGB a.F., Bergmann/Ferid Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht S. 30; jetzt Art. 187 Satz 1 türk. ZGB n.F., StAZ 2002, 100/107); mit der Scheidung erhält sie ihren vorehelichen Namen wieder (Art. 141 Satz 2 a.F., jetzt Art. 173 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 n.F. türk. ZGB). Es kommt daher nach türkischem Recht hier darauf an, ob die Beteiligte zu 1 geschieden ist (Vorfrage).

aa) Familienrechtliche Vorfragen sind im Namensrecht grundsätzlich unselbständig anzuknüpfen (BGHZ 90, 129). Damit soll erreicht werden, dass der Namensträger im Inland den gleichen Namen führt wie im Heimatstaat und der im Inland geführte Name mit den vom ausländischen Heimatstaat ausgestellten Ausweispapieren übereinstimmt. Vom Grundsatz der unselbständigen Anknüpfung im Namensrecht hat der Bundesgerichtshof eine Ausnahme für die Vorfrage der ehelichen Abstammung im Kindesnamensrecht gemacht (BGH NJW 1986, 3022). Ob hieran auch nach Abschaffung der Ehelichkeit als Rechtsbegriff und Aufhebung der diesbezüglichen deutschen Kollisionsnorm, festzuhalten ist (vgl. verneinend BayObLG Report 2002, 232; Henrich FamRZ 1998, 1405; bejahend OLG Düsseldorf StAZ 1999, 114, berichtigt 173; Hepting StAZ 1998, 142), bedarf für die Bestimmung des Namens der Mutter keiner Entscheidung.

bb) Hier ist freilich zu beachten, dass eine statusgestaltende Gerichtsentscheidung inmitten steht, die grundsätzlich die Bestimmung eines für die Vorfrage einschlägigen Sachrechts erübrigt. Denn ob die Beteiligte zu 1 geschieden ist, ergibt sich nicht aus einer (deutschen oder türkischen) Sachnorm, sondern in beiden Rechtsordnungen daraus, ob das rechtskräftige deutsche Scheidungsurteil für den jeweiligen Rechtskreis seine Wirkung entfaltet. Das ist für den deutschen Rechtskreis ohne weiteres der Fall, für den türkischen aber nur dann, wenn das deutsche Urteil in der Türkei anerkannt ist. Unselbständige Anknüpfung im Namensrecht bedeutet unter dieser Voraussetzung, die Wirkung des deutschen Scheidungsurteils nach dem für die Hauptfrage maßgeblichen türkischen Recht, d.h. seiner Vorschriften über die Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen (Art. 34 ff., Art. 42 türk. IPRG, Bergmann/Ferid S. 17 f.), zu bestimmen. Danach entfaltet das deutsche Scheidungsurteil erst nach Anerkennung in der Türkei für den dortigen Rechtskreis Wirkung. Eine solche Anerkennung ist bisher nicht herbeigeführt.

cc) Durch eine solche unselbständige Anknüpfung bei der Bestimmung des Namens der Beteiligten zu 1 wird die statusrechtliche Wirkung des deutschen Scheidungsurteils nicht in Frage gestellt. Selbstverständlich bleibt es dabei, dass die Beteiligte zu 1 für den deutschen Rechtskreis - unabhängig davon, ob ihre heimatliche Rechtsordnung die Scheidung anerkennt - geschieden ist. Das hindert nicht, im Rahmen der Namensbestimmung nach dem von Art. 10 Abs. 1 EGBGB berufenen türkischen Recht die Sichtweise dieser Rechtsordnung zugrunde zu legen. Die verbreitete Auffassung, dass eine vom inländischen Gericht entschiedene Statusfrage stets gegenüber dem Hauptfragestatut verselbständigt werden müsste (vgl. OLG Düsseldorf aaO m. w. N.; Kropholler Internationales Privatrecht 4. Aufl. § 32 V), ist nicht zwingend (vgl. MünchKomm/Sonnenberger BGB 3. Aufl. Einl. IPR Rn. 516 f.; Staudinger/Hepting Art. 10 EGBGB Rn. 90, der allerdings dafür eintritt, die deutsche Entscheidung als maßgeblich zugrunde zu legen).

dd) Einer selbständigen Anknüpfung mag allerdings dann der Vorrang einzuräumen sein, wenn andernfalls der interne Entscheidungseinklang unerträglich gestört wäre (vgl. etwa zu den namensrechtlichen Folgen einer Inlandsadoption, die im ausländischen Heimatrecht des Angenommenen nicht anerkannt ist, OLG Karlsruhe IPRax 1998, 110). Gerade das ist hier aber nicht der Fall. Das nach türkischem Recht im Wege der unselbständigen Anknüpfung gewonnene Ergebnis, dass die Beteiligte zu 1 weiter den Namen S. führt, stimmt mit der deutschen Rechtsordnung überein. Nach deutschem Sachrecht behält die geschiedene Frau ihren Ehenamen (§ 1355 Abs. 5 Satz 1 B GB). Wäre der Name der Beteiligten zu 1 nach deutschem Recht zu bestimmen, hieße sie S.; auf das deutsche Scheidungsurteil käme es insoweit nicht einmal an, da der Name der Beteiligten zu 1 mit oder ohne Scheidung S. wäre. Die Vorfrage der Scheidung stellt sich hier überhaupt nur bei Anwendung türkischen Rechts. Ihre gleichwohl selbständige Anknüpfung nach deutschem Recht hätte das widersinnige Ergebnis zur Folge, dass die Beteiligte zu 1 einen Namen führen müsste, nämlich ihren vorehelichen Namen E., den sie, nach keiner Rechtsordnung - je für sich genommen - führen muss, der nicht in ihren türkischen Ausweispapieren steht und den sie nicht führen will. Es wäre also nicht nur der internationale Entscheidungseinklang gestört, sondern auch der interne, dem die selbständige Anknüpfung gerade dienen soll. Die hier vertretene Lösung wahrt hingegen den internationalen wie den internen Entscheidungseinklang. Bei dieser Sachlage sieht der Senat keinen vernünftigen Grund, im konkreten Fall bei der Bestimmung des Namens gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB von der unselbständigen Anknüpfung abzuweichen. Im Hinblick auf die persönlichkeitsrechtliche Bedeutung der Namensführung (Art. 2 Abs. 1 GG) kommt nach Auffassung des Senats bei der vorliegenden Fallgestaltung dem Grundsatz des Entscheidungseinklangs das maßgebliche Gewicht zu.

e) Der Name des Kindes leitet sich vom Namen der Mutter ab und ist ebenfalls S. Mit der Anerkennung der Vaterschaft hat der deutsche Staatsangehörige K. dem Kind die deutsche Staatsangehörigkeit vermittelt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG), und zwar rückwirkend bezogen auf den Zeitpunkt der Geburt; denn auch im Fall des § 4 Abs. 1 Satz 2 StAG handelt es sich um den Tatbestand des Abstammungserwerbs durch Geburt (§ 3 Nr. 1 StAG; vgl. Staudinger/Hepting Art. 10 Rn. 227; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht 3. Aufl. § 4 Rn. 29, 36; Hepting/ Gaaz PStG § 21 Rn. 144 und System. Darstellung IV - 625, 627). Namensstatut des Kindes ist somit von Geburt an deutsches Recht (Art. 10 Abs. 1 EGBGB); ob das Kind daneben die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, ist kollisionsrechtlich ohne Belang (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Nach deutschem Recht heißt das Kind wie seine allein sorgeberechtigte Mutter (§ 1617a Abs. 1, § 1626a Abs. 2 BGB).

f) Die landgerichtliche Entscheidung erweist sich somit in der Sache als zutreffend. Soweit das Landgericht im Tenor seiner Entscheidung den Standesbeamten anweist, den Geburtseintrag zu "ändern", ist diese Anweisung vom Standesbeamten im Wege eines berichtigenden Randvermerks zu vollziehen. Einer Neufassung des landgerichtlichen Tenors durch den Senat bedarf es auch insoweit nicht.

3. Die Voraussetzungen einer Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG im Hinblick auf die nachfolgend genannten Entscheidungen, in denen bei der Anwendung ausländischen Rechts von der Beachtlichkeit deutscher statusgestaltender Gerichtsentscheidungen ausgegangen wird, liegen nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 12.3.1981 (NJW 1981, 1900) die hier inmitten stehende Rechtsfrage nicht entschieden. Der dortige Fall betraf die selbständige Vorfragenanknüpfung im Rahmen eines ausländischen Erbstatuts; der Bundesgerichtshof führt lediglich aus, dass das Scheidungsurteil eines deutschen Gerichts "insoweit" stets zu beachten sei. Die Entscheidung des Kammergerichts vom 8.2.1994 (StAZ 1994, 192) betraf die Ehelichkeitsanfechtung, diejenige des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30.1.1997 (IPRax 1998, 110), die Adoption. Den zum Namensrecht nach Scheidung ergangenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2.11.1998 (StAZ 1999, 114, berichtigt 173) und des Oberlandesgerichts Hamm vom 12.8.1999 (StAZ 1999, 370) lagen andere Sachverhalte zugrunde (keine deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes; wirksame Rechtswahl der Ehegatten).

4. Die Anordnung der Kostenerstattung beruht auf § 48 Abs. 1 PStG, § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Der Beschwerdewert wurde gemäß § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2, § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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