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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 15.04.2003
Aktenzeichen: 1Z BR 10/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2270
Frage der Prüfung der Wechselbezüglichkeit von Verfügungen eines Berliner Testaments mit Schlusserbeneinsetzung.
Gründe:

I.

Der 1940 geborene und 2000 verstorbene Erblasser war in einziger 1984 geschlossener Ehe mit der 1938 geborenen S. kinderlos verheiratet. Der Beteiligte zu 2 ist der Sohn der Ehefrau aus erster, geschiedener Ehe, die Beteiligte zu 3 seine Ehefrau, die Beteiligte zu 4 deren gemeinsame Tochter. Die Beteiligte zu 1 ist die Mutter des Erblassers; dieser hat zwei Schwestern.

Der Erblasser, der als Bauingenieur beschäftigt war, und seine Ehefrau, die kein Vermögen in die Ehe einbrachte, hatten mit Ehevertrag vom 26.7.1984 Gütertrennung vereinbart. Mit privatschriftlichem gemeinschaftlichem Testament vom 3.7.1987 setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Mit Kaufvertrag vom 12.9.1991 erwarb die Ehefrau des Erblassers eine Eigentumswohnung mit Tiefgaragenstellplatz zum Kaufpreis von DM 101714,-, die als Ehewohnung diente. Der Kaufpreis wurde aus Mitteln des Erblassers aufgebracht, als Eigentümerin wurde die Ehefrau des Erblassers am 29.4.1992 im Grundbuch eingetragen.

Am 19.7.1992 errichteten die Eheleute privatschriftlich ein gemeinschaftliches Testament, in dem es heißt:

Testament

Wir setzen uns hiermit gegenseitig zum Erben ein (Alleinerben!).

Für den Fall des Todes des letzten der beiden oben genannten bestimmen wir, daß der/die Alleinerbe/erbin des gesamten beweglichen und unbeweglichen Nachlasses einschließlich aller vorhandenen Geldwerte und Ansprüche die Familie... (Beteiligte zu 2 und 3) sowie deren Tochter (Beteiligte zu 4) werden soll.

Von der Erbfolge gänzlich ausgeschlossen werden:

1. die Beteiligte zu 1

2. deren leibliche Töchter.

Am 30.4.1993 verstarb die Ehefrau des Erblassers. Diesem wurde am 7.9.1993 ein Erbschein dahingehend erteilt, dass er seine Ehefrau allein beerbt hat. Deren Nachlass bestand im Wesentlichen aus der 1991 erworbenen Eigentumswohnung. Der Erblasser errichtete am 18.9.1993, am 31.12.1993 und am 4.9.1994 verschiedene privatschriftliche Testamente, in denen er Vermächtnisse und Ersatzerbenregelungen verfügte, aber grundsätzlich an der Erbeinsetzung der Familie des Beteiligten zu 2 bzw. des Beteiligten zu 2 festhielt. Die Testamente vom 31.12.1993 sind durchgestrichen, das Testament vom 4.9.1994 ist vom Erblasser am 25.9.1994 ausdrücklich widerrufen worden.

Am 18.2.1998 errichtete der Erblasser ein privatschriftliches Testament, in dem es heißt:

Ich hebe hiermit das am 19.7.1992 errichtete "Testament auf Gegenseitigkeit" auf, gemäß § 2271 BGB 1, Ausgabe 1997.

Damit wird v.g. gegenseitiges Testament ebenso ungültig, wie alle anderen evtl. existierenden Testamente und Nachträge.

Bedingt durch den Tod seiner Ehefrau verfügt der überlebende Ehegatte seinen "nur noch ausnahmsweise" möglichen Widerruf auf dem gemeinsam errichteten Testament gemäß §2271/2294 und 2336 (1) bis (3).

Im Einzelnen wird festgelegt und begründet:

Der Bedachte... (Beteiligter zu 2) hat sich gemäß § 2294 einer "Verfehlung schuldig gemacht", die den Erblasser zur Entziehung des Pflichtteils berechtigt....

1. In Sachen Bargeld... setze ich meine Mutter (Beteiligte zu 1) zur Alleinerbin ein.

2. Sollte meine Mutter abgelebt haben, setze ich zu gleichen Teilen meine beiden Schwestern ein.

Meine Immobilien und sonstige Habe fallen ebenfalls an meine Schwestern.

Nach dem Tod des Erblassers am 24.8.2000 erteilte das Nachlassgericht der Beteiligten zu 1 auf ihren Antrag am 31.10.2000 einen Erbschein, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweist. Die Beteiligten zu 2 bis 4 beantragten, diesen Erbschein einzuziehen und ihnen einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, der sie als Miterben zu gleichen Teilen ausweisen solle. Sie sind der Auffassung, das Testament vom 19.7.1992 enthalte bezüglich der Schlusserbeneinsetzung eine wechselbezügliche Verfügung, die der Erblasser nicht mehr habe widerrufen können.

Mit Beschluss vom 17.1.2001 wies das Nachlassgericht den Einziehungsantrag und den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 bis 4 zurück. Auf ihre Beschwerde hob das Landgericht mit Beschluss vom 13.1.2003 den Beschluss des Nachlassgerichts vom 17.1.2001 auf und wies das Nachlassgericht an, den der Beteiligten zu 1 erteilten Erbschein vom 31.10.2000 einzuziehen. Auf den entsprechenden Beschluss des Nachlassgerichts vom 21.1.2003 reichte die Beteiligte zu 1 den ihr erteilten Erbschein am 28.1.2003 zurück. Gegen die Entscheidung des Landgerichts legte die Beteiligte zu 1 weitere Beschwerde ein, der die Beteiligten zu 2 bis 4, die am 10.3.2003 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten beantragten, entgegentraten.

II.

1. Die weitere Beschwerde ist mit dem Ziel, das Nachlassgericht zur Erteilung eines neuen, gleichlautenden Erbscheins anzuweisen, zulässig, da die durchgeführte Einziehung des dem Beteiligten zu 1 erteilten Erbscheins vom 30.10.2000 als solche nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BGHZ 40, 54; BayObLG FamRZ 1989, 550; Palandt/Edenhofer BGB 62. Aufl. § 2361 Rn. 14). Das nicht fristgebundene Rechtsmittel (§ 27 Abs. 1 FGG) ist formgerecht eingelegt worden (§ 29 Abs. 1 Satz 2 FGG). Die Beteiligte zu 1 ist beschwerdeberechtigt (§ 29 Abs. 4, § 20 FGG), weil das Landgericht zu ihren Ungunsten die Entscheidung des Nachlassgerichts abgeändert hat, das die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin des Erblassers und nicht die Beteiligten zu 2 bis 4 als dessen Erben angesehen hatte. In der Sache hat die weitere Beschwerde aber keinen Erfolg.

2. Das Landgericht hat ausgeführt, bei der Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 2 bis 4 durch den Erblasser im gemeinschaftlichen Testament vom 19.7.1992 handle es sich um eine wechselbezügliche Verfügung, die der Erblasser nach dem Tode seiner Ehefrau nicht mehr habe widerrufen können. Die Auslegung der Erklärungen der Eheleute ergebe, dass die Schlusserbeneinsetzung als bindend gewollt sei. Dabei müsse Berücksichtigung finden, dass der Erblasser sich im Zeitpunkt der Testamentserrichtung von seiner Familie abgewandt habe und bestrebt gewesen sei, seinen Stamm von der Erbfolge auszuschließen. Da es sich bei den Schlusserben um den Sohn der Ehefrau sowie dessen Ehefrau und Tochter handle, sei auf Grund der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass zu diesen Personen eine enge Bindung bestehe. Der Umstand, dass die Ehefrau des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung kein Vermögen gehabt habe, gebe zwar besonderen Anlass zur Prüfung der Wechselbezüglichkeit, führe aber allein betrachtet nicht zum Ausschluss der Annahme einer Wechselbezüglichkeit. Der nach dem Tod der Ehefrau eingetretene Sinneswandel des Erblassers habe außer Betracht zu bleiben. Im Ergebnis führe die Erforschung des Willens beider Ehegatten nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Daher sei die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB anzuwenden, nach der von der Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung durch den Erblasser auszugehen sei und die deshalb vom Erblasser nicht mehr habe widerrufen werden können. Zwar müsse die Berufung von Verwandten des einen Ehegatten durch ihn selbst nicht wechselbezüglich sein; dies gelte aber nicht, wenn - wie hier - der Erblasser Verwandte des anderen Ehegatten bedacht habe. Da die Voraussetzungen für einen Widerruf der Schlusserbeneinsetzung aus Gründen, die zur Entziehung oder Beschränkung des Pflichtteils berechtigen, nicht vorlägen, sei für die Erbfolge allein das Testament vom 19.7.1992 maßgeblich. Die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 im Testament vom 8.2.1998 habe keine Wirksamkeit erlangt. Der zugunsten der Beteiligten zu 1 ausgestellte Erbschein vom 30.10.2000 sei unrichtig und daher einzuziehen.

3. Die landgerichtliche Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) im Ergebnis stand.

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass es sich bei dem Testament vom 19.7.1992 um ein formgerecht errichtetes gemeinschaftliches eigenhändiges Testament (§ 2231 Nr. 2, § 2265, § 2267 i.V.m. § 2247 BGB) handelt, in dem die Beteiligten zu 2 bis 4 als Schlusserben eingesetzt sind (§ 2269 Abs. 1 BGB; sog. Berliner Testament). Ob sie zu gleichen Teilen als Schlusserben eingesetzt sind oder nur der Beteiligte zu 2 Schlusserbe ist und die Beteiligten zu 3 und 4 seine Ersatzerben sind (vgl. unten zu 4.), kann für die Frage, ob der der Beteiligten zu 1 erteilte Erbschein zu Recht eingezogen wurde, offen bleiben. Das Landgericht hat weiter angenommen, dass die Einsetzung des Sohnes der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers und dessen Ehefrau und Tochter zu Schlusserben gemäß § 2270 Abs. 2 BGB wechselbezüglich sei, so dass es dem Erblasser nach dem Tod der Ehefrau gemäß § 2271 Abs. 1 Satz. 2 BGB nicht möglich gewesen sei, diese Schlusserbenbestimmung durch das Testament vom 8.2.1998 zu ändern. Zu dieser Annahme ist das Landgericht durch Auslegung der testamentarischen Erklärungen der Eheleute gekommen, die es wegen des Fehlens einer ausdrücklichen Anordnung der Wechselbezüglichkeit und der Meinungsverschiedenheit der Beteiligten über diese Frage zu Recht für erforderlich gehalten hat (vgl. BayObLGZ 1983, 213/217).

a) Die Testamentsauslegung ist Sache des Tatsachengerichts. Die Überprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist auf Rechtsfehler beschränkt. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob die Auslegung der Tatsacheninstanz gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt, ob in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen wurden, ob ein wesentlicher Umstand übersehen wurde oder ob dem Testament ein Inhalt gegeben wurde, der dem Wortlaut nicht zu entnehmen ist und auch nicht auf verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen anderer Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck gekommenen Erblasserwillen gestützt werden kann (BGHZ 121, 357/363; BayObLG FamRZ 2002, 269/270; Münch-KommBGB/Leipold 3. Aufl. § 2084 Rn. 84).

b) Diesen Kriterien wird die Auslegung des Landgerichts nicht in vollem Umfang gerecht.

Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen dann wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre, wenn also ein Zusammenhang des Motivs derart besteht, dass die Verfügung des einen Ehegatten deshalb getroffen wurde, weil der andere Ehegatte eine bestimmte andere Verfügung getroffen hatte. Die Prüfung und Bejahung der Wechselbezüglichkeit ist also nicht möglich ohne konkrete Bestimmung, welche Verfügung des anderen Ehegatten zu der Verfügung, deren Wechselbezüglichkeit in Frage steht, korrespektiv sein soll (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1538/1539).

Das Landgericht hat zwar herausgestellt, dass es bei der Frage der Wechselbezüglichkeit um die Schlusserbeneinsetzung durch den Erblasser geht; es sagt aber nicht, zu welcher Verfügung seiner Ehefrau diese korrespektiv sein soll. Das Landgericht prüft nicht die entscheidende Frage, ob die Schlusserbeneinsetzung durch den Erblasser mit Rücksicht auf die Erbeinsetzung des Erblassers durch die Ehefrau getroffen wurde (vgl. unten zu 3. c aa), sondern stellt stattdessen auf die Motivation des Erblassers ab, die Familie des Beteiligten zu 2 als Schlusserben einzusetzen (enge Bindung zu diesen Personen, Bruch mit der eigenen Familie).

Dabei geht es ferner von unzutreffenden Tatsachen aus. Entgegen seiner Annahme war die Ehefrau des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments vom 19.7.1992 keineswegs vermögenslos. Vielmehr war sie auf Grund des Kaufvertrages vom 12.9.1991 Eigentümerin einer Eigentumswohnung im Wert von DM 101714,-- geworden. Auch wenn der Erwerb mit Mitteln des Erblassers stattgefunden hatte, war dieser Wert ausschließlich ihrem Vermögen zugeordnet. Die Eheleute hatten Gütertrennung vereinbart (§ 1414 BGB).

c) Diese Mängel führen aber nicht zur Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache, weil das Rechtsbeschwerdegericht die erforderliche Auslegung selbst vornehmen kann, da weitere Ermittlungen hierzu nicht geboten sind (vgl. BayObLGZ 1983, 213/218) und sich danach die Annahme des Landgerichts, der Erblasser sei an seine Schlusserbenbestimmung im gemeinschaftlichen Testament vom 19.7.1992 gebunden gewesen, als im Ergebnis zutreffend erweist (§ 27 Abs. 1 FGG i.V.m. § 563 Abs. 3 ZPO).

aa) Als korrespektive Verfügungen kommen die Einsetzung des Erblassers als Erben durch die Ehefrau und die Einsetzung ihres Sohnes (sowie seiner Familie) als Schlusserben durch den Erblasser in Betracht. Die durch Auslegung zu beantwortende Frage ist, ob die Ehefrau dazu, dass sie abweichend von der gesetzlichen Erbfolge allein ihren Ehemann zu ihrem Erben einsetzte und damit ihren Sohn enterbte, im Hinblick darauf bestimmt wurde, dass der Ehemann ihren Sohn und dessen Familie als Schlusserben einsetzte. Dafür spricht vor allem der Umstand, dass die Ehegatten bereits am 3.7.1987 ein gemeinschaftliches Testament errichtet hatten, mit dem sie sich gegenseitig zu Erben eingesetzt hatten, ohne eine Schlusserbeneinsetzung vorzunehmen, und dass sie nach dem Erwerb der Eigentumswohnung durch die Ehefrau dieses gemeinschaftliche Testament durch dasjenige vom 19.7.1992 ersetzt hatten, das eine Schlusserbeneinsetzung zugunsten des Sohnes der Ehefrau (und seiner Familie) enthielt, der wegen der gegenseitigen Erbeinsetzung der Ehegatten im Falle des Vorversterbens seiner Mutter nicht Erbe werden konnte. Wenn es allein darum gegangen wäre, sicherzustellen, dass die Eigentumswohnung nach dem Tod der Ehefrau dem Erblasser zufiele, aus dessen Vermögen die Mittel zu ihrem Erwerb stammten, hätten die Eheleute es bei dem gemeinschaftlichen Testament vom 3.7.1987 bewenden lassen können. Die Errichtung des neuen gemeinschaftlichen Testaments spricht also dafür, dass es den Eheleuten darauf ankam, ihr Vermögen, insbesondere die Eigentumswohnung der Ehefrau, nach dem Tod des Ehemannes dem Sohn der Ehefrau (mit Familie) zuzuwenden. Hinzu kommt, dass der Erblasser noch bei Errichtung des Testaments vom 8.2.1998 (wie vorher schon in seinem Schreiben an die Familie des Sohnes der Ehefrau vom 3.2.1998) selbst davon ausging, dass es sich bei dem gemeinschaftlichen Testament vom 19.7.1992 um ein "Testament auf Gegenseitigkeit" handelte, an das er grundsätzlich "gemäß § 2271 BGB 1" (gemeint: § 2271 Abs. 1 BGB) gebunden sei, und dass er sich von dieser Bindung "nur noch ausnahmsweise" durch Widerruf nach §§ 2271 (Abs. 2 Satz 2), 2294, 2336 BGB lösen könne.

bb) Selbst wenn danach noch Zweifel blieben, dass die Erbeinsetzung des Erblassers durch die Ehefrau im Hinblick auf die Schlusserbeneinsetzung des Erblassers zugunsten des Sohnes der Ehefrau (und seiner Familie) vorgenommen wurde, würde - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB eingreifen, die zwei Tatbestände enthält, bei denen typischerweise Wechselbezüglichkeit anzunehmen ist. Danach ist insbesondere dann anzunehmen, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten (von diesem) eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht. Dies beruht auf der Erwägung, dass der eine Ehegatte in der Verfügung, die zugunsten einer ihm verwandten Person oder sonst nahestehenden Person von dem anderen Ehegatten getroffen wird, eine Art Gegenleistung dafür zu sehen pflegt, dass er seinerseits dem letzteren eine Zuwendung macht. Daraus rechtfertigt sich regelmäßig die Folgerung, dass er ohne die Verfügung des anderen Ehegatten seine Verfügung nicht getroffen hätte (BayObLG FamRZ 1999, 1538/1540; KG OLGZ 1993, 398/404; Palandt/Edenhofer BGB 62. Aufl. § 2270 Rn. 7). Die Ehefrau hat hier dem Erblasser insoweit eine Zuwendung gemacht, als sie ihn zu ihrem Alleinerben eingesetzt hat; dieser hat seinerseits für den Fall seines Überlebens eine Verfügung zugunsten der Angehörigen der Ehefrau getroffen. Diese Schlusserbeneinsetzung ist daher mit der Erbeinsetzung durch die vorverstorbene Ehefrau jedenfalls nach der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 Alternative 2 BGB wechselbezüglich. Da keiner der zur Entziehung des Pflichtteils berechtigenden Gründe vorlag (vgl. § 2335 BGB), konnte der Erblasser seine in dem gemeinschaftlichen Testament vom 19.7.1992 enthaltene Schlusserbeneinsetzung durch das Testament vom 8.2.1998 nicht wirksam widerrufen oder ändern (§ 2271 Abs. 1 Satz 2 BGB).

4. Das Nachlassgericht hat es in seinem Beschluss vom 17.1.2001 nicht nur abgelehnt, den der Beteiligten zu 1 erteilten Erbschein einzuziehen, sondern "auch konkludent den entgegenstehenden Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen". Das Landgericht hat den Beschluss des Nachlassgerichts vom 17.1.2001 im vollem Umfang aufgehoben, also auch hinsichtlich der Zurückweisung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 2 bis 4, ohne allerdings insoweit selbst eine Entscheidung zu treffen. Dies kann dahin verstanden werden, dass das Landgericht es dem Nachlassgericht überlassen wollte, über den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 bis 4 vom 30.10.2000 erneut zu entscheiden und insbesondere dabei durch Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments vom 19.7.1992 zu klären, wie die Formulierung, "dass der/die Alleinerbe/erbin des gesamten ... Nachlasses ... die Familie... (Beteiligte zu 2 und 3) sowie deren Tochter... werden soll", zu verstehen ist. Der Erblasser ist in seinem Testament vom 8.2.1998 davon ausgegangen, der Beteiligte zu 2 sei "der Bedachte". In seinem Testament vom 31.12.1993 hat er noch "im Sinne meiner am 30.4.1993 verstorbenen Frau... den Beteiligten zu 2 als Erben, die Beteiligte zu 4 als Ersatzerbin und die Beteiligte zu 3 als weitere Ersatzerbin eingesetzt. Dies sind Anhaltspunkte dafür, dass auch die Formulierung im gemeinschaftlichen Testament vom 9.7.1992 ("der/die Alleinerbe/erbin") im Sinne einer Einsetzung des Beteiligten zu 2 als Erben und der Beteiligten zu 3 und 4 als Ersatzerben verstanden werden könnte.

5. Die Entscheidung über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zugunsten der Beteiligten zu 2 bis 4 beruht auf § 14 FGG, §§ 114, 115 Abs. 2, § 119 Abs. 1 Satz 2, § 120 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 121 Abs. 1, Abs. 2, § 127 Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 ZPO.

6. Für die Gerichtskosten ergibt sich die Kostenfolge unmittelbar aus dem Gesetz. Nach § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG hat die Beteiligte zu 1 die den Beteiligten zu 2 bis 4 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1, § 131 Abs. 2 KostO. Sie geht von den Angaben in dem für die Beteiligte zu 1 eingereichten Nachlassverzeichnis sowie der berichtigten Wertangabe für die Eigentumswohnung aus und berücksichtigt den Pflichtteilsanspruch der Beteiligten zu 1 (§ 2303 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2, § 1925 Abs. 3 BGB). Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde entsprechend geändert.

Ende der Entscheidung

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