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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 03.08.2001
Aktenzeichen: 1Z BR 101/00
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB, FGG, Schweizerisches IPRG


Vorschriften:

EGBGB Art. 25
BGB § 133
BGB § 2065
BGB § 2358
BGB § 2361
FGG § 12
Schweizerisches IPRG Art. 91 Abs. 1
Zur Frage der Erbfolge bei schweizerischer Staatsangehörigkeit und Wohnsitz des Erblassers in Deutschland.
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Rojahn und Zwirlein

am 3. August 2001

in der Nachlasssache

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Landgerichts Landshut vom 18. Mai 2000 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Landshut zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die am 26.2.1999 im Alter von 82 Jahren verstorbene Erblasserin war gebürtige Deutsche und zuletzt schweizerische Staatsangehörige mit ständigem Aufenthalt und Wohnsitz in Deutschland. Sie war in dritter Ehe mit dem Beteiligten zu 1 kinderlos verheiratet. Aus ihrer ersten Ehe hatte die Erblasserin vier Kinder, von denen drei vorverstorben sind. Die Beteiligte zu 2 ist Enkelin, die Beteiligte zu 3 Schwiegertochter der Erblasserin.

Am 20.2.1999, sechs Tage vor ihrem Tod, verfasste die Erblasserin ein handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt:

"Ich bin Schweizer Staatsangehörige und wohnhaft in Niederbayern.

Für die Errichtung des Testaments und den Erbfall wird von mir deutsches Recht gewählt.

Ich setze meinen Ehemann... (Beteiligter zu 1) als meinen Universalerben ein und zwar als befreiten Vorerben. Sollte mich mein Ehemann nicht überleben so sind dessen Abkömmlinge nicht Ersatzerben. Mein Ehemann als Vorerbe ist von allen Beschränkungen und Verpflichtungen soweit gesetzlich zulässig befreit.

Wenn mich mein Ehemann überlebt soll nach dessen Tod... (Beteiligte zu 2) meine Enkelin zu gleichen Teilen mit... (Beteiligte zu 3) meiner Schwiegertochter meine Nacherbinnen werden. Mein Ehemann in keiner Weise beschränkt oder belastet. Er kann deshalb über sein Vermögen und mein ererbtes Vermögen in jeder Weise unter Lebenden und auch durch eine Verfügung von Todes wegen anderweitig frei verfügen also auch einen Nacherben einsetzen."

Zwei Tage zuvor, am 18.2.1999, hatte der Beteiligte zu 1 ebenfalls ein Testament verfasst, in dem er die Erblasserin zur Universalerbin einsetzte und im übrigen die gleichen Verfügungen traf, ergänzt um den Widerruf früherer Testamente. Beiden Testamenten war eine anwaltliche Beratung der Eheleute vorausgegangen. Rechtsanwalt S. hatte mit Schreiben vom 29.1.1999 unter Bezugnahme auf die Vorsprache der Eheleute in seiner Kanzlei Testamentsentwürfe übermittelt und unter anderem erläutert, dass das schweizerische Recht habe berücksichtigt werden müssen, gemeinschaftliche Testamente in der Schweiz nicht zugelassen seien und er daher zwei Einzeltestamente entworfen habe. Die handschriftlichen Testamente vom 18. und 20.2.1999 entsprechen im wesentlichen diesen anwaltlichen Entwürfen.

Bereits am 2.4.1987 hatten die Eheleute in zwei Einzeltestamenten jeder den anderen zum Universalerben eingesetzt, ohne weitere Verfügungen zu treffen.

Der Nachlass beträgt nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten rund 260000 DM und besteht im wesentlichen aus dem hälftigen Miteigentumsanteil an einem bebauten Grundstück in Deutschland und Wertpapieren.

Am 11.8.1999 erteilte das Amtsgericht Eggenfelden auf Antrag des Beteiligten zu 1 einen Erbschein, der den Beteiligten zu 1 als Alleinerben ausweist und ferner bezeugt, dass Nacherbfolge angeordnet ist und beim Tod des Vorerben eintritt, dass die Beteiligten zu 2 und 3 Nacherbinnen sind und dass der Vorerbe zur freien Verfügung über die Erbschaft berechtigt ist.

Mit notariellem Antrag vom 24.11.1999 begehrte der Beteiligte zu 1 erneut die Erteilung eines Erbscheins, diesmal mit dem Inhalt, dass der Beteiligte zu 1 als Allein- und Vollerbe ausgewiesen wird. Hilfsweise soll der Erbschein ihn als auflösend bedingten Vorerben und aufschiebend bedingten Vollerben ausweisen; die Bedingung soll eintreten, wenn der Vorerbe für den Fall seines Ablebens andere als die von der Erblasserin zu Nacherben ernannte Personen zum Erben einsetzt. Mit Beschluss vom 16.2.2000 wies das Amtsgericht die Anträge zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landgericht Landshut mit Beschluss vom 28.5.2000 zurück. Mit der weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 sein Ziel weiter.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Die nicht fristgebundene weitere Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 27 Abs. 1 FGG statthaft und in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 3 FGG eingelegt. Der Beteiligte zu 1 ist schon deswegen beschwerdeberechtigt, weil das Landgericht seine Erstbeschwerde zurückgewiesen hat (vgl. BayObLGZ 1986, 118/120). Der Sache nach geht sein Begehren auf Einziehung des Erbscheins vom 11.8.1999 als unrichtig und Erteilung eines neuen Erbscheins mit dem vom Rechtsbeschwerdeführer beantragten Inhalt. Dass der Erbschein vom 11.8.1999 seinem eigenen Antrag entsprach, nimmt dem Beteiligten zu 1 nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

2. Zutreffend hat das Landgericht deutsches materielles Erbrecht angewandt und die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für das Erbscheinsverfahren bejaht. Die von der Erblasserin getroffene Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts kann zwar unmittelbar nur insoweit die Anwendung deutschen Rechts begründen, als sie sich auf im Inland belegenes unbewegliches Vermögen bezieht (Art. 25 Abs. 2 EGBGB). Die objektive Anknüpfung an das schweizerische Heimatrecht der Erblasserin gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB, die sich nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB auch auf dessen Kollisionsnormen bezieht, führt hier jedoch ebenfalls zur Anwendung deutschen Rechts; denn das schweizerische Kollisionsrecht verweist auf das Kollisionsrecht des Wohnsitzlandes und das deutsche Kollisionsrecht nimmt diese Rückverweisung an (Art. 91.Abs. 1 schweizerisches IPRG; Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB; Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Schweiz, Grundzüge Rn. 14). Da somit deutsches materielles Recht als Erbstatut maßgeblich ist, sind die deutschen Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit international zuständig (Grundsatz des Gleichlaufs zwischen materiellem Recht, internationaler Zuständigkeit und Verfahrensrecht, st.Rspr. vgl. BayObLGZ 1999, 296/303 m.w.N.). Soweit das Verfahren auf die Einziehung des Erbscheins vom 11.8.1999 gerichtet ist, wird die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Eggenfelden auch schon dadurch begründet, dass es den Erbschein, dessen Einziehung jetzt in Frage steht, erteilt hat (vgl. BayObLGZ 1964, 291/292; Palandt/Edenhofer BGB 60. Aufl. § 2361 Rn. 8 m.w.N.).

3. Das Landgericht hat die vom Rechtsbeschwerdeführer im Hauptantrag gewünschte Auslegung, er sei Allein- und Vollerbe geworden, als nicht möglich angesehen. Die Erblasserin sei bei der Abfassung anwaltlich beraten gewesen; die Bezeichnung als Vorerbe könne daher nicht als belanglos, weil auf Rechtsunkenntnis beruhend, abgetan werden. Die Erblasserin habe zwar eine weitestmögliche Befreiung des Vorerben angestrebt. Die Formulierung "soweit gesetzlich zulässig" mache aber deutlich, dass sie sich bei der Abfassung des Testaments darüber im klaren war, dass von Rechts wegen mit der Vorerbenstellung Beschränkungen verbunden waren. Wenn sie gewollt hätte, den Beschwerdeführer zum Alleinerben einzusetzen, hätte sie dies auf ungleich einfacherem Weg erreichen können; sie hätte ihn wie im vorangegangenen Testament lediglich als Alleinerben einsetzen und die von ihr als Nacherben eingesetzten Angehörigen zu Ersatzerben bzw. zu Schlusserben berufen können. Abgesehen von der mehrfachen Verwendung der Begriffe Vor- und Nacherbe fände sich in dem Testament auch die Bestimmung "Sollte mich mein Mann nicht überleben, so sind dessen Abkömmlinge nicht Ersatzerben"; der Erblasserin sei also auch der Unterschied zwischen Nacherbschaft und Ersatzerbschaft bekannt gewesen.

Den Hilfsantrag hat das Landgericht mit im wesentlichen folgender Begründung zurückgewiesen. Gemäß § 2065 BGB könne der Erblasser die Entscheidung, ob seine letztwillige Verfügung gelten soll, nicht einem Dritten überlassen. Insbesondere könne er auch nicht die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, einem Dritten überlassen. Eine solche Verfügung habe hier aber auch nicht getroffen werden sollen. Aus dem Schreiben des Rechtsanwalts ergebe sich, dass die Erblasserin und der Beschwerdeführer die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments erwogen hätten; durch die Formulierung des letzten Satzes des Testaments werde nur klar zum Ausdruck gebracht, dass eine irgendwie bestehende Bindungswirkung aufgrund wechselbezüglicher gegenseitiger Verpflichtungen nicht gewollt gewesen sei. Der Anwalt habe bei seinem Formulierungsvorschlag nicht eine zentrale Bestimmung des deutschen Erbrechts wie § 2065 BGB verkannt, sondern lediglich im Hinblick auf die ursprünglich erörterte Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments reagiert.

4. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass für die Erbfolge das Testament vom 20.2.1999 als das spätere der von der Erblasserin errichteten Testamente maßgeblich ist (§ 2258 BGB).

b) Das Landgericht hat jedoch eine Möglichkeit der Testamentsauslegung, wie sie im folgenden zu erörtern ist, bei der ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung nicht in Erwägung gezogen. Es hat auch eine naheliegende Möglichkeit zur Ermittlung des Willens der Erblasserin, nämlich die Einvernahme des Rechtsanwalts, der die Erblasserin im Zusammenhang mit der Abfassung ihres Testaments beraten hat, nicht genutzt und insoweit den maßgeblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Deshalb kann die Entscheidung, auch wenn der Senat die Ermittlung des Erblasserwillens durch das Landgericht als tatsächliche Feststellung nur in beschränktem Umfang überprüfen kann (vgl. BGHZ 121, 357/363; BayObLG NJWE-FER 2000, 93 und NJWE-FER 2001, 125), keinen Bestand haben.

aa) Die Verfügung am Schluss des Testaments, dass der als befreiter Vorerbe bezeichnete Ehemann der Erblasserin über das ererbte Vermögen "auch durch eine Verfügung von Todes wegen anderweitig frei verfügen also auch einen Nacherben einsetzen" kann, gewährt nach ihrem Wortlaut dem Vorerben das Recht, eine anderweitige letztwillige Verfügung zu treffen. Die Anordnung der Nacherbfolge könnte sonach unter der auflösenden Bedingung stehen - d.h. der Eintritt des Nacherbfalles dadurch aufschiebend bedingt sein -, dass der Vorerbe nicht anders letztwillig verfügt. Eine Auslegung dieses Inhalts hat das Landgericht offensichtlich deshalb nicht erwogen, weil es meinte, eine Verfügung mit diesem Inhalt wäre mit § 2065 BGB unvereinbar und deshalb als unwirksam zu behandeln. Dabei hat das Landgericht nicht in Betracht gezogen, dass eine bedingte Nacherbeneinsetzung von der Rechtsprechung als zulässig angesehen wird und dass diese Bedingung auch darin bestehen kann, dass der bedachte Vorerbe nicht anderweit testiert (RGZ 95, 278; BGHZ 2, 35; 59, 220; BayObLGZ 1982, 331/341; Palandt/ Edenhofer § 2065 Rn. 8; vgl. allerdings auch MünchKomm/ Leipold BGB 3. Aufl. § 2065 Rn. 9, 10). Die hiernach mögliche Auslegung der Verfügung der Erblasserin als bedingte Nacherbeneinsetzung würde sich hier auch in den Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen des Testaments einfügen. Die Erblasserin strebte eine weitestgehende Befreiung ihres Ehemannes als Vorerben an. Dass sie ihm darüber hinaus die Möglichkeit geben wollte, durch anderweitige letztwillige Verfügung die Anordnung der Nacherbschaft entfallen zu lassen und sich selbst zum Vollerben zu machen, erscheint nach dem Wortlaut und Gesamtzusammenhang jedenfalls möglich; auch das frühere Testament, in dem die Erblasserin ihren Ehemann als alleinigen Vollerben eingesetzt hat, könnte für diese Auslegung sprechen.

bb) Das Landgericht hätte darüber hinaus seine Feststellung, wie der letzte Satz des Testaments auszulegen ist, nicht treffen dürfen, ohne vorher den Rechtsanwalt anzuhören, der die Erblasserin bei der Abfassung des Testaments beraten hat. Denn im Rahmen der Amtsermittlungspflicht (§ 2358 Abs. 1, § 2361 Abs. 3 BGB; § 12 FGG) darf von einer weiteren Sachaufklärung nur abgesehen werden, wenn von ihr ein sachdienliches Ergebnis nicht zu erwarten ist (BGHZ 40, 54/57; BayObLG NJW-RR 1997, 7/8). Hier hatte Rechtsanwalt S. im Anschluss an eine persönliche Beratung der Erblasserin und ihres Ehemannes in seiner Kanzlei Testamentsentwürfe für die Eheleute gefertigt; die Erblasserin hat den für sie gefertigten Entwurf weitgehend übernommen. Es ist naheliegend, dass Rechtsanwalt S. über die Willensrichtung der Erblasserin Auskunft geben kann. Die Beratung liegt erst 2 1/2 Jahre zurück. Der Fall weist Besonderheiten auf, wie die von Rechtsanwalt S. vorgenommene Prüfung des schweizerischen Rechts, die erfahrungsgemäß dazu führen, dass sich Einzelheiten der Beratungstätigkeit stärker einprägen. Auch hat Rechtsanwalt S. nach dem Tode der Erblasserin als Bevollmächtigter des Beteiligten zu 1 Einsicht in die Nachlassakten genommen. Es kann daher keinesfalls von vornherein davon ausgegangen werden, dass Rechtsanwalt S. keine konkrete Erinnerung mehr an seine zur Testamentserrichtung führende Beratungstätigkeit hat. Unter diesen Umständen durfte das Landgericht nicht davon absehen, den Rechtsanwalt zu den Vorstellungen anzuhören, die die Erblasserin mit den Verfügungen in ihrem Testament verbunden hat.

c) Auf diesen Rechtsfehlern beruht die Entscheidung des Landgerichts. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung bei vollständiger Aufklärung des Sachverhalts und Einbeziehung der Möglichkeit einer bedingten Nacherbeneinsetzung anders ausgefallen wäre. Die Sache war daher unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

5. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gerichtskosten sind im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht angefallen (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO). Über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten wird das Beschwerdegericht zu befinden haben (vgl. Keidel/Zimmermann FGG 14. Aufl. § 13a Rn. 36, 38 ff.). Unter diesen Umständen ist auch eine Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren der weiteren Beschwerde nicht erforderlich.

Ende der Entscheidung

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