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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: 1Z BR 106/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 2084
BGB § 2270
Zur Wechselbezüglichkeit von Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments mit Schlusserben- und mehrfach gestufter Ersatzschlusserbeneinsetzung.
Gründe:

I.

Die verwitwete, kinderlose Erblasserin ist im Alter von 100 Jahren verstorben. Sie hatte keine Geschwister. Ihr Ehemann, mit dem sie seit 1937 verheiratet war, ist 1945 im Alter von 47 Jahren vorverstorben. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Töchter von dessen 1976 verstorbenem Bruder; sie sind 1947 bzw. 1945 geboren. Die Beteiligten zu 3 bis 5 sind Verwandte der Erblasserin.

Die Ehegatten haben am 26.8.1943 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, das im Wesentlichen wie folgt lautet:

Gemeinsames Testament

Wir, errichten hiermit unser gemeinsames Testament und bestimmen folgendes:

1.)

Wir setzen uns gegenseitig als Erben ein. Etwa aus unserer Ehe noch hervorgehende Kinder sollen das erben, was von unserem Nachlass beim Tode des Überlebenden noch vorhanden ist.

2.)

Für den Fall, dass aus der Ehe keine Kinder hervorgehen, soll beim Tode des Überlebenden der Nachlass folgerndermassen verteilt werden:

Das Haus u. Grundstück, mit allem Inventar soll, da es die Frau mit in die Ehe gebracht hat, an deren Mutter, A fallen.

Das Barvermögen geht zu gleichen Teilen an B (Mutter des Ehemannes) und A (Mutter der Ehefrau). Ebenso gehen die bei dem Bankhaus hinterlegten Wertpapiere zu gleichen Teilen an A und B.

Sollte beim Tode des Überlebenden sowohl A als auch B bereits verstorben sein, so ist der Bruder des Ehemannes Erbe. Sollte er beim Tode des Überlebenden verstorben sein und keinen leiblichen Erben haben, so ist C (Verwandter der Ehefrau) Alleinerbe.

München, den 26. August 1943

... (Ehemann)

Vorstehendes Testament soll auch meines sein.

München, den 26. August 1943,

... (Ehefrau)

Am 23.9.1992 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament, in dem sie die Beteiligten zu 3 bis 5 zu gleichen Teilen als Erbinnen einsetzte und den Beteiligten zu 3 und 4 ihre Eigentumswohnung als Vorausvermächtnis zuwandte. Ferner erklärte sie, an einer Verfügung von Todes wegen weder durch Erbvertrag, noch in anderer Weise gehindert zu sein, und hob "rein vorsorglich ...alle etwaigen, diesem Testament entgegenstehenden früheren Verfügungen von Todes wegen hiermit auf, soweit gesetzlich zulässig".

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben jeweils beantragt, ihnen einen Erbschein zu erteilen, der sie als Miterbinnen zu je 1/2 ausweist. Sie sind der Auffassung, die sie begünstigende Verfügung in dem Testament vom 26.8.1943 sei wechselbezüglich und habe daher von der Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes nicht mehr geändert werden können. Die Beteiligten zu 3 bis 5 sind demgegenüber der Auffassung, die Ersatzschlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 1 und 2 in dem Testament vom 26.8.1943 sei nicht wechselbezüglich, so dass sie Miterbinnen auf Grund des Testaments vom 23.9.1992 seien.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 11.5.2004 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 hat das Landgericht München I mit Beschluss vom 14.9.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richten sich die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2.

II.

Die weiteren Beschwerden sind zulässig, aber im Ergebnis nicht begründet.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Für die Erbfolge sei das Testament vom 23.9.1992 maßgeblich; die Ersatzschlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 1 und 2 im Testament vom 26.8.1943 stelle keine wechselbezügliche Verfügung dar, weder im Hinblick auf die Erbeinsetzung der Erblasserin noch ihres Verwandten C durch den Ehemann. Das Testament vom 26.8.1943 sei insoweit auslegungsbedürftig. Dabei sei der Umstand von Bedeutung, dass der Ehemann der Erblasserin ein weit geringeres Vermögen als diese gehabt habe; alle wesentlichen Vermögensgegenstände seien deren Eigentum gewesen. Bezüglich Haus und Grundstück sei dies unstreitig; bezüglich der Wertpapiere ergebe sich aus dem Nachlassverzeichnis vom 31.5.1946, dass die Ehefrau diese als Heiratsgut mit in die Ehe gebracht habe. Bereits diese Vermögenssituation lege die Annahme nahe, dass die Verfügungen, mit denen Verwandte des Ehemannes der Erblasserin zu Ersatzschlusserben bestimmt worden seien, nicht wechselbezüglich seien. Gegen die Wechselbezüglichkeit spreche auch, dass die Eheleute das Hausgrundstück vorrangig der Mutter der Erblasserin zukommen lassen wollten. Schließlich sei entscheidend auch die konkrete Situation zu berücksichtigen, in der das Testament errichtet worden sei, nämlich im Sommer 1943 während des Zweiten Weltkrieges in München. Es dränge sich die Annahme auf, dass die Eheleute eine eindeutige Erbrechtsregelung, angepasst an diese von Kriegswirren geprägte Situation, schaffen wollten. Für die Testierenden habe die realistische Gefahr bestanden, dass eine Vielzahl der im Testament benannten Personen infolge des Krieges einen Erbfall nicht erleben würde; hierdurch sei die detaillierte Schlusserbenregelung bedingt. Hingegen sei nichts dafür ersichtlich, dass die Testierenden den anderen Ehegatten im Hinblick auf die Schlusserbenregelungen endgültig binden wollten.

2. Die Auslegung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern, erweist sich aber im im Ergebnis als richtig.

a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Erblasserin durch das gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann formgültig errichtete (§§ 21, 28 des damals maßgebenden TestG) Testament vom 26.8.1943 die Beteiligten zu 1 und 2 als Abkömmlinge des Bruders des Ehemannes zu dessen Ersatzerben eingesetzt hat. Eine ausdrückliche Bestimmung dieses Inhalts haben die Testierenden zwar nicht getroffen; sie haben aber die Einsetzung des weiteren Ersatzschlusserben C nur für den Fall angeordnet, dass der Bruder beim Tod des Überlebenden verstorben sein und "keinen leiblichen Erben haben" sollte. Daraus ergibt sich, dass Abkömmlinge des Bruders vorrangig vor C Ersatzschlusserben sein sollten.

b) Diese Erbeinsetzung konnte die Erblasserin durch ihr notarielles Testament vom 23.9.1992 nur dann wirksam widerrufen, wenn sie nicht wechselbezüglich im Sinne des § 2270 BGB zu einer Verfügung ihres Ehemannes war; andernfalls war die Erblasserin nach § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB nach dem Tod des Ehemannes an einem Widerruf dieser in dem gemeinschaftlichen Testament getroffenen letztwilligen Verfügungen gehindert.

aa) Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen dann wechselbezüglich und damit für den überlebenden Ehegatten bindend getroffen, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen stehen oder fallen soll (BayObLGZ 1991, 173/175f; OLG Hamm FamRZ 2004, 662). Maßgeblich ist der übereinstimmende Wille der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung (BGHZ 112, 229/233). Enthält ein gemeinschaftliches Testament keine klare und eindeutige Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, muss diese nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede Verfügung gesondert ermittelt werden (BGH NJW-RR 1987, 1410).

bb) Erst wenn die Ermittlung des Erblasserwillens weder die gegenseitige Abhängigkeit noch die gegenseitige Unabhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen ergibt, ist gemäß § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht. Diese Auslegungsregel ist erst dann heranzuziehen, wenn nach Überprüfung aller inner- und außerhalb des Testaments liegenden Umstände verbleibende Zweifel nicht zu beseitigen sind (BayObLG FamRZ 1999, 1388/1389).

cc) Ob zwischen Verfügungen von Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament der in § 2270 BGB bezeichnete Zusammenhang der Wechselbezüglichkeit besteht, ist - sofern dies nicht eindeutig ist - nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 2084 BGB) zu entscheiden. Die Auslegung selbst - auch hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit - ist grundsätzlich Sache des Tatsachengerichts. Die Überprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist auf Rechtsfehler beschränkt. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob die Auslegung der Tatsacheninstanz gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt, ob in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen wurden, ob ein wesentlicher Umstand übersehen wurde oder ob dem Testament ein Inhalt gegeben wurde, der dem Wortlaut nicht zu entnehmen ist und auch nicht auf verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen anderer Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck gekommenen Erblasserwillen gestützt werden kann (BGHZ 121, 357/363; BayObLG FamRZ 2002, 269/270).

c) Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des Landgerichts nicht in vollem Umfang gerecht.

aa) Das Landgericht hat das gemeinschaftliche Testament vom 26.8.1943 zu Recht als auslegungsbedürftig angesehen, da es keine ausdrückliche Aussage zur Wechselbezüglichkeit der darin enthaltenen Verfügungen enthält. Es hat zutreffend erkannt, dass als wechselbezügliche Verfügungen zum einen die Erbeinsetzung der Ehefrau durch ihren Ehemann und die Einsetzung der Abkömmlinge des Bruders des Ehemannes als Ersatzschlusserben durch die Ehefrau in Betracht kommen, zum anderen die Einsetzung des entfernten Verwandten der Ehefrau als weiterer Ersatzschlusserbe durch den Ehemann und die Verfügung der Ehefrau zugunsten der Abkömmlinge des Bruders des Ehemannes.

bb) Rechtsfehlerhaft ist das Landgericht jedoch davon ausgegangen, dass der Ehemann über kein wesentliches eigenes Vermögen verfügt hat.

Als Anhaltspunkt für die fehlende Wechselbezüglichkeit hat das Landgericht den seiner Ansicht nach erwiesenen Umstand angesehen, dass alle wesentlichen Vermögensgegenstände Eigentum der Ehefrau gewesen seien. Dabei hat das Landgericht verkannt, dass das von der Erblasserin 1946, ein Jahr nach dem Suizid ihres Ehemannes, erstellte Nachlassverzeichnis diese Feststellung nicht trägt: Darin hat sie - neben geringen Sparguthaben - Wertpapiere im Wert von 14.425 RM aufgeführt und angemerkt "von der Ehefrau nachweisbar eingebrachtes Heiratsgut". Dieser Hinweis kann allenfalls die Herkunft, nicht aber die Eigentumszuordnung dieser Wertpapiere betreffen. Nachdem die Erblasserin sie im Verzeichnis des Nachlasses ihres Mannes aufgeführt hat, ist davon auszugehen, dass sie auch in seinem Eigentum standen. Es liegen auch keine Nachweise oder Anhaltspunkte dafür vor, dass wahre Eigentümerin die Ehefrau war - etwa aus güterrechtlichen Gründen - oder ihr etwa ein Anspruch auf Rückübertragung der Wertpapiere zustand.

Wie sich die Vermögenssituation der Eheleute zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung tatsächlich dargestellt hat, lässt sich aufgrund der vorliegenden Unterlagen deshalb nicht abschließend beurteilten. Für die Annahme des Landgerichts, der Ehemann habe bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments kein eigenes Vermögen besessen, fehlen hinreichende Anhaltspunkte. Fest steht lediglich, dass er im Gegensatz zur Erblasserin nicht Eigentümer von Immobilien war.

cc) Das Landgericht hat entscheidende Bedeutung der Tatsache beigemessen, dass das Testament während des Zweiten Weltkrieges errichtet wurde. Konkrete Anhaltspunkte, inwieweit diese äußeren Umstände die Testierenden beeinflusst haben, hat das Landgericht jedoch nicht festgestellt. Insbesondere für die Frage, welche Verfügungen wechselbezüglich und damit für den überlebenden Ehegatten bindend sein sollten, lässt sich aus dem zeitgeschichtlichen Hintergrund allein nichts herleiten. Es ist für die Frage der Wechselbezüglichkeit einzelner Verfügungen ohne Belang, ob die Ehegatten die ausführlichen Ersatzerbenbestimmungen deshalb getroffen haben, weil sie wegen des Krieges mit dem vorzeitigen Ableben der zunächst Bedachten rechneten, oder ob sie es aus anderen Erwägungen heraus für sinnvoll ansahen, auch für den Wegfall mehrerer Schlusserben eine Regelung zu treffen.

d) Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich jedoch im Ergebnis als zutreffend. Da weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind, kann der Senat die letztwillige Verfügung selbst auslegen. Die Auslegung des Testaments führt zu dem Ergebnis, dass die Ersatzerbeneinsetzung der Abkömmlinge des Bruders des Ehemannes weder mit der Erbeinsetzung der Ehefrau noch mit der Ersatzerbeneinsetzung von deren entferntem Verwandten durch den Ehemann wechselbezüglich ist.

aa) In Ziffer 1 der letztwilligen Verfügung vom 26.8.1943 setzen sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen zu Schlusserben die "etwa noch aus der Ehe hervorgehenden Kinder". Insoweit handelt es sich um ein typisches "Berliner Testament" im Sinne des § 2269 Abs. 1 BGB. Aus der Formulierung der Schlusserbeneinsetzung kann entnommen werden, dass die Ehegatten es für unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich ausgeschlossen halten, noch gemeinsame Kinder zu bekommen.

Unter Ziffer 2 des Testaments bestimmen die Ehegatten Ersatzschlusserben (§ 2096 BGB) für den für sie nahe liegenden Fall, dass aus der Ehe keine Kinder mehr hervorgehen. Hier halten sie zunächst fest, dass die Mutter der Ehefrau das Immobilienvermögen erhalten soll, da dieser Vermögensteil aus der Familie der Ehefrau stammt. Bar- und Wertpapiervermögen soll dagegen zu gleichen Teilen auf die Mutter des Ehemannes und die Mutter der Ehefrau aufgeteilt werden.

Das lässt zunächst erkennen, dass die Ehegatten die der Ehefrau gehörende Immobilie als einen gewichtigen Vermögensgegenstand angesehen haben. Des weiteren zeigt diese Regelung, dass nach dem übereinstimmenden Willen beider Ehegatten dieses aus der Familie der Ehefrau stammende Vermögen nach dem Tod des Längerlebenden auch an diese zurückfallen soll, sofern zu diesem Zeitpunkt noch die Mutter der Ehefrau als einzige nahe Verwandte lebt. Schließlich ergibt sich daraus, dass die Testierenden ihr bewegliches Vermögen gleichmäßig auf ihre Mütter als die jeweils nächsten Verwandten aufteilen wollen, sofern diese beim Tod des Überlebenden noch am Leben sind. Dabei ist ihnen ersichtlich die Herkunft dieses Vermögensteils - im Gegensatz zum Immobilienvermögen - nicht besonderes wichtig; die Herkunft des Bar- und Wertpapiervermögens wird im Testament nicht einmal erwähnt, geschweige denn als Begründung für die Aufteilung herangezogen.

Nach dem Willen beider Ehegatten wäre demnach in dem Fall, dass beim Tod des Längerlebenden noch beide Mütter gelebt hätten, der wesentliche Teil des beiderseitigen Nachlasses - nämlich die Immobilien und die Hälfte des beweglichen Vermögens - an die Mutter der Ehefrau gefallen.

Erst für den Fall, das beim Tod des Überlebenden die beiden Mütter bereits verstorben sein sollten, wird der Bruder des Ehemannes als weiterer Ersatzschlusserbe bestimmt. Hier unterscheiden die Ehegatten nicht mehr zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen, sondern setzen den Bruder ohne Einschränkung zum Erben ein. Für den Fall, dass auch dieser beim Tod des überlebenden Ehegatten nicht mehr leben "und keinen leiblichen Erben haben" sollte, bestimmen die Ehegatten einen Verwandten der Ehefrau als Schlusserben, wobei sie ebenfalls keine Aufgliederung der Vermögensbestandteile vornehmen. Bei diesen Verfügungen ging es den Testierenden ersichtlich darum, einen Erben für das gesamte gemeinsame Vermögen zu bestimmen. Dagegen war ihnen hier - im Gegensatz zu dem Fall, dass ihre Mütter Schlusserben wären - nicht daran gelegen, für den gesamten Nachlass oder bestimmte Teile davon sicherzustellen, dass diese einer der beiden Familien endgültig zufallen sollten. Vielmehr haben die Erblasser die Ersatzschlusserben nacheinander aus beiden Familien auswählt mit der Folge, dass diese sich gegenseitig ausschließen. Damit haben es die Testierenden der nicht von ihnen zu beeinflussenden weiteren Entwicklung überlassen, welcher Familie der gemeinsame Nachlass letztlich zugute kommen würde. Sie selbst legten lediglich eine Rangfolge fest, in der die beiderseitigen Verwandten als Ersatzschlusserben zum Zuge kommen sollten.

bb) Aus dem gesamten Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments vom 26.8.1943 ergibt sich deshalb, dass die Erbeinsetzung der Ehefrau oder des C durch den Ehemann keineswegs mit der Einsetzung der damals noch nicht geborenen Abkömmlinge seines Bruders stehen und fallen sollte: Beiden Ehegatten war bewusst, dass das unbewegliche Vermögen aus der Familie der Ehefrau stammte und an deren nächste Verwandte, nämlich die Mutter, zurückfallen sollte, falls diese den Schlusserbfall erlebte. Darüber hinaus sollte in diesem Fall auch die Hälfte des beweglichen Vermögens beider Ehegatten an die Mutter der Ehefrau fallen. Der Mutter des Ehemannes und damit dessen Familie sollte in diesem Fall nur die Hälfte des beweglichen Vermögens der Ehegatten zukommen. Schon diese Regelung zeigt, dass der Ehemann seine Ehefrau nicht nur deshalb als seine Alleinerbin eingesetzt hat, weil im Gegenzug sichergestellt wurde, dass nach deren Ableben wiederum seine Verwandten das gemeinsame Vermögen erben würden. Vielmehr hat er seine Ehefrau in dem Bewusstsein als Erbin eingesetzt, dass seiner Familie nur die Hälfte des Barvermögens zugute kommen würde, sollte der Überlebende vor den beiden Müttern versterben. Es kann deshalb nicht angenommen werden, dass der Ehemann die Erblasserin an die Berufung noch nicht geborener Neffen oder Nichten als Ersatzschlusserben binden wollte.

Näher liegt vielmehr, dass die Testierenden nach dem Tod des Längerlebenden möglichst nicht gesetzliche Erbfolge eintreten lassen, sondern selbst einen Erben für den gesamten gemeinsamen Nachlass auszuwählen wollten, wobei es ihnen nicht darauf ankam, wer von den Genannten schließlich Erbe sein würde.

cc) Aus Umständen außerhalb der letztwilligen Verfügung ergibt sich nichts anderes. So kann entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeführer aus dem Verhalten der Erblasserin, die das Testament vom 26.8.1943 einerseits nicht aus der amtlichen Verwahrung zurückgenommen, es andererseits aber bei Errichtung ihres notariellen Testaments vom 23.9.1992 nicht ausdrücklich erwähnt hat, nichts für die Frage der Wechselbezüglichkeit einzelner Verfügungen abgeleitet werden.

Unerheblich für die Auslegung des Testaments vom 26.8.1943 ist auch, ob der Umgang zwischen den Ehegatten distanziert oder herzlich war, ob die Erblasserin die politische Einstellung ihres Mannes geteilt hat und weshalb die Ehe kinderlos blieb. Diese Umstände, die für die persönliche Beziehung der Ehegatten wichtig gewesen sein mögen, treten angesichts der Tatsache, dass sich die Ehegatten entschlossen haben, ein gemeinschaftliches Testament zu errichten, in den Hintergrund.

e) Nachdem die Auslegung der letztwilligen Verfügung ergibt, dass eine Wechselbezüglichkeit zwischen der Einsetzung der Erblasserin durch ihren Ehemann und die Ersatzschlusserbeneinsetzung der zur Zeit der Testamentserrichtung noch nicht geborenen Abkömmlinge des Bruders des Erblassers nicht gegeben ist, kommt die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB nicht zur Anwendung.

f) Allerdings leidet das landgerichtliche Verfahren an einem Mangel, auf dem die Entscheidung jedoch nicht beruht.

aa) Das Landgericht hat der Beteiligten zu 1 das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG; Art. 91 Abs. 1 BayVerf) nicht vollständig gewährt, da es den Schriftsatz vom 8.9.2004 bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hat. Aus dem durch die Verfassung garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör folgt, dass das Gericht die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis nehmen und erwägen muss, bevor es seine Entscheidung erlässt (vgl. BVerfE 63, 80/85 m.w.N.; BayObLGZ 1989, 116/122f.). Erlassen war hier der Beschluss des Beschwerdegerichts nicht schon damit, dass ihn die Richter am 14.9.2004 unterschrieben haben, sondern erst, als der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle am 21.9.2004 die für die Verfahrensbeteiligten bestimmten Ausfertigungen zur Aushändigung an die Post hinaus gegeben hat (vgl. BVerfG 63, 80/87; Keidel/ Schmidt FGG 15. Aufl. § 18 Rn. 3 m.w.N.). Der Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 ist am 9.9.2004 bei der Allgemeinen Einlaufstelle der Justizbehörden eingegangen und hätte noch berücksichtigt werden müssen, weil er in den Gerichtseinlauf gelangt ist, bevor die Entscheidung erlassen wurde. Auf ein Verschulden der beteiligten Justizangehörigen kommt es nicht an; es ist deshalb unerheblich, ob es aus organisatorischen Gründen der Beschwerdekammer überhaupt möglich war, den an das Nachlassgericht gerichteten und von diesem an das Landgericht weitergeleiteten Schriftsatz vor Erlass der Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen. Ebenso ist unerheblich, dass die mit Schriftsatz vom 8.9.2004 begründete Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 11.5.2004 bereits am 25.5.2004 eingelegt worden war.

bb) Auf dem Verfahrensmangel beruht die Entscheidung nicht. Soweit der Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 in vorsorglicher Erwiderung auf Vorbringen der Beteiligten zu 3 - 5 neuen Tatsachenvortrag enthält, bezieht sich dieser auf Umstände, die für die Auslegung des Testaments vom 26.8.1943 nicht erheblich sind. Soweit er Rechtsausführungen enthält, ist das versäumte Gehör in der Rechtsbeschwerdeinstanz nachholbar und nachgeholt worden.

3. Die Rechtsbeschwerdeführerinnen haben kraft Gesetzes die Gerichtskosten ihrer erfolglosen weiteren Beschwerde zu tragen. Die Anordnung der Kostenerstattung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO. Der Senat schätzt den maßgeblichen Reinnachlasswert entsprechend der Angaben der Erblasserin anlässlich der amtlichen Verwahrung des notariellen Testaments auf 210.000 EUR.

Ende der Entscheidung

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