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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 16.09.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 108/02
Rechtsgebiete: BNotO, BeurkG


Vorschriften:

BNotO § 15
BeurkG § 53
Der Notar hat eine ihm von beiden Parteien erteilte Weisung über den Vollzug der Urkunde auch dann zu beachten, wenn sich eine Partei später auf die Unwirksamkeit der Weisung beruft.
Gründe:

I.

Am 3.8.1995 schlossen die Beteiligten zu 1 und 2 (Käufer) mit den Beteiligten zu 3 und 4 (Verkäufer) einen notariellen Vertrag über den Erwerb einer Eigentumswohnung in einer noch zu erstellenden Wohnanlage. Der Vertrag enthält die Klausel: "Der beurkundende Notar wird angewiesen, diese Urkunde zum Zwecke der Eigentumsumschreibung dem Grundbuchamt erst dann vorzulegen, wenn ihm der Verkäufer bestätigt hat, dass sowohl der Kaufpreis samt etwaiger Zinsen, als auch die Mehrkosten für etwa durchgeführte Sonderwünsche gezahlt sind....". Diese Bestätigung wurde bisher nicht erteilt.

Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 11.3.2002 haben die Käufer beim Notar die Vorlage der Urkunde beim Grundbuchamt zur Eigentumsumschreibung beantragt. Sie tragen vor, dass sie einen Kaufpreis-Restbetrag in Höhe von 21875 DM wegen umfangreicher Gegenansprüche insbesondere aus Mängelhaftung einbehalten hätten. Die Urkunde müsse gleichwohl beim Grundbuchamt zum Vollzug eingereicht werden, da die Vertragsklausel, die den Vollzug der Urkunde ohne vorherige Zahlungsbestätigung des Verkäufers verbietet, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam sei.

Mit Bescheid vom 21.3.2002 hat der Notar die Einreichung der Urkunde zum Vollzug beim Grundbuchamt abgelehnt und den Käufern anheimgegeben, dagegen gemäß § 15 BNotO Beschwerde einzulegen. Die daraufhin von den Käufern eingelegte Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 10.7.2002 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Käufer.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 15 Abs. 2 BNotO, §§ 27, 29 FGG); die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1 und 2 folgt aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde. Das Rechtsmittel ist aber nicht begründet.

1. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Die Behauptung der Käufer, die fragliche Klausel sei wegen Verstoßes gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, könne vom Notar nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden. In der von den Käufern herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7.6.2001 werde nicht dargelegt, dass entsprechende Klauseln in Notarverträgen grundsätzlich nichtig seien, sondern lediglich, dass sie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Einzelfall deshalb als unwirksam anzusehen sei, weil der bisherige Eigentümer wegen seinermangelnden Vertragstreue keinen Schutz verdiene. Ob der vorliegende Fall auch so zu entscheiden sei, könne nur in einem Verfahren vor den ordentlichen Gerichten geprüft werden. Der Notar könne jedenfalls die Entscheidung darüber, ob die von ihm in die Urkunde aufgenommenen Willenserklärungen unwirksam seien, nicht treffen. Es bleibe daher bei dem Grundsatz, dass sich die Vertragspartei, die sich auf die Unwirksamkeit eines notariellen Vertrages beruft., eine der Urkunde entgegenstehende Rechtslage im Prozesswege geltend machen müsse.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNotO, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) im Ergebnis stand.

a) Zutreffend ist das Landgericht von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde ausgegangen (vgl. BayObLGZ 1998, 6/8 f.).

b) Beteiligte des Verfahrens sind hier die Parteien des notariellen Vertrages, nicht dagegen der Notar (vgl. BayObLG aaO; Schippel/Reithmann BNotO 7. Aufl. § 15 Rn. 72 f.). Das Landgericht hat der Beteiligtenstellung der Verkäufer - obgleich im Rubrum seiner Entscheidung zutreffend als Beschwerdegegner aufgeführt - nicht Rechnung getragen. Aus den Akten ist nicht ersichtlich, dass es den Beteiligten zu 3 und 4 die Beschwerdeschrift mitgeteilt oder sonst rechtliches Gehör gewährt hätte; nach Aktenlage hat es ihnen auch nicht seinen eigenen Beschluss zukommen lassen. Diese Verfahrensweise zwingt hier aber nicht zu einer Aufhebung und Zurückverweisung, da das Landgericht keine Entscheidung zum Nachteil der Beteiligten zu 3 und 4 getroffen hat.

c) Gerichtliche Entscheidungen nach § 15 BNotO haben ausschließlich darüber zu befinden, ob die - ggf. durch Vorbescheid angekündigte - Handlungsweise des Notars pflichtwidrig ist. Das ist hier zu verneinen.

aa) Nach § 53 BeurkG hat der Notar die Urkunde mit Vollzugsreife beim Grundbuchamt einzureichen, "es sei denn, dass alle Beteiligten etwas anderes verlangen". Ein solches übereinstimmendes Verlangen liegt hier vor. Zur Sicherung der Kaufpreiszahlung haben die Parteien den Notar angewiesen, die Urkunde erst nach vom Verkäufer auszustellender Bestätigung der Kaufpreiszahlung zum Vollzug einzureichen (vgl. zu derartigen Sicherungsklauseln Reithmann/Albrecht/Basty Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung 7. Aufl. Rn. 351 ff.; Reithmann Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte S. 187, 194 ff.). An diese Weisung ist der Notar gebunden (vgl. BGH DNotZ 1958, 29; 1983, 450; 1983, 509; 1987, 560; Keidel/Winkler Beurkundungsgesetz 14. Aufl. § 53 Rn. 20 m. w. N.). Rechtlich handelt es sich um einen besonderen Treuhandauftrag, den die Vertragsparteien dem Notar erteilt haben und den dieser angenommen hat (vgl. Schippel/Reithmann § 24 Rn. 29 ff.; Reithmann/Albrecht/Basty Rn. 355; Reithmann S. 196). Damit ist die gesetzlich normierte Amtspflicht zur Vollzugstätigkeit (§ 53 BeurkG) nach Maßgabe des Treuhandauftrags hinausgeschoben, dessen Beachtung seinerseits eine Amtspflicht des Notars darstellt (vgl. BGH DNotZ 1983, 509/511).

bb) Die Weigerung des Notars, die Urkunde zum gegenwärtigen Zeitpunkt beim Grundbuchamt einzureichen, entspricht der ihm von den Kaufvertragsparteien übereinstimmend erteilten Weisung und ist nicht zu beanstanden. Die im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit von Vorleistungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauträgers bestehenden Zweifel an der Wirksamkeit der dem Notar erteilten Weisung lassen deren Unwirksamkeit hier jedenfalls nicht offensichtlich erscheinen und berechtigen den Notar nicht, die Weisung auf einseitiges Verlangen der Käufer unbeachtet zu lassen.

(1) Der Rechtsbeschwerde ist allerdings einzuräumen, dass im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom (BGHZ 148, 85) erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Anweisungsklausel bestehen, sofern es sich um eine von den Verkäufern verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Der Bundesgerichtshof hat dort entschieden, dass die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauträgervertrages "Der amtierende Notar wird angewiesen, den Antrag auf Umschreibung des Eigentums erst dann zu stellen, wenn der in bar zu entrichtende Kaufpreis... voll gezahlt ist" den Klauselgegner hinsichtlich der Pflicht zur Vorleistung unangemessen benachteiligt und daher wegen eines Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam ist. Diese zum Leitsatz erhobene Aussage des Bundesgerichtshofs weist deutlich über den Einzelfall hinaus. Die Auffassung des Landgerichts, der Bundesgerichtshof habe die Klausel lediglich im entschiedenen Einzelfall als unwirksam angesehen, "weil der bisherige Eigentümer wegen seiner mangelnden Vertragstreue keinen Schutz verdiene", ist unzutreffend. Dieses Zitat bezieht sich im Urteil des Bundesgerichtshofs auf etwas ganz anderes; es dient als zusätzliche Begründung dafür, warum im dort entschiedenen Fall der Erwerber ausnahmsweise ohne einen dazu ermächtigenden Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft Schadensersatzansprüche wegen Mängel am Gemeinschaftseigentum und Minderung mit Zahlung an sich selbst geltend machen kann. Die zur Unwirksamkeit der Klausel getroffene Aussage des Urteils steht damit nicht im Zusammenhang. Insoweit führt der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf BGHZ 141, 108/114 aus, dass eine Vorleistungsverpflichtung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann wirksam ist, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, der auch bei der Abwägung mit den hierdurch für den Erwerber entstehenden Nachteilen Bestand hat.

(2) Diese vom Bundesgerichtshof vorgenommene Einschränkung, nach der eine Vorleistungsverpflichtung auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein kann, zeigt jedoch, dass sich die Wirksamkeit einer derartigen Klausel nach den Gesamtumständen des konkreten Falles beurteilt. Schon aus diesem Grund ist die etwaige Unwirksamkeit der hier erteilten Weisung jedenfalls nicht offensichtlich. Etwaige - auch starke - Zweifel an der Wirksamkeit der ihm erteilten Weisung berechtigen den Notar nicht, entgegen dieser Weisung die Urkunde zum Vollzug einzureichen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Notar hier mit der Einreichung der Urkunde beim Grundbuchamt vollendete Tatsachen schaffen würde.

Diese Sachlage liegt auch bei der umgekehrten Fallkonstellation vor, wenn der Notar trotz Vollzugsreife und ohne entgegenstehende gemeinsame Weisung unter Hinweis auf die angebliche Unwirksamkeit des Vertrages (etwa wegen Anfechtung oder Sittenwidrigkeit) einseitig aufgefordert wird, von der Einreichung abzusehen. Selbst dann - wenn es einer Partei darum geht, vollendete Tatsachen im Grundbuch gerade zu verhindern - wird eine Berechtigung des Notars, entsprechend dem einseitigen Verlangen einer Partei von der Einreichung abzusehen, nur in Ausnahmefällen und unter ganz besonderen Umständen angenommen, etwa bei offensichtlicher Unwirksamkeit des Vertrag es oder wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass durch den Vollzug der Urkunde das Grundbuch unrichtig werden würde (vgl. BayObLGZ 1998, 6/9; Köln OLGZ 1990, 397/401; Hamm OLGZ 1994, 495/497; Keidel/Winkler § 53 BeurkG Rn. 24 ff., 34 ff. m. w. N.). Wird schon in der vorgenannten Fallkonstellation ein strenger Maßstab angelegt, so muss das erst recht in einem Fall wie dem vorliegenden gelten, in dem die einseitige Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Vertragsklausel nicht der Verhinderung, sondern im Gegenteil der Schaffung vollendeter Tatsachen im Grundbuch dient. Hier darf der Notar, von Ausnahmefällen offensichtlicher Unwirksamkeit abgesehen, grundsätzlich keine eigene Entscheidung über die Unwirksamkeit der Klausel treffen. Den Käufern, deren Rechtsposition durch eine Eigentumsvormerkung im Grundbuch gesichert ist, bleibt es unbenommen, die Unwirksamkeit der Klausel im ordentlichen Zivilverfahren geltend zu machen.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da sich aus der Kostenordnung ergibt, wer die Gerichtskosten zu tragen hat. Die Anordnung einer Kostenerstattung (§ 13a Abs. 1 Satz 2 FGG) konnte unterbleiben, da die Beteiligten zu 3 und 4 im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht hervorgetreten sind. Als Anhaltspunkt für das Interesse der Rechtsbeschwerdeführer, ohne Zahlungsbestätigung der Verkäufer die Einreichung der Urkunde beim Grundbuchamt zu erreichen, kann der einbehaltene Restkaufpreis dienen (21875 DM); dementsprechend setzt der Senat den Geschäftswert der weiteren Beschwerde auf 11184 EUR fest (§ 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO).

Ende der Entscheidung

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