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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: 1Z BR 115/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2346
Ein Erbverzicht wirkt nur zwischen den Vertragspartnern und bezieht sich ausschließlich auf den Erbfall, der durch den Tod der Person eintritt, mit welcher der Verzichtende den Vertrag geschlossen hat. Somit ist nicht die Möglichkeit eröffnet, einen allgemeinen Verzichtsvertrag mit dem Inhalt zu schließen, dass der Verzichtende auch in allen weiteren Erbfällen, die in Bezug zu dem Vertragspartner stehen, ausgeschlossen sein soll.
Gründe:

I.

Der Erblasser ist zwischen dem 28.11.2002 und dem 1.12.2002 im Alter von 51 Jahren verstorben. Er war unverheiratet und hatte keine Abkömmlinge. Eine von dem Erblasser getroffene Verfügung von Todes wegen liegt nicht vor.

Aus der Ehe der vorverstorbenen Eltern des Erblassers ist neben dem Erblasser als weiterer Abkömmling der Beteiligte zu 1 hervorgegangen. Der Vater des Erblassers hatte außer dem Beteiligten zu 1 und dem Erblasser noch einen weiteren Abkömmling, den außerhalb der Ehe am 14.1.1950 geborenen Beteiligten zu 2. Mit notariellem Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 26.9.1980 hat der Beteiligte zu 2 gegenüber seinem Vater auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet.

Der Beteiligte zu 2 ist der Auffassung, der gegenüber seinem Vater erklärte Erb- und Pflichtteilsverzicht erstrecke sich nicht auf den durch den Tod des Erblassers, seines Bruders, eingetretenen Erbfall, und beantragte die Erteilung eines Erbscheins, wonach der Erblasser auf Grund gesetzlicher Erbfolge von dem Beteiligten zu 1 zu 3/4 und von dem Beteiligten zu 2 zu 1/4 beerbt worden ist. Der Beteiligte zu 1 ist dem mit dem Vorbringen entgegengetreten, der Erbverzicht vom 26.9.1980 wirke auch gegenüber dem Erblasser, da es der Wille des vorverstorbenen Vaters und des Beteiligten zu 2 gewesen sei, dass mit der notariellen Urkunde vom 26.9.1980 und der dort vereinbarten Zahlung an den Beteiligten zu 2 "alles erledigt sein sollte".

Das Nachlassgericht stellte mit Vorbescheid vom 26.1.2004 die Erteilung eines Erbscheins gemäß dem Antrag des Beteiligten zu 2 in Aussicht. Gegen diesen Vorbescheid legte der Beteiligte zu 1 Beschwerde ein.

Die Beschwerdekammer erholte Stellungnahmen des Notars, der den Erb- und Pflichtteilsverzicht vom 26.9.1980 beurkundet hat. Mit Beschluss vom 17.8.2004 wies das Landgericht die Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurück. Der Senat hob diese Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers mit Beschluss vom 11.10.2004 auf.

Das Beschwerdegericht hat nach Behebung des Mangels die Beschwerde des Beteiligten zu 1 mit Beschluss vom 24.11.2004 erneut zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine weitere Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Erblasser sei mangels letztwilliger Verfügung von Todes wegen nach dem Gesetz beerbt worden. Da er nicht verheiratet war und keine Abkömmlinge hinterlassen habe, seien die Eltern und deren Abkömmlinge als Erben berufen. Nachdem die Eltern vorverstorben seien, gehe der hälftige Erbanteil der Mutter des Erblassers auf deren einzigen Abkömmling, den Beteiligten zu 1, über. Der Erbteil des Vaters gehe zu gleichen Teilen an die Beteiligten zu 1 und zu 2 als dessen Söhne. Somit sei der Beteiligte zu 1 insgesamt zu drei Viertel, der Beteiligte zu 2 zu ein Viertel als Erbe berufen.

Eine Änderung dieser Erbfolge bewirke auch nicht der Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 26.9.1980. Ein Erbverzicht wirke nur zwischen den Vertragspartnern und beziehe sich nur auf den Erbfall des Vertragspartners. Der Erblasser sei nicht Vertragspartner des Erbverzichtsvertrags vom 26.9.1980 gewesen. Ein Verzichtsvertrag, der über den Vertragspartner hinauswirke, sei dem deutschen Recht fremd. Ferner sei der Beteiligte zu 2 auch nicht unter Berücksichtigung der Vorschriften über den vorzeitigen Erbausgleich als Erbe nach seinem Halbbruder ausgeschlossen. Die Voraussetzungen für die Annahme eines vertraglich gewollten vorzeitigen Erbausgleichs lägen ersichtlich nicht vor. Auch komme eine Umdeutung in einen Erbverzichtsvertrag nicht in Betracht. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass der Erblasser den Beteiligten zu 2 durch Testament hätte ausschließen können, dies aber nicht erfolgt sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Der Erblasser ist gesetzlich von dem Beteiligten zu 1 zu drei Vierteln und dem Beteiligten zu 2 zu einem Viertel beerbt worden. Nachdem der Erblasser weder verheiratet war noch Abkömmlinge hinterlassen und eine letztwillige Verfügung nicht errichtet hat, sind ausschließlich die gesetzlichen Erben zweiter Ordnung zur Nachfolge berufen. Dies sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1925 Abs. 1 BGB). Nachdem die beiden Elternteile des Erblassers vorverstorben sind, treten an die Stelle des Vaters und der Mutter die jeweiligen Abkömmlinge (§ 1925 Abs. 3 Satz 1 BGB). Dabei bedarf es der gesonderten Betrachtung der mütterlichen und der väterlichen Linie (vgl. Palandt/Edenhofer BGB 64. Aufl. § 1925 Rn. 4). Die Abkömmlinge der einzelnen Elternteile erben nach den für die Beerbung in der ersten Ordnung geltenden Vorschriften (§ 1925 Abs. 3 Satz 1 BGB i.V.m. § 1924 Abs. 1 und Abs. 4 BGB). Einziger zu berücksichtigender Abkömmling in der Linie der Mutter ist der Beteiligte zu 1. Er ist somit nach seinem Bruder zur Hälfte als Erbe berufen. In der Linie des Vaters des Erblassers sind die beiden Beteiligten als Söhne zu berücksichtigen. Nach § 1925 Abs. 3 Satz 1 BGB i.V.m. § 1924 Abs. 4 BGB sind die beiden Halbbrüder je zu einem Viertel berufen. Sonach ist der Erblasser von dem Beteiligten zu 1 zu drei Vierteln und von dem Beteiligten zu 2 zu einem Viertel beerbt worden.

b) Dem vom Beteiligten zu 2 am 26.9.1980 unterzeichneten Erbverzicht kann in dem hier zu prüfenden Erbgang keine Verzichtswirkung nach § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB beigemessen werden. Zu Recht hat das Beschwerdegericht ausgeführt, dass der Erbverzicht nur zwischen den Vertragspartnern wirkt. Es ist herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass sich ein Erbverzicht immer nur und ausschließlich auf den Erbfall bezieht, der durch den Tod derjenigen Person eintritt, mit welcher der Verzichtende den Vertrag geschlossen hat (OLG Frankfurt FamRZ 1995, 1450/1451; Erman/Schlüter BGB 11. Aufl. § 2346 Rn. 2; MünchKomm BGB/Strobel 4. Aufl. § 2346 Rn. 9; Palandt/Edenhofer Überbl. v. § 2346 Rn. 3; Soergel/Damrau BGB 13. Aufl. § 2346 Rn. 9; Staudinger/Schotten BGB Bearbeitung 2004 § 2346 Rn. 26). Somit ist nicht die Möglichkeit eröffnet, einen allgemeinen Verzichtsvertrag mit dem Inhalt zu schließen, dass der Verzichtende auch in allen weiteren Erbfällen, die in Bezug zu dem Vertragspartner stehen, ausgeschlossen sein soll (vgl. MünchKomm BGB/ Strobel aaO; Soergel/Damrau aaO; Staudinger/Schotten aaO). Unabhängig davon, dass die vom Beteiligten zu 1 begehrte Wirkung des Verzichtsvertrags vom 26.9.1980 von Rechts wegen ausscheidet, gäbe schon der vertragliche Wortlaut einen über den Vertragspartner hinausreichenden Verzichtswillen nicht her.

Nicht durchdringen kann die weitere Beschwerde auch mit ihrer Auffassung, dass der Vater für seine beiden ehelichen Söhne die Verzichtserklärung des Beteiligten zu 2 für die weiteren Erbfälle entgegengenommen habe. Hierfür fehlt es schon an Anknüpfungstatsachen in der Vertragsurkunde selbst, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vater nicht nur für seine Person den Erbverzicht des Beteiligten zu 2 entgegennehmen, sondern auch als Vertreter für den Erblasser und den Beteiligten zu 1 einen rein verpflichtend wirkenden Vertrag über den gesetzlichen Erbteil künftiger gesetzlicher Erben gemäß § 311b Abs. 5 Satz 1 BGB abschließen wollte.

c) Zuletzt schließt auch die Bestimmung des § 1934e BGB a.F., die auf den vorliegenden Fall noch Anwendung finden würde (vgl. Art. 227 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB), den Beteiligten zu 2 nicht von der gesetzlichen Erbfolge nach seinem Halbbruder aus. Dies wäre nur anzunehmen, wenn in der Vereinbarung vom 26.9.1980 zwischen dem Vater und dem Beteiligten zu 2 eine wirksame Regelung über den vorzeitigen Erbausgleich gesehen werden könnte. Hierfür fehlen, worauf das Landgericht zu Recht hingewiesen hat, jedoch jegliche Anhaltspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art.

3. Wer die Gerichtskosten zu tragen hat, ergibt sich unmittelbar aus der Kostenordnung; hierzu bedarf es keiner Entscheidung. Die Anordnung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

4. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO. Er bemisst sich an dem Interesse des Beteiligten zu 1 an dem Erfolg seiner Beschwerde. Dies ist ein Viertel des zu verteilenden Erbes.

Ende der Entscheidung

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