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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 13.11.2000
Aktenzeichen: 1Z BR 134/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2077
BGB § 2279
BGB § 2347
BGB § 2351
Zur Frage, wie ein Erbverzichtsaufhebungsvertrag auszulegen ist, wenn der Betreuer für den vielleicht geschäftsunfähigen Erblassers Erklärungen abgab.
BayObLG Beschluss

LG Traunstein 4 T 4599/98; AG Mühldorf VI 300/98

1Z BR 134/99

13.11.00

Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Kenklies und Seifried am 13. November 2000 in der Nachlaßsache

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 16. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1 hat den Beteiligten zu 2 und.3 die ihnen im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 290000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der im Alter von 48 Jahren verstorbene Erblasser stand seit 3.12.1993 unter Betreuung, nachdem er einen Schlaganfall erlitten hatte und dadurch ein hirnorganisches Psychosyndrom entstanden war. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind seine Töchter aus seiner ersten 1990 geschiedenen Ehe. Die Beteiligte zu 1 ist seine zweite Ehefrau, die er am 21.5.1993 geheiratet hatte.

Mit seiner ersten Ehefrau schloß der Erblasser am 26.10.1984 einen notariell beurkundeten Erbvertrag, mit dem die Eheleute ihre beiden Töchter, die Beteiligten zu 2 und 3, zu ihren Erben zu gleichen Teilen einsetzten, "und zwar gleichgültig, ob es sich um den ersten oder zweiten bei ihnen eintretenden Sterbefall handelt". Für den Fall seines Vorversterbens vermachte der Erblasser seiner damaligen Ehefrau den gesamten ehelichen Hausrat, die Wohnungseinrichtung und ein Wohnungsrecht am Familienheim. Diese Verfügungen, heißt es in der Urkunde weiter, "sollen ausdrücklich unter die erbvertragliche Bindungswirkung fallen und damit einseitig unwiderruflich sein. Ein Anfechtungsrecht des Erblassers oder eines Dritten wird ausdrücklich ausgeschlossen, soweit es § 2079 BGB betrifft".

Nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau errichtete der Erblasser am 12.4.1991 ein notariell beurkundetes Testament. In diesem versicherte er, nicht durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament gebunden zu sein, und setzte seine Töchter, die Beteiligten zu 2 und 3, zu seinen Erben nach gleichen Anteilen ein. Die Beteiligte zu 3 beschwerte er mit einem Vermächtnis zugunsten seiner späteren zweiten Ehefrau; diese sollte den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an dem Hausgrundstück erhalten, das gemäß einer Teilungsanordnung die Beteiligte zu 3 bekommen sollte. Ferner ordnete er für den Fall, dass die 1984 geborene Beteiligte zu 3 zum Zeitpunkt des Erbfalls noch minderjährig sein sollte, Testamentsvollstreckung an und schloß die Verwaltung der Zuwendung durch die Mutter aus.

Am 30.6.1993 schloß er mit der Beteiligten zu 1 einen notariell beurkundeten Ehevertrag. Darin vereinbarten die Eheleute Gütertrennung, gegenseitigen Unterhaltsverzicht und gegenseitigen Erbverzicht; das gesetzliche Pflichtteilsrecht sollte jedoch bestehen bleiben.

Am 5.5.1994 beurkundete der Notar einen "Nachtrag zum Ehevertrag vom 30.6.1993... mit Aufhebung des gegenseitigen Erbverzichts". Neben dem Erblasser und der Beteiligten zu 1 war der Betreuer des Erblassers anwesend, "hier handelnd für Herrn... (den Erblasser), vorbehaltlich seiner späteren Genehmigung, sobald (er) durch das Amtsgericht M. als Betreuer in allen persönlichen Angelegenheiten für Herrn... (den Erblasser) bestellt ist und vorbehaltlich der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung durch das Amtsgericht M.". Mit diesem Nachtrag wurde der Ehevertrag vom 30.6.1993 in folgender Weise geändert:

"Im gegenseitigen Einvernehmen heben hiermit Herr... (Erblasser) und Frau... (Beteiligte zu 1) den in der Vorurkunde unter Ziffer IV abgeschlossenen gegenseitigen Erbverzicht vollinhaltlich und vorbehaltlos auf, mit der Folge, dass das Ehegattenerbrecht gemäß § 1931 BGB wieder in Kraft gesetzt wird, nicht aber das Ehegattenerbrecht nach § 1371 BGB, da es bei der vereinbarten Gütertrennung verbleiben soll...."

Der Notar wurde - unter Nr. IV der Urkunde - beauftragt, "die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung durch das Amtsgericht M. einzuholen, sobald das Amtsgericht M. den neuen Betreuerausweis in der erweiterten Form an... (den Betreuer) ausgehändigt hat und sobald... (der Betreuer) die Nachgenehmigung zu diesem Vertrag in notarieller Form unterschrieben hat ...". Der Betreuer war mit Beschluss vom 3.12.1993 für "die mit der Kiesgrube zusammenhängenden geschäftlichen Angelegenheiten" bestellt worden. Mit Beschluss vom 12.12.1994 wurde sein Aufgabenkreis erweitert auf die "Vertretung bei der Abänderung des Ehevertrages vom 30.6.1993". Am 29.3.1995 genehmigte er den Nachtrag vom 5.5.1994. Seine Erklärungen wurden durch Beschluss vom 7.7.1995 vormundschaftsgerichtlich genehmigt.

Die Beteiligte zu 1 beansprucht (neben den Beteiligten zu 2 und 3) Miterbin zu 1/3 geworden zu sein; sie hat einen entsprechenden Erbscheinsantrag gestellt. Sie stützt ihr Erbrecht auf den Nachtrag vom 5.5.1994, den sie als "eine erbvertragliche Regelung der Erbeinsetzung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen" versteht. "Durch den Erbvertrag vom 5.5.1994" sei die - widersprechende - Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 und 3 im Testament vom 12.4.1991 aufgehoben worden. Der Erbvertrag vom 26.10.1984 mit der ersten Ehefrau sei aufgrund der Scheidung der Ehe ungültig.

Das Nachlassgericht wies mit Beschluss vom 6.10.1998 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurück. Es führte aus, die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 und 3 durch den Erbvertrag vom 26.10.1984 sei durch die Scheidung der Ehe der vertragsschließenden Parteien nicht unwirksam geworden, weil anzunehmen sei, dass der Erblasser sie auch für diesen Fall getroffen, haben würde. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Testament vom 12.4.1991, mit dem der Erblasser seine beiden Töchter aus erster Ehe - nach der Scheidung - erneut zu seinen Erben eingesetzt habe, ferner aus dem Ehevertrag vom 30.6.1993, in dem die Erbeinsetzung der beiden Töchter aus erster Ehe ebenfalls nicht angetastet worden sei. Damit sei der Erblasser gehindert gewesen, anderweitig von Todes wegen zu verfügen.

Mit ihrer Beschwerde gegen diesen Beschluss machte die Beteiligte zu 1 ergänzend geltend, dass der Erbvertrag vom 26.10.1984 doch zumindest deshalb nach § 2298 Abs. 1 BGB insgesamt unwirksam sei, weil jedenfalls die Vermächtnisanordnung zugunsten der ersten Ehefrau durch die Eheauflösung unwirksam geworden sei. Die Beteiligten zu 2 und 3 traten der Beschwerde entgegen und wandten sich insbesondere gegen die Auffassung der Beteiligten zu 1, in der Wiederherstellung des gesetzlichen Ehegattenerbrechts durch den Ehevertragsnachtrag vom 5.5.1994 liege zugleich eine erbvertragliche Erbeinsetzung.

Mit Beschluss vom 16.6.1999 wies das Landgericht die Beschwerde zurück.

Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1 durch ihre Verfahrensbevollmächtigten weitere Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Erbscheinsantrag weiterverfolgt.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde (§ 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4, § 20 FGG) hat keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts ist zwar nicht frei von Rechtsfehlern. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 ist aber im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen worden (§ 27 Abs. 1 FGG, § 563 ZPO).

1. Das Landgericht hielt es nicht für möglich, aus dem Umstand, dass der Erblasser ein Jahr nach seiner Scheidung mit Testament vom 12.4.1991 erneut seine beiden Töchter zu seinen Erben einsetzte, den Schluß zu ziehen, er hätte die Erbeinsetzung im Erbvertrag vom 26.10.1984 auch für den Fall der Scheidung getroffen. Vielmehr lasse dieser Umstand darauf schließen, dass er selbst nicht von der Fortgeltung des Erbvertrags vom 26.10.1984 ausgegangen sei. Dann aber sei es nicht naheliegend, aus dem Testament vom 12.4.1991 retrospektiv den Schluß zu ziehen, der Erblasser habe bereits bei Abschluß des Erbvertrages vom 26.10.1984 die darin getroffene Erbeinsetzung auch für den etwaigen Fall einer späteren Scheidung gewollt. Maßgebend sei deshalb nicht der Erbvertrag vom 26.10.1984, sondern das notarielle Testament vom 12.4.1991, durch das die Beteiligten zu 2 und 3 zu Erben nach gleichen Anteilen bestimmt worden seien. Dieses Testament sei vom Erblasser durch den Nachtrag vom 5.5.1994 zum Ehevertrag vom 30.6.1993 nicht wirksam widerrufen worden. Ein wirksamer Widerruf des Testaments vom 12.4.1991 hätte nach §§ 2064, 2274 BGB ein persönliches Handeln des Erblassers vorausgesetzt. Bei Abschluß des Nachtrags vom 5.5.1994 sei der Erblasser aber vertreten worden. Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung möge der Aufhebung des gegenseitigen Erbverzichts aus dem Vertrag vom 30.6.1993 zur Wirksamkeit verholfen haben. Sie könne aber nichts daran ändern, dass eine das Testament vom 12.4.1991 aufhebende letztwillige Verfügung nicht wirksam habe getroffen werden können, da der Erblasser am 5.5.1994 nicht persönlich gehandelt habe.

Die weitere Beschwerde bringt dagegen vor, der Nachtrag vom 5.5.1994 - den sie als "Erbvertrag" bezeichnet und wertet sei vom Erblasser persönlich vereinbart und unterzeichnet worden. Wie aus der Urkunde hervorgehe, sei der Erblasser persönlich anwesend gewesen. In der Urkunde sei weiter ausdrücklich vermerkt, dass "die Erschienenen bei gleichzeitiger Anwesenheit mündlich erklärten, was folgt". Daraus ergebe sich, dass alle Erschienenen, auch der Erblasser persönlich, an der Beurkundung teilgenommen und die beurkundeten Erklärungen abgegeben hätten. Allerdings enthalte die Urkunde irrtümlich den Vermerk, der - ebenfalls erschienene - Betreuer des Erblassers handle für diesen. Unter Nr. IV sei aber von einer "Nachgenehmigung" des Vertrages durch den Betreuer die Rede. Daraus gehe eindeutig hervor, dass der Betreuer gerade nicht für den Erblasser aufgetreten sei; andernfalls mache die "Nachgenehmigung" des durch den Erblasser persönlich abgeschlossenen Erbvertrages keinen Sinn.

Die Beteiligten zu 2 und 3 meinen dagegen, soweit Formulierungen darauf hindeuteten, dass auch der Erblasser persönlich Erklärungen abgegeben habe, handle es sich um Sätze aus einer Mustervorlage des Notars, die auf die konkreten Gegebenheiten nicht angepaßt worden seien.

2. Beide Vorinstanzen gehen von der Prämisse aus, dass der Nachtrag vom 5.5.1994 eine letztwillige Verfügung, nämlich eine Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 im Umfang des gesetzlichen Erbrechts, enthalte, wie die Beteiligte zu 1 geltend macht. Beide Vorinstanzen halten eine solche letztwillige Verfügung für unwirksam, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Das Nachlassgericht argumentiert, der Erblasser sei infolge der Bindungswirkung des Erbvertrages vom 26.10.1984 gehindert gewesen, anderweitig von Todes wegen zu verfügen. Das Landgericht meint, er habe eine letztwillige Verfügung nur persönlich treffen können, habe aber nicht persönlich gehandelt.

Die - ohne nähere Erläuterung getroffene - Feststellung des Landgerichts, der Erblasser habe bei Abschluß des Nachtrags vom 5.5.1994 nicht persönlich gehandelt, hätte einer Begründung bedurft, da nach dem Wortlaut der Urkunde auch der Erblasser persönlich bei der Beurkundung anwesend war und auch selbst die ihm zugeschriebenen vertraglichen Erklärungen abgab. Schon mangels einer solchen Begründung ist sie rechtsfehlerhaft (§ 25 FGG).

In der Urkunde ist unter Nr. I bis III nur jeweils von "Herr. A.B." (Erblasser) und "Frau L.B." (Beteiligte zu 1) die Rede. Insbesondere unter Nr. 2 II heißt es: "Im gegenseitigen Einvernehmen heben hiermit Herr A. und Frau L.B. den in der Vorurkunde unter Ziffer IV abgeschlossenen gegenseitigen Erbverzicht vollinhaltlich und vorbehaltlos auf... Aus dem Eingangssatz: "Auf Ersuchen der Erschienenen beurkunde ich nachfolgenden Nachtrag zum Ehevertrag vom 30.6.1993, wozu mir die Erschienenen bei gleichzeitiger Anwesenheit mündlich erklärten, was folgt", ergibt sich, dass auch der Betreuer, "hier handelnd für Herrn A.B." (den Erblasser), dieselben Erklärungen abgab, wie dieser.

Die Formulierungen der Urkunde, wonach die maßgeblichen Erklärungen dem Erblasser und seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 1, zugeschrieben werden, der Betreuer aber die dem Erblasser zugeschriebenen Erklärungen ebenfalls abgab, können nicht - wie die Beteiligten zu 2 und 3 meinen - als der besonderen Situation nicht angepaßte Standardformulierungen aus einer Mustervorlage erklärt werden. Der Notar hat vielmehr ersichtlich bewußt den Aufhebungsvertrag sowohl durch den Erblasser selbst als auch durch dessen Betreuer schließen lassen, wie in der Literatur für den Fall empfohlen wird, dass der Erblasser unter Betreuung steht und Zweifel bestehen, ob er geschäftsfähig ist, wie hier (Staudinger/Schotten BGB 13. Bearb. § 2351 Rn. 11). Die bei sonstigen Rechtsgeschäften bestehende Möglichkeit, dass statt des Betreuten der Betreuer kraft der ihm zustehenden Vertretungsmacht die Willenserklärung für den Betreuten abgibt, scheidet beim Erbverzicht und beim Erbverzichtsaufhebungsvertrag auf der Seite des Erblassers aus, da der Erblasser diese Verträge nach § 2347 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz BGB (i.V.m. § 2351 BGB) nur persönlich schließen kann, wenn er nicht geschäftsunfähig ist. Nur wenn er geschäftsunfähig ist, darf und muß sein gesetzlicher Vertreter für ihn handeln (§ 2347 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 2351 BGB). Die Konsequenz der gesetzlichen Regelung ist, dass ein von einem Betreuer im Rahmen seines Aufgabenkreises für den Erblasser geschlossener Erbverzichts- oder Erbverzichtsaufhebungsvertrag nur dann wirksam ist, wenn der Betreute wirklich geschäftsunfähig ist. Die Rechtswirksamkeit seines Handelns steht und fällt mit der Geschäftsunfähigkeit bzw. Geschäftsfähigkeit des Betreuten (Staudinger/Schotten § 2347 Rn. 31, § 2351 Rn. 11). Steht nicht zweifelsfrei fest, ob der Erblasser geschäftsunfähig oder geschäftsfähig ist, empfiehlt es sich daher, dass sowohl der Betreuer als auch der Betreute den Erbverzichts- oder Erbverzichtsaufhebungsvertrag schließen (Staudinger/Schotten aaO). Es ist davon auszugehen, dass hier sowohl der Erblasser persönlich als auch sein Betreuer die erforderlichen Erklärungen entsprechend dieser Empfehlung abgegeben haben.

Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war allerdings der Betreuer nach seinem Aufgabenkreis noch nicht berechtigt, den Erblasser zu vertreten (§ 1902 BGB). Zu seinem Aufgabenkreis gehörte damals nur die Vertretung des Erblassers in den "mit der Kiesgrube zusammenhängenden geschäftlichen Angelegenheiten" (wie sich aus dem Beschluss über die Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers vom 12.12.1994, Anlage zur Urkunde vom 5.5.1994, ergibt). Er gab seine Erklärungen für den Erblasser daher als Vertreter ohne Vertretungsmacht ab, in der Absicht, sie nach Erlangung der (gesetzlichen) Vertretungsmacht - durch Erweiterung seines Aufgabenkreises - zu genehmigen (§ 177 Abs. 1 BGB; vgl. Staudinger/Bienwald § 1902 Rn. 59); denn auch der Vertreter ohne Vertretungsmacht selbst kann genehmigen, wenn er nachträglich Vertretungsmacht erlangt (Palandt/Heinrichs BGB 59. Aufl. SS 177, 178 Rn. 6). Deswegen sollte der beurkundende Notar die nach § 2347 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 2351 BGB erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erst einholen, "sobald das Amtsgericht M. den neuen Betreuerausweis in der erweiterten Form an Herrn ... (den Betreuer) ausgehändigt hat und sobald Herr... (der Betreuer) die Nachgenehmigung zu diesem Vertrag in notarieller Form unterschrieben hat". Die "Nachgenehmigung" konnte sich dabei nur auf seine eigenen Erklärungen als vollmachtloser Vertreter beziehen; denn die Erklärungen des Erblassers waren, falls er geschäftsunfähig war - und nur für diesen Fall konnte und mußte der Betreuer für ihn handeln nichtig und nicht genehmigungsfähig (§ 105 Abs. 1 BGB).

Unter diesen Umständen ist die Feststellung des Landgerichts nicht haltbar, der Erblasser habe nicht persönlich gehandelt. Wenn es gemeint haben sollte, dass die persönlichen Erklärungen des Erblassers wegen dessen Geschäftsunfähigkeit unwirksam gewesen seien (§ 104 Nr. 2, § 105 Abs. 1 BGB) und allein die Erklärungen des Betreuers - vorbehaltlich späterer "Nachgenehmigung" nach Erweiterung des Aufgabenkreises auf die Vertretung des Erblassers bei der Aufhebung des Erbverzichts und der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht - wirksam sein konnten, so hätte es weiter der Feststellung bedurft, dass der Erblasser am 5.5.1994 tatsächlich geschäftsunfähig war. Eine solche Feststellung enthält der landgerichtliche Beschluss jedoch nicht.

3. Im Ergebnis erweist sich die Zurückweisung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 1 gleichwohl als zutreffend. Die Prämisse, dass der Nachtrag vom 5.5.1994, wie von der Beteiligten zu 1 geltend gemacht, eine letztwillige Verfügung zu ihren Gunsten enthalte, trifft nämlich nicht zu. Der Senat kann den Nachtrag vom 5.5.1994 selbst auslegen, da die Vorinstanzen die Auslegung nicht vorgenommen haben und weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind (vgl. BGHZ.109, 19/22; 121, 284/289; BayObLG FamRZ 1996, 760/762).

a) Im Nachtrag vom 5.5.1994 zum Ehevertrag vom 30.6.1993 hat der Erblasser mit der Beteiligten zu 1 lediglich die Aufhebung ihres Erbverzichts vereinbart, nicht ihre Einsetzung als Erbin.

aa) Die durch den Nachtrag vom 5.5.1994 vorgenommene "Änderung" des Ehevertrags vom 30.6.1993 besteht nach seinem Wortlaut darin, dass der "in der Urkunde (vom 30.6.1993) unter Ziffer IV abgeschlossene gegenseitige Erbverzicht vollinhaltlich und vorbehaltlos" wieder aufgehoben wird, "mit der Folge, dass das Ehegattenerbrecht gemäß § 1931 BGB wieder in Kraft gesetzt wird, nicht aber das Ehegattenerbrecht nach § 1371 BGB, da es bei der vereinbarten Gütertrennung verbleiben soll". Dem entspricht die Bezeichnung der Urkunde als "Nachtrag zum Ehevertrag vom 30.6.1993... mit Aufhebung des gegenseitigen Erbverzichts". Es handelte sich also nach dem Wortlaut der Urkunde - von dem bei der Auslegung auszugehen ist (BGH NJW 1998, 2966; NJW 1994, 188/189) - um einen Vertrag im Sinne von § 2351 BGB, durch den der im Ehevertrag vom 30.6.1993 unter Nr. IV vereinbarte gegenseitige Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht am Nachlaß des jeweils anderen Ehegatten wieder aufgehoben wurde.

bb) Vorausgesetzt, der Vertrag hatte keine andere als die aus seinem Wortlaut erkennbare Bedeutung, so hatte sein Abschluß (nur) die Wirkung, dass das beiderseitige gesetzliche Ehegattenerbrecht gemäß § 1931 BGB wieder in Kraft trat. Der Verzichtende erhält durch den Erbverzichtsaufhebungsvertrag (nur) die Rechtsstellung wieder, die er ohne den Erbverzicht hatte (BGHZ 77, 264/269; Staudinger/Schotten § 2346 Rn. 100; Palandt/Edenhofer Rn. 3; MünchKomm/Strobel BGB 3. Aufl. Rn. 4 jeweils zu § 2351). Die Beteiligte zu 1 hätte also, falls gesetzliche Erbfolge eingetreten wäre, wieder (Mit-)Erbin werden können. Die gesetzliche Erbfolge tritt aber nur ein, wenn sie der Erblasser nicht in Ausübung seiner Testierfreiheit durch eine rechtsgültige Verfügung von Todes wegen anderweit geregelt hat (Palandt/Edenhofer § 1922 Rn. 1). Ist die Erbfolge durch eine letztwillige Verfügung jedoch anderweit geregelt, wie hier, führt die Aufhebung eines Verzichts auf das gesetzliche Erbrecht selbstverständlich nicht dazu, dass gesetzliche Erbfolge eintritt und der-(vormalige) Verzichtende im Erbfall gesetzlicher Erbe wird; er ist und bleibt vielmehr durch die Verfügung von Todes wegen - nicht durch den aufgehobenen Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht - von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen (BGHZ 77, 264/270; Palandt/Edenhofer § 2351 Rn. 3).

cc) Andererseits ergibt sich aus dem Schreiben des Betreuers vom 24.2.1994 an den den Nachtrag vom 5.5.1994 beurkundenden Notar, dass der Erblasser beabsichtigte, der Beteiligten zu 1 - abweichend von einem "handschriftlichen Testament", mit dem "seine beiden Töchter... als Haupterbinnen eingesetzt sind" - die Stellung einer (Mit-)Erbin zu verschaffen. Deswegen meint die Beteiligte zu 1, die Erklärungen bei der Beurkundung vom 5.5.1994 müßten so verstanden werden, dass sie das beabsichtigte Ziel auch herbeiführen konnten, nämlich im Sinne ihrer erbvertraglichen Erbeinsetzung zu 1/3 (§ 1931 Abs. 4 BGB).

Es kann dahinstehen, ob in dieser Weise aus der Interessenlage der Beteiligten auf ihren Willen geschlossen werden könnte; denn die Interessenlage der Beteiligten war komplizierter, als sie die Beteiligte zu 1 darstellt. Der Erblasser hatte einen Schlaganfall erlitten, der zu einer "ausgeprägten Wesensänderung" und einem "deutlichen hirnorganischen Psychosyndrom in Sinne eines dementiellen Abbauprozesses" geführt hatte. Es mußte daher zumindest befürchtet werden, dass der Erblasser nicht mehr geschäfts- und testierfähig war. Dann aber war es sehr zweifelhaft, ob das Ziel, der Beteiligten zu 1 die Stellung einer (Mit-)Erbin zu verschaffen, durch eine Verfügung von Todes wegen - eine Änderung des Testaments vom 12.4.1991 - erreicht werden konnte. Die Errichtung einer neuen letztwilligen Verfügung hätte der Erblasser nur persönlich vornehmen können; er hätte dabei testierfähig sein müssen (§§ 2064, 2274, 2229 Abs. 4 BGB). War seine Testierunfähigkeit wahrscheinlicher als seine Testierfähigkeit, so war es auf der Hand liegend sinnvoll, eine Änderung der Erbrechtslage durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden herbeizuführen, bei denen der Erblasser vertreten werden konnte. Mit dem Erbverzichtsaufhebungsvertrag allein konnte das angestrebte Ziel freilich noch nicht erreicht werden; wohl aber hätte es zusammen mit einem teilweisen Zuwendungsverzicht der Beteiligten zu 2 und 3 erreicht werden können. Bei allen diesen Rechtsgeschäften konnte der Erblasser vertreten werden (§ 2347 Abs. 2 Satz 2, §§ 2351, 2352 Satz 2 und 3 BGB). Auch durch Anfechtung des Testaments vom 12.4.1991 (§§ 2079, 2080 Abs. 3, § 2082 BGB) hätte die Aufhebung des Erbverzichts Bedeutung erlangen können.

Bei dieser Sachlage ist es mit dem sich aus dem Schreiben des Betreuers vom 24.2.1994 ergebenden Ziel, der Beteiligten zu 1 die Stellung einer (Mit-)Erbin zu verschaffen, durchaus vereinbar, dass - zunächst - ein Erbverzichtsaufhebungsvertrag geschlossen wurde. War der Erblasser testierunfähig, war dies der einzig rechtlich noch gangbare Weg. Der Abschluß eines Erbverzichtsaufhebungsvertrages stellt sich somit nicht als eine die gewollte Abänderung des Testaments vom 12.4.1991 verdeckende Rechtsform dar, sondern als Ergebnis einer bewußten Wahl zwischen zwei möglichen Alternativen, die maßgeblich durch erhebliche Zweifel an der Geschäfts- und Testierfähigkeit des Erblassers motiviert war. Hierfür spricht auch, dass der Notar die Eheleute im Anschluß an ihre Erklärung über die gesetzliche Erbfolge belehrt hat (vgl. Abschn. III der notariellen Urkunde vom 5.5.1994).

Deswegen kommt eine den Wortlaut beiseite setzende Auslegung des Erbverzichtsaufhebungsvertrages im Sinne eines Erbvertrags, in dem der Erblasser die Beteiligte zu 1 im Umfang des gesetzlichen Erbrechts zur Erbin eingesetzt hätte, nicht in Betracht.

b) Da der Nachtrag vom 5.5.1994 somit keine Verfügung von Todes wegen enthält, kann für die Entscheidung über den Beschwerdegegenstand dahinstehen, ob die gesetzliche Erbfolge durch das Testament vom 12.4.1991 oder den Erbvertrag vom 26.10.1984 ausgeschlossen ist; denn nach beiden Verfügungen von Todes wegen sind die Beteiligten zu 2 und 3 die alleinigen Erben. Für den Antrag des früheren Betreuers, ihm gemäß dem Testament vom 12.4.1991 ein Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen, über den das Nachlassgericht noch zu entscheiden haben wird, kommt es aber auf diese Frage an.

Der Senat gibt daher folgende Hinweise: Allein aus dem Umstand, dass der Erblasser ein Jahr nach der Scheidung ein Testament errichtete, in dem er (wiederum) die beiden Töchter aus der geschiedenen Ehe zu Erben einsetzte, lässt sich weder der Schluß ziehen, der Erblasser sei selbst nicht von einer Fortgeltung der Erbeinsetzung der Töchter durch den Erbvertrag vom 26.10.1984 ausgegangen, noch der weitere Schluß, er habe die Erbeinsetzung der Töchter im Erbvertrag vom 26.10.1984 nicht auch für den Fall der Scheidung treffen wollen.

Nach § 2279 Abs. 2 BGB gelten die Vorschriften des § 2077 BGB für einen Erbvertrag zwischen Ehegatten auch insoweit, als ein Dritter bedacht ist, wie hier. Nach dieser Auslegungsregel (BGH FamRZ 1960, 28/29; BayObLG FamRZ 1997, 123/124 f.; Staudinger/Otte Rn. 4; MünchKomm/Leipold Rn. 15 jeweils zu, § 2077) ist die letztwillige Verfügung des Erblassers in dem Erbvertrag mit seiner geschiedenen ersten Ehefrau infolge der Auflösung der Ehe unwirksam geworden (§ 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für diesen Fall getroffen haben würde (§ 2077 Abs. 3 BGB).

Der Erbvertrag vom 26.10.1984 enthält keine ausdrückliche Regelung, ob die Erbeinsetzung auch für den Fall der Ehescheidung gelten solle oder nicht. Ihm sind auch keine Indizien für den wirklichen Willen des Erblassers in dieser Hinsicht zu entnehmen. Die Frage kann daher nur nach dem hypothetischen Willen des Erblassers entschieden werden (vgl. BGH aaO; BayObLGZ 1993, 240/246; OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 941; Staudinger/Otte Rn. 20; MünchKomm/Leipold Rn. 16 und 17 jeweils zu § 2077). Wegen der Unsicherheit dieser Beurteilung (Mayer ZEV 1997, 280; Reimann ZEV 1995, 329/330) wird in der Literatur dem Erblasser geraten, in einem solchen Fall ausdrücklich neu zu testieren (Staudinger/Kanzleiter § 2279 Rn. 16; Mayer aaO S. 281). Der Erblasser kann - möglicherweise aufgrund einer Beratung durch den Notar - dieser Empfehlung gefolgt sein, unabhängig davon, ob er selbst die Erbeinsetzung im Erbvertrag vom 26.10.1984 für unwirksam hielt oder nicht.

Wenn er ihn für unwirksam gehalten hätte, ließe sich daraus zwar mittelbar auf seinen hypothetischen Willen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beurkundung des Erbvertrags (BGH aaO; BayObLGZ 1993, 240/246; Staudinger/Otte Rn. 22; MünchKomm/Leipold Rn. 17 jeweils zu § 2077) schließen. Dieser Schluß würde aber fragwürdig, wenn der Erblasser tatsächlich, wie das Nachlassgericht annahm, in seinem Testament vom 12.4.1991 nur die im Erbvertrag vom 26.10.1984 getroffene Erbeinsetzung wiederholt und bekräftigt hätte.

Dies ist aber tatsächlich nicht der Fall. Das Nachlassgericht hat nicht berücksichtigt, dass der Erblasser im Testament vom 12.4.1991 eine abweichende Vermächtnisanordnung zugunsten nun nicht mehr seiner geschiedenen Ehefrau, sondern seiner (damaligen) Lebensgefährtin und späteren Ehefrau, ferner eine Teilungsanordnung getroffen hat, die im Erbvertrag vom 26.10.1984 kein Vorbild hatte, und auch Testamentsvollstreckung bis zum vollendeten 25. Lebensjahr der beiden Töchter angeordnet hat. Er hat damit in dem Testamen t Verfügungen von Todes wegen getroffen, die das Recht der Töchter aus dem Erbvertrag vom 26.10.1984 beeinträchtigen würden (vgl. § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB; Palandt/Edenhofer BGB 59. Aufl. § 2289 Rn. 8 und 9). Stellt sich die Regelung des Testamente aber nicht nur als Wiederholung und Bekräftigung der Regelung des Erbvertrags dar, sondern als neue und abweichende, auf die Scheidung reagierende Regelung, dann ist der Schluß, den das Nachlassgericht gezogen hat, nicht gerechtfertigt; vielmehr liegt der gegenteilige Schluß näher. Davon abgesehen müsste der hypothetische Wille des Erblassers darauf gerichtet gewesen sein, die Regelung auch für den Fall der Scheidung der Ehe gerade in der erbvertraglichen, ihn bindenden Form zu treffen (vgl. OLG Hamm FamRZ 1994, 9 94/996). Es ist ein Unterschied, ob eine bestimmte Regelung kraft einseitiger - jederzeit abänderbarer - Verfügung von Todes wegen besteht oder aber kraft - für die Zukunft grundsätzlich bindenden - Erbvertrags, zumal dann, wenn, wie hier, in diesem zudem das Anfechtungsrecht aus § 2079 BGB ausgeschlossen wird. Die Lebenserfahrung spricht nicht dafür, dass der Ausschluß des Anfechtungsrechts nach § 2079 BGB (vgl. hierzu BGH NJW 1983, 2247/2249; Bengel DNotZ11984, 132) auch für den Fall einer Scheidung - und einer dann möglichen Wiederverheiratung, gewollt war.

4. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist nicht veranlaßt, da sich aus der Kostenordnung unmittelbar ergibt, wer diese zu tragen hat.

Die Erstattungsanordnung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

5. Die Festsetzung des Geschäftswerts gemäß § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2 KostO beruht auf den Werten, die im landgerichtlichen Verfahren zugrundegelegt wurden.

Ende der Entscheidung

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