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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.12.1999
Aktenzeichen: 1Z BR 137/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2088 Abs. 2
BGB § 2089
BGB § 2357 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerisches Oberstes Landesgericht BESCHLUSS

1Z BR 137/99 LG München II - 6 T 2723/99 AG Ebersberg VI 695/95

im richterlichen Auftrag:

Die Entscheidung darf nur so verwertet werden, daß die Beteiligten nicht erkennbar sind!

Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vizepräsidenten Gummer sowie der Richter Kenklies und Seifried

am 28. Dezember 1999

in der Nachlaßsache

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 14 bis 16 werden der Beschluß des Landgerichts München II vom 16. Juli 1999 mit Ausnahme der Ziff. III (Geschäftswertfestsetzung) und der Beschluß des Amtsgerichts Ebersberg - Nachlaßgericht - vom 29. März 1999 aufgehoben.

II. Das Amtsgericht Ebersberg - Nachlaßgericht - wird angewiesen, den Beteiligten zu 14 bis 16 folgenden gemeinschaftlichen Teilerbschein zu erteilen:

Die am 16. November 1995 verstorbene Erblasserin ist aufgrund Testaments von

1. Beteiligter zu 14 zu 1,365/100

2. Beteiligte zu 15 zu 1,455/100

3. Beteiligte zu 16 zu 1,455/100

beerbt worden.

III. Im übrigen wird die Sache zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Amtsgericht Ebersberg - Nachlaßgericht - zurückverwiesen.

IV. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 37.400 festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Erblasserin starb am 16.11.1995 im Alter von 82 Jahren. Sie war verwitwet und kinderlos. Ihre gesetzlichen Erben sind die Beteiligten zu 1 bis 4. Mit ihrem vorverstorbenen Ehemann errichtete sie am 15.1.1992 privatschriftlich ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und bestimmten, daß die nachfolgenden Verfügungen auch über den Tod des überlebenden Ehegatten hinaus gelten sollten. Nr. 3 des Testaments beginnt mit folgenden Worten: "Es sollen aus unserem Nachlaß erhalten:

In Nr. 3.1 bis 3.8 werden genau bezeichnete Depotguthaben, Aktien und sonstige Wertpapiere in einer Größenordnung von mehr als DM 1,2 Mio. sowie drei Grundstücke im Gesamtwert von DM 2,2 Mio. unter den Beteiligten zu 6 bis 16 im einzelnen verteilt. In Nr. 3.7 ist für das dort genannte Grundstück in G. im Wert von ca. DM 1,2 Mio. der Name des Begünstigten offengelassen. Unter Nr. 3.9 enthielt das Testament verschiedene Sachvermächtnisse. Gemäß 3.10 des Testaments ist verfügt: "Von vorhandenem Bargeld sollen erhalten:" die Beteiligten 2, 5 und 17 bis 19. Außer diesen Nachlaßgegenständen war beim Tod der Erblasserin ein im Testament nicht erwähntes Restvermögen von DM 671.000,-- (Geldvermögen in Höhe von DM 511,375,-- sowie eine Eigentumswohnung in P. mit einem Verkehrswert von DM 160.000,--) vorhanden.

Am 17.6.1996 erteilte das Nachlaßgericht einen Erbschein zugunsten der Beteiligten zu 1 bis 4 als gesetzliche Erben der Erblasserin. Die Beteiligte zu 5 beantragte die Einziehung des Erbscheins als unrichtig. Diesen Antrag wies das Nachlaßgericht zurück. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 5 hob das Landgericht den Beschluß des Nachlaßgerichts auf und wies es an, den Erbschein als unrichtig einzuziehen. Die hiergegen eingelegte weitere Beschwerde wies der Senat mit Beschluß vom 19.3.1998 zurück. Er bestätigte die Auffassung des Landgerichts, daß es sich bei den Verfügungen im Testament unter 3.1 bis 3.6 und 3.8 um Erbeinsetzungen handelt und kam zum Ergebnis, daß die letztwilligen Verfügungen unter 3.9 und 3.10 als Vermächtnisse anzusehen sind, während hinsichtlich des Bruchteils, der auf den Wert des Grundstücks in G. entfällt, gesetzliche Erbfolge eingetreten ist.

Mit Beschluß vom 18.6.1998 hat das Nachlaßgericht den Erbschein vom 17.6.1996 eingezogen; die Beteiligten zu 1 bis 4 haben ihn zurückgegeben. Am 29.4.1998 haben die Beteiligten zu 14 bis 16 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der den Beteiligten zu 14 als Miterben zu 1,415 % sowie die Beteiligten zu 15 und 16 zu je 1,51 %, hilfsweise zu 1,365 % bzw. zu je 1,455 %, ausweisen solle. Die Beteiligten zu 1 bis 4 haben am 29.9.1998 einen Erbscheinsantrag gestellt, nach dem sie Miterben zu 16,14 % (Beteiligte zu 1), 8,07 % (Beteiligte zu 2) und je 4,04 % (Beteiligte zu 3 und 4) geworden seien.

Das Nachlaßgericht hat den Wert des gesamten Aktivnachlasses mit DM 5.794.860,-- ermittelt und die Erbquote der gemäß Nrn. 3.1 bis 3.8 des Testaments eingesetzten Erben nach dem Verhältnis der Werte der zugedachten Vermögensteile zum Gesamtwert des Aktivnachlasses festgestellt und dabei den Beteiligten zu 1 bis 4 das Grundstück in G. sowie das weitere im Testament nicht erwähnte Vermögen zugeordnet. Mit Beschluß vom 29.3.1999 bewilligte es die Erteilung eines Erbscheins entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 1 bis 4. Darin werden für den Beteiligten zu 14 ein Miterbenanteil von 1,21 % sowie für die Beteiligten zu 15 und 16 von je 1,29 bescheinigt. Den weitergehenden Antrag der Beteiligten zu 14 bis 16 hat das Nachlaßgericht zurückgewiesen.

Hiergegen haben die Beteiligten zu 14 bis 16 Beschwerde eingelegt. Sie sind der Auffassung, daß hinsichtlich des unverteilten Restvermögens von DM 671.000,-- (Geldvermögen und Eigentumswohnung in P.) nicht gesetzliche Erbfolge eingetreten sei, vielmehr sei dieses im Verhältnis des wertes der ausdrücklich zugewendeten Vermögensteile unter den testamentarischen, hilfsweise unter allen Miterben zu verteilen, was zur Erhöhung der Erbquoten führe. Mit Beschluß vom 16.7.1999 hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beteiligten zu 14 bis 16 mit der weiteren Beschwerde.

II.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie richtet sich gegen den Beschluß des Nachlaßgerichtes vom 29.3.1999, mit dem die Erteilung eines Erbscheins entsprechend den Anträgen der Beteiligten zu 1 bis 4 angeordnet wurde; dieser wurde noch nicht ausgehändigt (vgl. Palandt/Edenhofer BGB 59. Aufl. § 2361 Rn. 1). Zugleich streben die Rechtsbeschwerdeführer die Erteilung eines Erbscheins gemäß ihrem Antrag an.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Beteiligten seien zu den vom Nachlaßgericht festgesetzten Quoten Miterben geworden. Die Erblasserin und ihr Ehemann hätten zwar über ihr Vermögen als Ganzes verfügen wollen und nur hinsichtlich des im Testament aufgeführten Grundstückes in G. keinen Begünstigten bestimmt; insoweit sei gesetzliche Erbfolge gemäß § 2088 Abs. 2 BGB eingetreten. Dies gelte auch für das nicht verteilte Restvermögen in Höhe von DM 671.000,--. Die Erblasser hätten nicht für jeden Vermögensteil einen Begünstigten eingesetzt und damit zu erkennen gegeben, daß sowohl testamentarische als auch gesetzliche Erbfolge zum Zuge kommen solle. Damit scheide eine Erhöhung der Bruchteile gemäß § 2089 BGB aus, weil nach dem Erblasserwillen die eingesetzten Erben nicht die alleinigen Erben unter Ausschluß der gesetzlichen Erbfolge sein sollten. Da kein eindeutiger Erblasserwille hinsichtlich des nicht erwähnten Restvermögens feststellbar sei, trete auch insoweit gesetzliche Erbfolge gemäß § 2088 Abs. 2 BGB und nicht etwa die Erhöhung der Erbanteile ein.

3. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts und die vorausgehende Entscheidung des Nachlaßgerichts halten der, rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand. Das Landgericht hat die Senatsentscheidung vom 19.3.1998, in der für einen im Testament ausdrücklich benannten und daher der Quote nach festgelegten Erbteil gesetzliche Erbfolge festgestellt worden ist, zu Unrecht auf das unbenannte Restvermögen übertragen. Darauf beruht die angefochtene Entscheidung; sie erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 563 ZPO) und ist deshalb aufzuheben. Auch die Entscheidung des Nachlaßgerichts, die auf dem gleichen Rechtsfehler beruht, ist aufzuheben.

a) Zutreffend sind allerdings die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Ehegatten im Testament vom 15.1.1992 über ihr Vermögen als Ganzes verfügt haben und die Beteiligten zu 6 bis 16 zu ihren gewillkürten Erben und die Beteiligten zu 1 bis 4 als ihre gesetzlichen Erben gemäß § 2088 Abs. 2 BGB zu jeweils dem Bruchteil eingesetzt haben, der sich aus dem Wertverhältnis der ihnen jeweils zugedachten Vermögensgegenstände zum Gesamtwert des von den Erblassern bezeichneten Vermögens ergibt. Dies entspricht der Auffassung des Senats in seinem Beschluß vom 19.3.1998, auf den insoweit Bezug genommen wird.

b) Mit dieser Auslegung des Testaments vom 15.1.1992 läßt sich nicht vereinbaren, daß das Landgericht für das im Testament nicht angeführte Restvermögen gesetzliche Erbfolge angenommen hat. Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt insoweit weder ein Fall des § 2088 Abs. 2 BGB noch ein Fall des § 2089 BGB vor. Beide Vorschriften setzen voraus, daß der Erblasser Erben auf Bruchteile eingesetzt hat und die Addition der Bruchteile nicht die gesamte Erbfolge erfaßt. Nur dann ist durch Auslegung des Testaments zu ermitteln, ob gemäß § 2088 Abs. 2 BGB bezüglich des offenen Bruchteils gesetzliche Erbfolge oder gemäß § 2089 BGB die verhältnismäßige Erhöhung der Bruchteile der eingesetzten Erben unter Ausschluß der gesetzlichen Erbfolge eintritt. Diese Frage stellt sich im vorliegenden Fall jedoch nicht, weil die Erblasser über ihre gesamte Erbschaft verfügt haben und Miterben zu Bruchteilen durch Zuwendung bestimmter Vermögensgegenstände eingesetzt haben, ohne einen Bruchteil offenzulassen. Durch die ausdrückliche Benennung des Grundstückes in G. haben die Erblasser auch über den auf dieses Grundstück entfallenden Bruchteil an der Erbschaft bestimmt, wie der Senat bereits im Beschluß vom 19.3.1998 ausgeführt hat.

c) Die Erblasser haben sämtliche Erbteile durch Zuordnung (§ 2048 BGB) bestimmter Gegenstände zu wertentsprechenden Bruchteilen bestimmt, ohne im Gegensatz dazu das (zum Teil möglicherweise erst später erworbene) Restvermögen (Eigentumswohnung in P. und Anlagevermögen im Gesamtwert von DM 671.375,--) im Testament anzuführen. Deshalb fehlt dort ein Anknüpfungspunkt dafür, daß die Erblasser einen den Wert des nicht benannten Restvermögens entsprechenden Erbteil einrichten wollten. Vielmehr fällt das nicht genannte Restvermögen mangels eines abweichenden Willens der Erblasser in den Nachlaß, an dem die Beteiligten zu 1 bis 4 und 6 bis 16 zu den Anteilen beteiligt sind, die sich aus den Wertverhältnissen der ihnen angefallenen Nachlaßgegenstände richten (vgl. BayObLG NJWE-FER 1999, 156/158). Eine Erhöhung der Erbanteile ist damit nicht verbunden.

4. Der vom Nachlaßgericht ermittelte Wert des Reinnachlasses in Höhe von DM 5.794.860,-- steht unter den Beteiligten ebenso außer Streit wie der Wert der den Miterben jeweils zugeordneten Nachlaßgegenstände und der Wert des im Testament, nicht erwähnten Restvermögens in Höhe von DM 671.375,--. Alle Miterben haben das Erbe angenommen. Danach sind die Erbquoten nach dem Wertverhältnis festzulegen, das zwischen den im Testament bezeichneten Vermögensteilen zu ihrem Gesamtwert ohne Berücksichtigung des im Testament nicht erwähnten Vermögens besteht. Der Nachlaßwert ohne das unbenannte Restvermögen beträgt (gerundet) DM 5.123.483,--. Auf der Grundlage des Wertes der ihnen zugeordneten Vermögensgegenstände sind die Beteiligten zu folgenden Bruchteilen Miterben geworden:

1. Beteiligte zu 1 (DM 600.000,--) 11,71 %

2. Beteiligter zu 2 (DM 300.000,--) 5,85 %

3. Beteiligte zu 3 (DM 150.000,--) 2,93

4. Beteiligte zu 4 (DM 150.000,--) 2,93 %

6. Beteiligte zu 6 (DM 965.585,--) 18,85 %

7. Beteiligte zu 7 (DM 273.419,--) 5,34 %

8. Beteiligte zu 8 (DM 98.395,--) 1,92 %

9. Beteiligter zu 9 (DM 98.395,--) 1,92 %

10. Beteiligter zu 10 (DM 98.395,--) 1,92 %

11. Beteiligter zu 11 (DM 1.500.000,--) 29,28 %

12. Beteiligter zu 12 (DM 600.000,--) 11,71 %

13. Beteiligte zu 13 (DM 70.000,--) 1,365

14. Beteiligter zu 14 (DM 70.000,--) 1,365

15. Beteiligte zu 15 (DM 74.647,--) 1,455

16. Beteiligte zu 16 (DM 74.647,--) 1,455

5. Die für die Beteiligten zu 14 bis 16 festgestellten Erbquoten entsprechen ihrem zulässigerweise (vgl. Palandt/Edenhofer § 2353 Rn. 11) und in der erforderlichen Form (§ 2357 Abs. 2, Abs. 3, § 2356 Abs. 3 BGB) gestellten Hilfsantrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Teilerbscheins. Das Nachlaßgericht ist daher anzuweisen, den von den Beteiligten zu 14 bis 16 beantragten Erbschein zu erteilen.

Im übrigen ist die Sache an das Nachlaßgericht zurückzuverweisen, das den Antrag der Beteiligten zu 1 bis 4 auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins neu zu behandeln und zu entscheiden hat. Dazu bedarf es noch der zutreffenden Angabe der Erbteile gemäß § 2357 Abs. 2 BGB.

6. Für eine Entscheidung über die Gerichtskosten besteht kein Anlaß; sie ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die Anordnung einer Kostenerstattung entspricht angesichts der schwierigen Rechtslage nicht der Billigkeit (§ 13a Abs. 1 Satz 1 FGG).

7. Den Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht auf DM 37.400,-- festgesetzt. Das Rechtsmittel ist darauf gerichtet, eine Erhöhung der Erbquoten um insgesamt 0,645 % des Reinnachlasses von rund DM 5,8 Mio. zu erhalten. Die Beteiligten zu 14 bis 16 verfolgen insoweit dasselbe Ziel. Ihre Rechtsmittel sind daher für den Geschäftswert als eine Beschwerde zu behandeln (BayObLGZ 1960, 62/65). Das gilt auch im Hinblick darauf, daß das Interesse der Rechtsmittelführer auf verschiedene Gegenstände (hier verschiedene einander ergänzende Erbteile) gerichtet ist.

Ende der Entscheidung

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