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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.03.2001
Aktenzeichen: 1Z BR 142/00
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1960
FGG § 19
FGG § 20 Abs. 1
Zur Frage der fehlerhafte Bestimmung des Beschwerdegegenstands.
Bayerisches Oberstes Landesgericht BESCHLUSS

Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Kenklies und Seifried

am 9. März 2001

in der Nachlaßsache

pp.

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4 gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 15. November 2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beschwerde des Beteiligten zu 4 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Miesbach vom 13. April 1999 zurückgewiesen wird.

II. Der Wert des Verfahrens der Beschwerde und des der weiteren Beschwerde wird jeweils auf DM 5.000,-- festgesetzt.

I.

Der am 28.3.1999 im Alter von 71 Jahren verstorbene Erblasser war verheiratet. Seine Ehefrau ist vorverstorben. Aus der Ehe stammen zwei Kinder, die Beteiligten zu 2 und 3.

Der Erblasser verfaßte am 15.12.1995 ein privatschriftliches Testament, in dem er die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin einsetzte und seine Ehefrau sowie die Beteiligten zu 2 und 3 mit Vermächtnissen bedachte. Außerdem ordnete er Testamentsvollstreckung an und bestimmte den Beteiligten zu 4 zum Testamentsvollstrecker. Dieser nahm nach Eröffnung des Testaments das Amt an; seinen Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses stellte das Nachlaßgericht zurück.

Der Beteiligte zu 2 erhob Einwendungen gegen die Gültigkeit des Testaments vom 15.12.1995 und trug vor, der Erblasser sei zu diesem Zeitpunkt wegen seiner Alkoholerkrankung nicht testierfähig gewesen. Das Nachlaßgericht holte das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen ein, der zu dem vorläufigen Ergebnis kam, der Erblasser sei bei Errichtung des Testaments vom 15.12.1995 "partiell testierunfähig" gewesen; eine abschließende Stellungnahme könne erst nach Vorlage weiterer Unterlagen abgegeben werden. Die endgültige Begutachtung steht noch aus.

Mit Beschluß vom 13.4.1999 ordnete das Nachlaßgericht zugunsten der unbekannten Erben des Erblassers Nachlaßpflegschaft an und bestellte den Beteiligten zu 5 zum Nachlaßpfleger.

Mit Schreiben vom 21.2.2000 legte der Beteiligte zu 4 gegen die Bestellung des Beteiligten zu 5 zum Nachlaßpfleger Beschwerde ein mit dem Antrag, diese Bestellung aufzuheben und ihn selbst zum Nachlaßpfleger zu bestellen. Als vom Erblasser berufener Testamentsvollstrecker hätte er zum Nachlaßpfleger berufen werden müssen; außerdem sei er mit der Tätigkeit des Beteiligten zu 5 als Nachlaßpfleger nicht zufrieden. Das Nachlaßgericht sah in dem Beschwerdeschreiben des Beteiligten zu 4 vom 21.2.2000 zum einen einen Antrag auf Entlassung des Beteiligten zu 5 aus dem Amt des Nachlaßpflegers wegen pflichtwidrigen Handelns, zum anderen eine Beschwerde gegen die Auswahl des Beteiligten zu 5 zum Nachlaßpfleger gemäß Beschluß vom 13.4.1999. Den Antrag auf Entlassung des Beteiligten zu 5 aus dem Amt des Nachlaßpflegers wies das Nachlaßgericht mit Beschluß vom 17.5.2000 zurück und belehrte den Beteiligten zu 4, daß ihm als potentiellem Testamentsvollstrecker kein Beschwerderecht gegen die Auswahl des Nachlaßpflegers zustehe. Der Beteiligte zu 4 beantragte mit Schreiben vom 6.10.2000, die Akten dem Landgericht zur Entscheidung über die Beschwerde gegen die Auswahl des Nachlaßpflegers vorzulegen.

Das Landgericht hat angenommen die Beschwerde des Beteiligten zu 4 richte sich gegen den Beschluß des Nachlaßgerichts vom 17.5.2000 und hat diese mit Beschluß vom 15.11.2000 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 4 zu Protokoll des Urkundsbeamten des Nachlaßgerichts weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die nicht fristgebundene und formgerecht eingelegte weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, § 21 Abs. 2 FGG, § 550 ZPO); die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 4 ergibt sich aus der Zurückweisung seiner Erstbeschwerde (§ 29 Abs. 4, § 20 Abs. 1 FGG; BayObLG NJW-RR 1994, 831; Bassenge/Herbst FGG 8. Aufl. § 27 Rn. 7). Das Rechtsmittel hat jedoch im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat den Beschluß des Nachlaßgerichts vom 17.5.2000 als Gegenstand der Beschwerde angesehen und diese für zulässig, aber unbegründet angesehen. Die Notwendigkeit, eine Nachlaßpflegschaft einzurichten, weil die Gültigkeit des Testaments des Erblassers vom 15.12.1995 und damit die Wirksamkeit der Einsetzung des Beteiligten zu 4 als Testamentsvollstrecker noch nicht feststehe, habe der Beteiligte zu 4 nicht in Abrede gestellt. Das Nachlaßgericht habe die Entlassung des Beteiligten zu 5 als Nachlaßpfleger aus zutreffenden Gründen abgelehnt. Was die Auswahl des Pflegers anbelange, habe das Amtsgericht sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt; ein Recht auf Bestellung eines bestimmten Pflegers bestehe nicht.

2. Die Entscheidung des Landgerichts ist von Rechtsfehlern beeinflußt (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

a) Das Landgericht hat eine Beschwerdeentscheidung über den Beschluß des Nachlaßgerichts vom 17.5.2000 erlassen, obwohl dieser nicht angefochten ist. Vielmehr wendet sich der Beteiligte zu 4 mit der Beschwerde vom 21.2.2000 gegen den Beschluß des Nachlaßgerichts vom 13.4.1999, mit dem Nachlaßpflegschaft angeordnet und der Beteiligte zu 5 als Nachlaßpfleger ausgewählt wurde.

Der Beteiligte zu 4 hat bereits am 21.2.2000 Beschwerde eingelegt. Darin hat er sich gegen die Bestellung des Beteiligten zu 5 zum Nachlaßpfleger gewandt, deren Aufhebung verlangt und beantragt, ihn zum Nachlaßpfleger zu bestellen. Über die beantragte Entlassung hat das Nachlaßgericht mit Beschluß vom 17.5.2000 entschieden und zutreffend ausgeführt, daß über die Beschwerde gegen die Auswahl des Beteiligten zu 5 zum Nachlaßpfleger das Landgericht zu entscheiden habe. Es hat den Beteiligten zu 4 ausdrücklich aufgefordert mitzuteilen, ob insoweit die Beschwerde aufrechterhalten und eine Weiterleitung der Akten an das Landgericht gewünscht werde. Der Beteiligte zu 4 hat gegen den Beschluß des Nachlaßgerichts vom 17.5.2000 kein Rechtsmittel eingelegt. Insbesondere ist ein solches nicht seinem Schreiben vom 6.10.2000 zu entnehmen. Dort bittet vielmehr der Beteiligte zu 4 in Anknüpfung an die Anfrage im Beschluß des Nachlaßgerichts vom 17.5.2000, die Akten zur Entscheidung über seine Beschwerde an das Landgericht zu geben. Nach dem Aktenvermerk des zuständigen Nachlaßrichters vom 27.10.2000 hat der Beteiligte zu 4 auf telefonische Rückfrage erklärt, er wolle, daß sein Schreiben vom 6.10.2000 als Beschwerde gegen die Auswahl des Nachlaßpflegers behandelt werde. Aufgrund dieser Erklärungen hat für das Beschwerdegericht kein Anlaß bestanden, über den im Beschluß des Nachlaßgerichts vom 17.5.2000 abgehandelten Verfahrensgegenstand (Entlassung des Nachlaßpflegers) zu befinden. Das Landgericht hat daher den Beschwerdegegenstand falsch bestimmt.

b) Gleichwohl ist eine Zurückverweisung des Verfahrens nicht notwendig. Da es weiterer Aufklärung nicht bedarf, kann der Senat abschließend entscheiden.

aa) Die Annahme des Landgerichts, der Beteiligte zu 4 habe die Notwendigkeit der angeordneten Nachlaßpflegschaft nicht in Abrede gestellt, begegnet im Hinblick auf das der Beschwerdeschrift vom 21.2.2000 entnehmbare Beschwerdeziel rechtlichen Zweifeln. Dieses ist nämlich darauf gerichtet, die Verwaltung des Nachlasses selbst in die Hand zu bekommen. Daraus ergibt sich, daß sich der Beteiligte zu 4 in der Sache auch gegen die Anordnung der Nachlaßpflegschaft wendet.

bb) Eine Beschwerde des Beteiligten zu 4 gegen die Anordnung der Nachlaßpflegschaft wäre, die wirksame Berufung zum Testamentsvollstrecker unterstellt, zwar zulässig (vgl. KG OLGZ 1973, 106/107), aber nicht begründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen angeführt, daß die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung des Erblassers vom 15.12.1995 ungewiß sei und nicht feststehe, ob die testamentarische Verfügung zugunsten der Beteiligten zu 1 zur Ausführung kommt oder gesetzliche Erbfolge zugunsten der Beteiligten zu 2 und 3 eintritt. Deswegen besteht ein Bedürfnis zur vorläufigen Sicherung des Nachlasses (§ 1960 Abs. 1 BGB). Dieses Bedürfnis ist nicht dadurch entfallen, daß der Erblasser den Beteiligten zu 4 zum Testamentsvollstrecker ernannt und ihm damit die Verwaltungsbefugnis über den Nachlaß (§ 2205 BGB) übertragen hat, weil die Wirksamkeit dieser letztwilligen Verfügung von der noch nicht abgeklärten Testierfähigkeit des Erblassers abhängt. Das Nachlaßgericht hat daher zu Recht die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlaßpflegschaft angenommen.

cc) Soweit der Beteiligte zu 4 die Auswahl des Beteiligten zu 5 zum Nachlaßpfleger beanstandet, ist seine Beschwerde unzulässig; selbst als Testamentsvollstrecker wäre er insoweit nicht beschwerdeberechtigt (KG OLG 40, 133; Palandt/Edenhofer BGB 60. Aufl. § 1960 Rn. 14; MünchKomm/Leipold BGB 3. Aufl. § 1960 Rn. 74). Im übrigen haben die Vorinstanzen zutreffend darauf hingewiesen, daß es nicht dem Erfordernis der Neutralität des Nachlaßpflegers entsprochen hätte, den vom Erblasser zum Testamentsvollstrecker bestimmten Beteiligten zu 4 zum Nachlaßpfleger auszuwählen, solange nicht über die Wirksamkeit des Testaments entschieden ist.

3. Eine Entscheidung im Kostenpunkt ist nicht veranlaßt. Der Geschäftswert des Verfahrens der Beschwerde und der weiteren Beschwerde bestimmt sich nach § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1, § 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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