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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 15.09.2003
Aktenzeichen: 1Z BR 15/03
Rechtsgebiete: PStG
Vorschriften:
PStG § 45 Abs. 2 |
Gründe:
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind in Deutschland lebende irakische Staatsangehörige. Die Beteiligte zu 1 ist als Flüchtling anerkannt. Der Beteiligte zu 2 hat keinen Flüchtlingsstatus, sondern ist lediglich im Besitz eines deutschen Ausweisersatzes mit Aufenthaltsbefugnis. Die Beteiligten geben an, miteinander verheiratet zu sein. Die von ihnen vorgelegte irakische Heiratsurkunde von 1987 hat der Standesbeamte nicht als Nachweis einer wirksamen Eheschließung anerkannt. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben zwei im Irak geborene Kinder. Ein drittes Kind wurde am 20.12.1999 in Nürnberg geboren.
Der Standesbeamte hat die Beurkundung der Geburt des dritten Kindes zunächst zurückgestellt. Er hat mit Vorlage vom 10.2.2000 dem Amtsgericht folgende Fragen gestellt:
1. Aus welchen Dokumenten ergibt sich die korrekte und vollständige Namensführung aller Beteiligten?
2. Ist die Eintragung der Namensführung in den Reiseausweisen der Mutter und der Kinder und in der Aufenthaltsgestattung des Vaters durch die Meldebehörde mit einer Angleichungserklärung vergleichbar und dies für den unterzeichnenden Standesbeamten bindend?
Mit Beschluss vom 10.3.2000 entschied das Amtsgericht, dass sich die korrekte und vollständige Namensführung der Beteiligten nicht aus den deutschen Reiseausweisen ergebe und eine Angleichungserklärung weiterhin möglich sei.
Gegen diesen Beschluss legte die Standesamtsaufsicht (Beteiligte zu 3) sofortige Beschwerde ein, da es sich um eine Problematik handele, die über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung habe. Sie beantragte zu erkennen:
1. Die korrekte und vollständige Namensführung ergibt sich nicht aus den deutschen Reiseausweisen bzw. dem Ausweisersatz.
2. Für die Abgabe einer Angleichungserklärung ist kein deutsches Personalstatut erforderlich.
3. Das Wegfallen von Namen ist im Wege der Angleichung zulässig.
4. Die Angleichungserklärungen können entweder bei einem Notar oder bei dem Standesbeamten abgegeben werden.
5. Im anstehenden Fall kann die Mutter den Namen O. ablegen und den Vornamen S. sowie den Familiennamen A. führen. Der Vater kann den Namen L. und den Familiennamen M. erklären, der Name Ab. könnte abgelegt werden.
Mit Beschluss vom 16.1.2003 wies das Landgericht Nürnberg-Fürth die sofortige Beschwerde zurück. Gegen diesen Beschluss legte die Beteiligte zu 3 sofortige weitere Beschwerde ein mit dem Ziel, eine obergerichtliche Klärung herbeizuführen und die Entscheidung des Landgerichts zu bestätigen. Zugleich legte sie eine beglaubigte Ablichtung aus dem Geburtenbuch vor. Daraus ergibt sich, dass die Geburt des Kindes am 21.7.2000 beurkundet und am 28.9.2000 ein Randvermerk betreffend die Eigennamen des Vaters eingetragen worden war.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 48, 49 PStG, § 29 FGG). Als Aufsichtsbehörde des Standesbeamten kann die Beteiligte zu 3 Rechtsmittel ohne Rücksicht darauf einlegen, ob sie beschwert ist (§ 49 Abs. 2 PStG). Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Verwerfung der Erstbeschwerde der Beteiligten zu 3 als unzulässig.
1. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 PStG kann der Standesbeamte in Zweifelsfällen von sich aus die Entscheidung des Amtsgerichts darüber herbeiführen, ob eine Amtshandlung vorzunehmen ist. Mit der Vorlage muss ein zulässiges Verfahrensziel, nämlich die Anordnung oder Ablehnung einer konkreten - noch nicht vollzogenen - Amtshandlung, erstrebt werden. Die Vorlage dient nicht der Klärung abstrakter, vom Fall losgelöster Rechtsfragen (vgl. BayObLG StAZ 1998, 284; Hepting/Gaaz PStG § 45 Rn. 54, 67). Es reicht auch nicht aus, dass irgendein Bezug zur Bearbeitung eines konkreten Vorgangs besteht oder bestanden hat. Die den Verfahrensgegenstand bildende Zweifelsfrage des Standesbeamten muss eine bestimmte, konkret zu benennende Amtshandlung betreffen, und ihre Beantwortung muss zur Entscheidung darüber, ob diese Amtshandlung vorzunehmen ist, erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn eine Entscheidung über die Amtshandlung nicht mehr zu treffen ist, weil sie bereits vollzogen ist oder sich aus sonstigen Gründen erledigt hat. Eine im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eintretende Erledigung lässt die Voraussetzung für eine Sachentscheidung entfallen; die Vorlage wird unzulässig (vgl. BayObLG StAZ 1976, 135; Hepting/Gaaz § 45 Rn. 68).
2. Nach diesen Grundsätzen hätte eine Sachentscheidung des Landgerichts nicht mehr ergehen dürfen; denn die Amtshandlung, die den Kern der Vorlage bildet, wurde während des Beschwerdeverfahrens vollzogen.
a) Als Amtshandlung, über deren Vornahme der Standesbeamte im Zweifel war, kommt hier nur die Beurkundung der Geburt des dritten Kindes der Beteiligten zu 1 und 2 in Betracht. Der Standesbeamte hatte, wie sich aus der Vorlage ergibt, die Beurkundung der Geburt zunächst zurückgestellt, weil er Zweifel hatte, mit welchen Namen das Kind und die Eltern im Geburtenbuch eingetragen werden sollten. Ob alle vom Standesbeamten im Laufe des Verfahrens aufgeworfenen Fragen für die vorzunehmende Eintragung entscheidungsrelevant waren, kann hier dahinstehen. Jedenfalls lässt sich eine andere konkret bevorstehende Amtshandlung als die Beurkundung der Geburt der Vorlage nicht entnehmen.
b) Die Beurkundung der Geburt wurde am 21.7.2000 vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war die Sache in der Beschwerdeinstanz beim Landgericht anhängig. Wie es zur Eintragung vom 21.7.2000 und zum Randvermerk vom 28.9.2000 gekommen ist, ist nicht ersichtlich. Die Entscheidung des Amtsgerichts gebot die Eintragung weder zu diesem Zeitpunkt noch mit dem gegebenen Inhalt, hatte doch das Amtsgericht die (in der Vorlage als wünschenswert dargestellte) Möglichkeit von Angleichungserklärungen bejaht, während die vorgenommene Eintragung die Namensführung ohne Angleichungserklärungen wiedergibt. Das bedarf jedoch keiner weiteren Erörterung. Entscheidend ist, dass die Eintragung vorgenommen wurde. Mit ihr wurde eben jene Amtshandlung vollzogen, über deren Vornahme der Standesbeamte im Zweifel war. Damit wurde dem weiteren Fortgang des gerichtlichen Verfahrens der Boden entzogen (vgl. BayObLGZ 1996, 55; BayObLG StAZ 1999, 236; Hepting/Gaaz § 45 Rn. 68). Es versteht sich von selbst, dass die Eintragung dem mit der Sache befassten Landgericht hätte mitgeteilt werden müssen, was offensichtlich unterblieben ist.
Die Sachentscheidung des Landgerichts kann daher keinen Bestand haben. Da die Beteiligte zu 3 ihre Erstbeschwerde nach Vollzug der verfahrensgegenständlichen Amtshandlung weder zurückgenommen noch für erledigt erklärt hat, war das Rechtsmittel unter Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung als unzulässig zu verwerfen.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Ende der Entscheidung
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