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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.10.1999
Aktenzeichen: 1Z BR 155/98
Rechtsgebiete: PStG, FGG, ZPO, BGB
Vorschriften:
PStG § 47 Abs. 2 | |
PStG § 15a Abs. 1 Nr. 1 | |
PStG § 47 Abs. 1 | |
PStG § 47 Abs. 1 Satz 1 | |
FGG § 27 Abs. 1 Satz 2 | |
FGG § 16a | |
ZPO § 551 Nr. 5 | |
BGB § 1752 |
BayObLG
Beschluß
11.11.1999
1Z BR 155/98 LG Schweinfurt 43 T 245/98 AG Schweinfurt UR III 55/98
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vizepräsidenten Gummer sowie der Richter Dr. Kahl und Kenklies am 11. November 1999 in der Personenstandssache beschlossen:
Tenor:
I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4 werden die Beschlüsse des Landgerichts Schweinfurt vom 24. September 1998 und des Amtsgerichts Schweinfurt vom 2. September 1998 aufgehoben.
II. Der Antrag des Beteiligten zu 4 auf Berichtigung der Eintragung in Spalte 9 des Familienbuchs wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 3 wurde am 16. 12. 1980 in Kasachstan (Gebiet der ehemaligen Russischen Föderation) von der Beteiligten zu 1, einer sowjetischen (kasachischen) Staatsangehörigen deutscher Volkszugehörigkeit geboren. Nachdem die Vaterschaft von einem sowjetischen Staatsbürger anerkannt worden war, schloß die Mutter am 16. 7. 1982 mit dem Beteiligten zu 2, gleichfalls sowjetischer und kasachischer Staatsbürger, in Kasachstan die Ehe, aus der zwei Kinder hervorgegangen sind.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind mit ihren Kindern als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Der Standesbeamte hat am 5. 7. 1996 antragsgemäß ein Familienbuch angelegt und in Spalte 9 auch die Beteiligte zu 3 als gemeinsames Kind der Ehegatten eingetragen Hierzu haben die Beteiligten zu 1 und 2 eine am 20. 11. 1990 von einem Standesamt in Kasachstan ausgestellte Adoptionsurkunde vorgelegt, in der bezeugt wird, daß die Beteiligte zu 3 von den Beteiligten zu 1 und 2 adoptiert und daß die Registrierung der Adoption am 20. 11. 1990 durchgeführt wurde. Zudem legten sie den Beschluß des Exekutivkomitees beim Sowjet der Volksdeputierten vom 6. 11. 1990 vor. Dieser lautet wie folgt:
Der Vorsitzende ... prüfte den Antrag von ... (Beteiligter zu 2) auf Adoption der Minderjährigen ... (Beteiligte zu 3). Der Vorsitzende zieht in Betracht die Tatsache, daß der Kindsvater ... seine Tochter zur Adoption durch ... freigab. Die Mutter war mit der Adoption einverstanden. ... (Beteiligte zu 1 und 2) leben lt. Heiratsurkunde ... seit 8 Jahren in einer registrierten Ehe. Aus dieser Ehe haben sie ein gemeinsames Kind.
Gemäß Art. 100, 104 des Ehe- und Familiengesetzes der Republik Kasachstan beschloß der Vorsitzende des Exekutivkomitees beim Sowjet der Volksdeputierten: 1. Dem Antrag von ... (Beteiligter zu 2) ... wird stattgegeben. Der Minderjährigen wird der Vatersname ... zuerkannt. ... (Beteiligte zu 2) wird als Kindsvater registriert. 2. Eine Kopie dieses Beschlusses wird an das Standesamt für die Registrierung der Adoption geleitet.
Nach der Einbürgerung der Beteiligten zu 1 bis 3 hat die Standesamtsaufsicht (Beteiligter zu 4) mit Schreiben vom 29. 7. 1998 beim Amtsgericht gemäß § 47 Abs. 2 PStG beantragt, das Familienbuch dahingehend zu berichtigen, daß der Eintrag des Kindes in Spalte 9 unwirksam sei. Hierzu hat er vorgetragen, die im Ausland ausgesprochene Adoption könne im Inland nicht anerkannt werden. Nach dem maßgebenden ausländischen Recht bewirke auch die Adoption durch den Ehemann der Mutter grundsätzlich, daß die Rechtsbeziehungen zu beiden leiblichen Elternteilen aufgelöst würden. Diese Rechtsfolge trete nur dann nicht ein, wenn im Adoptionsbeschluß ausdrücklich festgestellt sei, daß die Mutter auf ihren Wunsch hin die Elternrechte behalte. Eine solche Regelung fehle in dem vorliegenden Adoptionsbeschluß. Dies bedeute, daß infolge der Adoption die Rechtsbeziehungen zwischen der Beteiligten zu 3 und ihrer Mutter erloschen seien. Ein solches Ergebnis sei mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar. Deshalb sei es gerechtfertigt, den Adoptionsbeschluß nicht anzuerkennen und vom Fortbestand der Rechtsbeziehungen zu den leiblichen Eltern auszugehen. Dies habe zur Folge, daß die Beteiligte zu 3 kein gemeinsames Kind der Eheleute sei und somit auch nicht in das Familienbuch eingetragen werden könne. Eine Wiederholung der Adoption durch den Stiefelternteil sei nicht vorgenommen worden.
Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 2. 9. 1998 die Berichtigung des Familienbuchs dahin angeordnet, daß der Eintrag in Spalte 9 für die Beteiligte zu 3 unwirksam ist. Diese Entscheidung wurde den Beteiligten zu 1, 2 und 4 förmlich zugestellt. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 4 hat das Landgericht - ohne den Beteiligten zu 1 bis 3 Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben - mit Beschluß vom 24. 9. 1998 die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt. Gegen diese den Beteiligten zu 1, 2 und 4 formlos bekanntgemachte Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4. Er beantragt, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, die Entscheidung des Landgerichts zu bestätigen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
1. Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 4 ist zulässig.
Es ist als sofortige weitere Beschwerde (§ 27 Abs. 1, § 29 Abs. 2 FGG) statthaft, da die vom Beschwerdegericht bestätigte Entscheidung des Amtsgerichts den Standesbeamten zur Vornahme einer Amtshandlung anweist und deshalb der sofortigen Beschwerde unterliegt (§ 49 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 PStG; vgl. Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. Vorb. § 71 Rn. 46 m. w. N.). Die Zweiwochenfrist (§ 29 Abs. 4, § 22 Abs. 1 Satz 1 FGG) ist gewahrt. Die Beteiligte zu 4 ist als Aufsichtsbehörde des Standesbeamten zur Beschwerde berechtigt (§ 49 Abs. 2 PStG; vgl. BayObLG FGPrax 1999, 149 m. w. N.).
2. Die sofortige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der Entscheidungen des Beschwerdegerichts und des Amtsgerichts sowie zur Zurückweisung des Antrags des Beteiligten zu 4 auf Berichtigung des Familienbuchs. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts, dessen Begründung im wesentlichen in der pauschalen Bezugnahme auf das Vorbringen des Beteiligten zu 4 besteht, hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.
a) Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die am 16. 12. 1980 in der ehemaligen UdSSR geborene und dort adoptierte Beteiligte zu 3 zu Unrecht als gemeinschaftliches Kind der Beteiligten zu 1 und 2 in das Familienbuch (Spalte 9) eingetragen worden ist. Dies ist nicht der Fall.
b) An der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) und der daraus folgenden Anwendung des deutschen Verfahrensrechts (vgl. BayObLGZ 1995, 238/240) bestehen keine Zweifel.
c) In das am 5. 7. 1996 gemäß § 15a Abs. 1 Nr. 1 PStG angelegte Familienbuch sind in Spalte 9 die von einem Ehegatten als Kind angenommenen Kinder des anderen Ehegatten einzutragen (§ 15a Abs. 3 Satz 1, § 15 Abs. 1 Nr. 2 PStG; § 238 Abs. 1 Nr. 3 DA). Ist wie hier der Eintrag in einem Personenstandsbuch abgeschlossen, so kann er gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 PStG auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden, wenn er von Anfang an unrichtig war. Den erforderlichen Berichtigungsantrag hat der hierzu berechtigte Beteiligte zu 4 (§ 47 Abs. 2 PStG) gestellt.
d) Das Beschwerdegericht hat den Kreis der Beteiligten des Berichtigungsverfahrens verkannt und den Anspruch der Beteiligten zu 3 auf rechtliches Gehör verletzt.
aa) Geht es wie hier um die Berichtigung der Eintragung eines Kindes im Familienbuch, so gehören nicht nur die Eltern zu den Beteiligten des Verfahrens, sondern auch die Kinder, soweit sie durch den zu berichtigenden Eintrag in eigenen Rechten betroffen sein können (vgl. OLG Hamm StAZ 1992, 244/246; Johansson/Sachse Anweisungs- und Berichtigungsverfahren in Personenstandssachen Rn. 757 f.). Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht wie schon das Amtsgericht es unterlassen, die bereits 17-jährige Beteiligte zu 3 (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 FGG i. V. m. § 48 Abs. 1 PStG) am Verfahren zu beteiligen, obwohl durch die Berichtigung in deren persönliche verwandtschaftliche Beziehungen unmittelbar eingegriffen wurde (§ 12 FGG, Art. 103 Abs. 1 GG).
bb) Der in der unterlassenen Beteiligung eines Betroffenen liegende Verfahrensmangel (§ 12 FGG, Art. 103 Abs. 1 GG) führt hier jedoch nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i. V. m. § 551 Nr. 5 ZPO. Da im vorliegenden Fall die förmliche Beteiligung allein der Gewährung rechtlichen Gehörs dient, kann sie auch vom Rechtsbeschwerdegericht nachgeholt werden (vgl. BGH FGPrax 1998, 15/16). Der Senat hat der Beteiligten zu 3 nachträglich rechtliches Gehör gewährt.
cc) Es bestand im übrigen kein Anlaß, den Standesbeamten im Eingang der Beschwerdeentscheidung als Verfahrensbeteiligten aufzuführen (vgl. Johansson/Sachse Rn. 1054), da der Standesbeamte grundsätzlich nicht zu den Beteiligten im Verfahren einer Berichtigung nach § 47 Abs. 1 PStG gehört und auch im vorliegenden Fall keinen Berichtigungsantrag (vgl. § 70a Abs. 2 Nr. 3 PStG) gestellt hat.
e) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist auch in der Sache fehlerhaft. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Eintragung der Beteiligten zu 3 im Familienbuch nicht unrichtig im Sinn von § 47 Abs. 1 Satz 1 PStG.
aa) Rechtsgrundlage der vom Standesbeamten am 5. 7. 1996 in Spalte 9 des Familienbuchs vorgenommenen Eintragung der Beteiligten zu 3 ist der von den Beteiligten zu 1 und 2 vorgelegte Beschluß des Exekutivkomitees beim Sowjet der Volksdeputierten vom 6. 11. 1990 über die Annahme der Beteiligten zu 3 als Kind des Beteiligten zu 2 sowie die Adoptionsurkunde vom 20. 11. 1990, ausgefertigt von dem Standesamt in Kasachstan. Ergibt sich aus Urkunden, an deren Echtheit wie hier kein Zweifel besteht, daß ein Kind der Ehegatten im Ausland adoptiert worden ist, so hat der Standesbeamte, der das Familienbuch führt, eigenständig zu prüfen, ob die im Ausland vorgenommene Adoption wirksam ist (vgl. Hepting/Gaaz PStG § 15 Rn. 32 f.).
bb) Ausländische Entscheidungen von Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind - soweit wie hier keine besonderen staatsvertraglichen Regelungen bestehen - nach der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 16a FGG (lex fori) anzuerkennen, sofern sie nach dem maßgeblichen ausländischen Recht wirksam sind (vgl. Keidel/Zimmermann § 16a Rn. 4 m. w. N.) und keiner der in § 16a Nrn. 1 bis 4 FGG abschließend aufgezählten Ausschlußgründe gegeben ist.
(1) Einer Anerkennung steht nicht entgegen, daß die Adoption hier nicht durch ein Gericht, sondern von einer öffentlichen Behörde ausgesprochen wurde; denn auch der Ausspruch einer Adoption durch eine ausländische Behörde (vgl. BGH FamRZ 1989, 378/379; Keidel/Zimmermann § 16a Rn. 2 m. w. N.; Palandt/Heldrich BGB 58. Aufl. Art. 22 EGBGB Rn. 12) wird nach herrschender Auffassung von § 16a FGG erfaßt, sofern die Behörde nach ihrer Funktion und dem angewandten Verfahren einem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit vergleichbar ist (vgl. LG Frankfurt a. Main StAZ 1995, 74/75; Bumiller/Winkler FGG 7. Aufl. § 16a Rn. 2; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 16a FGG Rn. 1; Keidel/Zimmermann § 16a Rn. 2 m. w. N.). Dies ist für den Adoptionsbeschluß des Exekutivkomitees beim Sowjet der Volksdeputierten vom 6. 11. 1990 zu bejahen. Diesem läßt sich entnehmen, daß durch hoheitlichen Akt in einem justizförmigen Verfahren, insbesondere nach Gewährung rechtlichen Gehörs, über einen Antrag auf Adoption entschieden wurde.
Hingegen handelt es sich bei der vom Standesamt vorgenommenen Ausfertigung der öffentlichen Adoptionsurkunde und der Registrierung nicht um Entscheidungen im Sinn des § 16a FGG, sondern um ausführende Akte.
(2) An der internationalen Zuständigkeit des Exekutivkomitees beim Sowjet der Volksdeputierten, die nach § 16a Nr. 1 FGG zu prüfen ist, besteht kein Zweifel, da die Beteiligten der Adoption im Zeitpunkt des Adoptionsverfahrens Staatsangehörige der ehemaligen Sowjetunion waren und darüber hinaus auch in Kasachstan ihren Wohnsitz hatten, so daß spiegelbildlich (vgl. BayObLGZ 1987, 439/441; Keidel/Zimmermann § 16a Rn. 5 m. w. N.; Bassenge/Herbst § 16a FGG Rn. 5) die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 43b Abs. 1, Abs. 2 FGG vorliegen.
cc) Die Anerkennung des Adoptionsbeschlusses ist entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht wegen eines materiellrechtlichen Verstoßes gemäß § 16a Nr. 4 FGG ausgeschlossen.
(1) Nach dieser Vorschrift ist die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist (ordre public; vgl. Hepting/Gaaz § 30 Rn. 428). Hierbei ist eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der ausländischen Entscheidung nicht erforderlich (vgl. Bassenge/Herbst § 16a FGG Rn. 4). Maßgebend ist nicht der Zeitpunkt, in dem die ausländische Entscheidung getroffen worden ist, sondern wann über die Anerkennung zu befinden ist (vgl. BGHZ 88, 113/128; BGH FamRZ 1989, 378/381).
(2) Die materiellrechtlichen Auswirkungen einer Annahme als Kind durch einen oder beide Ehegatten sind bei Auslandsberührung nach dem bei der Annahme für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebenden Recht zu beurteilen (Art. 22 Satz 2 EGBGB), hier nach dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten im Zeitpunkt der Vornahme der Adoption angehörten (Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB; vgl. Palandt/Heldrich Art. 22 Rn. 2; Art. 14 EGBGB Rn. 6). Die in Kasachstan geborenen Beteiligten zu 1 und 2 waren im Zeitpunkt der Adoption sowjetische Staatsangehörige und gleichzeitig Angehörige der Kasachischen Sozialistischen Volksrepublik (vgl. Bergmann/Ferid Internationales Ehe- und Familienrecht - "Kasachstan" S. 4, 5 und "UdSSR" S. 7 ff. m. w. N.). Da kein vorrangiger Staatsvertrag besteht und das Internationale Privatrecht der ehemaligen UdSSR für die Annahme als Kind auch keine Rück- oder Weiterverweisung vorsah (vgl. Brandhuber/Zeyringer Standesamt und Ausländer Band III "UdSSR" S. 3, 4), richten sich die Wirkungen der Adoption zunächst nach dem Gesetz der Rußländischen Sowjetischen Föderativen Sozialistischen Republik zur Bestätigung des Ehe- und Familienkodex der RSFSR vom 30. 7. 1969 - GGEF - (vgl. Bergmann/Ferid UdSSR S. 73, 89 ff.). Nach Art. 8 GGEF ist die Gültigkeit einer Annahme an Kindes statt nach dem Recht der Unionsrepublik zu beurteilen, auf deren Gebiet die Annahme durchgeführt wurde, hier nach den Vorschriften des Gesetzbuchs der ehemaligen Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik vom 6. 8. 1969 über Ehe und Familie - kasachFG - (in Kraft seit 1. 1. 1970; vgl. Bergmann/Ferid "Kasachstan" S. 61/72 ff., 74).
dd) Das Beschwerdegericht hat die materiellrechtlichen Auswirkungen des Adoptionsbeschlusses nach dem maßgeblichen Adoptionsstatut unzutreffend beurteilt. Durch die Adoption sind die Rechtsbeziehungen zwischen der Angenommenen und ihrer leiblichen Mutter nicht erloschen.
(1) Bei Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts (vgl. Keidel/Kayser § 12 Rn. 94 m. w. N.) darf nicht allein auf den Wortlaut des Gesetzes abgestellt werden. Vielmehr sind Sinn und Zweck der Vorschrift sowie deren praktische Handhabung und Auswirkungen zu berücksichtigen (BayObLGZ 1995, 238/243 m. w. N.; ebenso zum Zivilprozeß BGH NJW 1991, 1418/1419 und 1992, 3107).
(2) Das im vorliegenden Fall maßgebliche kasachische Adoptionsrecht entspricht in seinen materiellen Auswirkungen im Grundsatz dem deutschen Adoptionsrecht, soweit es ein Dekretsystem und die Volladoption vorsieht.
- Gemäß Art. 100 Abs. 1, 2 kasachFG (Bergmann/Ferid "Kasachstan" S. 72; Art. 98 Abs. 2 GGEF vgl. Bergmann/Ferid UdSSR S. 73/89) erfolgt die Adoption eines Minderjährigen auf Antrag der Person, die das Kind adoptieren will durch Beschluß des Exekutivkomitees des Kreis-, Stadt-, Stadtbezirks-Rats der Volksdeputierten am Wohnort des zu Adoptierenden oder des Adoptierten. Gemäß Art. 108 Abs. 1 kasachFG (Art. 107 GGEF) unterliegt die Adoption der Registrierung in der Abteilung Personenstandswesen. Diesen allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen entspricht der Adoptionsbeschluß vom 6. 11. 1990.
- Nach Art. 110 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 kasachFG (Art. 108 Abs. 1 und 2 GGEF) entstehen durch die Annahme als Kind zwischen dem Adoptierten und seinen Nachkommen einerseits und dem Adoptierenden und dessen Verwandten andererseits die gleichen Beziehungen wie zwischen leiblichen Verwandten, und es erlöschen die Beziehungen zwischen dem Adoptierten und dessen Eltern sowie deren Verwandten.
- Abweichend von diesem allgemeinen Grundsatz ist für die Adoption durch eine einzelne Person eine besondere Regelung vorgesehen (Art. 110 Abs. 2 Satz 2 kasachFG; Art. 108 Abs. 3 GGEF), wonach der adoptierte Minderjährige seine persönlichen- und Vermögensrechte und alle Verpflichtungen gegenüber einem Elternteil und dessen Verwandten beibehalten kann, sofern die Mutter - wenn wie hier der Adoptierende ein Mann ist oder sofern der Vater, wenn die Adoptierende eine Frau ist - dies wünscht und einen entsprechenden Wunsch in schriftlicher Form gleichzeitig mit der Zustimmung zur Adoption erklärt (Art. 110 Abs. 2 Satz 3 kasachFG). Die Beibehaltung der Rechte und Pflichten gegenüber einem Elternteil ist im Adoptionsbeschluß zu vermerken (Art. 110 Abs. 3 kasachFG; Art. 108 Abs. 5 GGEF).
(3) Im vorliegenden Fall weist der Adoptionsbeschluß vom 6. 11. 1990 die Adoption durch den Beteiligten zu 2, und damit eine "einzelne Person" im Sinn von Art. 110 Abs. 2 Satz 2 kasachFG, aus. Zwar enthält dieser Beschluß keine ausdrückliche Feststellung nach Art. 110 Abs. 3 kasachFG dahin, daß die Rechte und Pflichten im Verhältnis zur Mutter beibehalten werden. Er enthält aber einen ausdrücklichen Hinweis, daß der annehmende Beteiligte zu 2 verheiratet ist, und zwar mit der leiblichen Mutter des angenommenen Kindes. In einem solchen Fall ist es äußerst unwahrscheinlich, daß es dem Willen der Ehegatten entspricht, die Verbindung zwischen dem Kind und seiner Mutter zum Erlöschen zu bringen. Für eine Auslegung besteht auch deshalb Anlaß, weil die standesamtliche Adoptionsurkunde, die auf der Grundlage des Adoptionsbeschlusses ausgestellt wurde, in Widerspruch zu diesem, auch die Beteiligte zu 1 als Adoptierende der angenommenen Beteiligten zu 3 ausweist. Ein Interpretationsspielraum und -bedarf besteht vor allem im Hinblick darauf, daß das anzuwendende ausländische Recht zwar die Adoption durch eine einzelne Person regelt, für den besonderen Fall, daß ein Ehegatte ein Kind des anderen Ehegatten annimmt (sogenannte Stiefkind-Adoption), aber - anders als das deutsche Recht (§ 1754 Abs. 1 und 3 BGB) - keine speziellen Vorschriften enthält.
ee) Der Senat legt den Adoptionsbeschluß vom 6. 11. 1990 dahin aus, daß die Rechte und Pflichten des angenommenen Kindes zu seiner leiblichen Mutter und Ehefrau des Annehmenden nicht erloschen sind.
(1) Der Adoptionsbeschluß enthält die ausdrückliche Feststellung, daß der Annehmende und die leibliche Mutter des angenommenen Kindes seit längerer Zeit in einer Ehe zusammenleben und ein gemeinsames Kind haben. Eine derartige Feststellung rechtfertigt nach der Auffassung des Senats entsprechend dem Sinn und Zweck einer Stiefkind-Adoption in Verbindung mit der am Adoptionsort geübten standesamtlichen Praxis die Annahme, daß durch einen Adoptionsbeschluß solchen Inhalts die rechtlichen Beziehungen zwischen dem angenommenen Minderjährigen und seinem leiblichen Elternteil, der zugleich mit dem Annehmenden verheiratet ist, auch dann nicht erlöschen, wenn der Adoptionsbeschluß die Beibehaltung nach Art. 110 Abs. 3 kasachFG nicht ausdrücklich feststellt. Dem entsprechen auch Sinn und Zweck der ausländischen Gesamtregelung, welche von vornherein nur eine Adoption für Minderjährige und nur in ihrem Interesse zuläßt (Art. 104 kasachFG; Art. 98 Abs. 1 GGEF). Bei den Vorschriften über die Adoption durch eine einzelne Person (Art. 110 Abs. 2 Satz 2 bis 4, Abs. 3 kasachFG; Art. 108 Abs. 3 und 5 GGEF) handelt es sich um eine Ausnahmeregelung von dem allgemeinen Grundsatz, daß der Minderjährige durch ein Elternpaar adoptiert wird (Art. 110 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 kasachFG; Art. 108 Abs. 1 und 2 GGEF). Danach ist es zulässig, daß eine einzelne Person, die nicht mit einem Elternteil des angenommenen Kindes verheiratet ist, das Kind adoptiert. In einem solchen Fall kann jedoch die Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes dadurch erreicht werden, daß die leibliche Mutter - falls der einzelne Adoptierende ein Mann ist oder bei einer adoptierenden Frau der leibliche Vater - die Rechte und Pflichten im Verhältnis zu dem Kind nach der Adoption beibehalten. Dies setzt allerdings aus erkennbaren Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit voraus, daß der leibliche Elternteil einen dahingehenden Wunsch im Adoptionsverfahren förmlich erklärt und daß die Beibehaltung der Rechte in den Adoptionsbeschluß ausdrücklich aufgenommen wird (Art. 110 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 kasachFG; Art. 108 Abs. 3 und 5 GGEF).
Nimmt hingegen ein Ehegatte das Kind des anderen Ehegatten an, so ist - ohne daß es einer förmlichen Erklärung über die Beibehaltung der Rechte des leiblichen Elternteils bedarf - aus Gründen des Kindeswohls ohne weiteres erkennbar, daß das Kind die rechtliche Stellung eines gemeinsamen Kindes der Ehegatten erhalten soll. Auch im vorliegenden Fall ist ersichtlicher Sinn und Zweck der Adoption, daß die voreheliche Tochter der Beteiligten zu 1 die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Eheleute erhalten soll. Dies läßt sich insbesondere der Feststellung im Adoptionsbeschluß entnehmen, daß der Adoptierende seit längerer Zeit mit der Mutter in einer Ehe zusammenlebt, und daß aus dieser Ehe bereits ein gemeinsames Kind hervorging.
(3) Diese Auslegung wird bestätigt durch die bei der Anwendung ausländischen Rechts zu beachtende praktische Übung und konkrete Rechtsanwendung am Adoptionsort. Zum einen enthalten die von der Beteiligten zu 4 beigezogenen Unterlagen über vergleichbare Fälle von Stiefkindadoptionen aus dem Gebiet der ehemaligen UdSSR ausnahmslos im Adoptionsbeschluß der staatlichen Organe keinen Hinweis auf die Beibehaltung der Elternrechte gegenüber dem leiblichen Elternteil, während die jeweiligen standesamtlichen Geburts- und Adoptionsurkunden gleichwohl von der Beibehaltung der Rechtsbeziehungen zum leiblichen Elternteil ausgehen. Zum anderen hat die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Almaty nach den praktischen Erfahrungen eine solche Übung bestätigt. Dieser Weg wird als nach kasachischem Recht zulässig angesehen und gewählt, um beide Ehegatten zu registrieren und in die Geburtsurkunde einzutragen (vgl. Bergmann/Ferid "Kasachstan" S. 46; ähnlich Kubitz StAZ 1986, 298/299 und Held StAZ 1981, 91). Dem entspricht auch im vorliegenden Fall der Inhalt der Adoptionsurkunde. Diese weist zwar - nach Maßgabe des Adoptionsbeschlusses rechtlich unzutreffend - auch die Beteiligte zu 1 als Adoptierende aus. Für die Auslegung ist aber entscheidend, daß der zur Registrierung der Adoption seinerzeit zuständige Leiter des Standesamts, dem auch die Ausstellung der Adoptionsurkunde aufgrund des Adoptionsbeschlusses oblag, im Ergebnis davon ausging, daß das angenommene Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten erlangt hat.
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts. Auch die Entscheidung des Amtsgerichts, die auf dem gleichen Rechtsfehler beruht, ist aufzuheben.
4. Die Entscheidungen der Vorinstanzen erweisen sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 563 ZPO), da der Adoptionsbeschluß vom 6. 11. 1990 den sonstigen wesentlichen Voraussetzungen, die das deutsche Recht für die Adoption eines Minderjährigen festlegt, nicht im Sinn von § 16a Nr. 4 FGG widerspricht.
a) Der gemäß § 1752 BGB erforderliche Antrag des Annehmenden liegt vor; für die Einhaltung der Form genügt das Ortsrecht (Art. 11 Abs. 1 EGBGB), an dessen Einhaltung kein Zweifel besteht. Auch die nach dem Inhalt des Adoptionsbeschlusses vom 6. 11. 1990 gegebenen Zustimmungen der Eltern des angenommenen Kindes sowie des Ehepartners des Annehmenden zur Adoption entsprechen den wesentlichen Einwilligungs- und Zustimmungserfordernissen des deutschen Adoptionsrechts (§ 1747 Abs. 1 Satz 1, § 1749 Abs. 1 Satz 1, § 1750 Abs. 1 BGB), wobei wiederum die Ortsform genügt.
b) Zwar ist nach deutschem Recht die Einwilligung auch für ein noch nicht 14-jähriges Kind erforderlich und von den gesetzlichen Vertretern zu erteilen (§ 1746 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB), während nach Art. 104 kasachFG (Art. 103 GGEF) für die seinerzeit noch nicht 10-jährige Beteiligte zu 3 keine Zustimmung zur Adoption erforderlich war. Dies bedeutet jedoch keinen Widerspruch zu den unverzichtbaren Grundsätzen des deutschen Adoptionsrechts, zumal davon ausgegangen werden kann, daß die leiblichen Eltern auch die gesetzlichen Vertreter der seinerzeit Minderjährigen waren und im übrigen die Interessen des Kindes durch die Entscheidung des zuständigen staatlichen Organs gewahrt wurden.
5. Der von der Beteiligten zu 4 gestellte Antrag auf Berichtigung der Eintragung in Spalte 9 des Familienbuchs ist als unbegründet zurückzuweisen.
Die Eintragung der Beteiligten zu 3 als gemeinsames Kind in das Familienbuch erweist sich nicht als unrichtig im Sinn von § 47 Abs. 1 PStG. Vielmehr führt die Auslegung des Senats zu dem Ergebnis, daß aufgrund der Adoption vom 6. 11. 1990 der annehmende Beteiligte zu 2 in den persönlichen- und Vermögensrechten und -pflichten gemäß Art. 110 Abs. 1 KasachFG (Art. 108 Abs. 1 GGEF) mit leiblichen Verwandten gleichgestellt wurde und daß zugleich die rechtlichen Beziehungen der Beteiligten zu 3 zu ihrem leiblichen Vater gemäß Art. 110 Abs. 2 Satz 1 KasachFG (Art. 108 Abs. 2 GGEF) erloschen sind. Dagegen sind auch nach der Adoption die rechtlichen Beziehungen der Beteiligten zu 3 zu der Beteiligten zu 1 als weiterbestehend anzusehen. Die Adoptionsurkunde und die Geburtsurkunde, die als Eltern der Beteiligten zu 3 die leibliche Mutter (Beteiligte zu 1) sowie den Adoptivvater (Beteiligter zu 2) ausweisen, sind insoweit nicht unrichtig.
Ende der Entscheidung
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