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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.06.2003
Aktenzeichen: 1Z BR 17/03
Rechtsgebiete: BGB, HeimG


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 1937
BGB § 2078
HeimG § 14 Abs. 1
1. Zur Frage der Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung wegen Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 HeimG, wenn der Heimträger eine GmbH ist, welche das Pflegeheim von einer Stiftung gemietet hat und der Heimbewohner die Stiftung testamentarisch zum Erben einsetzt.

2. Zur Frage der Anfechtbarkeit einer solchen letztwilligen Verfügung, falls der Heimbewohner irrig der Auffassung war, die Stiftung sei Heimträger oder habe zumindest auf diesen maßgeblichen Einfluss.


Gründe:

I.

Die am 25.3.2001 im Alter von 86 Jahren ohne Abkömmlinge verstorbene Erblasserin war nicht verheiratet. Die Erblasserin hatte eine Schwester, die Beteiligte zu 3; die Beteiligte zu 2 ist deren Tochter.

Die Erblasserin befand sich seit 15.1.2001 in stationärer Krankenhausbehandlung. Für die Zeit ab Mitte Februar/Anfang März 2001 hatte sie die Zusage erhalten, in das Altenheim St. aufgenommen zu werden. Eine Rückkehr der Erblasserin aus dem Krankenhaus in ihre bisherige Wohnung war aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Um die Zeit zwischen der nach dem 24.1.2001 anstehenden Entlassung aus der stationären Krankenhausbehandlung und der Aufnahme in das Altenheim St. zu überbrücken, schloss die Erblasserin unter dem Datum des 25.1.2001 einen Vertrag für Kurzzeitpflege im A-Haus, einer Kurzzeitpflegeeinrichtung. Träger dieser Kurzzeitpflegeeinrichtung ist die ökumenische Sozialstation für den Landkreis, die in der Rechtsform einer GmbH betrieben wird. Eigentümerin des A-Hauses und Vermieterin der Räume, in denen die ökumenische Sozialstation die Kurzzeitpflegeeinrichtung betreibt, ist die A-Stiftung (Beteiligte zu 1), eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts, mit dem Stiftungszweck "Förderung der Alten-, Kranken- und Behindertenpflege im Sinne der Caritas der katholischen Kirche". Die Beteiligte zu 1 ist nicht Gesellschafter der in der Rechtsform einer GmbH betriebenen ökumenischen Sozialstation. Vorsitzender des aus sieben Personen bestehenden Stiftungsvorstandes der Beteiligten zu 1 ist der Beteiligte zu 4. Dieser hat in Vertretung der Erblasserin den mit der ökumenischen Sozialstation geschlossenen Kurzzeitpflegevertrag unterschrieben.

Im A-Haus lebte die Erblasserin im Zeitraum vom 25.1.2001 bis 27.2.2001. Danach wurde sie entsprechend der ihr erteilten Zusage in das Altenheim St. aufgenommen.

Während ihres Krankenhausaufenthalts errichtete die Erblasserin am 20.1.2001 ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament, das auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

"Nach Abzug der Kosten für Beerdigung u. Haushaltauflösung soll mein Vermögen wie folgt aufgeteilt werden:

10 % für B. (Beteiligte zu 2) 90 % für A-Stiftung (Beteiligte zu 1) meinen Schmuck soll B. (Beteiligte zu 2), Haushaltsgegenstände, Möbel, Teppiche, etca. soll die A-Stiftung (Beteiligte zu 1) bekommen.

Testamentsvollstreckung soll Pfarrer C (Beteiligter zu 4) vollziehen."

Der Beteiligte zu 4 hat am 23.2.2003 erklärt, er werde das Amt des Testamentsvollstreckers nicht ausüben.

Die Beteiligte zu 1 beantragte durch die Beteiligten zu 5 und 6 als vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder, gestützt auf das Testament vom 20.1.2001, die Erteilung eines Erbscheins, demzufolge die Erblasserin von der Beteiligten zu 1 zu 9/10 und von der Beteiligten zu 2 zu 1/10 beerbt worden ist. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind diesem Erbscheinsantrag entgegengetreten. Sie machten geltend, die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 sei wegen Verstoßes gegen die jedenfalls analog anzuwendende Vorschrift des § 14 Abs. 1 HeimG nichtig. Die Erblasserin habe sich bei Abfassung des Testaments in einer Zwangslage befunden, da sie aus Gesundheitsgründen nicht in ihre Wohnung habe zurückkehren können, andererseits der Platz im Altenheim St. noch nicht zur Verfügung gestanden habe. Sie sei deshalb dringend auf die Aufnahme in die Kurzzeitpflegeeinrichtung im A-Haus angewiesen gewesen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Erblasserin bei Abfassung des Testaments subjektiv der irrigen Auffassung gewesen sei, Träger der Kurzzeitpflegeeinrichtung im A-Haus sei die gleichnamige Stiftung. Im Hinblick auf die Nichtigkeit der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 beantragten die Beteiligten zu 2 und 3 die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass gesetzliche Erbfolge eingetreten sei.

Das Amtsgericht - Nachlassgericht -, hat mit Beschluss vom 27.8.2002 die Erteilung eines Erbscheins gemäß dem Antrag der Beteiligten zu 1 in Aussicht gestellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 hat das Landgericht mit Beschluss vom 7.1.2003 zurückgewiesen. Daraufhin erteilte das Nachlassgericht am 10.2.2003 einen Erbschein mit dem in dem Beschluss vom 27.8.2002 angekündigten Inhalt.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben die Beteiligten zu 2 und 3 weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das mit dem Ziel der Einziehung des nach Erlass der Beschwerdeentscheidung erteilten Erbscheins und der Erteilung des von den Beteiligten zu 2 und 3 beantragten Erbscheins zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat dem Testament vom 20.1.2001 eine wirksame Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 in Höhe von 9/10 entnommen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, ein Verstoß gegen die gesetzlichen Verbote des § 14 Abs. 1 und 5 HeimG, die gemäß § 1 Abs. 1 a HeimG auch auf Kurzzeitpflegeheime anzuwenden seien, liege nicht vor. Eine direkte Anwendung dieser Vorschriften komme nicht in Betracht, da die Beteiligte zu 1 selbst nicht Träger des Heimes sei, sondern lediglich die Räumlichkeiten an die ökumenische Sozialstation als Träger des Heimes vermietet habe. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 14 HeimG lägen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vor. Mit der Vermieterstellung der Beteiligten zu 1 könne eine entsprechende Anwendung nicht begründet werden, da diese der Beteiligten zu 1 keinerlei Einfluss auf die Ausgestaltung des Heimverhältnisses einräume. Auch die Tatsache, dass der Geschäftsführer der ökumenischen Sozialstation gleichzeitig einer der sieben Mitglieder des Vorstands der Beteiligten zu 1 sei, begründe zwischen der ökumenischen Sozialstation und der Beteiligten zu 1 kein Näheverhältnis und keine Einwirkungsmöglichkeiten von solchem Gewicht, dass eine entsprechende Anwendung des § 14 HeimG in Betracht komme. Falls die Erblasserin subjektiv geglaubt habe, mit der Beteiligten zu 1 tatsächlich einen Verbotsadressaten nach § 14 Abs. 1 HeimG zu begünstigen, rechtfertige dies ebenfalls keine analoge Anwendung dieser Vorschriften, zumal die Kammer nicht habe feststellen können, dass ein solcher Fall der subjektiven Fehleinschätzung durch die Erblasserin vorgelegen habe.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht in vollem Umfang stand.

a) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die von der Erblasserin angeordnete Testamentsvollstreckung in den Erbschein nicht aufzunehmen ist, weil sie sich infolge der Ablehnung des Amtes durch den zum Testamentsvollstrecker eingesetzten Beteiligten zu 4 erledigt hat und nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Wille der Erblasserin für diesen Fall auf die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht nach § 2200 BGB gerichtet war.

b) Auch die Frage einer etwaigen Nichtigkeit der Erbeinsetzung der Beteiligten z u 1 gemäß § 14 Abs. 1 und 5 HeimG i.V.m. § 134 BGB hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint.

aa) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass auf die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 durch die Erblasserin im Testament vom 20.1.2001 weder § 14 Abs. 1 HeimG noch S 14 Abs. 5 HeimG direkt anwendbar ist. Diese Vorschriften gelten zwar grundsätzlich auch für Kurzzeitpflegeheime, da das Heimgesetz (§ 1 a HeimG in der hier maßgeblichen bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) deren Anwendung auf Kurzzeitpflegeheime gerade nicht ausschließt. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine direkte Anwendung dieser Vorschriften liegen jedoch nicht vor.

(1) Soweit es gemäß § 14 Abs. 5 HeimG dem Leiter, dem Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeitern des Heimes untersagt ist, sich von oder zugunsten von Heimbewohnern neben der vom Träger erbrachten Vergütung Geld oder geldwerte Leistungen für die Erfüllung der Pflichten aus dem Heimvertrag versprechen oder gewähren zu lassen, betrifft dies nicht den vorliegenden Fall, bei dem über die Wirksamkeit einer Zuwendung an den Heimträger zu entscheiden ist.

(2) Gemäß § 14 Abs. 1 HeimG ist es dem Träger eines Heimes untersagt, sich von oder zugunsten von Heimbewohnern Geld oder geldwerte Leistungen über das nach § 4 HeimG vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen. Auf Verfügungen, die von Heimbewerbern vor ihrer Aufnahme in das Heim getroffen werden, ist § 14 Abs. 1 HeimG in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung, die anders als § 14 Abs. 1 HeimG in der ab 1.1.2002 geltenden Neufassung Heimbewerber nicht ausdrücklich nennt, entsprechend anwendbar (BGH NJW-RR 1995, 1272; BayObLG FamRZ 2001, 1170/1172; Rossak ZEV 1996, 41/46). Die Beteiligte zu 1 ist jedoch als Eigentümer und Vermieter des Gebäudes, in dem das Heim betrieben wird, nicht Adressat des § 14 Abs. 1 HeimG.

Das Verbot des § 14 Abs. 1 HeimG richtet sich gegen den Träger des Heimes, also diejenige natürliche oder juristische Person, die das Heim betreibt. Betreiber ist derjenige, in dessen Namen und auf dessen Rechnung (vgl. § 4 HeimG) die Einrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 HeimG betrieben wird und den somit auch die Verantwortung für Unterhalt und Betrieb der Einrichtung trifft (vgl. BayObLGZ 2001, 36/40 m. w. N.). Das ist hier nicht die Beteiligte zu 1, sondern die in der Rechtsform einer GmbH betriebene ökumenische Sozialstation. Zwischen dieser und der Erblasserin ist auch der Kurzzeitpflegevertrag abgeschlossen worden.

bb) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 14 Abs. 1 HeimG nicht als gegeben angesehen hat.

Ziel des § 14 HeimG ist es, eine unterschiedliche Behandlung der Bewohner eines Heimes zu verhindern und die Bewohner vor finanzieller Ausnützung oder Benachteiligung, insbesondere durch die nochmalige Abgeltung einer Leistung des Trägers, zu schützen sowie die Testierfreiheit der Bewohner zu sichern; sie sollen davor bewahrt werden, dass ihr Recht auf freie Verfügung von Todes wegen durch offenen oder versteckten Druck faktisch gefährdet wird. Bei § 14 HeimG handelt es sich um ein dem Schutz der Heimbewohner dienendes Verbotsgesetz (BGHZ 110, 235/240; BayObLGZ 1991, 251/254; 1997, 374/376; Rossak ZEV 1996, 41 ff.).

Eine Umgehung der Verbotsvorschrift des § 14 HeimG läge vor, wenn durch die gewählte rechtliche Gestaltung der Tatbestand des Verbotsgesetzes selbst nicht erfüllt ist, aber dennoch der von ihm verbotene Erfolg herbeigeführt wird (vgl. BGH NJW 1991, 1060/1061; BayObLGZ 2000, 48/56). Das kann der Fall sein, wenn die verbotene Zuwendung nicht an den Verbotsadressaten selbst, sondern an eine ihm nahestehende oder sonst verbundene Person geht und dadurch eine mittelbare bzw. indirekte Begünstigung des Verbotsadressaten erfolgt. Diese Gegebenheiten können vorliegen bei einer mittelbaren bzw. indirekten Zuwendung an die im Gesetz genannten Verbotsadressaten über ihnen nahestehende Angehörige (vgl. BayObLGZ 2000, 36/46; BayObLG FamRZ 2001, 1170) oder an den geschäftsführenden Alleingesellschafter einer GmbH, die Träger eines Heims im Sinne des § 1 HeimG ist (vgl. BayObLGZ 2000, 36/41).

In Fällen mittelbarer Zuwendung kommt die analoge Anwendung von § 14 Abs. 1 HeimG jedoch nur in Betracht, falls diese - wenn auch über den Umweg über einen Dritten - sich als Zuwendung des Erblassers an einen vom Verbot erfassten Adressaten darstellt (BayObLGZ 2000, 48/57). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Da die im Testament als Erbin eingesetzte Beteiligte zu 1 nicht Gesellschafter der Heimträger-GmbH ist, kommt dieser die Zuwendung über gesellschaftsrechtliche Beteiligungsverhältnisse nicht zugute. Die Erblasserin hat der von ihr im Testament begünstigten Beteiligten zu 1 auch keinerlei Vorgaben für die Verwendung des ihr zugewendeten Vermögens gemacht, insbesondere keine bestimmte Zuwendung an den Heimträger verfügt. Der Stiftungsvorstand der Beteiligten zu 1 besteht aus sieben Personen und handelt durch mindestens zwei seiner Mitglieder. Das Landgericht hat hieraus rechtsfehlerfrei den Schluss gezogen, dass die Einwirkungsmöglichkeiten, welche dem Geschäftsführer der Heimträger-GmbH als Mitglied des siebenköpfigen Stiftungsvorstands der Beteiligten zu 1 auf die Verwendung der Vermögenswerte der Stiftung zur Verfügung stehen, es nicht rechtfertigen, Zuwendungen an die Stiftung im Wege der Analogie mit Zuwendungen an die Heimträger-GmbH gleichzusetzen. Infolgedessen konnte das Landgericht offen lassen, ob der Geschäftsführer der Heimträger-GmbH von dem Testament der Erblasserin Kenntnis hatte.

Insgesamt ist es daher nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Zuwendung an die Beteiligte zu 1 keine verbotene Zuwendung an den in § 14 Abs. 1 HeimG als Verbotsadressat genannten Heimträger über den Umweg über die Beteiligte zu 1 darstellt.

c) Das Landgericht hat es jedoch unterlassen, die Wirksamkeit der mit Testament vom 10.1.2001 erfolgten Einsetzung der Beteiligten zu,1 als Erbin unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob diese Erbeinsetzung von den Beteiligten zu 2 und 3 wirksam angefochten worden ist, und die hierzu gebotenen Ermittlungen durchzuführen.

aa) Die Anfechtungserklärung im Sinne von § 2081 Abs. 1 BGB muss keinen bestimmten Wortlaut haben und erfordert nicht die Angabe eines Anfechtungsgrundes; sie muss jedoch die eindeutige Kundgabe eines Anfechtungswillens enthalten. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze, die für die Anfechtungserklärung im Sinne des § 143 Abs. 1 BGB maßgebend sind; denn die Anfechtung einer Verfügung des Erblassers (§§ 2078 ff. BGB) fußt auf den Grundsätzen der Anfechtung unter Lebenden, wie sie im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 119 ff.) aufgestellt sind. Eine wirksame Anfechtungserklärung des § 143 Abs. 1 BGB setzt aber voraus, dass sich aus ihr der unzweideutige Wille ergibt, das Rechtsgeschäft gerade wegen eines Willensmangels nicht bestehen zu lassen. Dementsprechend muss die gegenüber dem Nachlassgericht abzugebende Erklärung der Anfechtung einer letztwilligen Verfügung unzweideutig erkennen lassen, dass der Anfechtende einen Mangel des Erblasserwillens geltend machen will (vgl. BayObLG 1989, 327/330; BayObLG FamRZ 1992, 226; Palandt/Edenhofer BGB 62. Aufl. § 2081 Rn. 2; Bamberger/Roth/Litzenberger BGB § 2081 Rn. 3).

bb) Die Beteiligten zu 2 und 3 haben sich im Erbscheinsverfahren vor dem Nachlassgericht wiederholt gegen die Wirksamkeit der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 gewandt und mit Schriftsatz vom 28.11.2001 gegenüber dem Nachlassgericht (§§ 2081 Abs. 1, 2082 Abs. 1 BGB) geltend gemacht, die Erblasserin habe bei Errichtung des Testaments die irrige Vorstellung gehabt, sie begebe sich in ein Kurzzeitpflegeheim der Beteiligten zu 1 im A-Haus. Diese Erklärungen der Beteiligten zu 2 und 3 zielen darauf ab, einen Irrtum der Erblasserin im Sinne des § 2078 Abs. 2 BGB geltend zu machen und die Rechtsfolgen einer Anfechtung herbeizuführen.

Nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 2 und 3 ist die Erblasserin davon ausgegangen, dass die Beteiligte zu 1 Trägerin der Kurzzeitpflegeeinrichtung sei oder jedenfalls auf diese maßgeblichen Einfluss ausübe. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben hierzu auf die im Schreiben des Beteiligten zu 4 vom 11.9.2001 verwendete Formulierung, die Erblasserin habe sich "in die A-Stiftung zur Kurzzeitpflege" begeben, sowie auf den von der Erblasserin am 25.1.2001 für die Aufnahme im A-Haus unterzeichneten Anmeldebogen verwiesen, in dem die Kurzzeitpflegeeinrichtung als "Pension auf Zeit im A-Haus" bezeichnet ist und der keinerlei Hinweis darauf enthält, dass Trägerin der Kurzzeitpflegeeinrichtung die ökumenische Sozialstation ist. Der Kurzzeitpflegevertrag vom 25.1.2001, in dem die ökumenische Sozialstation als Vertragspartner der Erblasserin und als "Träger" der Kurzzeitpflegeeinrichtung bezeichnet ist, wurde gerade nicht von der Erblasserin, sondern von dem Beteiligten zu 4 als deren Vertreter unterzeichnet.

Bereits im Hinblick auf diese auf einen Irrtum der Erblasserin hindeutenden Gegebenheiten waren nähere Ermittlungen zum Kenntnisstand und zur Motivation der Erblasserin bei Errichtung des Testaments unerlässlich. Die Möglichkeit eines Irrtums der Erblasserin liegt insbesondere nahe, wenn man den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der testamentarischen Begünstigung der Beteiligten zu 1 und der Aufnahme in die Kurzzeitpflegeeinrichtung "A-Haus" sowie die Lage, in der sich die Erblasserin bei Errichtung des Testaments am 20.1.2001 befand, berücksichtigt. Da die Entlassung der Erblasserin aus der stationären Krankenhausbehandlung alsbald bevorstand, eine Rückkehr der Erblasserin in ihre bisherige Wohnung nicht möglich war und ein Platz im Altenheim noch nicht zur Verfügung stand, waren der weitere Verbleib und die weitere Versorgung der pflegebedürftigen Erblasserin ungeklärt. Für die Erblasserin lag es daher nach der Lebenserfahrung keineswegs fern, ihre Aufnahme in die Kurzzeitpflegeeinrichtung "A-Haus" durch testamentarische Zuwendungen an den Träger der Einrichtung oder eine Institution, die auf diesen rechtlich maßgeblichen Einfluss ausüben konnte, zu fördern. Somit könnte der Umstand, dass die Beteiligte zu 1 entgegen einer solchen Annahme der Erblasserin nicht Träger der Kurzzeitpflegeeinrichtung ist und auf diese aus rechtlicher Sicht auch keinen maßgeblichen Einfluss ausüben konnte, die Anfechtung der entsprechenden letztwilligen Verfügung nach § 2078 Abs. 2 BGB durchgreifen lassen.

Das Landgericht hat Feststellungen zu den Vorstellungen der Erblasserin lediglich im Rahmen der Erörterung einer analogen Anwendung des § 14 HeimG getroffen. Es ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass es auf diese subjektiven Vorstellungen, soweit sie geklärt oder aufklärbar seien, rechtlich nicht ankomme. Es hat dabei aber übersehen, dass diese subjektiven Vorstellungen unmittelbar die Anwendung des § 2078 Abs. 2 BGB rechtfertigen können.

Das Rechtsbeschwerdegericht kann die insoweit notwendigen und möglichen Feststellungen nicht selbst treffen. Die Entscheidung des Landgerichts muss daher aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen werden.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts wird der bisherige Beteiligte zu 4, der Vorsitzende des Stiftungsvorstands der Beteiligten zu 1, anzuhören sein. Dabei wird neben den Umständen, die zur Ausfüllung der schriftlichen Unterlagen vom 25.1.2001 geführt haben, auch zu klären sein, ob die Erblasserin bereits vor Errichtung des Testaments vom 20.1.2001 der Beteiligten zu 1 verbunden war und gegebenenfalls deren Stiftungszweck materiell gefördert hat. Hieraus könnte nämlich Aufschluss darüber gewonnen werden, ob die Erblasserin entgegen den nach der derzeitigen Aktenlage für einen Irrtum sprechenden Umständen die Beteiligte zu 1 unabhängig von ihrer unmittelbar bevorstehenden Kurzzeitpflege unterstützen wollte.

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Das Landgericht wird zu prüfen haben, ob die Beteiligten zu 4, 5 und 6 tatsächlich als Beteiligte oder lediglich als gesetzliche Vertreter der Beteiligten zu 1 zu behandeln sind. Soweit der Beteiligte zu 4 im Hinblick auf seine Einsetzung als Testamentsvollstrecker als Beteiligter behandelt wurde, ist dies im Hinblick darauf, dass er dieses Amt abgelehnt hat, hinfällig geworden.

b) Sollte die Durchführung der weiteren Ermittlungen zu dem Ergebnis führen, dass die Anfechtung des Testaments durchgreift, müsste das Amtsgericht - Nachlassgericht - angewiesen werden, den Erbschein vom 10.2.2002 einzuziehen. Das Nachlassgericht hätte dann in eigener Zuständigkeit (§ 2353 BGB) über den dort nach wie vor anhängigen Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 und 3 zu entscheiden. Dieser entspricht allerdings, da er lediglich auf die Erteilung eines der gesetzlichen Erbfolge entsprechenden Erbscheins gerichtet ist, bisher nicht den Bestimmtheitsanforderungen. Die Erteilung eines Erbscheins setzt nämlich einen inhaltlich bestimmten Erbschein voraus, der das beanspruchte Erbrecht genau bezeichnet (BayObLGZ 1995, 47/50; Palandt/Edenhofer § 2353 Rn. 11).

Das Nachlassgericht darf keinen Erbschein ohne Antrag oder mit einem anderen als dem beantragten Inhalt erteilen (BayObLGZ 1965, 457/464; 1973, 28/30). Das Gericht muss allerdings dem Antragsteller, wenn der Erbschein mit dem beantragten Inhalt nicht erteilt werden kann, unter Hinweis auf die Rechtslage Gelegenheit zu einer Änderung des Antrags geben, wenn ein solcher nach Sachlage in Betracht kommt. Diese Pflicht des Gerichts ergibt sich aus dem Grundgedanken des § 139 ZPO, der im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12 FGG, § 2358 BGB) im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und insbesondere im Erbscheinsverfahren Geltung beanspruchen kann (vgl. BGH FamRZ 1989, 269/271; BayObLGZ 1965, 457/464; 1980, 87/89; Keidel/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rn. 57; Zimmermann ZEV 1995, 275/279). Bei einer Antragstellung im Falle einer erfolgreichen Anfechtung der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 wird in Bezug auf die im Testament vom 10.2.2001 enthaltene Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 zu 1/10 die Vorschrift des § 2085 BGB zu beachten sein.

4. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gerichtskosten fallen im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht an (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO). Unter diesen Um ständen ist auch eine Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren der weiteren Beschwerde nicht erforderlich.

Ende der Entscheidung

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