Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 03.05.2001
Aktenzeichen: 1Z BR 18/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, FGG, KO, AO


Vorschriften:

BGB § 2361
ZPO § 792
FGG § 20
KO § 14
KO § 15
KO § 226 Abs. 1
AO § 45
AO § 249
AO § 251
AO § 322
Zur Frage, ob § 792 ZPO im steuerlichen Vollstreckungsverfahren nach §§ 249 ff. AO. angewendet werden kann.
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Kenklies und Seifried

am 3. Mai 2001

in der Nachlasssache

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 5 gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 24. August 1999 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Abänderung dieses Beschlusses die Beschwerde des Beteiligten zu 5 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Miesbach vom 22. Oktober 1998 verworfen wird.

II. Der Beteiligte zu 5 hat dem Beteiligten zu 1 die diesem im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert der weiteren Beschwerde wird auf 250000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der 1998 verstorbene Erblasser war nicht verheiratet. Er hat in seinem handschriftlichen Testament vom 25.4.1993 den Beteiligten zu 1, seinen 1981 geborenen Sohn, zum befreiten Vorerben eingesetzt, zu Nacherben dessen leibliche Abkömmlinge, ersatzweise eine zu gründende gemeinnützige Stiftung. Er hat ferner Testamentsvollstreckung angeordnet bis zum vollendeten 25. Lebensjahr des Vorerben und dessen Mutter, die Beteiligte zu 2, zur Testamentsvollstreckerin ernannt.

Das Testament wurde am 15.1.1998 eröffnet. Am 30.1.1998 nahm die Beteiligte zu 2 das Amt des Testamentsvollstreckers an. Eine Erklärung, ob die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen werde, wurde nicht abgegeben. Auf Antrag des Finanzamts, das rückständige Einkommensteuerschulden des Erblassers aus den Jahren 1982 bis 1997 in Höhe von über 32 Mio DM geltend machte, setzte das Nachlassgericht dem durch die Beteiligte zu 2 gesetzlich vertretenen Beteiligten zu 1 durch Beschluss vom 23.3.1998 eine Inventarfrist. Innerhalb dieser (verlängerten) Frist reichte die Beteiligte zu 2 das von ihr unter Zuziehung eines Notars errichtete Nachlassverzeichnis vom 2.7.1998 ein. Es weist Aktiva in Höhe von rund 115224000 DM, Passiva in Höhe von rund 198482000 DM aus. Mit Schreiben vom 7.4.1998 hatte die Beteiligte zu 2 beantragt, Nachlassverwaltung anzuordnen. Ferner hatten ihre Verfahrensbevollmächtigten noch im April 1998 einen Antrag auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens gestellt. Dieses endete mit Ausschlussurteil des Amtsgerichts vom 2.7.1998. Am 7.7.1998 beantragten der Beteiligte zu 1, gesetzlich vertreten durch die Beteiligte zu 2, und die Beteiligte zu 2 als Testamentsvollstreckerin die Eröffnung des Nachlasskonkursverfahrens. Das Amtsgericht - Konkursgericht - eröffnete mit Beschluss vom 8.7.1998 das Konkursverfahren über den Nachlass des Erblassers. Es bestellte den Beteiligten zu 4 zum Konkursverwalter. Am 10.7.1998 stellte die Beteiligte zu 2 als gesetzliche Vertreterin des Beteiligten zu 1 zur Niederschrift des Rechtspflegers einen Erbscheinsantrag und erklärte u.a. die Annahme der Erbschaft. Entsprechend ihrem Antrag erteilte der Nachlassrichter am 10.7.1998 einen Erbschein, der den Beteiligten zu 1 als alleinigen Erben und die Beschränkungen durch Nacherbschaft und Testamentsvollstreckung auswies.

Mit notarieller Urkunde vom 3.8.1998 berichtigte die Beteiligte zu 2 das Nachlassverzeichnis vom 2.7.1998. Danach erhöhten sich die Aktiva auf rund 181656000 DM, die Passiva auf rund 264100000 DM.

Mit notariell beglaubigtem Schreiben vom 6.8.1998, beim Nachlassgericht am selben Tage eingegangen, erklärte die Beteiligte zu 2 als gesetzliche Vertreterin des Beteiligten zu 1 die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist sowie der Annahme der Erbschaft "wegen Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften des Nachlasses"; gleichzeitig reichte sie die ihr erteilten zwei Ausfertigungen sowie eine Abschrift des Erbscheins vom 10.7.1998 zurück. Das Familiengericht genehmigte diese Erklärung mit Beschluss vom 20.10.1998. Mit Anwaltschreiben vom 21.9.1998 hatte die Beteiligte zu 2 ferner ihr Amt als Testamentsvollstreckerin niedergelegt und das ihr erteilte Testamentsvollstreckerzeugnis zurückgegeben.

Das Nachlassgericht ordnete mit Beschluss vom 20.10.1998 Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben des Erblassers an und bestellte den Beteiligten zu 3 zum Nachlasspfleger. Mit Beschluss vom 22.10.1998 zog es den Erbschein vom 10.7.1998 ein, weil durch die Anfechtung der Annahme der Erbschaft der im Erbschein ausgewiesene Erbe weggefallen, der Erbschein damit unrichtig geworden sei.

Gegen diesen Beschluss legte das Finanzamt für den Freistaat Bayern mit Schreiben vom 8.12.1998 Beschwerde ein mit dem Antrag, das Nachlassgericht zur Erteilung eines Erbscheins gleichen Inhalts wie des eingezogenen anzuweisen; hierbei berief sich das Finanzamt auf ein eigenes Antragsrecht, da vollstreckbare Steuerbescheide gegen den Erblasser in Höhe von insgesamt 32242942,72 DM vorlägen.

Der Beteiligte zu 1, vertreten durch die Beteiligte zu 2, bestritt die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 5 und legte zur Begründung der Anfechtung dar, es sei für seine gesetzliche Vertreterin bis zur Errichtung des Nachlassverzeichnisses vom 2.7.1998 nicht erkennbar gewesen, dass der Nachlass überschuldet sei. Erst nach Durchführung des Aufgebotsverfahrens und Erlass des Ausschlussurteils des Amtsgerichts vom 2.7.1998 habe sich herausgestellt, dass der Nachlass mit weiteren Verbindlichkeiten in Höhe von über 65 Mio DM belastet sei, und dass eine Teilkommanditbeteiligung mit einer Hafteinlage in Höhe von 3274500 DM nicht in die - vom Beteiligten zu 1 am 16.7.1998 ausgeschlagene - Nacherbschaft nach der Mutter des Erblassers, sondern in den Nachlass des Erblassers falle. Diese Beteiligung sei vom Erblasser in vollem Umfang als Sicherheit an eine Bank abgetreten worden, der auch die Erträge aus ihr zustünden. obwohl daher dem Beteiligten zu 1 aus dieser weiteren Beteiligung keine Gewinne zuflössen, habe das Finanzamt nach dem Erbfall gegen ihn wegen ihm angeblich hieraus zuzurechnender Unternehmensgewinne Einkommensteuervorauszahlungen in erheblicher Höhe festgesetzt und die Zwangsvollstreckung betrieben. Er müsse außerdem damit rechnen, dass ihm bei einer Verwertung der Beteiligung durch die Bank auch Veräußerungsgewinne steuerlich zugerechnet würden und ihn so eine zusätzliche Einkommensteuerbelastung in beachtlicher Höhe treffe. Er habe sich also im Zusammenhang mit der vorher unbekannten Teilkommanditbeteiligung weiteren Verbindlichkeiten, insbesondere Einkommensteuerverbindlichkeiten ausgesetzt gesehen, denen aufgrund der Sicherungsabtretung keine ihm zustehenden äquivalenten Aktiva gegenübergestanden seien. Darüber hinaus habe das Finanzamt in einem Schreiben vom 22.7.1998 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs den Standpunkt eingenommen, dass es sich bei den Einkommensteuerverbindlichkeiten aus den Einkünften aus den ererbten Beteiligungen nicht um Nachlassverbindlichkeiten handle, so dass eine Haftungsbeschränkung auf das ererbte Vermögen nach § 1975 BGB nicht möglich sei. Bis zu diesem Schreiben seien die Beteiligten zu 1 und 2 der Meinung gewesen, dass dem Beteiligten zu 1 für alle im Zusammenhang mit der Erbschaft stehenden Verbindlichkeiten die Möglichkeit zustehe, die persönliche Haftung durch Nachlasskonkurs auf das ererbte Vermögen zu beschränken. Letztlich deswegen habe er innerhalb der gesetzlichen Frist von der Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen, keinen Gebrauch gemacht.

Das Landgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 24.8.1999 als unbegründet zurückgewiesen, weil es die Anfechtung als durchgreifend angesehen hat.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 5 (Freistaat Bayern).

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 FGG). Insbesondere ist die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 5 für die weitere Beschwerde ohne Rücksicht auf seine Beschwerdeberechtigung für die Erstbeschwerde gegeben, weil seine Erstbeschwerde zurückgewiesen wurde (Bassenge/ Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 27 FGG Rn. 7).

Im Ergebnis ist die weitere Beschwerde ohne Erfolg. Allerdings ergibt die Prüfung der angefochtenen Entscheidung, dass die Erstbeschwerde wegen fehlender Beschwerdeberechtigung unzulässig und daher zu verwerfen war.

1. Das Gericht der weiteren Beschwerde prüft die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung der Vorinstanz ohne Bindung an die Beschwerderügen der weiteren Beschwerde. Es prüft daher auch von Amts wegen die Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Erstbeschwerde (Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 15).

2. Das Landgericht hat die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 5 für die Erstbeschwerde mit folgender Begründung bejaht: Im Erbscheinserteilungsverfahren sei grundsätzlich derjenige als beschwerdeberechtigt anzusehen, der berechtigt sei, einen Erbscheinsantrag zu stellen. Das Finanzamt strebe die Erteilung eines Erbscheins mit dem Inhalt des eingezogenen Erbscheins an. Es sei für die Erteilung eines Erbscheins entsprechend § 792 ZPO antragsberechtigt. Der Freistaat Bayern, vertreten durch das Finanzamt, habe gegen den Erblasser titulierte Forderungen aus vollstreckbaren Steuerbescheiden. Die Abgabenordnung enthalte zwar eine eigenständige Regelung der Vollstreckung. Diese enthalte aber keine mit § 792 ZPO vergleichbare Regelung, weswegen der Rückgriff auf § 792 ZPO zulässig sei. Zur Zeit sei zwar wegen des Nachlasskonkursverfahrens die Zwangsvollstreckung in den Nachlass unzulässig; dies gelte jedoch lediglich für die Dauer des laufenden Konkursverfahrens. Im Nachlass befänden sich Grundstücke, in die der Beschwerdeführer nach Beendigung des Konkursverfahrens vollstrecken wolle. Es sei absehbar, dass das Konkursverfahren nicht zur vollständigen Befriedigung der Gläubiger und somit auch des Beschwerdeführers führen werde. Ob nach Durchführung des Konkursverfahrens noch Werte zur Verteilung anstünden, sei zwar zur Zeit völlig unklar. Auch könne noch nicht abschließend gesagt werden, ob die Haftungsbeschränkung nach durchgeführtem Nachlasskonkursverfahren wirksam werde. "Aufgrund der Zeitdauer der jeweiligen Verfahren (Konkursverfahren bzw. Erbscheinsverfahren)" sei der Beschwerdeführer jedoch "nicht gehindert, beide Verfahren parallel zu betreiben".

3. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

a) Die Ausführungen des Landgerichts beziehen sich auf die Beschwerdeberechtigung im Erbscheinserteilungsverfahren. Die Beschwerde richtete sich aber gegen einen die Einziehung eines bereits erteilten Erbscheins anordnenden Beschluss. Das Recht zur Beschwerde gegen die Einziehung eines Erbscheins steht jedem für den Erbschein Antragsberechtigten zu (BGHZ 30, 220; Staudinger/Schilken BGB 13. Bearb. Rn. 30; Münch-Komm/Promberger BGB 3. Aufl. Rn. 44; Palandt/Edenhofer BGB 60. Aufl. Rn. 15 jeweils zu § 2361). Das Landgericht hat daher im Ergebnis zutreffend geprüft, ob dem Beteiligten zu 5 das Recht zusteht, die Wiedererteilung des bereits eingezogenen Erbscheins zu beantragen; hiervon hängt seine Beschwerdeberechtigung ab.

b) Das Landgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass der Steuerfiskus, der gegen den Erblasser Steuerforderungen geltend macht, im Erbscheinsverfahren die Stellung eines Nachlassgläubigers hat, und dass ihm lediglich aufgrund seiner Stellung als Nachlassgläubiger kein Antragsrecht nach § 2353 BGB zusteht (MünchKomm/Promberger Rn. 135; Palandt/Edenhofer Rn. 13 jeweils zu § 2353); vielmehr kann nur der Nachlassgläubiger, der bereits einen vollstreckbaren Titel besitzt und zum Zwecke der Zwangsvollstreckung eines Erbscheins bedarf, die Erteilung eines Erbscheins anstelle des Schuldners beantragen (§§ 792, 896 ZPO; Staudinger/Schilken Rn. 46, Münch-Komm/Promberger Rn. 136; Palandt/Edenhofer Rn. 13 jeweils zu § 2353).

c) Das Landgericht hält § 792 ZPO im steuerlichen Vollstreckungsverfahren für entsprechend anwendbar. Dies ist nur für bestimmte Fallgestaltungen zutreffend.

Grundsätzlich ist die Vollstreckung von abgaberechtlichen Verwaltungsakten in den §§ 249 ff. AO eigenständig geregelt. Diese Vorschriften schließen die Anwendung des zivilrechtlichen Vollstreckungsrechts auf das steuerliche Vollstreckungsverfahren aus, soweit im Abgabenrecht eigene Regelungen getroffen worden sind (BFH BStB1 1996 II 511/512; Tipke/Kruse AO Rn. 13; Klein/Brockmeyer AO 7. Aufl. Rn. 2; Hübschmann/ Hepp/Spitaler AO 10. Aufl. Rn. 28 jeweils Vor § 249). Die Eigenständigkeit der Vollstreckung nach der Abgabenordnung gegenüber der Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozessordnung ist insbesondere dadurch bedingt, dass die Finanzbehörde als Gläubigerin für die zwangsweise Durchsetzung ihrer Ansprüche weder eines vollstreckbaren Titels noch einer Vollstreckungsklausel im Sinne der Zivilprozessordnung bedarf. Grundlage der Vollstreckung nach der Abgabenordnung ist vielmehr die behördliche Feststellung in Gestalt eines Verwaltungsakts, dass eine Leistung nach dem Gesetz geschuldet wird. Die Vollstreckung ist Behörden übertragen ("Selbstvollstreckung", § 249 AO; Tipke/Kruse Rn. 13; Hübschmann/Hepp/Spitaler Rn. 18, 24 jeweils aaO; App JuS 1987, 203). Soweit in vollstreckungsrechtlichen Vorschriften der Abgabenordnung auf Vorschriften der Zivilprozessordnung verwiesen wird (vgl. Tipke/Kruse aaO Rn. 14), ist grundsätzlich dort, wo nach der Zivilprozessordnung das Vollstreckungsgericht entscheidet, die Vollstreckungsbehörde selbst zur Entscheidung zuständig (BFH BStBl 1997 II 308/310; App JuS 1987, 203/207). Insoweit bedarf die Steuervollstreckungsbehörde, wenn sie gegen den Erblasser erlassene Verwaltungsakte gegen den Erben vollstrecken will, keines Nachweises in der Form eines Erbscheins, wie bei der Erteilung einer Vollstreckungsklausel gegen den Erben nach § 727 ZPO (vgl. Zöller/Stöber ZPO 22. Aufl. § 727 Rn. 14, 20); sie kann vielmehr selbst das nach § 254 Abs. 1 Satz 3 AO erforderliche Leistungsgebot (vgl. Klein/Brockmeyer § 254 Rn. 1, 4 f.) an denjenigen richten, den sie für den Erben hält. Wo allerdings wie bei der Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen des Steuerschuldners schlechthin auf die für die gerichtliche Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften verwiesen und der Vollstreckungsbehörde nur die Stellung des Zwangsvollstreckungsgläubigers eingeräumt wird (§ 322 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 AO), kann es vorkommen, dass die Vollstreckungsbehörde gegenüber dem Vollstreckungsgericht zum Nachweis der Erbeneigenschaft eines Erbscheins bedarf, wie im Fall des § 17 Abs. 1 und 3 ZVG. In einem derartigen Fall ist auch § 792 ZPO anwendbar, wie sich unmittelbar aus § 322 Abs. 1 Satz 2 AO ergibt.

d) Die Anwendbarkeit des § 792 ZPO in einem derartigen Fall setzt aber voraus, dass der Gläubiger eines Erbscheins zum Zwecke der Zwangsvollstreckung bedarf. Das Landgericht hat das Vorliegen dieser Voraussetzung lediglich im Hinblick auf mögliche, aber noch ungewisse künftige Vollstreckungsmaßnahmen bejaht. Die Beschwerdeberechtigung nach § 20 Abs. 1 FGG ist aber nur gegeben, wenn das Recht, von dessen Beeinträchtigung das Beschwerderecht abhängt, im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung bereits bestanden hat und dem Beschwerdeführer auch zur Zeit der Beschwerdeeinlegung und zur Zeit der Entscheidung des Beschwerdegerichts noch zusteht; die künftige Möglichkeit eines solchen Rechts genügt nicht (BGH NJW 1989, 1858 f.; Keidel/Kahl Rn. 15; Bassenge/ Herbst Rn. 11 jeweils zu § 20 FGG).

aa) Der Beteiligte zu 5 hat sich zur Begründung seines Beschwerderechts zunächst auf seine titulierten Forderungen gegen den Nachlass berufen. Im weiteren Fortgang des Verfahrens hat er geltend gemacht, er benötige einen Erbschein für den Fall, dass das Nachlasskonkursverfahren aus welchen Gründen auch immer aufgehoben werde; im Nachlass befänden sich Grundstücke, in die er wegen der Steuerschulden des Beteiligten zu 1 nach § 17 ZVG nur mit einem Erbschein vollstrecken könne.

bb) Für die Zeit des bereits vor Erlass des angefochtenen amtsgerichtlichen Beschlusses eröffneten, noch nicht beendeten Nachlasskonkurses sind zum Nachlass gehörende Grundstücke Teil der Konkursmasse. Weder für die Steuerschulden des Erblassers noch für etwaige Steuerschulden des Beteiligte n zu 1 kann der Beteiligte zu 5 bis zur Beendigung des Nachlasskonkurses in sie vollstrecken.

(1) Für die gegen den Erblasser begründeten Steuerschulden haftet der Erbe nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten (S 45 AO; vgl. MünchKomm/Siegmann § 1967 Rn. 75 ff.). In dem hier gegebenen Fall eines vor dem 1.1.1999 beantragten und eröffneten Nachlasskonkurses beschränkt sich die Haftung des Erben auf den Nachlass (§ 1975 BGB). Die Finanzbehörde kann wegen des Grundsatzes des Vorrangs des Konkursrechts vor dem Steuerrecht ihre Ansprüche gegen den Erben nur mehr nach den Regeln des Konkursverfahrens geltend machen (§ 251 Abs. 1 AO; Art. 103 EGInsO; Tipke/Kruse § 251 Rn. 5, 8, 146). Eine Vollstreckung nach den Vorschriften des 6. Teils der Abgabenordnung ist dagegen nach Eröffnung des Konkursverfahrens weder in die Konkursmasse noch in das sonstige Vermögen des Erben möglich (§ 14 Ko; Tipke/Kruse Rn. 146, Klein/Brockmeyer Rn. 4 jeweils zu § 251).

Gegenwärtig kommt also eine Vollstreckung des Beteiligten zu 5 in zum Nachlass gehörende Grundstücke wegen der bereits gegen den Erblasser begründeten Steuerforderungen nicht in Betracht. Im Nachlasskonkursverfahren aber benötigt der Beteiligte zu 5 keinen Erbschein.

(2) Auch wegen der nach Meinung des Beteiligten zu 5 bestehenden Eigenschulden des Erben sind während der Dauer des Nachlasskonkurses Vollstreckungsmaßnahmen in die zur Konkursmasse gehörenden Grundstücke nach §§ 15, 226 Abs. 1 KO unzulässig. Die Eigenschulden des Erben können im Nachlasskonkurs nicht geltend gemacht werden; denn am Nachlasskonkurs können nur Nachlassgläubiger teilnehmen, nicht dagegen Gläubiger des Erben (Kuhn/Uhlenbruck KO 11. Aufl. § 226 Rn. 1; Jaeger/Weber, KO 8. Aufl. §§ 226, 227 Rn. 1; Staudinger/Marotzke § 1975 Rn. 2). Zwangsvollstreckungen, die nach Konkurseröffnung von einem Nichtkonkursgläubiger in Gegenstände der Konkursmasse bewirkt werden, fallen unter § 15 KO (Kuhn/Uhlenbruck § 14 Rn. 14, § 15 Rn. 4; Jaeger/Henckel KO 9. Aufl. § 15 Rn. 11). Das Vollstreckungsgericht müsste daher einen Antrag auf Zwangsversteigerung eines in den Nachlasskonkurs fallenden Grundstücks wegen einer Eigenschuld des Erben zurückweisen (iaeger/Henckel aaO; Böttcher ZVG 3. Aufl. §§ 15, 16 Rn. 70).

cc) Ob nach Beendigung des Nachlasskonkurses eine Vollstreckung des Beteiligten zu 5 in Nachlassgrundstücke noch in Betracht kommt, ist auch nach Meinung des Landgerichts ungewiss; dies hängt davon ab, ob die Grundstücke im Zeitpunkt der Beendigung des Nachlasskonkurses noch vorhanden oder aber vorher verwertet worden sind. Das Nachlasskonkursverfahren kann nur durch Aufhebung oder Einstellung beendet werden; die Aufhebungs- und Einstellungsgründe sind im Gesetz erschöpfend aufgeführt (vgl. Kilger/Karsten Schmidt Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 202 KO Anm. 1). Kommt es nicht zu einer Einstellung nach § 202 KO - eine Einstellung nach § 204 KO kommt bei Aktiva von mehr als 181 Mio DM nicht in Betracht -, und kommt es auch zu keinem Zwangsvergleich (vgl. §§ 190, 192 KO), so kann das Konkursverfahren nur nach vollständiger Verwertung der Masse und Abhaltung des Schlußtermins aufgehoben werden (§ 163 KO). Gemäß dem Nachlassverzeichnis vom 3.8.1998 übersteigen die Nachlassverbindlichkeiten die Nachlassaktiva um ca. 83 Mio DM. Es kann daher nicht angenommen werden, dass bei Durchführung des Konkursverfahrens bis zu einer Aufhebung nach § 163 KO noch Nachlassgrundstücke übrig bleiben werden.

Danach besteht gegenwärtig, wie auch schon bei Erlass des angefochtenen amtsgerichtlichen Beschlusses, lediglich die ungewisse Möglichkeit, dass es nach Beendigung des Nachlasskonkurses noch zu Vollstreckungsmaßnahmen des Beteiligten zu 5 in Nachlassgrundstücke kommt, für die der Beteiligte zu 5 einen Erbschein benötigen würde. Damit besteht auch nur die ungewisse Möglichkeit, dass der Beteiligte zu 5 künftig - jedenfalls aber nicht zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts und zum jetzigen Zeitpunkt - das Recht haben wird, einen Erbschein zu beantragen. Diese künftige Möglichkeit kann - wie oben ausgeführt - dessen Beschwerdeberechtigung im jetzigen Zeitpunkt nicht begründen.

4. Der Beteiligte zu 5 hat seine Beschwerdeberechtigung auch mit der Überlegung zu begründen versucht, dass mit dem Erbschein eine Rechtsvermutung verbunden sei, die ihm "für alle eventuell noch zu führenden Rechtsstreitigkeiten" zustatten käme.

Mit dieser Überlegung lässt sich nur begründen, dass der Beteiligte zu 5 an einem Erbschein ein rechtliches Interesse hat, nicht aber, dass er auf seine Erteilung ein Recht hat. § 20 Abs. 1 FGG verlangt jedoch, dass ein Recht des Beschwerdeführers beeinträchtigt wird; die Beeinträchtigung lediglich eines rechtlichen Interesses genügt nicht (BGH NJW 1989, 1858).

5. Die weitere Beschwerde hat daher im Ergebnis keinen Erfolg. Hat das Landgericht aber eine unzulässige Beschwerde zu Unrecht aus sachlichen Gründen zurückgewiesen, obwohl sie unzulässig war, so ist die weitere Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass in Abänderung der Beschwerdeentscheidung die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen wird (BayObLG NJW-RR 1990, 1287/1288; Keidel/Kahl Rn. 67; Bassenge/Herbst Rn. 29 jeweils zu § 27 FGG). Die vom Landgericht bejahte Frage, ob für die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist ein Anfechtungsgrund besteht, ist auf die Beschwerde des Beteiligten zu 5 in der Sache nicht zu prüfen. Es muss daher im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob der Erbschein vom 10.7.1998 infolge der Anfechtung unrichtig geworden ist.

6. Es bedarf keiner Entscheidung darüber, wer die Gerichtskosten zu tragen hat, da sich dies unmittelbar aus § 2 Nr. 1 KostO ergibt.

Die Anordnung der Kostenerstattung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Der Beteiligte zu 5 hat allerdings nur die dem Beteiligten zu 1 entstandenen Kosten zu erstatten, da die Beteiligte zu 2 nicht mehr gesetzliche Vertreterin des am 4.5.1999 volljährig gewordenen Beteiligten zu 1 und auch aus sonstigen Gründen nicht materiell beteiligt ist (vgl. BayObLG NJW-FER 2000, 320/321 f.). Für eine Entscheidung über die Erstattung der Kosten der übrigen Beteiligten besteht schon deshalb kein Anlass, weil sie im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht hervorgetreten sind.

Der Geschäftswert der weiteren Beschwerde wird übereinstimmend mit dem Geschäftswert der Beschwerde auf 250000 DM festgesetzt (§§ 30, 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2 KostO).

Ende der Entscheidung

Zurück